Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.Revolutionsliteraten können und sich ihrer Aufschwünge schämen. Und wenn es Leute gegeben hat, die, Daß sie nicht recht hatten! Jawohl, so steht es. Denn, meine Herren Eines Tages müssen sie Frieden machen, neue Ernten werden reifen, über Und also sage ich euch, daß ihr besser seid, als ihr euch stellt. Besinnt euch! Ein Mann des Geistes sei ein Ritter des Geistes. Ritterlich aber ist es, die Revolutionsliteraten können und sich ihrer Aufschwünge schämen. Und wenn es Leute gegeben hat, die, Daß sie nicht recht hatten! Jawohl, so steht es. Denn, meine Herren Eines Tages müssen sie Frieden machen, neue Ernten werden reifen, über Und also sage ich euch, daß ihr besser seid, als ihr euch stellt. Besinnt euch! Ein Mann des Geistes sei ein Ritter des Geistes. Ritterlich aber ist es, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335546"/> <fw type="header" place="top"> Revolutionsliteraten</fw><lb/> <p xml:id="ID_533" prev="#ID_532"> können und sich ihrer Aufschwünge schämen. Und wenn es Leute gegeben hat, die,<lb/> an entscheidender Stelle, den Krieg mit bewußter Absicht herbeizuführen wagten:<lb/> diese Handvoll Desperados sind nicht Deutschland — und es müßte erst noch<lb/> bewiesen werden, daß sie nicht recht hatten.</p><lb/> <p xml:id="ID_534"> Daß sie nicht recht hatten! Jawohl, so steht es. Denn, meine Herren<lb/> Pazifisten und Negativisten, was erleben wir denn jetzt? Macht euch nicht lächer¬<lb/> lich mit eurer Schuld Deutschlands! Was die Entente uns Wehrlosen und<lb/> Zusammengebrochenen arent, das, genau das ist es, wovor uns unsere Kriegs¬<lb/> hetzer gewarnt haben. Was jene sich erlauben an Machtdelirien und Sieger¬<lb/> brutalitäten, da sie uns, sechs Monate nach Einstellung der Kämpfe, weiter<lb/> hungern lassen, da sie die Gefangenen einbehalten, da sie uns das rollende<lb/> Material, Kriegsflotte, Handelsflotte, Heeresgerät abpressen, und das bitterste dem<lb/> gefesselten Gegner noch aufsparen, dagegen war das papierene Gezeter unserer<lb/> Kriegsfanatiker Spielerei von Kindern. Auch unsere Faust lag brutal auf den<lb/> Bevölkerungen der besetzten Gebiete; aber es -war Krieg, es ging auf Tod oder<lb/> Leben. Seit dem 9. November ist kein Krieg mehr, und keine Möglichkeit des<lb/> Krieges. Wenn ihr euch so entrüstet über Gewaltpolitik, warum nicht über die,<lb/> die ihr von unseren Feinden, und die ihr seit sechs Monaten erlebt?</p><lb/> <p xml:id="ID_535"> Eines Tages müssen sie Frieden machen, neue Ernten werden reifen, über<lb/> Jahr und Tag werden die Arbeiter zu ihrer Pflicht zurückkehren, auch diese Not<lb/> wird ein Ende nehmen. Aber was nicht wieder zu gewinnen, was endgültig<lb/> verloren bleibt, das ist der Glaube an die Macht des Rechts im Völkerleben. Die<lb/> da drüben haben den Krieg verewigt. Die da drüben haben 'gemacht, daß unser<lb/> Krieg, wenn er ungerecht war, gerecht geworden ist durch fein Ende. Ich glaube<lb/> mit Schopenhauer an die UnVeränderlichkeit des menschlichen Charakters. Ich<lb/> glaube noch viel fester an die UnVeränderlichkeit der Volkschavaktere. Was uns<lb/> jetzt angetan wird, erträgt kein Volk. spätestens in zehn Jahren sind wir<lb/> moralisch bereit zum Nevanchckrieg — mag es auch faktisch .hundert Jahre dauern,<lb/> bis wir stark genug sind, aufzustehen. Und ich frage zeden einzelnen von euch:<lb/> Wenn du Schmach und Not und Demütigung und Beraubung und Zerstückelung<lb/> dieser Tage abwenden könntest dadurch, daß du dich selbst und dein ganz persön¬<lb/> liches Glück zum Opfer brachtest, würdest du es tun? Nicht wahr, du<lb/> würdest es tun.</p><lb/> <p xml:id="ID_536"> Und also sage ich euch, daß ihr besser seid, als ihr euch stellt. Besinnt euch!<lb/> Es gehört kein Mut mehr dazu, das zu schelten, was ihr zu Schollen liebt, und das<lb/> zu preisen, was ihr zu preisen euch angelegen sein lasset. Diese. Erwägung allein<lb/> sollte euch bewegen, fortan mindestens zu schweigen. Und da ist noch etwas,<lb/> woran ihr wahrscheinlich nicht gedacht habt: Das Proletariat ist jetzt an der Macht,<lb/> und die Entente ist jetzt an der Macht. Wie nannte man es doch ehedem, wenn<lb/> die Beflissenen sich vor der Macht beugten? Nicht alle Byzantiner waren Lügner<lb/> und Heuchler, nicht alle dienten mit Rückenkrümmen und Speichellecker. Sie<lb/> hatten das Glück, daß ihre ehrlichen Überzeugungen nach der Macht wuchsen, wie<lb/> Blumen nach der Sonne.</p><lb/> <p xml:id="ID_537" next="#ID_538"> Ein Mann des Geistes sei ein Ritter des Geistes. Ritterlich aber ist es, die<lb/> Partei des Schwachen zu nehmen. Deutschland in seinem Glänze war würdig<lb/> eurer Feindschaft, eures tödlichen Witzes, eures eifernden Fluches. Von dem am<lb/> Boden liegenden Deutschland ist für eure Waffen weder Ruhm noch Ehre<lb/> zu holen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
Revolutionsliteraten
können und sich ihrer Aufschwünge schämen. Und wenn es Leute gegeben hat, die,
an entscheidender Stelle, den Krieg mit bewußter Absicht herbeizuführen wagten:
diese Handvoll Desperados sind nicht Deutschland — und es müßte erst noch
bewiesen werden, daß sie nicht recht hatten.
Daß sie nicht recht hatten! Jawohl, so steht es. Denn, meine Herren
Pazifisten und Negativisten, was erleben wir denn jetzt? Macht euch nicht lächer¬
lich mit eurer Schuld Deutschlands! Was die Entente uns Wehrlosen und
Zusammengebrochenen arent, das, genau das ist es, wovor uns unsere Kriegs¬
hetzer gewarnt haben. Was jene sich erlauben an Machtdelirien und Sieger¬
brutalitäten, da sie uns, sechs Monate nach Einstellung der Kämpfe, weiter
hungern lassen, da sie die Gefangenen einbehalten, da sie uns das rollende
Material, Kriegsflotte, Handelsflotte, Heeresgerät abpressen, und das bitterste dem
gefesselten Gegner noch aufsparen, dagegen war das papierene Gezeter unserer
Kriegsfanatiker Spielerei von Kindern. Auch unsere Faust lag brutal auf den
Bevölkerungen der besetzten Gebiete; aber es -war Krieg, es ging auf Tod oder
Leben. Seit dem 9. November ist kein Krieg mehr, und keine Möglichkeit des
Krieges. Wenn ihr euch so entrüstet über Gewaltpolitik, warum nicht über die,
die ihr von unseren Feinden, und die ihr seit sechs Monaten erlebt?
Eines Tages müssen sie Frieden machen, neue Ernten werden reifen, über
Jahr und Tag werden die Arbeiter zu ihrer Pflicht zurückkehren, auch diese Not
wird ein Ende nehmen. Aber was nicht wieder zu gewinnen, was endgültig
verloren bleibt, das ist der Glaube an die Macht des Rechts im Völkerleben. Die
da drüben haben den Krieg verewigt. Die da drüben haben 'gemacht, daß unser
Krieg, wenn er ungerecht war, gerecht geworden ist durch fein Ende. Ich glaube
mit Schopenhauer an die UnVeränderlichkeit des menschlichen Charakters. Ich
glaube noch viel fester an die UnVeränderlichkeit der Volkschavaktere. Was uns
jetzt angetan wird, erträgt kein Volk. spätestens in zehn Jahren sind wir
moralisch bereit zum Nevanchckrieg — mag es auch faktisch .hundert Jahre dauern,
bis wir stark genug sind, aufzustehen. Und ich frage zeden einzelnen von euch:
Wenn du Schmach und Not und Demütigung und Beraubung und Zerstückelung
dieser Tage abwenden könntest dadurch, daß du dich selbst und dein ganz persön¬
liches Glück zum Opfer brachtest, würdest du es tun? Nicht wahr, du
würdest es tun.
Und also sage ich euch, daß ihr besser seid, als ihr euch stellt. Besinnt euch!
Es gehört kein Mut mehr dazu, das zu schelten, was ihr zu Schollen liebt, und das
zu preisen, was ihr zu preisen euch angelegen sein lasset. Diese. Erwägung allein
sollte euch bewegen, fortan mindestens zu schweigen. Und da ist noch etwas,
woran ihr wahrscheinlich nicht gedacht habt: Das Proletariat ist jetzt an der Macht,
und die Entente ist jetzt an der Macht. Wie nannte man es doch ehedem, wenn
die Beflissenen sich vor der Macht beugten? Nicht alle Byzantiner waren Lügner
und Heuchler, nicht alle dienten mit Rückenkrümmen und Speichellecker. Sie
hatten das Glück, daß ihre ehrlichen Überzeugungen nach der Macht wuchsen, wie
Blumen nach der Sonne.
Ein Mann des Geistes sei ein Ritter des Geistes. Ritterlich aber ist es, die
Partei des Schwachen zu nehmen. Deutschland in seinem Glänze war würdig
eurer Feindschaft, eures tödlichen Witzes, eures eifernden Fluches. Von dem am
Boden liegenden Deutschland ist für eure Waffen weder Ruhm noch Ehre
zu holen.
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