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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.

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Ziele und lvege der deutsche'ündlicher Forschung

die geistigen Vuchdruckverhällnisse, sich auf dentschtltndtiche Dinge eittziiftellen,
wovon einige vielversprechende Neuerscheinungen zeugen,'"

Ich habe in dein erwähnten Aufsatz versucht, den Kreis der Wissenschaften
zu bezeichnen, die einem künftigen Deutschkundelehrer zu kennen Erfordernis sein
wird, und ich habe damit auch ungefähr den Kreis der deutschkundlichen Wissen¬
schaften überhaupt umschrieben. Dabei durfte ich nicht unerwähnt lassen, das;
mehrere der für notwendig gehaltenen Lehrfächer auf unseren Hochschulen fehlen
oder doch nicht hinreichend gepflegt werden, so daß der Student auf privates
Studium angewiesen ist, wen" er den ganzen Kreis des hierher gehörigen Wissens
sich aneignen will.

Aber bei weiterem Durchdenken der Frage scheint es mir jetzt, als ob man
dies von dem Studenten nicht verlangen könne. Eine Synthese all dieser Wissen¬
schaften setzt das Vorhandensein der gemeinsamen Idee voraus. Das hieße nichts
anderes, als daß der Mulus bereits die Idee der deutschkundlichen Einheit in
seinem Geiste trüge, wenn er zur Universität käme, also eine Idee, die doch erst
als Krönung aus der Kenntnis der Einzelwissenschaften erwachsen kann. Es ist
also erforderlich, daß der Zusammenschluß aller Wissenszweige vorher ideell erreicht
wird. Denn ist es eine Synthese, so darf es kein Konglomerat sein. Es kann
also nicht dabei bleiben, daß die zahlreichen Einzelwissenschaften, die in der bis¬
herigen Facheintcilung ganz verschiedenen Zweigen angehören, jede um ihrer
selbst willen getrieben werden, sondern ein Genieinsames muß es sein, auf das
wie auf einen Brennpunkt die Strahlen aller Einzelfächer zusammenlaufen: die
Selbsterkenntnis des Deutschen. Wie das "Erkenne dich selbst" dein einzelnen
Menschen erst den Weg erleuchtet, den er seinem Wesen gemäß gehen muß, so
wird die Erkenntnis der eigenen Volksart jedem Volksgenossen die Wegemarkeu
geben, denen er zu, folgen hat, wenn er im Aufbau und der Ausgestaltung seiner
persönlichen Angelegenheiten und der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen
Zustände seines Volkes nicht von der ihm gemäßen Straße abweichen will; mit
anderen Worten: wenn er sich fernhalten will von unersprießlichem Experimen¬
tieren mit fremden Vorbildern.

Also kein Nebeneinander der vorhandenen Wissenschaften mit ihren Zielen
und Methoden, sondern entsprechend dem veränderten Ziel eigene Methode.

Die wissenschaftliche Forschung und Lehre stand bisher unter dem Gesichts¬
punkt der Ermittelung und Fortpflanzung der objektiven Wahrheit; davon darf
auch die Deutschkunde nicht abweichen. Aber sie wird sich nicht darauf beschränken,
die Tatsächlichkeiten im großen wie im kleinen zu erarbeiten, sie zu rein sachlichen



Ich verweise hier ans die beiden Sammlungen "Deutschkundliche Bücherei" (Quelle
u. Meyer. Leipzig, seit 1!>t7, Preis "0 Pf, bis 1.20 Mark) und "Volksbücher zur Deutsch¬
kunde" tSchulwissenschaftlicher Verlag Hanse, Leipzig, seit 1S18, je 1,10 Mark), Während
die erstere Reihe, soweit sie bis jetzt vorliegt, sich auf den Kreis der bisherige" Germanistik
beschränkt und dort eine Anzahl durch erste Fachleute bearbeiteter kleiner Hand- und Ele-
mentarbücher auftveist, hat der Herausgeber der zweiten, Walther Hosstätter (über sein Buch
vgl, "Grenzboien" 1917 II, 140) den ' Begriff Deutschkunde wesentlich tiefer erfaßt, "Sie
behandelt ein Gebiet nur, sofern es beiträgt, die Gesmutentwicklung des deutscheu Geistes
und Charakters zu erkennen," Bisher lagen mir sieben Bändchen der ersten, fünf der
zweiten Sammlung vor. Zur ersten gehören: Deutsche Namenkunde von F, Kluge, Laut-
lunde vou Brenner, Verslehre und Einführung in das Mhd, von Bulack, Heldensage von
Mögt, Volkslied von Buckel, Märchen von von der Lehen (letzteres auch im Sinne Hof-
slntters bedeutsam). In der Sammlung "Volksbücher" behandelt A, Götze in anregender
Weise "Wege des Geistes in der Sprache", A. Berne die jetzt vielumstritiene Frage von
"Humanismus und Deutschtum" mit anerkennenswerter Unparteilichkeit, H, Schmid-Kugel-
bnch spürt der Eigenart "deutscher Frömmigkeit" nach, W. Ganzenmöller zeichnet auf knappen
Raum die Grundlinien des deutschen Wesens im ersten Jahrtausend, E. Lehmann läßt uns,
wenn auch nur in Stichproben, Einblick nehmen in "Deutsches Volkstum auf Vorposten",
indem er von elf verschiedenen Sprachinseln bald Sprache, bald Sitte, Sage oder Siedlung
behandelt. Beide Sammlungen^, bieten mannigfache Förderung und lassen uns wünschen,
das; bald die in Anesicht genommenen weiteren Hefte folgen möchten.
Ziele und lvege der deutsche'ündlicher Forschung

die geistigen Vuchdruckverhällnisse, sich auf dentschtltndtiche Dinge eittziiftellen,
wovon einige vielversprechende Neuerscheinungen zeugen,'»

Ich habe in dein erwähnten Aufsatz versucht, den Kreis der Wissenschaften
zu bezeichnen, die einem künftigen Deutschkundelehrer zu kennen Erfordernis sein
wird, und ich habe damit auch ungefähr den Kreis der deutschkundlichen Wissen¬
schaften überhaupt umschrieben. Dabei durfte ich nicht unerwähnt lassen, das;
mehrere der für notwendig gehaltenen Lehrfächer auf unseren Hochschulen fehlen
oder doch nicht hinreichend gepflegt werden, so daß der Student auf privates
Studium angewiesen ist, wen» er den ganzen Kreis des hierher gehörigen Wissens
sich aneignen will.

Aber bei weiterem Durchdenken der Frage scheint es mir jetzt, als ob man
dies von dem Studenten nicht verlangen könne. Eine Synthese all dieser Wissen¬
schaften setzt das Vorhandensein der gemeinsamen Idee voraus. Das hieße nichts
anderes, als daß der Mulus bereits die Idee der deutschkundlichen Einheit in
seinem Geiste trüge, wenn er zur Universität käme, also eine Idee, die doch erst
als Krönung aus der Kenntnis der Einzelwissenschaften erwachsen kann. Es ist
also erforderlich, daß der Zusammenschluß aller Wissenszweige vorher ideell erreicht
wird. Denn ist es eine Synthese, so darf es kein Konglomerat sein. Es kann
also nicht dabei bleiben, daß die zahlreichen Einzelwissenschaften, die in der bis¬
herigen Facheintcilung ganz verschiedenen Zweigen angehören, jede um ihrer
selbst willen getrieben werden, sondern ein Genieinsames muß es sein, auf das
wie auf einen Brennpunkt die Strahlen aller Einzelfächer zusammenlaufen: die
Selbsterkenntnis des Deutschen. Wie das „Erkenne dich selbst" dein einzelnen
Menschen erst den Weg erleuchtet, den er seinem Wesen gemäß gehen muß, so
wird die Erkenntnis der eigenen Volksart jedem Volksgenossen die Wegemarkeu
geben, denen er zu, folgen hat, wenn er im Aufbau und der Ausgestaltung seiner
persönlichen Angelegenheiten und der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen
Zustände seines Volkes nicht von der ihm gemäßen Straße abweichen will; mit
anderen Worten: wenn er sich fernhalten will von unersprießlichem Experimen¬
tieren mit fremden Vorbildern.

Also kein Nebeneinander der vorhandenen Wissenschaften mit ihren Zielen
und Methoden, sondern entsprechend dem veränderten Ziel eigene Methode.

Die wissenschaftliche Forschung und Lehre stand bisher unter dem Gesichts¬
punkt der Ermittelung und Fortpflanzung der objektiven Wahrheit; davon darf
auch die Deutschkunde nicht abweichen. Aber sie wird sich nicht darauf beschränken,
die Tatsächlichkeiten im großen wie im kleinen zu erarbeiten, sie zu rein sachlichen



Ich verweise hier ans die beiden Sammlungen „Deutschkundliche Bücherei" (Quelle
u. Meyer. Leipzig, seit 1!>t7, Preis »0 Pf, bis 1.20 Mark) und „Volksbücher zur Deutsch¬
kunde" tSchulwissenschaftlicher Verlag Hanse, Leipzig, seit 1S18, je 1,10 Mark), Während
die erstere Reihe, soweit sie bis jetzt vorliegt, sich auf den Kreis der bisherige» Germanistik
beschränkt und dort eine Anzahl durch erste Fachleute bearbeiteter kleiner Hand- und Ele-
mentarbücher auftveist, hat der Herausgeber der zweiten, Walther Hosstätter (über sein Buch
vgl, „Grenzboien" 1917 II, 140) den ' Begriff Deutschkunde wesentlich tiefer erfaßt, „Sie
behandelt ein Gebiet nur, sofern es beiträgt, die Gesmutentwicklung des deutscheu Geistes
und Charakters zu erkennen," Bisher lagen mir sieben Bändchen der ersten, fünf der
zweiten Sammlung vor. Zur ersten gehören: Deutsche Namenkunde von F, Kluge, Laut-
lunde vou Brenner, Verslehre und Einführung in das Mhd, von Bulack, Heldensage von
Mögt, Volkslied von Buckel, Märchen von von der Lehen (letzteres auch im Sinne Hof-
slntters bedeutsam). In der Sammlung „Volksbücher" behandelt A, Götze in anregender
Weise „Wege des Geistes in der Sprache", A. Berne die jetzt vielumstritiene Frage von
„Humanismus und Deutschtum" mit anerkennenswerter Unparteilichkeit, H, Schmid-Kugel-
bnch spürt der Eigenart „deutscher Frömmigkeit" nach, W. Ganzenmöller zeichnet auf knappen
Raum die Grundlinien des deutschen Wesens im ersten Jahrtausend, E. Lehmann läßt uns,
wenn auch nur in Stichproben, Einblick nehmen in „Deutsches Volkstum auf Vorposten",
indem er von elf verschiedenen Sprachinseln bald Sprache, bald Sitte, Sage oder Siedlung
behandelt. Beide Sammlungen^, bieten mannigfache Förderung und lassen uns wünschen,
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[0198] Ziele und lvege der deutsche'ündlicher Forschung die geistigen Vuchdruckverhällnisse, sich auf dentschtltndtiche Dinge eittziiftellen, wovon einige vielversprechende Neuerscheinungen zeugen,'» Ich habe in dein erwähnten Aufsatz versucht, den Kreis der Wissenschaften zu bezeichnen, die einem künftigen Deutschkundelehrer zu kennen Erfordernis sein wird, und ich habe damit auch ungefähr den Kreis der deutschkundlichen Wissen¬ schaften überhaupt umschrieben. Dabei durfte ich nicht unerwähnt lassen, das; mehrere der für notwendig gehaltenen Lehrfächer auf unseren Hochschulen fehlen oder doch nicht hinreichend gepflegt werden, so daß der Student auf privates Studium angewiesen ist, wen» er den ganzen Kreis des hierher gehörigen Wissens sich aneignen will. Aber bei weiterem Durchdenken der Frage scheint es mir jetzt, als ob man dies von dem Studenten nicht verlangen könne. Eine Synthese all dieser Wissen¬ schaften setzt das Vorhandensein der gemeinsamen Idee voraus. Das hieße nichts anderes, als daß der Mulus bereits die Idee der deutschkundlichen Einheit in seinem Geiste trüge, wenn er zur Universität käme, also eine Idee, die doch erst als Krönung aus der Kenntnis der Einzelwissenschaften erwachsen kann. Es ist also erforderlich, daß der Zusammenschluß aller Wissenszweige vorher ideell erreicht wird. Denn ist es eine Synthese, so darf es kein Konglomerat sein. Es kann also nicht dabei bleiben, daß die zahlreichen Einzelwissenschaften, die in der bis¬ herigen Facheintcilung ganz verschiedenen Zweigen angehören, jede um ihrer selbst willen getrieben werden, sondern ein Genieinsames muß es sein, auf das wie auf einen Brennpunkt die Strahlen aller Einzelfächer zusammenlaufen: die Selbsterkenntnis des Deutschen. Wie das „Erkenne dich selbst" dein einzelnen Menschen erst den Weg erleuchtet, den er seinem Wesen gemäß gehen muß, so wird die Erkenntnis der eigenen Volksart jedem Volksgenossen die Wegemarkeu geben, denen er zu, folgen hat, wenn er im Aufbau und der Ausgestaltung seiner persönlichen Angelegenheiten und der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Zustände seines Volkes nicht von der ihm gemäßen Straße abweichen will; mit anderen Worten: wenn er sich fernhalten will von unersprießlichem Experimen¬ tieren mit fremden Vorbildern. Also kein Nebeneinander der vorhandenen Wissenschaften mit ihren Zielen und Methoden, sondern entsprechend dem veränderten Ziel eigene Methode. Die wissenschaftliche Forschung und Lehre stand bisher unter dem Gesichts¬ punkt der Ermittelung und Fortpflanzung der objektiven Wahrheit; davon darf auch die Deutschkunde nicht abweichen. Aber sie wird sich nicht darauf beschränken, die Tatsächlichkeiten im großen wie im kleinen zu erarbeiten, sie zu rein sachlichen Ich verweise hier ans die beiden Sammlungen „Deutschkundliche Bücherei" (Quelle u. Meyer. Leipzig, seit 1!>t7, Preis »0 Pf, bis 1.20 Mark) und „Volksbücher zur Deutsch¬ kunde" tSchulwissenschaftlicher Verlag Hanse, Leipzig, seit 1S18, je 1,10 Mark), Während die erstere Reihe, soweit sie bis jetzt vorliegt, sich auf den Kreis der bisherige» Germanistik beschränkt und dort eine Anzahl durch erste Fachleute bearbeiteter kleiner Hand- und Ele- mentarbücher auftveist, hat der Herausgeber der zweiten, Walther Hosstätter (über sein Buch vgl, „Grenzboien" 1917 II, 140) den ' Begriff Deutschkunde wesentlich tiefer erfaßt, „Sie behandelt ein Gebiet nur, sofern es beiträgt, die Gesmutentwicklung des deutscheu Geistes und Charakters zu erkennen," Bisher lagen mir sieben Bändchen der ersten, fünf der zweiten Sammlung vor. Zur ersten gehören: Deutsche Namenkunde von F, Kluge, Laut- lunde vou Brenner, Verslehre und Einführung in das Mhd, von Bulack, Heldensage von Mögt, Volkslied von Buckel, Märchen von von der Lehen (letzteres auch im Sinne Hof- slntters bedeutsam). In der Sammlung „Volksbücher" behandelt A, Götze in anregender Weise „Wege des Geistes in der Sprache", A. Berne die jetzt vielumstritiene Frage von „Humanismus und Deutschtum" mit anerkennenswerter Unparteilichkeit, H, Schmid-Kugel- bnch spürt der Eigenart „deutscher Frömmigkeit" nach, W. Ganzenmöller zeichnet auf knappen Raum die Grundlinien des deutschen Wesens im ersten Jahrtausend, E. Lehmann läßt uns, wenn auch nur in Stichproben, Einblick nehmen in „Deutsches Volkstum auf Vorposten", indem er von elf verschiedenen Sprachinseln bald Sprache, bald Sitte, Sage oder Siedlung behandelt. Beide Sammlungen^, bieten mannigfache Förderung und lassen uns wünschen, das; bald die in Anesicht genommenen weiteren Hefte folgen möchten.

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335407/198>, abgerufen am 18.12.2024.