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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Zur Hriedenslage
Lari Georg Benus von

cum nicht alles trügt, so ist die Entwicklung des Friedensproblems
! vor einschneidenden Entscheidungen angelangt. Nicht in dem Sinne,
das? die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, die endgültige
Liquidation des Krieges und die Einleitung der Friedensperiode
!bedeuten müssen. Aber doch in dem Sinne, daß der drängende
^Flusz der gesamten für die Weltlage maßgebenden Kräfte, der seit
dem 9, November gewissermaßen in einem großen Staubecken zusammengepreßt
war, durch irgend eine Öffnung sich Bahn brechen muß. Wo diese Öffnung ge¬
funden wird, und ob eS gelingt, den Fluß der Ereignisse in ein geregeltes Bett
ßch ergießen zu lassen, oder er planlos mit naturwilder Gewalt Deutschland unter
und begraben wird, das ist die schicksalsschwere Frage, vor der wir heute stehen.

Über die schwere seelische Erschütterung, die die Einsicht, daß die Durch-
tetzung des Friedens aus eigener Kraft dein deutschen Volke nicht mehr möglich
war, eigentlich hätte zur Folge haben müssen, ist das deutsche Volk dank einer
Illusion verhältnismäßig leicht hinweggekommen. Die Illusion bestand in der
Annahme, daß die Festlegung auf die von Wilson proklamierten Grundlagen des
Friedens dem deutschen Volte ein erträgliches Minimum von Ezistenzmöglichkeiten
oster würde. Diese Anschauung wurde erstaunlicherweise in großem Umfange auch
^wu solchen Kreisen geteilt, die vorher der Anschauung gewesen waren, daß die
Möglichkeit eines sogenannten Verständigungsfriedens nicht bestände, sondern daß
^ sich nur um das grausame Entweder Oder, Sieg oder Niederlage, handeln könne,
^wtzdem hat auch noch nach dem 6. Oktober die Möglichkeit bestanden, auf der
^llfonschen Grundlage zu einem Frieden zu kommen. Nimmt man einmal an
~? und für diese Annahme sprechen noch immer gewichtige Gründe -- daß Wilson
weht ein zynischer Heuchler ist, der seine Friedensideen ausschließlich zur Nber-
tolpelung des deutschen Volüs proklamiert hat, so muß man sich fragen, unter
welchen Umständen die Wilsonsche Friedenspolitik zum Ziel hätte führen können,
^le hätte es können, wenn Wilson auch nach dem Umschwung der militärischen
^-age und dem Abfall unserer Bundesgenossen mit einer ins Gewicht fallenden
deutschen Widerstandskraft hätte rechnen können. Der Zusammenbruch Deujsch-
ands raubte Wilson seinen besten Bundesgenossen. Von diesem Augenblick an
Ware er nur noch durch positive Einsetzung amerikanischer Machtmittel in der Lage
gewesen, einen fühlbaren Druck auf die Entente auszuüben. Daß er das nicht
wollte und bei der innemmerikanischen Grundlage für seine Politik auch gar
"icht konnte, hätte jedem nüchternen Beobachter klar sein müssen.

. Für die weitere Entwicklung der Dinge schied Deutschland mit der Annahme
Waffenstillstandsbcdingungen.als realer Faktor aus. Es war nur noch Gegen-


Grenzboten II 1919 20


Zur Hriedenslage
Lari Georg Benus von

cum nicht alles trügt, so ist die Entwicklung des Friedensproblems
! vor einschneidenden Entscheidungen angelangt. Nicht in dem Sinne,
das? die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, die endgültige
Liquidation des Krieges und die Einleitung der Friedensperiode
!bedeuten müssen. Aber doch in dem Sinne, daß der drängende
^Flusz der gesamten für die Weltlage maßgebenden Kräfte, der seit
dem 9, November gewissermaßen in einem großen Staubecken zusammengepreßt
war, durch irgend eine Öffnung sich Bahn brechen muß. Wo diese Öffnung ge¬
funden wird, und ob eS gelingt, den Fluß der Ereignisse in ein geregeltes Bett
ßch ergießen zu lassen, oder er planlos mit naturwilder Gewalt Deutschland unter
und begraben wird, das ist die schicksalsschwere Frage, vor der wir heute stehen.

Über die schwere seelische Erschütterung, die die Einsicht, daß die Durch-
tetzung des Friedens aus eigener Kraft dein deutschen Volke nicht mehr möglich
war, eigentlich hätte zur Folge haben müssen, ist das deutsche Volk dank einer
Illusion verhältnismäßig leicht hinweggekommen. Die Illusion bestand in der
Annahme, daß die Festlegung auf die von Wilson proklamierten Grundlagen des
Friedens dem deutschen Volte ein erträgliches Minimum von Ezistenzmöglichkeiten
oster würde. Diese Anschauung wurde erstaunlicherweise in großem Umfange auch
^wu solchen Kreisen geteilt, die vorher der Anschauung gewesen waren, daß die
Möglichkeit eines sogenannten Verständigungsfriedens nicht bestände, sondern daß
^ sich nur um das grausame Entweder Oder, Sieg oder Niederlage, handeln könne,
^wtzdem hat auch noch nach dem 6. Oktober die Möglichkeit bestanden, auf der
^llfonschen Grundlage zu einem Frieden zu kommen. Nimmt man einmal an
~? und für diese Annahme sprechen noch immer gewichtige Gründe — daß Wilson
weht ein zynischer Heuchler ist, der seine Friedensideen ausschließlich zur Nber-
tolpelung des deutschen Volüs proklamiert hat, so muß man sich fragen, unter
welchen Umständen die Wilsonsche Friedenspolitik zum Ziel hätte führen können,
^le hätte es können, wenn Wilson auch nach dem Umschwung der militärischen
^-age und dem Abfall unserer Bundesgenossen mit einer ins Gewicht fallenden
deutschen Widerstandskraft hätte rechnen können. Der Zusammenbruch Deujsch-
ands raubte Wilson seinen besten Bundesgenossen. Von diesem Augenblick an
Ware er nur noch durch positive Einsetzung amerikanischer Machtmittel in der Lage
gewesen, einen fühlbaren Druck auf die Entente auszuüben. Daß er das nicht
wollte und bei der innemmerikanischen Grundlage für seine Politik auch gar
"icht konnte, hätte jedem nüchternen Beobachter klar sein müssen.

. Für die weitere Entwicklung der Dinge schied Deutschland mit der Annahme
Waffenstillstandsbcdingungen.als realer Faktor aus. Es war nur noch Gegen-


Grenzboten II 1919 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/245>, abgerufen am 18.12.2024.