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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Unzweifelhaft deutsches Landt

(1632--48), eine zweite deutsche Einwanderung eingesetzt hätte. Die Not des
Dreißigjährigen Krieges und religiöse Wirren trieben die Ansiedler nach Polen,
wo damals günstige Existenzbedingungen lockten. So wanderten Tausende und
Abertausende von deutschen Städtern aus Schlesien in die posenschen Städte des
Südens und Westens, die dadurch sämtlich großen Bevölkerungszuwachs
erfuhren. Während seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts Städte¬
gründungen seltener wurden, entstand jetzt wieder eine Reihe von Städten, zum
Beispiel Nawitsch, Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt usw.; sür
ihren Aufbau und ihre Verfassung war das mittelalterliche Beispiel maßgebend.
Wieder war diese Einwanderung des städtischen Elements von einer Kolonisation
des Landes durch den deutschen Bauern begleitet. Sie kamen hauptsächlich aus
Brandenburg und ebenfalls aus Schlesien, daneben aber auch aus dem Osten
von Preußen her. Besiedelt wurde zunächst das Netzetal und die Kreise Brom¬
berg und Hohensalza; in dieser Gegend waren es neben den Einwanderern aus
Brandenburg auch holländische Kolonisten, die im sechzehnten Jahrhundert die
Danziger Werber besiedelt hatten und dann die Weichsel aufwärts vorgedrungen
waren, überall mit den Erfahrungen, die sie aus ihrer Heimat mitbrachten, die
Flußniederungen urbar machend. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts
breiteten sie sich dann auch im Norden der heutigen Provinz Posen aus. Diese
Einwanderungen erklären es, daß, wie wir noch sehen werden, das Deutschtum
und der deutsche Besitz an Grund und Boden gerade an Weichsel und Netze so
stark sind. Übrigens beschränkte sich diese deutsche Einwanderung keineswegs auf
die Flußtäler und den Netzedistrikt; namentlich un siebzehnten Jahrhundert voll¬
zog sich aus Schlesien eine große bäuerliche Einwanderung in den Süden und
die Mitte des Landes. Bis tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein hat diese Ein¬
wanderung gedauert. Den Polen entging es nicht, daß fast alles, was an bürger¬
licher und bäuerlicher Betriebsamkeit im Lande vorhanden war, nicht der
Polnischen, sondern der deutschen Bevölkerung angehörte; der Posener Woiwode
Stephan Garczynski sprach das 1751 offen aus. Trotzdem hatten die Deutschen
und die Juden, die auch in der zweiten Kolonisationsperiode wieder mit ihnen
zusammen ius Land gekommen waren, keinen leichten Stand; die Protestanten
wurden völlig entrechtet und aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet, ja in
Thorn kam es durch den polnischen Fanatismus zum Blutvergießen. Auch die
Juden hatten unter zahlreichen Blutprozessen und Justizmorden (so in Gnesen
1722, 1738, Posen 1736) schwer zu leiden. Aber das Deutschtum ist doch nicht
wieder, wie nach der ersten Einwanderung, im Polentum aufgegangen; es hat
sich namentlich auch auf dem Platten Lande behauptet; als Posen preußisch
wurde, waren nicht weniger als allein vierhundert deutsche sogenannte Holländer
Dörfer vorhanden (die freilich nicht alle von Holländern, sondern zum Teil von
anderen deutschen Ansiedlern gegründet sind). So sind die beiden Provinzen durch
den Gang der Geschichte zweisprachig geworden, doch so, daß in Westpreußen und
im Netzedistrikt das Deutschtum dominiert; wir werden Noch sehen, wie sich dieser
historisch gewordene national gemischte Charakter des Landes in den neuesten
Volkszählungsdaten wiederspiegelt.

1772 ist Westpreußen und der Netzedistrikt, 1793 der südliche, größere Teil
der Provinz Posen preußisch geworden. Der Anstoß zu den Teilungen ist von
Katharina der Zweiten ausgegangen; Preußen konnte nicht ganz Polen in
russische Hände fallen lassen. Aber es brauchte Westpreußen als Verbindung
Zwischen seinen mittleren Kerngebieten und Ostpreußen; es hatte auch durchaus
ekn inneres Unrecht auf dieses alte deutsche Land. Und es brauchte Posen zur
Verbindung zwischen Ost- und Westpreußen und Schlesien; dazu gehörten
geographisch das Warthegebiet und Brandenburg eng zusammen; es ist
bezeichnend, daß schon am Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ein Piasten-
Herzog, Wladislaus von Oppeln, den Gedanken hatte, die Wartheebene zu
Brandenburg zu schlagen. Seit hundert bis hundertfünfzig Jahren sind Posen
und Westpreußen nun deutsch. Was der preußische Staat in dieser Zeit für die
beiden Provinzen geleistet hat, läßt sich kaum in wenig Worten sagen; von


Unzweifelhaft deutsches Landt

(1632—48), eine zweite deutsche Einwanderung eingesetzt hätte. Die Not des
Dreißigjährigen Krieges und religiöse Wirren trieben die Ansiedler nach Polen,
wo damals günstige Existenzbedingungen lockten. So wanderten Tausende und
Abertausende von deutschen Städtern aus Schlesien in die posenschen Städte des
Südens und Westens, die dadurch sämtlich großen Bevölkerungszuwachs
erfuhren. Während seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts Städte¬
gründungen seltener wurden, entstand jetzt wieder eine Reihe von Städten, zum
Beispiel Nawitsch, Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt usw.; sür
ihren Aufbau und ihre Verfassung war das mittelalterliche Beispiel maßgebend.
Wieder war diese Einwanderung des städtischen Elements von einer Kolonisation
des Landes durch den deutschen Bauern begleitet. Sie kamen hauptsächlich aus
Brandenburg und ebenfalls aus Schlesien, daneben aber auch aus dem Osten
von Preußen her. Besiedelt wurde zunächst das Netzetal und die Kreise Brom¬
berg und Hohensalza; in dieser Gegend waren es neben den Einwanderern aus
Brandenburg auch holländische Kolonisten, die im sechzehnten Jahrhundert die
Danziger Werber besiedelt hatten und dann die Weichsel aufwärts vorgedrungen
waren, überall mit den Erfahrungen, die sie aus ihrer Heimat mitbrachten, die
Flußniederungen urbar machend. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts
breiteten sie sich dann auch im Norden der heutigen Provinz Posen aus. Diese
Einwanderungen erklären es, daß, wie wir noch sehen werden, das Deutschtum
und der deutsche Besitz an Grund und Boden gerade an Weichsel und Netze so
stark sind. Übrigens beschränkte sich diese deutsche Einwanderung keineswegs auf
die Flußtäler und den Netzedistrikt; namentlich un siebzehnten Jahrhundert voll¬
zog sich aus Schlesien eine große bäuerliche Einwanderung in den Süden und
die Mitte des Landes. Bis tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein hat diese Ein¬
wanderung gedauert. Den Polen entging es nicht, daß fast alles, was an bürger¬
licher und bäuerlicher Betriebsamkeit im Lande vorhanden war, nicht der
Polnischen, sondern der deutschen Bevölkerung angehörte; der Posener Woiwode
Stephan Garczynski sprach das 1751 offen aus. Trotzdem hatten die Deutschen
und die Juden, die auch in der zweiten Kolonisationsperiode wieder mit ihnen
zusammen ius Land gekommen waren, keinen leichten Stand; die Protestanten
wurden völlig entrechtet und aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet, ja in
Thorn kam es durch den polnischen Fanatismus zum Blutvergießen. Auch die
Juden hatten unter zahlreichen Blutprozessen und Justizmorden (so in Gnesen
1722, 1738, Posen 1736) schwer zu leiden. Aber das Deutschtum ist doch nicht
wieder, wie nach der ersten Einwanderung, im Polentum aufgegangen; es hat
sich namentlich auch auf dem Platten Lande behauptet; als Posen preußisch
wurde, waren nicht weniger als allein vierhundert deutsche sogenannte Holländer
Dörfer vorhanden (die freilich nicht alle von Holländern, sondern zum Teil von
anderen deutschen Ansiedlern gegründet sind). So sind die beiden Provinzen durch
den Gang der Geschichte zweisprachig geworden, doch so, daß in Westpreußen und
im Netzedistrikt das Deutschtum dominiert; wir werden Noch sehen, wie sich dieser
historisch gewordene national gemischte Charakter des Landes in den neuesten
Volkszählungsdaten wiederspiegelt.

1772 ist Westpreußen und der Netzedistrikt, 1793 der südliche, größere Teil
der Provinz Posen preußisch geworden. Der Anstoß zu den Teilungen ist von
Katharina der Zweiten ausgegangen; Preußen konnte nicht ganz Polen in
russische Hände fallen lassen. Aber es brauchte Westpreußen als Verbindung
Zwischen seinen mittleren Kerngebieten und Ostpreußen; es hatte auch durchaus
ekn inneres Unrecht auf dieses alte deutsche Land. Und es brauchte Posen zur
Verbindung zwischen Ost- und Westpreußen und Schlesien; dazu gehörten
geographisch das Warthegebiet und Brandenburg eng zusammen; es ist
bezeichnend, daß schon am Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ein Piasten-
Herzog, Wladislaus von Oppeln, den Gedanken hatte, die Wartheebene zu
Brandenburg zu schlagen. Seit hundert bis hundertfünfzig Jahren sind Posen
und Westpreußen nun deutsch. Was der preußische Staat in dieser Zeit für die
beiden Provinzen geleistet hat, läßt sich kaum in wenig Worten sagen; von


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[0033] Unzweifelhaft deutsches Landt (1632—48), eine zweite deutsche Einwanderung eingesetzt hätte. Die Not des Dreißigjährigen Krieges und religiöse Wirren trieben die Ansiedler nach Polen, wo damals günstige Existenzbedingungen lockten. So wanderten Tausende und Abertausende von deutschen Städtern aus Schlesien in die posenschen Städte des Südens und Westens, die dadurch sämtlich großen Bevölkerungszuwachs erfuhren. Während seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts Städte¬ gründungen seltener wurden, entstand jetzt wieder eine Reihe von Städten, zum Beispiel Nawitsch, Schwersenz, Grätz, Schlichtingsheim, Unruhstadt usw.; sür ihren Aufbau und ihre Verfassung war das mittelalterliche Beispiel maßgebend. Wieder war diese Einwanderung des städtischen Elements von einer Kolonisation des Landes durch den deutschen Bauern begleitet. Sie kamen hauptsächlich aus Brandenburg und ebenfalls aus Schlesien, daneben aber auch aus dem Osten von Preußen her. Besiedelt wurde zunächst das Netzetal und die Kreise Brom¬ berg und Hohensalza; in dieser Gegend waren es neben den Einwanderern aus Brandenburg auch holländische Kolonisten, die im sechzehnten Jahrhundert die Danziger Werber besiedelt hatten und dann die Weichsel aufwärts vorgedrungen waren, überall mit den Erfahrungen, die sie aus ihrer Heimat mitbrachten, die Flußniederungen urbar machend. Am Ende des sechzehnten Jahrhunderts breiteten sie sich dann auch im Norden der heutigen Provinz Posen aus. Diese Einwanderungen erklären es, daß, wie wir noch sehen werden, das Deutschtum und der deutsche Besitz an Grund und Boden gerade an Weichsel und Netze so stark sind. Übrigens beschränkte sich diese deutsche Einwanderung keineswegs auf die Flußtäler und den Netzedistrikt; namentlich un siebzehnten Jahrhundert voll¬ zog sich aus Schlesien eine große bäuerliche Einwanderung in den Süden und die Mitte des Landes. Bis tief ins siebzehnte Jahrhundert hinein hat diese Ein¬ wanderung gedauert. Den Polen entging es nicht, daß fast alles, was an bürger¬ licher und bäuerlicher Betriebsamkeit im Lande vorhanden war, nicht der Polnischen, sondern der deutschen Bevölkerung angehörte; der Posener Woiwode Stephan Garczynski sprach das 1751 offen aus. Trotzdem hatten die Deutschen und die Juden, die auch in der zweiten Kolonisationsperiode wieder mit ihnen zusammen ius Land gekommen waren, keinen leichten Stand; die Protestanten wurden völlig entrechtet und aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet, ja in Thorn kam es durch den polnischen Fanatismus zum Blutvergießen. Auch die Juden hatten unter zahlreichen Blutprozessen und Justizmorden (so in Gnesen 1722, 1738, Posen 1736) schwer zu leiden. Aber das Deutschtum ist doch nicht wieder, wie nach der ersten Einwanderung, im Polentum aufgegangen; es hat sich namentlich auch auf dem Platten Lande behauptet; als Posen preußisch wurde, waren nicht weniger als allein vierhundert deutsche sogenannte Holländer Dörfer vorhanden (die freilich nicht alle von Holländern, sondern zum Teil von anderen deutschen Ansiedlern gegründet sind). So sind die beiden Provinzen durch den Gang der Geschichte zweisprachig geworden, doch so, daß in Westpreußen und im Netzedistrikt das Deutschtum dominiert; wir werden Noch sehen, wie sich dieser historisch gewordene national gemischte Charakter des Landes in den neuesten Volkszählungsdaten wiederspiegelt. 1772 ist Westpreußen und der Netzedistrikt, 1793 der südliche, größere Teil der Provinz Posen preußisch geworden. Der Anstoß zu den Teilungen ist von Katharina der Zweiten ausgegangen; Preußen konnte nicht ganz Polen in russische Hände fallen lassen. Aber es brauchte Westpreußen als Verbindung Zwischen seinen mittleren Kerngebieten und Ostpreußen; es hatte auch durchaus ekn inneres Unrecht auf dieses alte deutsche Land. Und es brauchte Posen zur Verbindung zwischen Ost- und Westpreußen und Schlesien; dazu gehörten geographisch das Warthegebiet und Brandenburg eng zusammen; es ist bezeichnend, daß schon am Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts ein Piasten- Herzog, Wladislaus von Oppeln, den Gedanken hatte, die Wartheebene zu Brandenburg zu schlagen. Seit hundert bis hundertfünfzig Jahren sind Posen und Westpreußen nun deutsch. Was der preußische Staat in dieser Zeit für die beiden Provinzen geleistet hat, läßt sich kaum in wenig Worten sagen; von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/33>, abgerufen am 18.12.2024.