Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Aus den deutschen Volksräten [Beginn Spaltensatz] stürz der chinesischen Mauer des Kastengeistes Culm. Unser Deutscher Volksrat wurde Da Culm selbst für die Landbewohner Culmsee. Der deutsche Volksrat in Thorn. Das Deutschtum vereinigen, Zukunft paritätisch leben werden, sondern für Am folgenden Tage fand eine Besprechung Zu einer kraftvollen Kundgebung gestnliete Aus den deutschen Volksräten [Beginn Spaltensatz] stürz der chinesischen Mauer des Kastengeistes Culm. Unser Deutscher Volksrat wurde Da Culm selbst für die Landbewohner Culmsee. Der deutsche Volksrat in Thorn. Das Deutschtum vereinigen, Zukunft paritätisch leben werden, sondern für Am folgenden Tage fand eine Besprechung Zu einer kraftvollen Kundgebung gestnliete <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335808"/> <fw type="header" place="top"> Aus den deutschen Volksräten</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1925" prev="#ID_1924"> stürz der chinesischen Mauer des Kastengeistes<lb/> und Standesdünkels begrüßte. In der nach¬<lb/> folgenden geschäftlichen Sitzung kam die<lb/> Entschlossenheit aller Kreise der deutschen<lb/> Bevölkerung Westpreußens zu entschiedenem<lb/> Ausdruck, den Bergewaltigungsabsichten der<lb/> Polen, insbesondere der Landung Polnischer<lb/> Truppen den äußersten Widerstand mit den<lb/> letzten Mitteln entgegenzusetzen.</p> <p xml:id="ID_1926"> Culm. Unser Deutscher Volksrat wurde<lb/> im Anschluß an zwei große, gut besuchte<lb/> Versammlungen am 2t. Dezember v. I.<lb/> gegründet. In unserem Bezirk liegen die<lb/> Verhältnisse für Culm selbst verhältnismäßig<lb/> einfach, doch ist gerade in unseren Kreisen<lb/> die Arbeit auf dein Lande ungemein erschwert.<lb/> Die Arbeit in unserem Kreise vollzieht sich<lb/> folgendermaßen: Zunächst werden die Ver¬<lb/> trauensmänner mit Listen herumgeschickt, um<lb/> festzustellen, wieviel Leute dem Deutschen<lb/> Volkskunde beitreten wallen, da diese Listen<lb/> bei der dem Friedensschluß wahrscheinlich<lb/> vorausgehenden Volksabstimmung oder direkt<lb/> beim Auswärtigen Amt für die Friedens¬<lb/> verhandlungen gebraucht werden dürften.<lb/> Visher sind bei uns etwa 6000—6000 Deutsche<lb/> auf dem Lande festgestellt worden. Außer¬<lb/> dem wird durch diese Listen auch für die<lb/> Zeichnung von Beiträgen geworben, und da<lb/> haben wir die betrübende Erfahrung machen<lb/> müssen, daß die sogenannten „kleinen Leute"<lb/> ihr letztes Scherflein zeichnen, die Vermögenden<lb/> aber zu Zeichnungen nur schwer zu bewegen<lb/> sind.</p> <p xml:id="ID_1927"> Da Culm selbst für die Landbewohner<lb/> unseres Kreises nur schwer zu erreichen ist,<lb/> haben wir für jede Gemeinde einen Gemeinde¬<lb/> volksrat gegründet, der in der Gemeinde die¬<lb/> selben Aufgaben zu erfüllen hat, wie ein<lb/> Volksrat für größere Verbände.</p> <p xml:id="ID_1928"> Culmsee. Der deutsche Volksrat in<lb/> Culmsee veranstaltete am Sonntag eine stark<lb/> besuchte Volksversammlung, in der Männer<lb/> und Frauen aller Parteien den Gedanken<lb/> des Zusammenschlusses zum Schutze der<lb/> deutschen Kultur nach den eindrucksvoller<lb/> Ausführungen des Schriftstellers Karl Arthur<lb/> Vollrath begeistert ausgriffen.</p> <p xml:id="ID_1929" next="#ID_1930"> Thorn. Das Deutschtum vereinigen,<lb/> nicht gegen die Polen, mit denen wir in</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1930" prev="#ID_1929"> Zukunft paritätisch leben werden, sondern für<lb/> uns arbeiten, die guten Kräfte im Volke<lb/> wieder wecken, das deutsche Selbstbewußtsei»<lb/> stärken, eine „Sozialisierung der Politik" in<lb/> der Selbstverwaltung erstreben — das waren<lb/> einige der Leitsätze, die Geheimer Regierungs-<lb/> rat Cleinow in der Aula des Thorner<lb/> Gymnasiums vor geladenen Gästen ent¬<lb/> wickelte. Unsere im Krieg verwilderte Jugend,<lb/> aber auch die älteren Jahrgänge müssen wir<lb/> wieder zur Arbeit erziehen. Nur durch die<lb/> „Moralität der Arbeit" könne unser um sein<lb/> Alles kämpfendes Volk gesunden. Um der<lb/> drohenden Auswanderung zuvorzukommen,<lb/> sei es nötig, das Kleinsiedelungswesen auf dem<lb/> Lande rasch zu entwickeln und zwar in Haus¬<lb/> bau- und Dorfanlage unter wesentlich<lb/> schlichterer Formen als früher. In der<lb/> Stadt aber müßten vor allem Kastengeist<lb/> und Parteiclique fallen und die Deutschen<lb/> aller Stände zusammenrücken, um zunächst<lb/> einmal über die. gemeinsamen Nöte der<lb/> engeren Heimat sich auszusprechen. Der<lb/> Vorschlag des Redners, die Arbeit in der<lb/> engeren Heimat aufzubauen und auch in<lb/> Thorn statt des einen großen VolksrateS ein?<lb/> Anzahl kleinere Volksrüte — etwa acht —<lb/> für Stadt und Vorstädte zu bilden, fand<lb/> die Beistimmung der Versammelten und aller<lb/> Redner. Eine zweite Versammlung im<lb/> Stadtverordnetensaal, am Tage darauf, zu<lb/> der auch Vertreter der Gewerkschaften und<lb/> der Sozialdemokrntie erschienen waren, über¬<lb/> trug die Neuorganisation, die rasche Fort¬<lb/> schritte machen dürfte, dem Vollzugsausschuß<lb/> des bisherigen Volksrates. Zustimmende<lb/> Erklärungen der deutschen Arbeitervertrete^<lb/> verhießen zwar naturgemäß nicht korporativen<lb/> Beitritt der Organisation, aber doch bereit¬<lb/> willige Mitarbeit.</p> <p xml:id="ID_1931"> Am folgenden Tage fand eine Besprechung<lb/> mit Großgrundbesitzern des Landkreises<lb/> Thorn statt, in der die Bildung von Volks-<lb/> räten auf dem Lande unter Beteiligung der<lb/> Arbeiter und die Siedelungssragen besprochen<lb/> wurde. Ein Ausschuß wurde gebildet, der<lb/> die weitere Arbeit zu leisten haben wird.</p> <p xml:id="ID_1932"> Zu einer kraftvollen Kundgebung gestnliete<lb/> sich die am 20. März vom Deutschen Volks¬<lb/> rat Thorn in den Biktoriapark von allen<lb/> Parteien einberufene Volksversammlung, in</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Aus den deutschen Volksräten
stürz der chinesischen Mauer des Kastengeistes
und Standesdünkels begrüßte. In der nach¬
folgenden geschäftlichen Sitzung kam die
Entschlossenheit aller Kreise der deutschen
Bevölkerung Westpreußens zu entschiedenem
Ausdruck, den Bergewaltigungsabsichten der
Polen, insbesondere der Landung Polnischer
Truppen den äußersten Widerstand mit den
letzten Mitteln entgegenzusetzen.
Culm. Unser Deutscher Volksrat wurde
im Anschluß an zwei große, gut besuchte
Versammlungen am 2t. Dezember v. I.
gegründet. In unserem Bezirk liegen die
Verhältnisse für Culm selbst verhältnismäßig
einfach, doch ist gerade in unseren Kreisen
die Arbeit auf dein Lande ungemein erschwert.
Die Arbeit in unserem Kreise vollzieht sich
folgendermaßen: Zunächst werden die Ver¬
trauensmänner mit Listen herumgeschickt, um
festzustellen, wieviel Leute dem Deutschen
Volkskunde beitreten wallen, da diese Listen
bei der dem Friedensschluß wahrscheinlich
vorausgehenden Volksabstimmung oder direkt
beim Auswärtigen Amt für die Friedens¬
verhandlungen gebraucht werden dürften.
Visher sind bei uns etwa 6000—6000 Deutsche
auf dem Lande festgestellt worden. Außer¬
dem wird durch diese Listen auch für die
Zeichnung von Beiträgen geworben, und da
haben wir die betrübende Erfahrung machen
müssen, daß die sogenannten „kleinen Leute"
ihr letztes Scherflein zeichnen, die Vermögenden
aber zu Zeichnungen nur schwer zu bewegen
sind.
Da Culm selbst für die Landbewohner
unseres Kreises nur schwer zu erreichen ist,
haben wir für jede Gemeinde einen Gemeinde¬
volksrat gegründet, der in der Gemeinde die¬
selben Aufgaben zu erfüllen hat, wie ein
Volksrat für größere Verbände.
Culmsee. Der deutsche Volksrat in
Culmsee veranstaltete am Sonntag eine stark
besuchte Volksversammlung, in der Männer
und Frauen aller Parteien den Gedanken
des Zusammenschlusses zum Schutze der
deutschen Kultur nach den eindrucksvoller
Ausführungen des Schriftstellers Karl Arthur
Vollrath begeistert ausgriffen.
Thorn. Das Deutschtum vereinigen,
nicht gegen die Polen, mit denen wir in
Zukunft paritätisch leben werden, sondern für
uns arbeiten, die guten Kräfte im Volke
wieder wecken, das deutsche Selbstbewußtsei»
stärken, eine „Sozialisierung der Politik" in
der Selbstverwaltung erstreben — das waren
einige der Leitsätze, die Geheimer Regierungs-
rat Cleinow in der Aula des Thorner
Gymnasiums vor geladenen Gästen ent¬
wickelte. Unsere im Krieg verwilderte Jugend,
aber auch die älteren Jahrgänge müssen wir
wieder zur Arbeit erziehen. Nur durch die
„Moralität der Arbeit" könne unser um sein
Alles kämpfendes Volk gesunden. Um der
drohenden Auswanderung zuvorzukommen,
sei es nötig, das Kleinsiedelungswesen auf dem
Lande rasch zu entwickeln und zwar in Haus¬
bau- und Dorfanlage unter wesentlich
schlichterer Formen als früher. In der
Stadt aber müßten vor allem Kastengeist
und Parteiclique fallen und die Deutschen
aller Stände zusammenrücken, um zunächst
einmal über die. gemeinsamen Nöte der
engeren Heimat sich auszusprechen. Der
Vorschlag des Redners, die Arbeit in der
engeren Heimat aufzubauen und auch in
Thorn statt des einen großen VolksrateS ein?
Anzahl kleinere Volksrüte — etwa acht —
für Stadt und Vorstädte zu bilden, fand
die Beistimmung der Versammelten und aller
Redner. Eine zweite Versammlung im
Stadtverordnetensaal, am Tage darauf, zu
der auch Vertreter der Gewerkschaften und
der Sozialdemokrntie erschienen waren, über¬
trug die Neuorganisation, die rasche Fort¬
schritte machen dürfte, dem Vollzugsausschuß
des bisherigen Volksrates. Zustimmende
Erklärungen der deutschen Arbeitervertrete^
verhießen zwar naturgemäß nicht korporativen
Beitritt der Organisation, aber doch bereit¬
willige Mitarbeit.
Am folgenden Tage fand eine Besprechung
mit Großgrundbesitzern des Landkreises
Thorn statt, in der die Bildung von Volks-
räten auf dem Lande unter Beteiligung der
Arbeiter und die Siedelungssragen besprochen
wurde. Ein Ausschuß wurde gebildet, der
die weitere Arbeit zu leisten haben wird.
Zu einer kraftvollen Kundgebung gestnliete
sich die am 20. März vom Deutschen Volks¬
rat Thorn in den Biktoriapark von allen
Parteien einberufene Volksversammlung, in
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