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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Ist Bismarck durch den McKkricg widerlegt worde"?

scheidet. Das ist schon oft ldargelegt -worden. ^) Bismarck ging in seiner Politik
nach 1871 von der Ansicht aus, das; Deutschland "saturiert" sei. Nur zögernd
ist er an den Erwerb von Kolonien herangetreten und deren Verwaltung durch
kaufmännische Gesellschaften, denen der Staat lediglich seinen Schutz lieh, war
sein Ideal.") Die Politik Wilhelms des Zweiten war im Gegensatz hierzu eine
Expansionspolitik, eine Politik des "größeren Deutschlands". Von 1895 bis zum
Ausbruch des Krieges war diese Politik lediglich aus Pflege unserer überseeischen
Beziehungen, Schutz unseres Handels durch eine starke Flotte, Vergrößerung und
Ausbau unseres Kolonialreiches gerichtet (Weltpolitik). Erst während des
-Krieges ist der Gedanke der kontinentalen Expansion (Angliederung des Balti¬
kums und Litauens) aufgetaucht. Trotz ihres expansiven Charakters war jedoch
die Politik Wilhelms des Zweiten im Gegensatz zu derjenigen der anderen Welt¬
mächte durchaus friedfertig.

Lag nun der Fehler unserer auswärtigen Politik darin, das; wir Bismarcks
Ansicht von Deutschlands "Saturiertheit" ausgegeben haben? Sicherlich nicht.
Vielmehr war der Übergang Deutschlands zu einer expansiven Politik eine
Naturnotivendigkeit; falsch waren nur die Methoden unserer Politik.

Bismarck wußte Wohl, daß wir infolge unserer geographischen Lage stets
von der Gefahr einer übermächtigen Koalition bedroht sind. Er suchte daher
durch ein kunstvolles Bündnissystem Deutschland nach allen Seiten zu sichern
und das revanchelüsterne Frankreich zu isolieren. Mit Osterreich und Italien
schloß er den Dreibund, mit Rußland und Rumänien einen Rückversicherungs-
d ertrag; aber auch den Engländern hat er sich anzunähern versucht. Schon in
den Jahren 1.875 bis 1878 fanden Verhandlungen statt, 1879 wünschte Bismarck
eine Ergänzung des Dreibundes durch den Anschluß Englands, und nur der
Sturz von Veaconsfield durch Gladstone brachte den Plan zum Scheiter". Trotz¬
dem gab Bismarck seine Bemühungen nicht aus, wie sein Bries vom 22. No¬
vember 1887 an Lord Salisbury beweist. °) Bismarck wußte Wohl, daß wir auf
die Bundes treue Italiens nur rechnen konnten, solange wir England zum
Freunde hatten.") Wenn das A und O Bismarcks nach seiner Entlassung die
Rückkehr zu Nußland war, so wäre es falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß
er "in Bündnis mit England abgelehnt hatte. Hammann hat nachgewiesen, das;
Bismarcks Ermahnungen viel mehr an den Erlebnissen der sechziger und sich-
!"iger Jahre des vorigen Jahrhunderts als an denen der letzten zehn'Jahre seiner
Amtstätigkeit hafteten. °)

Es fragt sich nun, ob nicht Bismarcks Nachfolger insofern einen schweren
Fehler begangen haben, als sie das Bismarcksche Bündnissystem durch Nicht-
berlängerung des Nückversicherungsvertrages mit Nußland und Lockerung des
^ündnisses mit Italien verfallen ließen, ohne die sich ihnen bietende Gelegen¬
heit zu anderen Bündnissen (England) zu benutzen. Vielleicht hat Hoetzsch recht,
wenn er sagt, der Bülows Zeit charakterisierende Grundsatz, nach allen Seiten
Unbedingt freie Hand zu behalten, mußte, wenn sich die Gegensätze unversöhnbar
verschärften, zu einer Isolierung Deutschlands führen.") Gewiß lag die Mög¬
lichkeit' vor, daß Deutschland, wenn es eine feste Anlehnung nach Westen oder








5) Vgl. z. B. Rohrbach "Deutschland unter den Weltvölkern", Delbrück "Bis-
'"nrcks Erbe", Fürst Bülow, "Deutsche Politik", S. t2 ff., und Hammann. "Zur Vor¬
geschichte des Weltkrieges", S. 43.
"
) Vgl. Herrfurth, "Fürst Bismarck und die Kolonicilpolitik", S. 84 ff.
°
) Vgl. Freiherr von Eckardsteiu, "Diplomatiische Enthüllungen zum Ursprung
och Weltkrieges", S. 8/9; Oncken, ,/Das alte und das neue Mitteleuropa", S. 26/7;
Hammann, a. a. O. S. 39 ff.
') Vgl. Hoffmann, Fürst Bismarck 1890--1897", Band I S. 256/57 und 325
und Band II S. 69.
°) Vgl. a. a. O. S. 65.
Vgl. "Politik im Weltkriege", S. 149. Vgl. auch Hammann, a. o. O. S. 144.
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Ist Bismarck durch den McKkricg widerlegt worde»?

scheidet. Das ist schon oft ldargelegt -worden. ^) Bismarck ging in seiner Politik
nach 1871 von der Ansicht aus, das; Deutschland „saturiert" sei. Nur zögernd
ist er an den Erwerb von Kolonien herangetreten und deren Verwaltung durch
kaufmännische Gesellschaften, denen der Staat lediglich seinen Schutz lieh, war
sein Ideal.") Die Politik Wilhelms des Zweiten war im Gegensatz hierzu eine
Expansionspolitik, eine Politik des „größeren Deutschlands". Von 1895 bis zum
Ausbruch des Krieges war diese Politik lediglich aus Pflege unserer überseeischen
Beziehungen, Schutz unseres Handels durch eine starke Flotte, Vergrößerung und
Ausbau unseres Kolonialreiches gerichtet (Weltpolitik). Erst während des
-Krieges ist der Gedanke der kontinentalen Expansion (Angliederung des Balti¬
kums und Litauens) aufgetaucht. Trotz ihres expansiven Charakters war jedoch
die Politik Wilhelms des Zweiten im Gegensatz zu derjenigen der anderen Welt¬
mächte durchaus friedfertig.

Lag nun der Fehler unserer auswärtigen Politik darin, das; wir Bismarcks
Ansicht von Deutschlands „Saturiertheit" ausgegeben haben? Sicherlich nicht.
Vielmehr war der Übergang Deutschlands zu einer expansiven Politik eine
Naturnotivendigkeit; falsch waren nur die Methoden unserer Politik.

Bismarck wußte Wohl, daß wir infolge unserer geographischen Lage stets
von der Gefahr einer übermächtigen Koalition bedroht sind. Er suchte daher
durch ein kunstvolles Bündnissystem Deutschland nach allen Seiten zu sichern
und das revanchelüsterne Frankreich zu isolieren. Mit Osterreich und Italien
schloß er den Dreibund, mit Rußland und Rumänien einen Rückversicherungs-
d ertrag; aber auch den Engländern hat er sich anzunähern versucht. Schon in
den Jahren 1.875 bis 1878 fanden Verhandlungen statt, 1879 wünschte Bismarck
eine Ergänzung des Dreibundes durch den Anschluß Englands, und nur der
Sturz von Veaconsfield durch Gladstone brachte den Plan zum Scheiter«. Trotz¬
dem gab Bismarck seine Bemühungen nicht aus, wie sein Bries vom 22. No¬
vember 1887 an Lord Salisbury beweist. °) Bismarck wußte Wohl, daß wir auf
die Bundes treue Italiens nur rechnen konnten, solange wir England zum
Freunde hatten.") Wenn das A und O Bismarcks nach seiner Entlassung die
Rückkehr zu Nußland war, so wäre es falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß
er «in Bündnis mit England abgelehnt hatte. Hammann hat nachgewiesen, das;
Bismarcks Ermahnungen viel mehr an den Erlebnissen der sechziger und sich-
!»iger Jahre des vorigen Jahrhunderts als an denen der letzten zehn'Jahre seiner
Amtstätigkeit hafteten. °)

Es fragt sich nun, ob nicht Bismarcks Nachfolger insofern einen schweren
Fehler begangen haben, als sie das Bismarcksche Bündnissystem durch Nicht-
berlängerung des Nückversicherungsvertrages mit Nußland und Lockerung des
^ündnisses mit Italien verfallen ließen, ohne die sich ihnen bietende Gelegen¬
heit zu anderen Bündnissen (England) zu benutzen. Vielleicht hat Hoetzsch recht,
wenn er sagt, der Bülows Zeit charakterisierende Grundsatz, nach allen Seiten
Unbedingt freie Hand zu behalten, mußte, wenn sich die Gegensätze unversöhnbar
verschärften, zu einer Isolierung Deutschlands führen.") Gewiß lag die Mög¬
lichkeit' vor, daß Deutschland, wenn es eine feste Anlehnung nach Westen oder








5) Vgl. z. B. Rohrbach „Deutschland unter den Weltvölkern", Delbrück „Bis-
'«nrcks Erbe", Fürst Bülow, „Deutsche Politik", S. t2 ff., und Hammann. „Zur Vor¬
geschichte des Weltkrieges", S. 43.
"
) Vgl. Herrfurth, „Fürst Bismarck und die Kolonicilpolitik", S. 84 ff.
°
) Vgl. Freiherr von Eckardsteiu, „Diplomatiische Enthüllungen zum Ursprung
och Weltkrieges", S. 8/9; Oncken, ,/Das alte und das neue Mitteleuropa", S. 26/7;
Hammann, a. a. O. S. 39 ff.
') Vgl. Hoffmann, Fürst Bismarck 1890—1897", Band I S. 256/57 und 325
und Band II S. 69.
°) Vgl. a. a. O. S. 65.
Vgl. „Politik im Weltkriege", S. 149. Vgl. auch Hammann, a. o. O. S. 144.
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[0039] Ist Bismarck durch den McKkricg widerlegt worde»? scheidet. Das ist schon oft ldargelegt -worden. ^) Bismarck ging in seiner Politik nach 1871 von der Ansicht aus, das; Deutschland „saturiert" sei. Nur zögernd ist er an den Erwerb von Kolonien herangetreten und deren Verwaltung durch kaufmännische Gesellschaften, denen der Staat lediglich seinen Schutz lieh, war sein Ideal.") Die Politik Wilhelms des Zweiten war im Gegensatz hierzu eine Expansionspolitik, eine Politik des „größeren Deutschlands". Von 1895 bis zum Ausbruch des Krieges war diese Politik lediglich aus Pflege unserer überseeischen Beziehungen, Schutz unseres Handels durch eine starke Flotte, Vergrößerung und Ausbau unseres Kolonialreiches gerichtet (Weltpolitik). Erst während des -Krieges ist der Gedanke der kontinentalen Expansion (Angliederung des Balti¬ kums und Litauens) aufgetaucht. Trotz ihres expansiven Charakters war jedoch die Politik Wilhelms des Zweiten im Gegensatz zu derjenigen der anderen Welt¬ mächte durchaus friedfertig. Lag nun der Fehler unserer auswärtigen Politik darin, das; wir Bismarcks Ansicht von Deutschlands „Saturiertheit" ausgegeben haben? Sicherlich nicht. Vielmehr war der Übergang Deutschlands zu einer expansiven Politik eine Naturnotivendigkeit; falsch waren nur die Methoden unserer Politik. Bismarck wußte Wohl, daß wir infolge unserer geographischen Lage stets von der Gefahr einer übermächtigen Koalition bedroht sind. Er suchte daher durch ein kunstvolles Bündnissystem Deutschland nach allen Seiten zu sichern und das revanchelüsterne Frankreich zu isolieren. Mit Osterreich und Italien schloß er den Dreibund, mit Rußland und Rumänien einen Rückversicherungs- d ertrag; aber auch den Engländern hat er sich anzunähern versucht. Schon in den Jahren 1.875 bis 1878 fanden Verhandlungen statt, 1879 wünschte Bismarck eine Ergänzung des Dreibundes durch den Anschluß Englands, und nur der Sturz von Veaconsfield durch Gladstone brachte den Plan zum Scheiter«. Trotz¬ dem gab Bismarck seine Bemühungen nicht aus, wie sein Bries vom 22. No¬ vember 1887 an Lord Salisbury beweist. °) Bismarck wußte Wohl, daß wir auf die Bundes treue Italiens nur rechnen konnten, solange wir England zum Freunde hatten.") Wenn das A und O Bismarcks nach seiner Entlassung die Rückkehr zu Nußland war, so wäre es falsch, hieraus den Schluß zu ziehen, daß er «in Bündnis mit England abgelehnt hatte. Hammann hat nachgewiesen, das; Bismarcks Ermahnungen viel mehr an den Erlebnissen der sechziger und sich- !»iger Jahre des vorigen Jahrhunderts als an denen der letzten zehn'Jahre seiner Amtstätigkeit hafteten. °) Es fragt sich nun, ob nicht Bismarcks Nachfolger insofern einen schweren Fehler begangen haben, als sie das Bismarcksche Bündnissystem durch Nicht- berlängerung des Nückversicherungsvertrages mit Nußland und Lockerung des ^ündnisses mit Italien verfallen ließen, ohne die sich ihnen bietende Gelegen¬ heit zu anderen Bündnissen (England) zu benutzen. Vielleicht hat Hoetzsch recht, wenn er sagt, der Bülows Zeit charakterisierende Grundsatz, nach allen Seiten Unbedingt freie Hand zu behalten, mußte, wenn sich die Gegensätze unversöhnbar verschärften, zu einer Isolierung Deutschlands führen.") Gewiß lag die Mög¬ lichkeit' vor, daß Deutschland, wenn es eine feste Anlehnung nach Westen oder 5) Vgl. z. B. Rohrbach „Deutschland unter den Weltvölkern", Delbrück „Bis- '«nrcks Erbe", Fürst Bülow, „Deutsche Politik", S. t2 ff., und Hammann. „Zur Vor¬ geschichte des Weltkrieges", S. 43. " ) Vgl. Herrfurth, „Fürst Bismarck und die Kolonicilpolitik", S. 84 ff. ° ) Vgl. Freiherr von Eckardsteiu, „Diplomatiische Enthüllungen zum Ursprung och Weltkrieges", S. 8/9; Oncken, ,/Das alte und das neue Mitteleuropa", S. 26/7; Hammann, a. a. O. S. 39 ff. ') Vgl. Hoffmann, Fürst Bismarck 1890—1897", Band I S. 256/57 und 325 und Band II S. 69. °) Vgl. a. a. O. S. 65. Vgl. „Politik im Weltkriege", S. 149. Vgl. auch Hammann, a. o. O. S. 144. g»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/39>, abgerufen am 01.09.2024.