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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Materialien zur ostdeutschen Frage

und Abgaben, und lieber lassen wir die Bolschewisten ins Land, als daß wir
polnisch werden."

Wir sind keine Reaktionäre, Herr Präsident! Wir haben in unseren Volks¬
räten alle Parteien und alle Stände vertreten, vom Arbeiter bis Großgrund¬
besitzer. Aber unser deutsches Hemd sitzt uns allen näher als der Parteirock!
Wir sind jederzeit bereit, einem Vertreter der Regierung jede gewünschte Auskunft
über die hiesigen Verhältnisse zu geben! Setzen Sie den Herrn von Gerlach oder
den Herrn Minister Hirsch acht Tage^nach Ratel und lassen Sie ihn täglich trotz
des Waffenstillstandes 15 Zentimeter-Haubitzgranaten schmecken und beide Herren
werden von ihrem Optimismus und dem Wahn, day. eine polnische Gefahr kaum
noch besteht, schnell geheilt sein! Weiß die Regierung, daß Tausende deutscher
Bauern, Besitzer und Ansiedler vor polnischem Haß und polnischer Willkür von
Haus und Hof haben flüchten müssen, daß ihr Vieh, ihr ganzer Besitz ihnen
genommen wird, daß diese Armen nicht wissen, wovon sie leben sollen? Was
gedenkt die Negierung für diese Leute zu, tun? Im Wsten bekämpft man den
Bolschewismus, will man ihn hier künstlich züchten? Was soll aus den Beamten
werden, die als Vorkämpfer für das Deutschtum besonders bedroht sind? Es hat
früher doch genug Vertreter der Negierung gegeben, die die Verhältnisse in der
Provinz Posen genau gekannt haben, es gibt auch erschöpfende Statistiker, viel¬
leicht orientiert sich die Negierung einmal genau über die katastrophalen Fr'gen,
die das Aufgeben der Provinz Posen für den Westen, besonders für die Ernas ,ing
der Millionen Arbeiter zur Folge haben muß.

Und ihr, deutsche Brüder, im Westen und Süden, wacht auf und werft die
falschen Ansichten über den Osten von euch! Auch der Verfasser dieser Zeilen ist
Süddeutscher und weiß, wie wenige sich ein Bild von der Fruchtbarkeit der
Provinz Posen und ihrer hochentwickelten Landwirtschaft machen können! Wie oft
habe ich's verächtlich sagen hören, daß die Kartoffeln hier als Spalierobst gezogen
würden und die Gegend nichts hervorbrächte als Sand. Kienäpfel und polnische
Schnorrer. Hütet euch, daß die Erkenntnis vom Wert des Ostens für unsere
Volksernährung nicht zu spät kommt!

Und wollt ihr stillschweigend dulden, daß 850 000 gute Deutsche von den
Polen, die in der Kultur doch weit unter ihnen stehen und alles, was sie haben
und können lediglich deutscher Kultur, deutschem Vorbild und deutscher'Ordnung
verdanken, unterdrückt werden? Es ist ein historischer Grundsatz, den auch
Präsident Wilson vertritt, daß dem Volk, das die Kulturarbeit geleistet hat, auch
das Land gehört. Darum erhebt eure Stimmen im ganzen Reich und legt
energischen Protest ein bei der Waffenstillstandskommission und der Reichsregierung
gegen die Abtrennung der Provinz Posen. Und wer uns mit der Tat helfen
will, trete ein in unseren Grenzschutz. >

Wir haben allezeit treu zum Deutschen Reich gestanden und wollen deutsch
bleiben für alle Zeit.

Deutsches Reich und deutsches Volk, erzeigt uns nun Treue um Treue:
Helft uns Ostmärtern!

Der Deutsche Volksrat für den Nehcdistrikt.


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Materialien zur ostdeutschen Frage

und Abgaben, und lieber lassen wir die Bolschewisten ins Land, als daß wir
polnisch werden."

Wir sind keine Reaktionäre, Herr Präsident! Wir haben in unseren Volks¬
räten alle Parteien und alle Stände vertreten, vom Arbeiter bis Großgrund¬
besitzer. Aber unser deutsches Hemd sitzt uns allen näher als der Parteirock!
Wir sind jederzeit bereit, einem Vertreter der Regierung jede gewünschte Auskunft
über die hiesigen Verhältnisse zu geben! Setzen Sie den Herrn von Gerlach oder
den Herrn Minister Hirsch acht Tage^nach Ratel und lassen Sie ihn täglich trotz
des Waffenstillstandes 15 Zentimeter-Haubitzgranaten schmecken und beide Herren
werden von ihrem Optimismus und dem Wahn, day. eine polnische Gefahr kaum
noch besteht, schnell geheilt sein! Weiß die Regierung, daß Tausende deutscher
Bauern, Besitzer und Ansiedler vor polnischem Haß und polnischer Willkür von
Haus und Hof haben flüchten müssen, daß ihr Vieh, ihr ganzer Besitz ihnen
genommen wird, daß diese Armen nicht wissen, wovon sie leben sollen? Was
gedenkt die Negierung für diese Leute zu, tun? Im Wsten bekämpft man den
Bolschewismus, will man ihn hier künstlich züchten? Was soll aus den Beamten
werden, die als Vorkämpfer für das Deutschtum besonders bedroht sind? Es hat
früher doch genug Vertreter der Negierung gegeben, die die Verhältnisse in der
Provinz Posen genau gekannt haben, es gibt auch erschöpfende Statistiker, viel¬
leicht orientiert sich die Negierung einmal genau über die katastrophalen Fr'gen,
die das Aufgeben der Provinz Posen für den Westen, besonders für die Ernas ,ing
der Millionen Arbeiter zur Folge haben muß.

Und ihr, deutsche Brüder, im Westen und Süden, wacht auf und werft die
falschen Ansichten über den Osten von euch! Auch der Verfasser dieser Zeilen ist
Süddeutscher und weiß, wie wenige sich ein Bild von der Fruchtbarkeit der
Provinz Posen und ihrer hochentwickelten Landwirtschaft machen können! Wie oft
habe ich's verächtlich sagen hören, daß die Kartoffeln hier als Spalierobst gezogen
würden und die Gegend nichts hervorbrächte als Sand. Kienäpfel und polnische
Schnorrer. Hütet euch, daß die Erkenntnis vom Wert des Ostens für unsere
Volksernährung nicht zu spät kommt!

Und wollt ihr stillschweigend dulden, daß 850 000 gute Deutsche von den
Polen, die in der Kultur doch weit unter ihnen stehen und alles, was sie haben
und können lediglich deutscher Kultur, deutschem Vorbild und deutscher'Ordnung
verdanken, unterdrückt werden? Es ist ein historischer Grundsatz, den auch
Präsident Wilson vertritt, daß dem Volk, das die Kulturarbeit geleistet hat, auch
das Land gehört. Darum erhebt eure Stimmen im ganzen Reich und legt
energischen Protest ein bei der Waffenstillstandskommission und der Reichsregierung
gegen die Abtrennung der Provinz Posen. Und wer uns mit der Tat helfen
will, trete ein in unseren Grenzschutz. >

Wir haben allezeit treu zum Deutschen Reich gestanden und wollen deutsch
bleiben für alle Zeit.

Deutsches Reich und deutsches Volk, erzeigt uns nun Treue um Treue:
Helft uns Ostmärtern!

Der Deutsche Volksrat für den Nehcdistrikt.


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[0371] Materialien zur ostdeutschen Frage und Abgaben, und lieber lassen wir die Bolschewisten ins Land, als daß wir polnisch werden." Wir sind keine Reaktionäre, Herr Präsident! Wir haben in unseren Volks¬ räten alle Parteien und alle Stände vertreten, vom Arbeiter bis Großgrund¬ besitzer. Aber unser deutsches Hemd sitzt uns allen näher als der Parteirock! Wir sind jederzeit bereit, einem Vertreter der Regierung jede gewünschte Auskunft über die hiesigen Verhältnisse zu geben! Setzen Sie den Herrn von Gerlach oder den Herrn Minister Hirsch acht Tage^nach Ratel und lassen Sie ihn täglich trotz des Waffenstillstandes 15 Zentimeter-Haubitzgranaten schmecken und beide Herren werden von ihrem Optimismus und dem Wahn, day. eine polnische Gefahr kaum noch besteht, schnell geheilt sein! Weiß die Regierung, daß Tausende deutscher Bauern, Besitzer und Ansiedler vor polnischem Haß und polnischer Willkür von Haus und Hof haben flüchten müssen, daß ihr Vieh, ihr ganzer Besitz ihnen genommen wird, daß diese Armen nicht wissen, wovon sie leben sollen? Was gedenkt die Negierung für diese Leute zu, tun? Im Wsten bekämpft man den Bolschewismus, will man ihn hier künstlich züchten? Was soll aus den Beamten werden, die als Vorkämpfer für das Deutschtum besonders bedroht sind? Es hat früher doch genug Vertreter der Negierung gegeben, die die Verhältnisse in der Provinz Posen genau gekannt haben, es gibt auch erschöpfende Statistiker, viel¬ leicht orientiert sich die Negierung einmal genau über die katastrophalen Fr'gen, die das Aufgeben der Provinz Posen für den Westen, besonders für die Ernas ,ing der Millionen Arbeiter zur Folge haben muß. Und ihr, deutsche Brüder, im Westen und Süden, wacht auf und werft die falschen Ansichten über den Osten von euch! Auch der Verfasser dieser Zeilen ist Süddeutscher und weiß, wie wenige sich ein Bild von der Fruchtbarkeit der Provinz Posen und ihrer hochentwickelten Landwirtschaft machen können! Wie oft habe ich's verächtlich sagen hören, daß die Kartoffeln hier als Spalierobst gezogen würden und die Gegend nichts hervorbrächte als Sand. Kienäpfel und polnische Schnorrer. Hütet euch, daß die Erkenntnis vom Wert des Ostens für unsere Volksernährung nicht zu spät kommt! Und wollt ihr stillschweigend dulden, daß 850 000 gute Deutsche von den Polen, die in der Kultur doch weit unter ihnen stehen und alles, was sie haben und können lediglich deutscher Kultur, deutschem Vorbild und deutscher'Ordnung verdanken, unterdrückt werden? Es ist ein historischer Grundsatz, den auch Präsident Wilson vertritt, daß dem Volk, das die Kulturarbeit geleistet hat, auch das Land gehört. Darum erhebt eure Stimmen im ganzen Reich und legt energischen Protest ein bei der Waffenstillstandskommission und der Reichsregierung gegen die Abtrennung der Provinz Posen. Und wer uns mit der Tat helfen will, trete ein in unseren Grenzschutz. > Wir haben allezeit treu zum Deutschen Reich gestanden und wollen deutsch bleiben für alle Zeit. Deutsches Reich und deutsches Volk, erzeigt uns nun Treue um Treue: Helft uns Ostmärtern! Der Deutsche Volksrat für den Nehcdistrikt. 4"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/371>, abgerufen am 01.09.2024.