Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Zweites Vierteljahr.blättern" (3 Bände 1899) großes politisch-publizistisches Aufsehen erregt hatte. Seine besondere Liebe brachte er der deutschen Dichtung, der "Belletristik", ent¬ Als ihm am 1. April 1906 ein Nierenleiden dahinraffte, hinterließ er nnr einen Verwaist stand die Firma da. Ihr hätte das Geschick so manchen alten blättern" (3 Bände 1899) großes politisch-publizistisches Aufsehen erregt hatte. Seine besondere Liebe brachte er der deutschen Dichtung, der „Belletristik", ent¬ Als ihm am 1. April 1906 ein Nierenleiden dahinraffte, hinterließ er nnr einen Verwaist stand die Firma da. Ihr hätte das Geschick so manchen alten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0131" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335541"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> blättern" (3 Bände 1899) großes politisch-publizistisches Aufsehen erregt hatte.<lb/> Standard-Werke aller Wissensgebiete gingen aus seinem Verlage hervor: In der<lb/> Medizin Prof. Dr. Fr. Ahlfelds „Lehrbuch der Geburtshilfe", in der Kunst¬<lb/> wissenschaft Paul Eudels „Fälscherkünste", in der Geschichte Eyssenhardt-Winters<lb/> „Denkwürdigkeiten Friedrichs des Großen", in der sozialen Bewegung Paul<lb/> Goehres Erinnerungen „Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche", die<lb/> bekannte Sammlung der Dichtungen vom besten Staate „Schlarasfia political",<lb/> Wustmanns Sprach- und Kulturgeschichtswcrke, um nur einige zu nennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_508"> Seine besondere Liebe brachte er der deutschen Dichtung, der „Belletristik", ent¬<lb/> gegen. Nicht nur regte er mit seinen Klassikerausgaben in den achtziger Jahren<lb/> unter Mithilfe von Dr. A. F. Krais und besonders Adolf Sterns, mit seiner be¬<lb/> kannten Otto-Ludwig-Ausgabe von A, Stern und Erich Schmidt einen deutschen<lb/> Verlagszweig entscheidend hinsichtlich Bearbeitung und Ausstattung an, sondern<lb/> er schuf für die zeitgenössische Dichtung der Gegenwart in seinem Verlage einen<lb/> Mittelpunkt gediegendsten, gesunden, anmutigen Schaffens.</p><lb/> <p xml:id="ID_509"> Als ihm am 1. April 1906 ein Nierenleiden dahinraffte, hinterließ er nnr einen<lb/> eben erst zwanzigjährigen Sohn Wolfgang, der noch keineswegs den Aufgaben des<lb/> riesenhaft angewachsenen Verlages genügen konnte. Jobs. Grunows alter Mit-<lb/> arbeiter Karl Weißer führte den Verlag weiter, bis der Erbe die Arbeit übernahm:<lb/> 1909. Damals entschieden Orgcmisations- und Finanzfragen das Schicksal der Ge¬<lb/> meinschaft der „Grerizboten" und des Verlages. Das Schwergewicht der Zeitschrift<lb/> lag, seit dem 1. Januar 1909 von Georg Cleinow und Dr. Paul Mahn geleitet,<lb/> in Berlin, und so siedelte das Blatt denn auch in einen eigenen Verlag nach der<lb/> Reichshauptstadt über. Wolfgang Grunow war bemüht, der alten Firma neuen<lb/> Glanz und Ruhm zu verleihen. Ein Vorurteil hatte sich durch die modernen<lb/> Literaturströmungen, denen Jobs. Grunow ablehnend gegenübergestanden hatte,<lb/> gegen den Verlag ausgebreitet: er galt für altmodisch, ja für langweilig. Dies<lb/> völlig zu Unrecht bestehende Vorurteil war zu beseitigen! Wolfgang Grunow be¬<lb/> ging nicht den Fehler, nun einfach umzuschwenken und der „Moderne" zu folgen:<lb/> er hatte bei seinem Vater gesehen, daß nur die Persönlichkeit ausschlaggebend sein<lb/> darf in der Wahl der Bücher, die man verlegt. Seine sonnige Natur neigte zum<lb/> Humor. Und so war er bemüht, den gediegenen humoristischen Unterhaltungs¬<lb/> roman zu pflegen: Fritz Gantzer, Ernst Clausen, Victor Fleischer, Chr. Ratzel,<lb/> W. Pocal u. a. traten herzu. Der Krieg machte es Wolfgang Grunow unmöglich,<lb/> seine Ideen ins Große zu verwirklichen. Schon am 29. Oktober 1914 erlag der<lb/> letzte Verleger aus der Familie Grunow, 29 Jahre alt, seinen bei Aguilcourt am<lb/> 16. September erhaltenen Verletzungen.</p><lb/> <p xml:id="ID_510"> Verwaist stand die Firma da. Ihr hätte das Geschick so manchen alten<lb/> Verlages werden können: Auflösung. Aber ein guter Stern waltete über ihr.<lb/> Von Wolfgang Grunows Witwe und Söhnchen erwarb ein junger Verleger,<lb/> Bernhard Schulze, zu Weihnachten 1914 den Verlag, festen Willens, nach dem<lb/> Vorbilde von Jolmnms Grunow den einstigen Ruf des Fr. Wilh. Grunow Ver¬<lb/> lages zurückzuerobern, dem Geschäft eine neue kulturelle Wirksamkeit, eine Zukunft<lb/> zum Segen des deutschen Volkes und der deutschen Kunst zu bereiten. Den An¬<lb/> forderungen der modernen Zeit entsprechend werden die politisch-nationalökonomische<lb/> und die belletristische Abteilung weiter ausgebant. modernisiert. In der Politik<lb/> herrscht die freiheitlich-nationale Anschauung des jetzigen Inhabers vor. in der<lb/> Richtung soll vor allem der gesunde, lebensvolle Roman Hilfe und Verbreitung<lb/> finden. Neue Namen im Verlage erwecken Erwartungen, die hoffen lassen<lb/> können, daß hier ein zweites Säkulum Kulturarbeit beginnt, ebenso reich und<lb/> wertvoll für Deutschlands Seele, wie die vergangenen ersten hundert Jahre Fr.<lb/> Wilh. Grunow Verlag.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0131]
blättern" (3 Bände 1899) großes politisch-publizistisches Aufsehen erregt hatte.
Standard-Werke aller Wissensgebiete gingen aus seinem Verlage hervor: In der
Medizin Prof. Dr. Fr. Ahlfelds „Lehrbuch der Geburtshilfe", in der Kunst¬
wissenschaft Paul Eudels „Fälscherkünste", in der Geschichte Eyssenhardt-Winters
„Denkwürdigkeiten Friedrichs des Großen", in der sozialen Bewegung Paul
Goehres Erinnerungen „Drei Monate Fabrikarbeiter und Handwerksbursche", die
bekannte Sammlung der Dichtungen vom besten Staate „Schlarasfia political",
Wustmanns Sprach- und Kulturgeschichtswcrke, um nur einige zu nennen.
Seine besondere Liebe brachte er der deutschen Dichtung, der „Belletristik", ent¬
gegen. Nicht nur regte er mit seinen Klassikerausgaben in den achtziger Jahren
unter Mithilfe von Dr. A. F. Krais und besonders Adolf Sterns, mit seiner be¬
kannten Otto-Ludwig-Ausgabe von A, Stern und Erich Schmidt einen deutschen
Verlagszweig entscheidend hinsichtlich Bearbeitung und Ausstattung an, sondern
er schuf für die zeitgenössische Dichtung der Gegenwart in seinem Verlage einen
Mittelpunkt gediegendsten, gesunden, anmutigen Schaffens.
Als ihm am 1. April 1906 ein Nierenleiden dahinraffte, hinterließ er nnr einen
eben erst zwanzigjährigen Sohn Wolfgang, der noch keineswegs den Aufgaben des
riesenhaft angewachsenen Verlages genügen konnte. Jobs. Grunows alter Mit-
arbeiter Karl Weißer führte den Verlag weiter, bis der Erbe die Arbeit übernahm:
1909. Damals entschieden Orgcmisations- und Finanzfragen das Schicksal der Ge¬
meinschaft der „Grerizboten" und des Verlages. Das Schwergewicht der Zeitschrift
lag, seit dem 1. Januar 1909 von Georg Cleinow und Dr. Paul Mahn geleitet,
in Berlin, und so siedelte das Blatt denn auch in einen eigenen Verlag nach der
Reichshauptstadt über. Wolfgang Grunow war bemüht, der alten Firma neuen
Glanz und Ruhm zu verleihen. Ein Vorurteil hatte sich durch die modernen
Literaturströmungen, denen Jobs. Grunow ablehnend gegenübergestanden hatte,
gegen den Verlag ausgebreitet: er galt für altmodisch, ja für langweilig. Dies
völlig zu Unrecht bestehende Vorurteil war zu beseitigen! Wolfgang Grunow be¬
ging nicht den Fehler, nun einfach umzuschwenken und der „Moderne" zu folgen:
er hatte bei seinem Vater gesehen, daß nur die Persönlichkeit ausschlaggebend sein
darf in der Wahl der Bücher, die man verlegt. Seine sonnige Natur neigte zum
Humor. Und so war er bemüht, den gediegenen humoristischen Unterhaltungs¬
roman zu pflegen: Fritz Gantzer, Ernst Clausen, Victor Fleischer, Chr. Ratzel,
W. Pocal u. a. traten herzu. Der Krieg machte es Wolfgang Grunow unmöglich,
seine Ideen ins Große zu verwirklichen. Schon am 29. Oktober 1914 erlag der
letzte Verleger aus der Familie Grunow, 29 Jahre alt, seinen bei Aguilcourt am
16. September erhaltenen Verletzungen.
Verwaist stand die Firma da. Ihr hätte das Geschick so manchen alten
Verlages werden können: Auflösung. Aber ein guter Stern waltete über ihr.
Von Wolfgang Grunows Witwe und Söhnchen erwarb ein junger Verleger,
Bernhard Schulze, zu Weihnachten 1914 den Verlag, festen Willens, nach dem
Vorbilde von Jolmnms Grunow den einstigen Ruf des Fr. Wilh. Grunow Ver¬
lages zurückzuerobern, dem Geschäft eine neue kulturelle Wirksamkeit, eine Zukunft
zum Segen des deutschen Volkes und der deutschen Kunst zu bereiten. Den An¬
forderungen der modernen Zeit entsprechend werden die politisch-nationalökonomische
und die belletristische Abteilung weiter ausgebant. modernisiert. In der Politik
herrscht die freiheitlich-nationale Anschauung des jetzigen Inhabers vor. in der
Richtung soll vor allem der gesunde, lebensvolle Roman Hilfe und Verbreitung
finden. Neue Namen im Verlage erwecken Erwartungen, die hoffen lassen
können, daß hier ein zweites Säkulum Kulturarbeit beginnt, ebenso reich und
wertvoll für Deutschlands Seele, wie die vergangenen ersten hundert Jahre Fr.
Wilh. Grunow Verlag.
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