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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lisninS unbekannt sein? Damit ist auch die
Frage beantwortet, die das Zentralblatt der
christlichen Gewerkschaften aufgeworfen but:
"Wie können wir das Gut" an der kapita¬
listischen Bewegung zum Besten der Mensch¬
heit nutzbar machen, ohne uns der Gefahr
der Knechtung durch diese Errungenschaften
auszusetzen?" Die neue Wirtschaft, wie sie
das Blatt verlangt, ist bereits da, oder
besser, sie könnte bereits da sein, wenn die
Arbeiterschaft nicht mehr den leeren agiia-
torischen Schlagworten folgen würde. Sie
ruht und sie hat zu beruhen auf der Er-
kenntnis, daß Kapitalismus und Arbeit
Produktive Teile der Gesamtwirtschaft sind,
und daß diese Wirtschaft nur durch ein Zu¬
sammenarbeiten dieser beiden Teile gedeihen
kann.


In Versailles hat sich die Friedenspalme
in eine über dem deutschen Volke geschwun¬
gene Geißel verwandelt. Aus dem dicklei¬
bigen Friedensverträge, der uns vorgelegt
worden ist, greife man nur das heraus,
was in Abschnitt I des achten Teils über
die Wiedergutmachungen steht. Da wird
eine "Kommission für Wiedergutmachung"
eingesetzt, die zum wahren Beherrscher
Deutschlands wird. Da muß sich Deutsch¬
land verpflichten, alle Gesetze, Verordnungen
und Verfügungen zu veröffentlichen, die für
die vollständige Durchführung obiger Be¬
stimmungen, d. h. für die Regelung der
Wiedergutmachungen nötig sein könnten. Die
deutsche Negierung muß der Kommission alle
Auskünfte geben, deren sie bedürfen könnte,
bezüglich der finanziellen Lage und finan¬
ziellen Operationen, bezüglich des Eigentums,
der Produkiionskraft, der Vorräte und lau¬
fenden Erzeugung von Rohstoffen und ge¬
werblichen Erzeugnissen Deutschlands und
seiner Staatsangehörigen. Die Kommission
hat das Recht in periodischen Schätzungen
der Zahlungsfähigkeit Deutschlands, das
deutsche Steuersystem zu Prüfen, damit alle
Einkünfte Deutschlands einschließlich der für
den Zinsendienst und die Tilgung seiner

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inneren Anleihen bestimmten in erster Linie
für Zahlung der zur Miedergutninchung ge¬
schuldeten Summen haften. Die Kommission
darf sich ferner Gewißheit darüber ver¬
schaffen, daß das deutsche Steuersystem im
allgemeinen im Verhältnis ganz eben so
schwer ist, als dasjenige irgendeines der
Staaten, die in der Kommission vertreten
sind. Damit wird dieser Kommission, welche
die weitgehendsten Kontroll- und Voll¬
streckungsbefugnisse besitzen soll, die an keine
Gesetzgebung noch an bestimmte Gesetzbücher
gebunden sein soll, das Recht eingeräumt,
die Steuergesetzgebung Deutschlands zu
regeln. Auch kann die.Kommission, sofern
sie der Meinung ist, daß es der Wiedergut¬
machung schadet, die sozialen Pläne des
deutschen Reiches zuschanden machen. Das
ist gewiß keine Stimme der Verminst, aber
noch viel größere Unvernunft wäre es, wenn
die deutsche Arbeiterschaft nicht endlich ein¬
sehen würde, daß angesichts der ungeheuer¬
lichen Zumutungen unsere Feinde ein Wieder¬
aufbau unseres Wirtschaftslebens nur durch
Einigkeit und vom VerstündignngSwilten
getragene Arbeit möglich ist. Was aus
dem Friedensentwurf herausschaue, ist der
Kapitalismus in seiner schlimmsten, verderb¬
lichsten Form. Niemals hat es einen grö¬
ßeren Feind des deutschen Arbeiters gegeben,
als die imperialistischen Kapitalisten unserer
Feinde. Es wäre das einzige Gute, das
diese Friedensbedingungen mit sich bringen
würden, wenn wir in Deutschland endlich
zur Einsicht kommen und einsehen, daß die
gegenwärtigen Zustände unrettbar zum Zu-
sammenbruch treiben. Man sage aber dem
Arbeiter nicht nur: "Deshalb mußt du ar¬
beiten", sondern man sage ihm auch, daß
sich in Deutschland ganz anders als in den
Ententelnndern ein sozialer Geist durch¬
gerungen hat, der ihm das Bewußtsein gibt,
wofür er arbeitet: Für seine und der Seinen
Zukunft. Dann möge der Tag nicht mehr
fern sein, wo die Stimme der Vernunft
nicht mehr die Stimme des Predigers in
Heimlich Zieseln der Wüste ist.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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lisninS unbekannt sein? Damit ist auch die
Frage beantwortet, die das Zentralblatt der
christlichen Gewerkschaften aufgeworfen but:
„Wie können wir das Gut« an der kapita¬
listischen Bewegung zum Besten der Mensch¬
heit nutzbar machen, ohne uns der Gefahr
der Knechtung durch diese Errungenschaften
auszusetzen?" Die neue Wirtschaft, wie sie
das Blatt verlangt, ist bereits da, oder
besser, sie könnte bereits da sein, wenn die
Arbeiterschaft nicht mehr den leeren agiia-
torischen Schlagworten folgen würde. Sie
ruht und sie hat zu beruhen auf der Er-
kenntnis, daß Kapitalismus und Arbeit
Produktive Teile der Gesamtwirtschaft sind,
und daß diese Wirtschaft nur durch ein Zu¬
sammenarbeiten dieser beiden Teile gedeihen
kann.


In Versailles hat sich die Friedenspalme
in eine über dem deutschen Volke geschwun¬
gene Geißel verwandelt. Aus dem dicklei¬
bigen Friedensverträge, der uns vorgelegt
worden ist, greife man nur das heraus,
was in Abschnitt I des achten Teils über
die Wiedergutmachungen steht. Da wird
eine „Kommission für Wiedergutmachung"
eingesetzt, die zum wahren Beherrscher
Deutschlands wird. Da muß sich Deutsch¬
land verpflichten, alle Gesetze, Verordnungen
und Verfügungen zu veröffentlichen, die für
die vollständige Durchführung obiger Be¬
stimmungen, d. h. für die Regelung der
Wiedergutmachungen nötig sein könnten. Die
deutsche Negierung muß der Kommission alle
Auskünfte geben, deren sie bedürfen könnte,
bezüglich der finanziellen Lage und finan¬
ziellen Operationen, bezüglich des Eigentums,
der Produkiionskraft, der Vorräte und lau¬
fenden Erzeugung von Rohstoffen und ge¬
werblichen Erzeugnissen Deutschlands und
seiner Staatsangehörigen. Die Kommission
hat das Recht in periodischen Schätzungen
der Zahlungsfähigkeit Deutschlands, das
deutsche Steuersystem zu Prüfen, damit alle
Einkünfte Deutschlands einschließlich der für
den Zinsendienst und die Tilgung seiner

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inneren Anleihen bestimmten in erster Linie
für Zahlung der zur Miedergutninchung ge¬
schuldeten Summen haften. Die Kommission
darf sich ferner Gewißheit darüber ver¬
schaffen, daß das deutsche Steuersystem im
allgemeinen im Verhältnis ganz eben so
schwer ist, als dasjenige irgendeines der
Staaten, die in der Kommission vertreten
sind. Damit wird dieser Kommission, welche
die weitgehendsten Kontroll- und Voll¬
streckungsbefugnisse besitzen soll, die an keine
Gesetzgebung noch an bestimmte Gesetzbücher
gebunden sein soll, das Recht eingeräumt,
die Steuergesetzgebung Deutschlands zu
regeln. Auch kann die.Kommission, sofern
sie der Meinung ist, daß es der Wiedergut¬
machung schadet, die sozialen Pläne des
deutschen Reiches zuschanden machen. Das
ist gewiß keine Stimme der Verminst, aber
noch viel größere Unvernunft wäre es, wenn
die deutsche Arbeiterschaft nicht endlich ein¬
sehen würde, daß angesichts der ungeheuer¬
lichen Zumutungen unsere Feinde ein Wieder¬
aufbau unseres Wirtschaftslebens nur durch
Einigkeit und vom VerstündignngSwilten
getragene Arbeit möglich ist. Was aus
dem Friedensentwurf herausschaue, ist der
Kapitalismus in seiner schlimmsten, verderb¬
lichsten Form. Niemals hat es einen grö¬
ßeren Feind des deutschen Arbeiters gegeben,
als die imperialistischen Kapitalisten unserer
Feinde. Es wäre das einzige Gute, das
diese Friedensbedingungen mit sich bringen
würden, wenn wir in Deutschland endlich
zur Einsicht kommen und einsehen, daß die
gegenwärtigen Zustände unrettbar zum Zu-
sammenbruch treiben. Man sage aber dem
Arbeiter nicht nur: „Deshalb mußt du ar¬
beiten", sondern man sage ihm auch, daß
sich in Deutschland ganz anders als in den
Ententelnndern ein sozialer Geist durch¬
gerungen hat, der ihm das Bewußtsein gibt,
wofür er arbeitet: Für seine und der Seinen
Zukunft. Dann möge der Tag nicht mehr
fern sein, wo die Stimme der Vernunft
nicht mehr die Stimme des Predigers in
Heimlich Zieseln der Wüste ist.

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[0266] Maßgebliches und Unmaßgebliches lisninS unbekannt sein? Damit ist auch die Frage beantwortet, die das Zentralblatt der christlichen Gewerkschaften aufgeworfen but: „Wie können wir das Gut« an der kapita¬ listischen Bewegung zum Besten der Mensch¬ heit nutzbar machen, ohne uns der Gefahr der Knechtung durch diese Errungenschaften auszusetzen?" Die neue Wirtschaft, wie sie das Blatt verlangt, ist bereits da, oder besser, sie könnte bereits da sein, wenn die Arbeiterschaft nicht mehr den leeren agiia- torischen Schlagworten folgen würde. Sie ruht und sie hat zu beruhen auf der Er- kenntnis, daß Kapitalismus und Arbeit Produktive Teile der Gesamtwirtschaft sind, und daß diese Wirtschaft nur durch ein Zu¬ sammenarbeiten dieser beiden Teile gedeihen kann. In Versailles hat sich die Friedenspalme in eine über dem deutschen Volke geschwun¬ gene Geißel verwandelt. Aus dem dicklei¬ bigen Friedensverträge, der uns vorgelegt worden ist, greife man nur das heraus, was in Abschnitt I des achten Teils über die Wiedergutmachungen steht. Da wird eine „Kommission für Wiedergutmachung" eingesetzt, die zum wahren Beherrscher Deutschlands wird. Da muß sich Deutsch¬ land verpflichten, alle Gesetze, Verordnungen und Verfügungen zu veröffentlichen, die für die vollständige Durchführung obiger Be¬ stimmungen, d. h. für die Regelung der Wiedergutmachungen nötig sein könnten. Die deutsche Negierung muß der Kommission alle Auskünfte geben, deren sie bedürfen könnte, bezüglich der finanziellen Lage und finan¬ ziellen Operationen, bezüglich des Eigentums, der Produkiionskraft, der Vorräte und lau¬ fenden Erzeugung von Rohstoffen und ge¬ werblichen Erzeugnissen Deutschlands und seiner Staatsangehörigen. Die Kommission hat das Recht in periodischen Schätzungen der Zahlungsfähigkeit Deutschlands, das deutsche Steuersystem zu Prüfen, damit alle Einkünfte Deutschlands einschließlich der für den Zinsendienst und die Tilgung seiner inneren Anleihen bestimmten in erster Linie für Zahlung der zur Miedergutninchung ge¬ schuldeten Summen haften. Die Kommission darf sich ferner Gewißheit darüber ver¬ schaffen, daß das deutsche Steuersystem im allgemeinen im Verhältnis ganz eben so schwer ist, als dasjenige irgendeines der Staaten, die in der Kommission vertreten sind. Damit wird dieser Kommission, welche die weitgehendsten Kontroll- und Voll¬ streckungsbefugnisse besitzen soll, die an keine Gesetzgebung noch an bestimmte Gesetzbücher gebunden sein soll, das Recht eingeräumt, die Steuergesetzgebung Deutschlands zu regeln. Auch kann die.Kommission, sofern sie der Meinung ist, daß es der Wiedergut¬ machung schadet, die sozialen Pläne des deutschen Reiches zuschanden machen. Das ist gewiß keine Stimme der Verminst, aber noch viel größere Unvernunft wäre es, wenn die deutsche Arbeiterschaft nicht endlich ein¬ sehen würde, daß angesichts der ungeheuer¬ lichen Zumutungen unsere Feinde ein Wieder¬ aufbau unseres Wirtschaftslebens nur durch Einigkeit und vom VerstündignngSwilten getragene Arbeit möglich ist. Was aus dem Friedensentwurf herausschaue, ist der Kapitalismus in seiner schlimmsten, verderb¬ lichsten Form. Niemals hat es einen grö¬ ßeren Feind des deutschen Arbeiters gegeben, als die imperialistischen Kapitalisten unserer Feinde. Es wäre das einzige Gute, das diese Friedensbedingungen mit sich bringen würden, wenn wir in Deutschland endlich zur Einsicht kommen und einsehen, daß die gegenwärtigen Zustände unrettbar zum Zu- sammenbruch treiben. Man sage aber dem Arbeiter nicht nur: „Deshalb mußt du ar¬ beiten", sondern man sage ihm auch, daß sich in Deutschland ganz anders als in den Ententelnndern ein sozialer Geist durch¬ gerungen hat, der ihm das Bewußtsein gibt, wofür er arbeitet: Für seine und der Seinen Zukunft. Dann möge der Tag nicht mehr fern sein, wo die Stimme der Vernunft nicht mehr die Stimme des Predigers in Heimlich Zieseln der Wüste ist.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/266>, abgerufen am 18.12.2024.