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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zur Psychologie des deutschen ^Bolschewismus

beruhigend wirken, wenn wir die Gewißheit hätten, daß die Entscheidung jedes¬
mal nur nach eingehender Beratung mit sachverständigen Autoritäten erfolgt.
Die Gutachten der Sozialisierungskommission sind für eine Stellungnahme
schlechterdings nicht ausreichend, weil sie von einem Geist akademischer Konstruk¬
tionen erfüllt sind und daher den realen Erfordernissen nicht hinreichend gerecht
werden. Wir meinen, daß bei der gesetzgeberischen Regelung der Kohlenwirtschaft
die Männer, die diesen Industriezweig bisher zu einer glänzenden Entwicklung
gebracht haben, nicht in solchem Maße zur Mitwirkung herangezogen worden
sind, wie es erwünscht fein muß, um zu verhüten, daß dem Produktionsprozeß
aus der Organisation Hemmschuhe erwachsen. Vielleicht aber ist es nicht zu spät,
den Möglichkeiten einer Beeinträchtigung vorzubeugen, denn die Wirkungen der
im Gesetz skizzierten Richtlinien werden hauptsächlich von den Ausführungs"
bestimmungen adh äugen.

Der Sozialismus marschiert! Die Datsache steht fest, Genugtuung über
sie aber kann man nur dann empfinden, wenn die Gemeinnützigkeit durch sie
zweifellos gefördert wird. Daß in dieser Beziehung sehr ernste Bedenken ob¬
walten, haben die eindrucksvoller Darlegungen von Gegnern der Sozialisierungs-
gesetze in der Weimarer Nationalversammlung bekräftigt. Auch am Regierungs-
tische wird mancher Zweifel aufgestiegen sein. Nachdenklich muß man gestimmt
werden, wenn der Neichsminister Wisset in der Sitzung vom 7. März aussprach,
daß er nicht wisse, "ob der Sturm (der sozialistischen Ideen) die weiten Lande
befruchten und den Boden für reicheres und schöneres Wachstum vorbereiten,
oder ob er unsere Heimat in ein Trümmerfeld verwandeln wird, in dessen Chaos
jedwedes menschenwürdige Leben unmöglich wird". Als "Kind des Sozialismus"
ist die Sozialisierung in die Welt gesetzt worden, mögen wir es nie bereuen,
diesem Geschöpf einer von wilden Gärungen durchwehten Zeit zum Leben
verholfen zu haben.




Zur Psychologie des deutschen Bolschewismus
Zltenenins Von

n meinem Tagebuche blätternd finde ich folgende Stelle: "Besuch
K. q,N'd v. B., Nachrichten von Offensive in Italien. Hypo
tscheu, was nach Friedensschluß eintreten wurde. K. erzählt von
MMvM D verändertem Bild öffentlichen Lebens in Deutschland, Hochkomme"
MWM^UM der ""r-^ulo", Passive Resistenz unter Urlaubern und in Etappe.
"l^lBMW Zunehmende Unehrlichkeit, Unterschlagungen, Verwilderung,
diesige Volksteile haben freiwillige, regelmäßige Arbeit vollkommen verlernt.
Niederer und mittlererer Beamtenstand wieder ganz neu zu schaffen, Sicherheits¬
dienst wird um vielfaches verstärkt werden müssen.- Genauestes (aber Wahrschein-,
lich unmögliches) Ineinandergreifen von Demobilisation bei dem Rohstoffmangel
erforderlich um Revolten zu vermeiden. Demobilisation bei dem Rohstoffmangel
erst bei ausgedehnter Feldarbeitsinöglichkleit angängig. Bis jetzt auf dem Lande
"ur ungenügend für angemessene Wohnverhältnisse und Siedlungsmöglichkeiten
vorgesorgt. Sehr gefährlich der zunehmende, fast mystische Glaube, daß mit Tag
d"s Miedensschlnsses goldnes Zeitalter anbreche, teils Leichtsinn, teils einzige
Aebenshoffnnng."

^ Diese Stelle stammt nicht etwa aus dem Oktober 1913, sondern aus dem
September 1V17 und wird hier angeführt wahrlich nicht etwa aus kläglichem


Zur Psychologie des deutschen ^Bolschewismus

beruhigend wirken, wenn wir die Gewißheit hätten, daß die Entscheidung jedes¬
mal nur nach eingehender Beratung mit sachverständigen Autoritäten erfolgt.
Die Gutachten der Sozialisierungskommission sind für eine Stellungnahme
schlechterdings nicht ausreichend, weil sie von einem Geist akademischer Konstruk¬
tionen erfüllt sind und daher den realen Erfordernissen nicht hinreichend gerecht
werden. Wir meinen, daß bei der gesetzgeberischen Regelung der Kohlenwirtschaft
die Männer, die diesen Industriezweig bisher zu einer glänzenden Entwicklung
gebracht haben, nicht in solchem Maße zur Mitwirkung herangezogen worden
sind, wie es erwünscht fein muß, um zu verhüten, daß dem Produktionsprozeß
aus der Organisation Hemmschuhe erwachsen. Vielleicht aber ist es nicht zu spät,
den Möglichkeiten einer Beeinträchtigung vorzubeugen, denn die Wirkungen der
im Gesetz skizzierten Richtlinien werden hauptsächlich von den Ausführungs»
bestimmungen adh äugen.

Der Sozialismus marschiert! Die Datsache steht fest, Genugtuung über
sie aber kann man nur dann empfinden, wenn die Gemeinnützigkeit durch sie
zweifellos gefördert wird. Daß in dieser Beziehung sehr ernste Bedenken ob¬
walten, haben die eindrucksvoller Darlegungen von Gegnern der Sozialisierungs-
gesetze in der Weimarer Nationalversammlung bekräftigt. Auch am Regierungs-
tische wird mancher Zweifel aufgestiegen sein. Nachdenklich muß man gestimmt
werden, wenn der Neichsminister Wisset in der Sitzung vom 7. März aussprach,
daß er nicht wisse, „ob der Sturm (der sozialistischen Ideen) die weiten Lande
befruchten und den Boden für reicheres und schöneres Wachstum vorbereiten,
oder ob er unsere Heimat in ein Trümmerfeld verwandeln wird, in dessen Chaos
jedwedes menschenwürdige Leben unmöglich wird". Als „Kind des Sozialismus"
ist die Sozialisierung in die Welt gesetzt worden, mögen wir es nie bereuen,
diesem Geschöpf einer von wilden Gärungen durchwehten Zeit zum Leben
verholfen zu haben.




Zur Psychologie des deutschen Bolschewismus
Zltenenins Von

n meinem Tagebuche blätternd finde ich folgende Stelle: „Besuch
K. q,N'd v. B., Nachrichten von Offensive in Italien. Hypo
tscheu, was nach Friedensschluß eintreten wurde. K. erzählt von
MMvM D verändertem Bild öffentlichen Lebens in Deutschland, Hochkomme»
MWM^UM der „«r-^ulo", Passive Resistenz unter Urlaubern und in Etappe.
«l^lBMW Zunehmende Unehrlichkeit, Unterschlagungen, Verwilderung,
diesige Volksteile haben freiwillige, regelmäßige Arbeit vollkommen verlernt.
Niederer und mittlererer Beamtenstand wieder ganz neu zu schaffen, Sicherheits¬
dienst wird um vielfaches verstärkt werden müssen.- Genauestes (aber Wahrschein-,
lich unmögliches) Ineinandergreifen von Demobilisation bei dem Rohstoffmangel
erforderlich um Revolten zu vermeiden. Demobilisation bei dem Rohstoffmangel
erst bei ausgedehnter Feldarbeitsinöglichkleit angängig. Bis jetzt auf dem Lande
«ur ungenügend für angemessene Wohnverhältnisse und Siedlungsmöglichkeiten
vorgesorgt. Sehr gefährlich der zunehmende, fast mystische Glaube, daß mit Tag
d«s Miedensschlnsses goldnes Zeitalter anbreche, teils Leichtsinn, teils einzige
Aebenshoffnnng."

^ Diese Stelle stammt nicht etwa aus dem Oktober 1913, sondern aus dem
September 1V17 und wird hier angeführt wahrlich nicht etwa aus kläglichem


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[0027] Zur Psychologie des deutschen ^Bolschewismus beruhigend wirken, wenn wir die Gewißheit hätten, daß die Entscheidung jedes¬ mal nur nach eingehender Beratung mit sachverständigen Autoritäten erfolgt. Die Gutachten der Sozialisierungskommission sind für eine Stellungnahme schlechterdings nicht ausreichend, weil sie von einem Geist akademischer Konstruk¬ tionen erfüllt sind und daher den realen Erfordernissen nicht hinreichend gerecht werden. Wir meinen, daß bei der gesetzgeberischen Regelung der Kohlenwirtschaft die Männer, die diesen Industriezweig bisher zu einer glänzenden Entwicklung gebracht haben, nicht in solchem Maße zur Mitwirkung herangezogen worden sind, wie es erwünscht fein muß, um zu verhüten, daß dem Produktionsprozeß aus der Organisation Hemmschuhe erwachsen. Vielleicht aber ist es nicht zu spät, den Möglichkeiten einer Beeinträchtigung vorzubeugen, denn die Wirkungen der im Gesetz skizzierten Richtlinien werden hauptsächlich von den Ausführungs» bestimmungen adh äugen. Der Sozialismus marschiert! Die Datsache steht fest, Genugtuung über sie aber kann man nur dann empfinden, wenn die Gemeinnützigkeit durch sie zweifellos gefördert wird. Daß in dieser Beziehung sehr ernste Bedenken ob¬ walten, haben die eindrucksvoller Darlegungen von Gegnern der Sozialisierungs- gesetze in der Weimarer Nationalversammlung bekräftigt. Auch am Regierungs- tische wird mancher Zweifel aufgestiegen sein. Nachdenklich muß man gestimmt werden, wenn der Neichsminister Wisset in der Sitzung vom 7. März aussprach, daß er nicht wisse, „ob der Sturm (der sozialistischen Ideen) die weiten Lande befruchten und den Boden für reicheres und schöneres Wachstum vorbereiten, oder ob er unsere Heimat in ein Trümmerfeld verwandeln wird, in dessen Chaos jedwedes menschenwürdige Leben unmöglich wird". Als „Kind des Sozialismus" ist die Sozialisierung in die Welt gesetzt worden, mögen wir es nie bereuen, diesem Geschöpf einer von wilden Gärungen durchwehten Zeit zum Leben verholfen zu haben. Zur Psychologie des deutschen Bolschewismus Zltenenins Von n meinem Tagebuche blätternd finde ich folgende Stelle: „Besuch K. q,N'd v. B., Nachrichten von Offensive in Italien. Hypo tscheu, was nach Friedensschluß eintreten wurde. K. erzählt von MMvM D verändertem Bild öffentlichen Lebens in Deutschland, Hochkomme» MWM^UM der „«r-^ulo", Passive Resistenz unter Urlaubern und in Etappe. «l^lBMW Zunehmende Unehrlichkeit, Unterschlagungen, Verwilderung, diesige Volksteile haben freiwillige, regelmäßige Arbeit vollkommen verlernt. Niederer und mittlererer Beamtenstand wieder ganz neu zu schaffen, Sicherheits¬ dienst wird um vielfaches verstärkt werden müssen.- Genauestes (aber Wahrschein-, lich unmögliches) Ineinandergreifen von Demobilisation bei dem Rohstoffmangel erforderlich um Revolten zu vermeiden. Demobilisation bei dem Rohstoffmangel erst bei ausgedehnter Feldarbeitsinöglichkleit angängig. Bis jetzt auf dem Lande «ur ungenügend für angemessene Wohnverhältnisse und Siedlungsmöglichkeiten vorgesorgt. Sehr gefährlich der zunehmende, fast mystische Glaube, daß mit Tag d«s Miedensschlnsses goldnes Zeitalter anbreche, teils Leichtsinn, teils einzige Aebenshoffnnng." ^ Diese Stelle stammt nicht etwa aus dem Oktober 1913, sondern aus dem September 1V17 und wird hier angeführt wahrlich nicht etwa aus kläglichem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/27>, abgerufen am 09.11.2024.