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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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politisches Heldentum

jedenfalls um Geschäfte auf sehr lange Sicht. Wenn dieser Tatsache gegenüber die
öffentliche Meinung in Deutschland die geschichtliche Entwicklung vor und während
des Krieges nur unter dem Gesichtspunkte ansieht, daß der Krieg hätte vermieden
werden oder rechtzeitig hätte abgebrochen werden müssen und können, und
den hier vertretenen Gedanken, dessen Nichtigkeit, wie stets bei historischen Be¬
weisführungen, sich selbstverständlich auch nicht zwingend dartun läßt, fast von jeder
Erwägung ausschließt, so liegt dies daran, daß es unserer politischen Grund-
stimmuiig fast unmöglich ist. sich in eine heldische Auffassung der politischen Auf¬
gaben eines Siaates hineinzufinden, die das Schicksal des ganzen Staates oder
doch die Wohlfahrt und das Glück der lebenden Generation auf das Spiel setzt,
um eine größere Zukunft herbeizuführen. Die großen Führer in der Geschichte
unseres Volkes haben diesen Geist besessen. Friedrich der Große, Bismarck und
mich Wilhelm der Erste haben stets gewußt, daß bei den großen Wurfen ihrer
Politik alles verloren werden konnte. Gemeingut des deutschen Volkes ist dieser
Geist, vielleicht mitbedingt durch die innerpolitische Entwicklung in den Bahnen
des Obrigke>tstaates, nicht geworden.

Das Woll des Neichsministcrpräsidenten Scheidemann von dem Hazardeur
des Weltkrieges, das er Ludendorff gegenüber gebrauchte, hat bei uns in weitesten
Kreisen die von Scheidemann beabsichtigte Resonanz gefunden, daß nämlich damit
das politische Verdammungsurteil über Ludendorff gesprochen sei. Demgegenüber
darf mit vollem Recht darauf hingewiesen werden, daß die gesamte englische
Politik während des Weltkrieges ebenso eine Spielerpolitik gewesen ist, und es
darf angenomnnn werden, daß das englische Volk sich dieses Charakters der eng¬
lischen Politik sehr viel mehr klar gewesen ist, als das deutsche Volk hinsichtlich
der Politik Ludendorffs. Man darf den Grund für diese verschiedene Einstellung
gegenüber dem möglichen Ausgang des Krieges nicht einfach darin suchen, daß
die deutsche Negierung ihre Aufgabe für die Beeinflussung der deutschen Stimmung
darin gesehen hat, die drohenden Gefahren zu verkleinern und stets nur das Ver¬
trauen auf de" siegreichen Ausgang des Krieges zu befestigen. Den tieferen Grund
hat diese Slimmungspolitik doch in der Sinnesart des deutschen Volkes, das nicht
seelisch einem kühlen, den brutalen Tatsachen Ins-Auge-Sehen gewachsen gewesen
wäre. Und die Art in der von weiten Kreisen, von .Kreisen, die beim siegreichen
Ausgang des Krieges die seelische Größe der Führer bewundert hätten, die
das Riesinmaß von Verantwortung durch die langen Jahre getragen haben, jetzt nach
dem Verlust des Krieges lediglich nach dem Schuldigen zu suchen, der Versuch, durch
Selbstbezichligung eine mildere Behandlung durch die Gegner herbeizuführen, ist kein
Zeichen einer heldischen Auffassung von Politik und Geschichte. Bringt man es
doch sogar bei uns fertig, den Verlauf der deutschen Geschichte, soweit sie von der Ent¬
wicklung Preußens zum Machtstaate und durch die Führung Bismarcks bestimmt
wurde, zu bedauern, da hierdurch allein die jetzige Katastrophe verschuldet sei. Es
ist das eine feminine Geschichtsauffassung, die mit heldischen Geist nichts zu tun
hat, sondern die einem händlerischem Geist entspringt, der verlorenen Pfennigen
nachweint; nicht ein Geist vom Typ des königlichen Kaufmannes, sondern ein
kleinlicher Krämersinn, der nichts von den starken männlichen Eigenschaften
spüren läßt, die allein das Leben und in Sonderheit das politische Leben
meistern können.

Man kann das Wort Bismarcks, daß der militärische Mut ein Gemeingut
des deutschen Volkes sei, Zivilcourage aber höchst selten bei uns zu finden sei,
auch auf dos politische Leben übertragen. Unser militärisches Heldentum und
auch das Dulbertum von vielen Millionen in der Heimat kann uns nach dein
Weltkriege auch trotz seines Verlustes niemand bestreiten-, auch werden sich für
alle Zeilen die Taten der deutschen Heere vor denen der Gegner, denen dies
Heldentum damit nicht bestritten wird, leuchtend abheben. ' Aber politisches
Heldentum besitzen wir nicht. Uns fehlt das Schicksalsgefühl gegenüber dein
großen Walten der Mächte, die das Leben der Völker bestimmen, während wir
dies Gefühl losgelöst von nationaler Bedingtheit besitzen. Man mag meinen,


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politisches Heldentum

jedenfalls um Geschäfte auf sehr lange Sicht. Wenn dieser Tatsache gegenüber die
öffentliche Meinung in Deutschland die geschichtliche Entwicklung vor und während
des Krieges nur unter dem Gesichtspunkte ansieht, daß der Krieg hätte vermieden
werden oder rechtzeitig hätte abgebrochen werden müssen und können, und
den hier vertretenen Gedanken, dessen Nichtigkeit, wie stets bei historischen Be¬
weisführungen, sich selbstverständlich auch nicht zwingend dartun läßt, fast von jeder
Erwägung ausschließt, so liegt dies daran, daß es unserer politischen Grund-
stimmuiig fast unmöglich ist. sich in eine heldische Auffassung der politischen Auf¬
gaben eines Siaates hineinzufinden, die das Schicksal des ganzen Staates oder
doch die Wohlfahrt und das Glück der lebenden Generation auf das Spiel setzt,
um eine größere Zukunft herbeizuführen. Die großen Führer in der Geschichte
unseres Volkes haben diesen Geist besessen. Friedrich der Große, Bismarck und
mich Wilhelm der Erste haben stets gewußt, daß bei den großen Wurfen ihrer
Politik alles verloren werden konnte. Gemeingut des deutschen Volkes ist dieser
Geist, vielleicht mitbedingt durch die innerpolitische Entwicklung in den Bahnen
des Obrigke>tstaates, nicht geworden.

Das Woll des Neichsministcrpräsidenten Scheidemann von dem Hazardeur
des Weltkrieges, das er Ludendorff gegenüber gebrauchte, hat bei uns in weitesten
Kreisen die von Scheidemann beabsichtigte Resonanz gefunden, daß nämlich damit
das politische Verdammungsurteil über Ludendorff gesprochen sei. Demgegenüber
darf mit vollem Recht darauf hingewiesen werden, daß die gesamte englische
Politik während des Weltkrieges ebenso eine Spielerpolitik gewesen ist, und es
darf angenomnnn werden, daß das englische Volk sich dieses Charakters der eng¬
lischen Politik sehr viel mehr klar gewesen ist, als das deutsche Volk hinsichtlich
der Politik Ludendorffs. Man darf den Grund für diese verschiedene Einstellung
gegenüber dem möglichen Ausgang des Krieges nicht einfach darin suchen, daß
die deutsche Negierung ihre Aufgabe für die Beeinflussung der deutschen Stimmung
darin gesehen hat, die drohenden Gefahren zu verkleinern und stets nur das Ver¬
trauen auf de» siegreichen Ausgang des Krieges zu befestigen. Den tieferen Grund
hat diese Slimmungspolitik doch in der Sinnesart des deutschen Volkes, das nicht
seelisch einem kühlen, den brutalen Tatsachen Ins-Auge-Sehen gewachsen gewesen
wäre. Und die Art in der von weiten Kreisen, von .Kreisen, die beim siegreichen
Ausgang des Krieges die seelische Größe der Führer bewundert hätten, die
das Riesinmaß von Verantwortung durch die langen Jahre getragen haben, jetzt nach
dem Verlust des Krieges lediglich nach dem Schuldigen zu suchen, der Versuch, durch
Selbstbezichligung eine mildere Behandlung durch die Gegner herbeizuführen, ist kein
Zeichen einer heldischen Auffassung von Politik und Geschichte. Bringt man es
doch sogar bei uns fertig, den Verlauf der deutschen Geschichte, soweit sie von der Ent¬
wicklung Preußens zum Machtstaate und durch die Führung Bismarcks bestimmt
wurde, zu bedauern, da hierdurch allein die jetzige Katastrophe verschuldet sei. Es
ist das eine feminine Geschichtsauffassung, die mit heldischen Geist nichts zu tun
hat, sondern die einem händlerischem Geist entspringt, der verlorenen Pfennigen
nachweint; nicht ein Geist vom Typ des königlichen Kaufmannes, sondern ein
kleinlicher Krämersinn, der nichts von den starken männlichen Eigenschaften
spüren läßt, die allein das Leben und in Sonderheit das politische Leben
meistern können.

Man kann das Wort Bismarcks, daß der militärische Mut ein Gemeingut
des deutschen Volkes sei, Zivilcourage aber höchst selten bei uns zu finden sei,
auch auf dos politische Leben übertragen. Unser militärisches Heldentum und
auch das Dulbertum von vielen Millionen in der Heimat kann uns nach dein
Weltkriege auch trotz seines Verlustes niemand bestreiten-, auch werden sich für
alle Zeilen die Taten der deutschen Heere vor denen der Gegner, denen dies
Heldentum damit nicht bestritten wird, leuchtend abheben. ' Aber politisches
Heldentum besitzen wir nicht. Uns fehlt das Schicksalsgefühl gegenüber dein
großen Walten der Mächte, die das Leben der Völker bestimmen, während wir
dies Gefühl losgelöst von nationaler Bedingtheit besitzen. Man mag meinen,


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[0207] politisches Heldentum jedenfalls um Geschäfte auf sehr lange Sicht. Wenn dieser Tatsache gegenüber die öffentliche Meinung in Deutschland die geschichtliche Entwicklung vor und während des Krieges nur unter dem Gesichtspunkte ansieht, daß der Krieg hätte vermieden werden oder rechtzeitig hätte abgebrochen werden müssen und können, und den hier vertretenen Gedanken, dessen Nichtigkeit, wie stets bei historischen Be¬ weisführungen, sich selbstverständlich auch nicht zwingend dartun läßt, fast von jeder Erwägung ausschließt, so liegt dies daran, daß es unserer politischen Grund- stimmuiig fast unmöglich ist. sich in eine heldische Auffassung der politischen Auf¬ gaben eines Siaates hineinzufinden, die das Schicksal des ganzen Staates oder doch die Wohlfahrt und das Glück der lebenden Generation auf das Spiel setzt, um eine größere Zukunft herbeizuführen. Die großen Führer in der Geschichte unseres Volkes haben diesen Geist besessen. Friedrich der Große, Bismarck und mich Wilhelm der Erste haben stets gewußt, daß bei den großen Wurfen ihrer Politik alles verloren werden konnte. Gemeingut des deutschen Volkes ist dieser Geist, vielleicht mitbedingt durch die innerpolitische Entwicklung in den Bahnen des Obrigke>tstaates, nicht geworden. Das Woll des Neichsministcrpräsidenten Scheidemann von dem Hazardeur des Weltkrieges, das er Ludendorff gegenüber gebrauchte, hat bei uns in weitesten Kreisen die von Scheidemann beabsichtigte Resonanz gefunden, daß nämlich damit das politische Verdammungsurteil über Ludendorff gesprochen sei. Demgegenüber darf mit vollem Recht darauf hingewiesen werden, daß die gesamte englische Politik während des Weltkrieges ebenso eine Spielerpolitik gewesen ist, und es darf angenomnnn werden, daß das englische Volk sich dieses Charakters der eng¬ lischen Politik sehr viel mehr klar gewesen ist, als das deutsche Volk hinsichtlich der Politik Ludendorffs. Man darf den Grund für diese verschiedene Einstellung gegenüber dem möglichen Ausgang des Krieges nicht einfach darin suchen, daß die deutsche Negierung ihre Aufgabe für die Beeinflussung der deutschen Stimmung darin gesehen hat, die drohenden Gefahren zu verkleinern und stets nur das Ver¬ trauen auf de» siegreichen Ausgang des Krieges zu befestigen. Den tieferen Grund hat diese Slimmungspolitik doch in der Sinnesart des deutschen Volkes, das nicht seelisch einem kühlen, den brutalen Tatsachen Ins-Auge-Sehen gewachsen gewesen wäre. Und die Art in der von weiten Kreisen, von .Kreisen, die beim siegreichen Ausgang des Krieges die seelische Größe der Führer bewundert hätten, die das Riesinmaß von Verantwortung durch die langen Jahre getragen haben, jetzt nach dem Verlust des Krieges lediglich nach dem Schuldigen zu suchen, der Versuch, durch Selbstbezichligung eine mildere Behandlung durch die Gegner herbeizuführen, ist kein Zeichen einer heldischen Auffassung von Politik und Geschichte. Bringt man es doch sogar bei uns fertig, den Verlauf der deutschen Geschichte, soweit sie von der Ent¬ wicklung Preußens zum Machtstaate und durch die Führung Bismarcks bestimmt wurde, zu bedauern, da hierdurch allein die jetzige Katastrophe verschuldet sei. Es ist das eine feminine Geschichtsauffassung, die mit heldischen Geist nichts zu tun hat, sondern die einem händlerischem Geist entspringt, der verlorenen Pfennigen nachweint; nicht ein Geist vom Typ des königlichen Kaufmannes, sondern ein kleinlicher Krämersinn, der nichts von den starken männlichen Eigenschaften spüren läßt, die allein das Leben und in Sonderheit das politische Leben meistern können. Man kann das Wort Bismarcks, daß der militärische Mut ein Gemeingut des deutschen Volkes sei, Zivilcourage aber höchst selten bei uns zu finden sei, auch auf dos politische Leben übertragen. Unser militärisches Heldentum und auch das Dulbertum von vielen Millionen in der Heimat kann uns nach dein Weltkriege auch trotz seines Verlustes niemand bestreiten-, auch werden sich für alle Zeilen die Taten der deutschen Heere vor denen der Gegner, denen dies Heldentum damit nicht bestritten wird, leuchtend abheben. ' Aber politisches Heldentum besitzen wir nicht. Uns fehlt das Schicksalsgefühl gegenüber dein großen Walten der Mächte, die das Leben der Völker bestimmen, während wir dies Gefühl losgelöst von nationaler Bedingtheit besitzen. Man mag meinen, 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/207>, abgerufen am 09.11.2024.