Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.dauernd weitergeführt werden. Sodann gilt es alles zu sammeln, was zur dauernd weitergeführt werden. Sodann gilt es alles zu sammeln, was zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335611"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839" next="#ID_841"> dauernd weitergeführt werden. Sodann gilt es alles zu sammeln, was zur<lb/> Klärung des Begriffes „Deutsch" bereits ermittelt und ausgesprochen worden ist'.<lb/> in letzter Zeit nicht wenig! — der Begriff ist in all seiner Vielseitigkeit als<lb/> Einheit herauszuarbeiten --- nach seiner physischen und psychischen Seite — und<lb/> dabei der gegenwärtigen und früheren Auffassungen des eigenen Volkes und<lb/> fremder Völker, das im Innern des deutschen Menschen empfundene Ideal seiner<lb/> selbst und des von ihm als undeutsch Empfundenen zu werten. Gefördert wird<lb/> im gleichen Sinne unser Erkennen, wenn systematisch das Verhalten der Deutschen<lb/> zu Fremdströmungen in ihrer Mitte und ihr Leben inmitten eines fremden Volkes,<lb/> auf Reisen oder als Auswanderer, beobachtet wird. In der spezielleren Unter-<lb/> suchung wird stets der Vergleich mit dem Fremdvolk richtunggebend und auf¬<lb/> klärend wirken. Wie schon oben angedeutet, wird die Frage: wie reagiert der<lb/> deutsche Geist auf die fremden Kultureinflüsse? reichen Aufschluß bringen. Man<lb/> wird ferner nicht nur aus dem Geist der Gotik und des deutschen Rechtes schöpfen,<lb/> sondern man wird den deutschen Einschlag in der Weltanschauung des Mittelalters<lb/> (die deutsche Variante) wie in der Philosophie der Neuzeit suchen, im Staatsideal<lb/> des Mittelalters, im Persönlichkeitsideal der Renaissance, die deutsche Ausprägung<lb/> in der lateinischen Literatur des Mittelalters wie der deutschen Humanisten den<lb/> deutschen Faktor, und diesen wird man auch unter der Herrschaft des römischen<lb/> Rechtes und unter der Beeinflussung des Christentums durch humanistische Rhe¬<lb/> torik nicht vergessen dürfen. Der immer deutlicher im Laufe der Jahrhunderte<lb/> heraustretende deutsche Hochschultyp erscheint dann als äußere Form, die sich die<lb/> deutsche Geistesarbeit geschaffen hat. Für jede Kunst gesondert wird zu fragen<lb/> sein: was ist hieran deutsch, d. h.: was würde in Inhalt und Form dem Wesen<lb/> des Franzosen, Engländers, Jtalieners nngemäsz sein? So wird man schließlich<lb/> dahin kommen, Charakter und Tempo deutscher Kulturentwicklung, gemessen an<lb/> der fremden, zu erkennen und daraus Schlüsse auf unseren kulturellen Stand<lb/> in Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Nicht anders bezüglich der Staats¬<lb/> und Sozialentwicklung. Denn auch eine Betrachtung der Eigenart der sozialen<lb/> Verhältnisse wird dem Ziele, deutsche Wesensart zu erkennen, näher führen.<lb/> Werden und Wandlungen des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, Bevölkerungs-<lb/> dichte, Aus- und Binnenwanderung, die Differenzierung der Deutschen nach<lb/> Beruf und Bildung — all dies wird geschichtlich betrachtet Aufschlüsse für das<lb/> hineinverwobene deutsche Wesen und den Volkscharakter geben. Vor allem<lb/> verspreche ich mir viel von der Herausarbeitung des Typischen im sozialen Ans- und<lb/> Abstieg nach Stcimmbäumcn und Ahnentafeln deutscher Familien. Hier berührt<lb/> sich die Untersuchung des Sozialen eng mit der physischen Beschaffenheit und<lb/> hierdurch mit der Rassenforschung, die für unser Volk nunmehr auf möglichst<lb/> sicheren Grundlagen weiterzuführen wäre. Eine Aufgabe des Forschungsinstituts<lb/> wäre die Anlage eines Loclex inmginum deutscher Köpfe aus allen Zeiten zur<lb/> Ermittlung des Kopf- und Gesichtstyps. Auch die Frage nach dem Zusammen¬<lb/> hang von Rassenmischung und Sprachcniwicklung wäre zu klären', vielleicht könnte<lb/> auf die Entstehung und Wandlung der Stammes- und Landschaftsdialekie hierbei<lb/> noch neues Licht" geworfen werden. Denn was für das Gesamtvolk ermittelt<lb/> werden kaun, sollte auch für die einzelnen Stämme spezialisiert werden; die<lb/> Forschung müßte Hand in Hand mit der Volkskunde gehen, die ja bereits ein<lb/> massenhaftes nur zum Teil systematisch verarbeitetes Material besitzt. Was wissen<lb/> wir über die physischen und psychischen Charaktere der Stämme in Vergangenheit<lb/> und Gegenwart? Inwiefern stehen Stammcspsyche und Landschaft in Beziehung?<lb/> (Eine Sammlung von Nachrichten und Bildern über die Landschaften früherer<lb/> Zeiten und ihre Abwandlung wäre als Vorarbeit erwünscht!). Auch der Zu¬<lb/> sammenhang zwischen Stammeszugehörigkeit und künstlerischer Produktion muß<lb/> stärker beleuchtet werden. Im übrigen halte ich es für geboten, sämtliche deutsche<lb/> Stämme und Landschaften monographisch zu behandeln, nach Art von Nichts<lb/> klassischem Buch über die Pfälzer. Diese Arbeiten über Stammcsart sind eilig,<lb/> da die fortschreitende Mischung der Stämme die Eigenart immer mehr verwischt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
dauernd weitergeführt werden. Sodann gilt es alles zu sammeln, was zur
Klärung des Begriffes „Deutsch" bereits ermittelt und ausgesprochen worden ist'.
in letzter Zeit nicht wenig! — der Begriff ist in all seiner Vielseitigkeit als
Einheit herauszuarbeiten --- nach seiner physischen und psychischen Seite — und
dabei der gegenwärtigen und früheren Auffassungen des eigenen Volkes und
fremder Völker, das im Innern des deutschen Menschen empfundene Ideal seiner
selbst und des von ihm als undeutsch Empfundenen zu werten. Gefördert wird
im gleichen Sinne unser Erkennen, wenn systematisch das Verhalten der Deutschen
zu Fremdströmungen in ihrer Mitte und ihr Leben inmitten eines fremden Volkes,
auf Reisen oder als Auswanderer, beobachtet wird. In der spezielleren Unter-
suchung wird stets der Vergleich mit dem Fremdvolk richtunggebend und auf¬
klärend wirken. Wie schon oben angedeutet, wird die Frage: wie reagiert der
deutsche Geist auf die fremden Kultureinflüsse? reichen Aufschluß bringen. Man
wird ferner nicht nur aus dem Geist der Gotik und des deutschen Rechtes schöpfen,
sondern man wird den deutschen Einschlag in der Weltanschauung des Mittelalters
(die deutsche Variante) wie in der Philosophie der Neuzeit suchen, im Staatsideal
des Mittelalters, im Persönlichkeitsideal der Renaissance, die deutsche Ausprägung
in der lateinischen Literatur des Mittelalters wie der deutschen Humanisten den
deutschen Faktor, und diesen wird man auch unter der Herrschaft des römischen
Rechtes und unter der Beeinflussung des Christentums durch humanistische Rhe¬
torik nicht vergessen dürfen. Der immer deutlicher im Laufe der Jahrhunderte
heraustretende deutsche Hochschultyp erscheint dann als äußere Form, die sich die
deutsche Geistesarbeit geschaffen hat. Für jede Kunst gesondert wird zu fragen
sein: was ist hieran deutsch, d. h.: was würde in Inhalt und Form dem Wesen
des Franzosen, Engländers, Jtalieners nngemäsz sein? So wird man schließlich
dahin kommen, Charakter und Tempo deutscher Kulturentwicklung, gemessen an
der fremden, zu erkennen und daraus Schlüsse auf unseren kulturellen Stand
in Gegenwart und Zukunft zu gewinnen. Nicht anders bezüglich der Staats¬
und Sozialentwicklung. Denn auch eine Betrachtung der Eigenart der sozialen
Verhältnisse wird dem Ziele, deutsche Wesensart zu erkennen, näher führen.
Werden und Wandlungen des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, Bevölkerungs-
dichte, Aus- und Binnenwanderung, die Differenzierung der Deutschen nach
Beruf und Bildung — all dies wird geschichtlich betrachtet Aufschlüsse für das
hineinverwobene deutsche Wesen und den Volkscharakter geben. Vor allem
verspreche ich mir viel von der Herausarbeitung des Typischen im sozialen Ans- und
Abstieg nach Stcimmbäumcn und Ahnentafeln deutscher Familien. Hier berührt
sich die Untersuchung des Sozialen eng mit der physischen Beschaffenheit und
hierdurch mit der Rassenforschung, die für unser Volk nunmehr auf möglichst
sicheren Grundlagen weiterzuführen wäre. Eine Aufgabe des Forschungsinstituts
wäre die Anlage eines Loclex inmginum deutscher Köpfe aus allen Zeiten zur
Ermittlung des Kopf- und Gesichtstyps. Auch die Frage nach dem Zusammen¬
hang von Rassenmischung und Sprachcniwicklung wäre zu klären', vielleicht könnte
auf die Entstehung und Wandlung der Stammes- und Landschaftsdialekie hierbei
noch neues Licht" geworfen werden. Denn was für das Gesamtvolk ermittelt
werden kaun, sollte auch für die einzelnen Stämme spezialisiert werden; die
Forschung müßte Hand in Hand mit der Volkskunde gehen, die ja bereits ein
massenhaftes nur zum Teil systematisch verarbeitetes Material besitzt. Was wissen
wir über die physischen und psychischen Charaktere der Stämme in Vergangenheit
und Gegenwart? Inwiefern stehen Stammcspsyche und Landschaft in Beziehung?
(Eine Sammlung von Nachrichten und Bildern über die Landschaften früherer
Zeiten und ihre Abwandlung wäre als Vorarbeit erwünscht!). Auch der Zu¬
sammenhang zwischen Stammeszugehörigkeit und künstlerischer Produktion muß
stärker beleuchtet werden. Im übrigen halte ich es für geboten, sämtliche deutsche
Stämme und Landschaften monographisch zu behandeln, nach Art von Nichts
klassischem Buch über die Pfälzer. Diese Arbeiten über Stammcsart sind eilig,
da die fortschreitende Mischung der Stämme die Eigenart immer mehr verwischt.
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