Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Amerika am Scheidewege

suchte. Handel aber nach Übersee im Wettbewerb mit andern Großmächten der
Welt ist bereits Weltpolitik und zieht einen gewissen Imperialismus geradezu
logisch nach sich.

Die Bahn dieses Überseehandels war nun bereits vor dem Kriege so aus¬
gefahren und selbstverständlich, daß Amerika nicht einfach die Zeit lediglich zur
Eroberung des heimischen und südamerikanischen Marktes benutzen konnte, sondern
auch infolge des Nachlassens des äußeren Widerstandes in Europa durch Ver¬
minderung des dortigen Wettbewerbs, gleichsam automatisch zur Steigerung der
Entwicklung nach Übersee getrieben wurde, ja diese Steigerung infolge des lang^
dauernden europäischen Niesenbedarfes ein so maßgebender Faktor für den ameri¬
kanischen Gesamtorganismus wurde, daß eine Behinderung dieser Entwicklung,
wie sie der deutsche U-Bootkrieg bedeutete, geradezu als Eingriff in das innere
Leben Amerikas empfunden werden mußte. Und so sehr vielleicht auch, abgesehen
von persönlichen Sympathien oder Antipathien und Propagandawirkung, die
Kriegserklärung an Denischland von der Mehrheit des Volkes als reine Ver¬
teidigungsmaßregel einer konsequenten Amerikapolitik angesehen wurde, in Wirk¬
lichkeit bedeutete diese Kriegseiklärung, da sie das Prinzip ungehinderten Über¬
seehandels verfocht, ein Bekenntnis zur Welipolitik.

Weite amerikanische Kreise wollen allerdings diese Entwicklung nicht zugeben,
schrecken jedenfalls vor den damit verbundenen Konsequenzen zurück. Zieht man
von den Widerständen gegen Wilsons Völkerbundspolitik alles ab, was sich auf
Parteitaktik, Parteiintrigen, persönliche Widerstände, innerpolitische Bedenken
gegen des Präsidenten autokratische Manieren, gegen seine Steuerpolitik, was sich
ferner auf die Widerstände der Deutsch-Amerikaner und Iren, auf die Skepsis
von Realpolitikern, die den Bund für unmöglich oder ohnmächtig halten, und die
Enttäuschung einiger klar Sehender Idealisten (der frühere Soziolistenvertreter
Meyer-London z. B., der, gegen den Krieg gestimmt hat, hat sich in einer Rede
im New Era Club auch gegen die Liga der Nationen ausgesprochen, weil eine solche
mit Vertretern selbstsüchtiger Nationen, die dasselbe Hunnentum und die gleiche
Barbarei offenbarten, die sie bekämpft hatten, nicht geschlossen werden könnte)
zurückführen läßt, so bleibt als Hauptbedenken immer noch die Monroedoktrin.
Die Monroedoktrin aber hat ein Doppelgesicht. Einmal schaltet sie grundsätzlich
jeden außeramerikanischen Eil fluß aus amerikanisches Territorium aus. Und in
diesem Punkte wird kein politisch erzogener Amerikaner ernsthaft nachgeben. Man
fürchtet demnach, daß vermittelst des Völkerbundes europäische Mächte (wohl gar
MonarchenI) Einfluß auf Angelegenheiten gewinnen könnten, die man als rein
amerikanisch anzusehen gewohnt ist, daß insbesondere England durch seine sonder-
stimmberechtig^en Dominions Amerika in gewissen Fällen in bedrohlicher Weise
zu überstimmen in der Lage wäre. Man überlegt auch, daß z. B. Artikel X des
Wilsonschen Völkerbundentwurfs, der zur Aufrechterhaltung des territorialen
Zustandes bestehender Staaten verpflichtet (und somit jedes Werden und jede
Entwicklung im Grunde zu unterbinden trachtet) Amerika im spanisch-amerikanischen
Kriege zur Ohnmacht verurteilt und von Cuba ferngehalten haben würde, und
gerade ausgesprochene amerikanische Jmperialistenkreise machen geltend, daß eine im
nordamerikanischen Sinne ersprußliche Regelung der Konflikte mit Mexiko, die
einmal ja doch zum Austrag werden kommen müssen, durch den Völkerbund
nahezu unmöglich gemacht sind. Auf der andern Seite aber fürchtet man sich,
die bewährten Beschränkungen der Monroedoktrin nach außen hin aufzugeben.
Das weiß der Tatsachensinn der Amerikaner recht wohl zu erkennen, daß eine
absolut ausschlaggebende Vormachtstellung Amerikas in diesem Völkerbunde, von
der durch Wilsons Arbiter mundi Rolle begeisterte, heute jedoch kaum noch ganz
überzeugte Idealisten vielleicht träumen, in Wirklichkeit noch lange nicht
Möglich sein wird und daß der Völkerbund Amerika zwar Einfluß an vielen
Punkten der Erde verleihen, es aber auch verpflichten würde, in vielen Fällen
S- B. eines irischen Aufstandes oder jedes kleinen Balkankonfliktes einzugreifen,
ur denen Amerika absolut interesselos ist und von seinem Standpunkt aus nur


Grenzboten II 1919 . 23
Amerika am Scheidewege

suchte. Handel aber nach Übersee im Wettbewerb mit andern Großmächten der
Welt ist bereits Weltpolitik und zieht einen gewissen Imperialismus geradezu
logisch nach sich.

Die Bahn dieses Überseehandels war nun bereits vor dem Kriege so aus¬
gefahren und selbstverständlich, daß Amerika nicht einfach die Zeit lediglich zur
Eroberung des heimischen und südamerikanischen Marktes benutzen konnte, sondern
auch infolge des Nachlassens des äußeren Widerstandes in Europa durch Ver¬
minderung des dortigen Wettbewerbs, gleichsam automatisch zur Steigerung der
Entwicklung nach Übersee getrieben wurde, ja diese Steigerung infolge des lang^
dauernden europäischen Niesenbedarfes ein so maßgebender Faktor für den ameri¬
kanischen Gesamtorganismus wurde, daß eine Behinderung dieser Entwicklung,
wie sie der deutsche U-Bootkrieg bedeutete, geradezu als Eingriff in das innere
Leben Amerikas empfunden werden mußte. Und so sehr vielleicht auch, abgesehen
von persönlichen Sympathien oder Antipathien und Propagandawirkung, die
Kriegserklärung an Denischland von der Mehrheit des Volkes als reine Ver¬
teidigungsmaßregel einer konsequenten Amerikapolitik angesehen wurde, in Wirk¬
lichkeit bedeutete diese Kriegseiklärung, da sie das Prinzip ungehinderten Über¬
seehandels verfocht, ein Bekenntnis zur Welipolitik.

Weite amerikanische Kreise wollen allerdings diese Entwicklung nicht zugeben,
schrecken jedenfalls vor den damit verbundenen Konsequenzen zurück. Zieht man
von den Widerständen gegen Wilsons Völkerbundspolitik alles ab, was sich auf
Parteitaktik, Parteiintrigen, persönliche Widerstände, innerpolitische Bedenken
gegen des Präsidenten autokratische Manieren, gegen seine Steuerpolitik, was sich
ferner auf die Widerstände der Deutsch-Amerikaner und Iren, auf die Skepsis
von Realpolitikern, die den Bund für unmöglich oder ohnmächtig halten, und die
Enttäuschung einiger klar Sehender Idealisten (der frühere Soziolistenvertreter
Meyer-London z. B., der, gegen den Krieg gestimmt hat, hat sich in einer Rede
im New Era Club auch gegen die Liga der Nationen ausgesprochen, weil eine solche
mit Vertretern selbstsüchtiger Nationen, die dasselbe Hunnentum und die gleiche
Barbarei offenbarten, die sie bekämpft hatten, nicht geschlossen werden könnte)
zurückführen läßt, so bleibt als Hauptbedenken immer noch die Monroedoktrin.
Die Monroedoktrin aber hat ein Doppelgesicht. Einmal schaltet sie grundsätzlich
jeden außeramerikanischen Eil fluß aus amerikanisches Territorium aus. Und in
diesem Punkte wird kein politisch erzogener Amerikaner ernsthaft nachgeben. Man
fürchtet demnach, daß vermittelst des Völkerbundes europäische Mächte (wohl gar
MonarchenI) Einfluß auf Angelegenheiten gewinnen könnten, die man als rein
amerikanisch anzusehen gewohnt ist, daß insbesondere England durch seine sonder-
stimmberechtig^en Dominions Amerika in gewissen Fällen in bedrohlicher Weise
zu überstimmen in der Lage wäre. Man überlegt auch, daß z. B. Artikel X des
Wilsonschen Völkerbundentwurfs, der zur Aufrechterhaltung des territorialen
Zustandes bestehender Staaten verpflichtet (und somit jedes Werden und jede
Entwicklung im Grunde zu unterbinden trachtet) Amerika im spanisch-amerikanischen
Kriege zur Ohnmacht verurteilt und von Cuba ferngehalten haben würde, und
gerade ausgesprochene amerikanische Jmperialistenkreise machen geltend, daß eine im
nordamerikanischen Sinne ersprußliche Regelung der Konflikte mit Mexiko, die
einmal ja doch zum Austrag werden kommen müssen, durch den Völkerbund
nahezu unmöglich gemacht sind. Auf der andern Seite aber fürchtet man sich,
die bewährten Beschränkungen der Monroedoktrin nach außen hin aufzugeben.
Das weiß der Tatsachensinn der Amerikaner recht wohl zu erkennen, daß eine
absolut ausschlaggebende Vormachtstellung Amerikas in diesem Völkerbunde, von
der durch Wilsons Arbiter mundi Rolle begeisterte, heute jedoch kaum noch ganz
überzeugte Idealisten vielleicht träumen, in Wirklichkeit noch lange nicht
Möglich sein wird und daß der Völkerbund Amerika zwar Einfluß an vielen
Punkten der Erde verleihen, es aber auch verpflichten würde, in vielen Fällen
S- B. eines irischen Aufstandes oder jedes kleinen Balkankonfliktes einzugreifen,
ur denen Amerika absolut interesselos ist und von seinem Standpunkt aus nur


Grenzboten II 1919 . 23
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0301" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335713"/>
          <fw type="header" place="top"> Amerika am Scheidewege</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1283" prev="#ID_1282"> suchte. Handel aber nach Übersee im Wettbewerb mit andern Großmächten der<lb/>
Welt ist bereits Weltpolitik und zieht einen gewissen Imperialismus geradezu<lb/>
logisch nach sich.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1284"> Die Bahn dieses Überseehandels war nun bereits vor dem Kriege so aus¬<lb/>
gefahren und selbstverständlich, daß Amerika nicht einfach die Zeit lediglich zur<lb/>
Eroberung des heimischen und südamerikanischen Marktes benutzen konnte, sondern<lb/>
auch infolge des Nachlassens des äußeren Widerstandes in Europa durch Ver¬<lb/>
minderung des dortigen Wettbewerbs, gleichsam automatisch zur Steigerung der<lb/>
Entwicklung nach Übersee getrieben wurde, ja diese Steigerung infolge des lang^<lb/>
dauernden europäischen Niesenbedarfes ein so maßgebender Faktor für den ameri¬<lb/>
kanischen Gesamtorganismus wurde, daß eine Behinderung dieser Entwicklung,<lb/>
wie sie der deutsche U-Bootkrieg bedeutete, geradezu als Eingriff in das innere<lb/>
Leben Amerikas empfunden werden mußte. Und so sehr vielleicht auch, abgesehen<lb/>
von persönlichen Sympathien oder Antipathien und Propagandawirkung, die<lb/>
Kriegserklärung an Denischland von der Mehrheit des Volkes als reine Ver¬<lb/>
teidigungsmaßregel einer konsequenten Amerikapolitik angesehen wurde, in Wirk¬<lb/>
lichkeit bedeutete diese Kriegseiklärung, da sie das Prinzip ungehinderten Über¬<lb/>
seehandels verfocht, ein Bekenntnis zur Welipolitik.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1285" next="#ID_1286"> Weite amerikanische Kreise wollen allerdings diese Entwicklung nicht zugeben,<lb/>
schrecken jedenfalls vor den damit verbundenen Konsequenzen zurück. Zieht man<lb/>
von den Widerständen gegen Wilsons Völkerbundspolitik alles ab, was sich auf<lb/>
Parteitaktik, Parteiintrigen, persönliche Widerstände, innerpolitische Bedenken<lb/>
gegen des Präsidenten autokratische Manieren, gegen seine Steuerpolitik, was sich<lb/>
ferner auf die Widerstände der Deutsch-Amerikaner und Iren, auf die Skepsis<lb/>
von Realpolitikern, die den Bund für unmöglich oder ohnmächtig halten, und die<lb/>
Enttäuschung einiger klar Sehender Idealisten (der frühere Soziolistenvertreter<lb/>
Meyer-London z. B., der, gegen den Krieg gestimmt hat, hat sich in einer Rede<lb/>
im New Era Club auch gegen die Liga der Nationen ausgesprochen, weil eine solche<lb/>
mit Vertretern selbstsüchtiger Nationen, die dasselbe Hunnentum und die gleiche<lb/>
Barbarei offenbarten, die sie bekämpft hatten, nicht geschlossen werden könnte)<lb/>
zurückführen läßt, so bleibt als Hauptbedenken immer noch die Monroedoktrin.<lb/>
Die Monroedoktrin aber hat ein Doppelgesicht. Einmal schaltet sie grundsätzlich<lb/>
jeden außeramerikanischen Eil fluß aus amerikanisches Territorium aus. Und in<lb/>
diesem Punkte wird kein politisch erzogener Amerikaner ernsthaft nachgeben. Man<lb/>
fürchtet demnach, daß vermittelst des Völkerbundes europäische Mächte (wohl gar<lb/>
MonarchenI) Einfluß auf Angelegenheiten gewinnen könnten, die man als rein<lb/>
amerikanisch anzusehen gewohnt ist, daß insbesondere England durch seine sonder-<lb/>
stimmberechtig^en Dominions Amerika in gewissen Fällen in bedrohlicher Weise<lb/>
zu überstimmen in der Lage wäre. Man überlegt auch, daß z. B. Artikel X des<lb/>
Wilsonschen Völkerbundentwurfs, der zur Aufrechterhaltung des territorialen<lb/>
Zustandes bestehender Staaten verpflichtet (und somit jedes Werden und jede<lb/>
Entwicklung im Grunde zu unterbinden trachtet) Amerika im spanisch-amerikanischen<lb/>
Kriege zur Ohnmacht verurteilt und von Cuba ferngehalten haben würde, und<lb/>
gerade ausgesprochene amerikanische Jmperialistenkreise machen geltend, daß eine im<lb/>
nordamerikanischen Sinne ersprußliche Regelung der Konflikte mit Mexiko, die<lb/>
einmal ja doch zum Austrag werden kommen müssen, durch den Völkerbund<lb/>
nahezu unmöglich gemacht sind. Auf der andern Seite aber fürchtet man sich,<lb/>
die bewährten Beschränkungen der Monroedoktrin nach außen hin aufzugeben.<lb/>
Das weiß der Tatsachensinn der Amerikaner recht wohl zu erkennen, daß eine<lb/>
absolut ausschlaggebende Vormachtstellung Amerikas in diesem Völkerbunde, von<lb/>
der durch Wilsons Arbiter mundi Rolle begeisterte, heute jedoch kaum noch ganz<lb/>
überzeugte Idealisten vielleicht träumen, in Wirklichkeit noch lange nicht<lb/>
Möglich sein wird und daß der Völkerbund Amerika zwar Einfluß an vielen<lb/>
Punkten der Erde verleihen, es aber auch verpflichten würde, in vielen Fällen<lb/>
S- B. eines irischen Aufstandes oder jedes kleinen Balkankonfliktes einzugreifen,<lb/>
ur denen Amerika absolut interesselos ist und von seinem Standpunkt aus nur</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1919 . 23</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0301] Amerika am Scheidewege suchte. Handel aber nach Übersee im Wettbewerb mit andern Großmächten der Welt ist bereits Weltpolitik und zieht einen gewissen Imperialismus geradezu logisch nach sich. Die Bahn dieses Überseehandels war nun bereits vor dem Kriege so aus¬ gefahren und selbstverständlich, daß Amerika nicht einfach die Zeit lediglich zur Eroberung des heimischen und südamerikanischen Marktes benutzen konnte, sondern auch infolge des Nachlassens des äußeren Widerstandes in Europa durch Ver¬ minderung des dortigen Wettbewerbs, gleichsam automatisch zur Steigerung der Entwicklung nach Übersee getrieben wurde, ja diese Steigerung infolge des lang^ dauernden europäischen Niesenbedarfes ein so maßgebender Faktor für den ameri¬ kanischen Gesamtorganismus wurde, daß eine Behinderung dieser Entwicklung, wie sie der deutsche U-Bootkrieg bedeutete, geradezu als Eingriff in das innere Leben Amerikas empfunden werden mußte. Und so sehr vielleicht auch, abgesehen von persönlichen Sympathien oder Antipathien und Propagandawirkung, die Kriegserklärung an Denischland von der Mehrheit des Volkes als reine Ver¬ teidigungsmaßregel einer konsequenten Amerikapolitik angesehen wurde, in Wirk¬ lichkeit bedeutete diese Kriegseiklärung, da sie das Prinzip ungehinderten Über¬ seehandels verfocht, ein Bekenntnis zur Welipolitik. Weite amerikanische Kreise wollen allerdings diese Entwicklung nicht zugeben, schrecken jedenfalls vor den damit verbundenen Konsequenzen zurück. Zieht man von den Widerständen gegen Wilsons Völkerbundspolitik alles ab, was sich auf Parteitaktik, Parteiintrigen, persönliche Widerstände, innerpolitische Bedenken gegen des Präsidenten autokratische Manieren, gegen seine Steuerpolitik, was sich ferner auf die Widerstände der Deutsch-Amerikaner und Iren, auf die Skepsis von Realpolitikern, die den Bund für unmöglich oder ohnmächtig halten, und die Enttäuschung einiger klar Sehender Idealisten (der frühere Soziolistenvertreter Meyer-London z. B., der, gegen den Krieg gestimmt hat, hat sich in einer Rede im New Era Club auch gegen die Liga der Nationen ausgesprochen, weil eine solche mit Vertretern selbstsüchtiger Nationen, die dasselbe Hunnentum und die gleiche Barbarei offenbarten, die sie bekämpft hatten, nicht geschlossen werden könnte) zurückführen läßt, so bleibt als Hauptbedenken immer noch die Monroedoktrin. Die Monroedoktrin aber hat ein Doppelgesicht. Einmal schaltet sie grundsätzlich jeden außeramerikanischen Eil fluß aus amerikanisches Territorium aus. Und in diesem Punkte wird kein politisch erzogener Amerikaner ernsthaft nachgeben. Man fürchtet demnach, daß vermittelst des Völkerbundes europäische Mächte (wohl gar MonarchenI) Einfluß auf Angelegenheiten gewinnen könnten, die man als rein amerikanisch anzusehen gewohnt ist, daß insbesondere England durch seine sonder- stimmberechtig^en Dominions Amerika in gewissen Fällen in bedrohlicher Weise zu überstimmen in der Lage wäre. Man überlegt auch, daß z. B. Artikel X des Wilsonschen Völkerbundentwurfs, der zur Aufrechterhaltung des territorialen Zustandes bestehender Staaten verpflichtet (und somit jedes Werden und jede Entwicklung im Grunde zu unterbinden trachtet) Amerika im spanisch-amerikanischen Kriege zur Ohnmacht verurteilt und von Cuba ferngehalten haben würde, und gerade ausgesprochene amerikanische Jmperialistenkreise machen geltend, daß eine im nordamerikanischen Sinne ersprußliche Regelung der Konflikte mit Mexiko, die einmal ja doch zum Austrag werden kommen müssen, durch den Völkerbund nahezu unmöglich gemacht sind. Auf der andern Seite aber fürchtet man sich, die bewährten Beschränkungen der Monroedoktrin nach außen hin aufzugeben. Das weiß der Tatsachensinn der Amerikaner recht wohl zu erkennen, daß eine absolut ausschlaggebende Vormachtstellung Amerikas in diesem Völkerbunde, von der durch Wilsons Arbiter mundi Rolle begeisterte, heute jedoch kaum noch ganz überzeugte Idealisten vielleicht träumen, in Wirklichkeit noch lange nicht Möglich sein wird und daß der Völkerbund Amerika zwar Einfluß an vielen Punkten der Erde verleihen, es aber auch verpflichten würde, in vielen Fällen S- B. eines irischen Aufstandes oder jedes kleinen Balkankonfliktes einzugreifen, ur denen Amerika absolut interesselos ist und von seinem Standpunkt aus nur Grenzboten II 1919 . 23

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/301
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/301>, abgerufen am 18.12.2024.