Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Der Todesgang unserer Volkswirtschaft 1325 Millionen Mark erforderlich und für 1919 wird das Defizit fast Welches sind nun die Folgen der Arbeitseinstellungen? Unsere Kohlen¬ 1917 t9t8 Auf Steinkohlenbergwerken . 432 127 (Aufs. 266 260) 298 622 (Aufs. 6654) Davon in Oberschlesien . 113 620 ( " 66 003) 63 778 ( ? '" -- ) Auf Braunkohlenbergwerken. 130 798 ( " 109 699) 92 873 ( " 2644) Die in Klammern angebeuen Zahlen über den Ausfall bezeichnen da" Der Todesgang unserer Volkswirtschaft 1325 Millionen Mark erforderlich und für 1919 wird das Defizit fast Welches sind nun die Folgen der Arbeitseinstellungen? Unsere Kohlen¬ 1917 t9t8 Auf Steinkohlenbergwerken . 432 127 (Aufs. 266 260) 298 622 (Aufs. 6654) Davon in Oberschlesien . 113 620 ( „ 66 003) 63 778 ( ? '„ — ) Auf Braunkohlenbergwerken. 130 798 ( „ 109 699) 92 873 ( „ 2644) Die in Klammern angebeuen Zahlen über den Ausfall bezeichnen da« <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335264"/> <fw type="header" place="top"> Der Todesgang unserer Volkswirtschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_338" prev="#ID_337"> 1325 Millionen Mark erforderlich und für 1919 wird das Defizit fast<lb/> 3 Milliarden Mark betvagen. Der durchschnittliche Lohn ist von 1280 Mark im<lb/> Jahre 1913 auf 4220 Mark gestiegen; das ist ein Mehr von 230 Prozent. Die<lb/> Perbesserung des Lohneinkommens der Eisenbahnarbeiter ab 1. Dezember v. I.<lb/> erforderte 236 Millionen Mark. Der Monatsverdienst eines Eisenbahn-<lb/> Handwerkers beträgt heute etwa 500 Mark. Was für die Eisenbahnen gilt, gilt<lb/> auch für die anderen Staatsbetriebe. Es werden hier Löhne gezahlt, die vielfach<lb/> außerhalb des Rahmens des üblichen und wirtschaftlich notwendigen stehen-, das<lb/> bedeutet eine verwerfliche Schädigung unserer Industrie.</p><lb/> <p xml:id="ID_339"> Welches sind nun die Folgen der Arbeitseinstellungen? Unsere Kohlen¬<lb/> versorgung droht ins Stocken zu geraten. Dies veranschaulichen nachstehende<lb/> Zahlen über die Eifenbahnwagengestcllung in den Bergwerken, in der ersten<lb/> Dezemberhälfte. Wenn diese Zahlen sich inzwischen auch weiter nach dem Null¬<lb/> punkt hin entwickelt haben, so werden sie dennoch für die Beurteilung der<lb/> augenblicklichen Lage einen guten Maßstab abgeben. Die Jahre 1917 und 18<lb/> sind einander gegenübergestellt. An den zwölf Arbeitstagen der ersten Dezember-<lb/> Hälfte sind gestellt worden:</p><lb/> <list> <item> 1917 t9t8</item> <item> Auf Steinkohlenbergwerken . 432 127 (Aufs. 266 260) 298 622 (Aufs. 6654)</item> <item> Davon in Oberschlesien . 113 620 ( „ 66 003) 63 778 ( ? '„ — )</item> <item> Auf Braunkohlenbergwerken. 130 798 ( „ 109 699) 92 873 ( „ 2644)</item> </list><lb/> <p xml:id="ID_340" next="#ID_341"> Die in Klammern angebeuen Zahlen über den Ausfall bezeichnen da«<lb/> Zurückbleiben der Wagengestellung hinter den Anforderungen der Zechen. Ans<lb/> den im Jahre 1918 äußerst geringen Wagenanforderungen der Gruben ist er¬<lb/> sichtlich, daß die Förderleistung und die Leistungsfähigkeit in der ersten Dezember¬<lb/> hälfte gegen das Vorjahr ganz erheblich zurückgeblieben ist; ein Vergleich,<lb/> mit der Friedenszeit würde das Bild von 1918 noch trüber erscheinen lassen.<lb/> Infolge dieses Kohlenmangels wird die Eisenbahn als größter Kohlenverbraucher<lb/> den Betrieb weiter einschränken Müssen, vielleicht gar zu völligem Stillstand<lb/> kommen, was Wohl demnächst eintreten wird, wenn diese Verhält¬<lb/> nisse anhalten. Damit verbunden wird der Warenverkehr und die Nahrungs-<lb/> mittelzufuhr in die Städte ins Stocken geraten. Tausende von Industrie¬<lb/> betrieben müssen eingeschränkt oder stillgelegt werden. Die ohnehin schon große<lb/> Zahl der Arbeitslosen schwillt dann zu Millionen an. Neue Unruhen, Hungers¬<lb/> not, Elend und Zertrümmerung vieler Existenzen werden die Folge sein.<lb/> Welches Elend die Streiks und die nachlassenden Arbeitsleistungen allein bis<lb/> zum 20. Dezember 1918 angerichtet haben, ist aus Zeitungsnotizen bekannt.<lb/> So mußte in ganz Bayern eine mehrtägige Betriebseinstellung vom 24. Dezem¬<lb/> ber 1918 bis 1. Januar 1919 festgesetzt werden. In Düsseldorf betrug der<lb/> Monatsbedarf an Kohlen 40 000 Tonnen, im November 1918 gingen ein<lb/> 21000 Tonnen und im Dezember nur mehr 16 000 Tonnen. In Württemberg<lb/> hatte sich seit einigen Wochen die Kohlenzufuhr um rund 100 000 Tonnen monat¬<lb/> lich vermindert. Von 62 Gaswerken mit seitheriger Kohlenzufuhr im Monat<lb/> von 22 000 Tonnen Saarkohlen sind 17 Werke in Gemeinden von zusammen<lb/> 140 000 Einwohnern oder rund 30 000 Haushaltungen bereits stillgelegt oder<lb/> vor dem Stillstand. Gaswerke der übrigen Gemeinden mit zusammen 750 000<lb/> Einwohnern oder rund 180 000 Haushaltungen kommen in Kürze ebenfalls zum<lb/> Erliegen. Die Bedienung der Elektrizitäts- -und Wasserwerke, sowie Nahrungs¬<lb/> mittelbetriebe ist völlig unzureichend. Für das Gaswerk in Stuttgart fehlen trotz<lb/> großer Einschränkungen täglich 1500 Tonnen. Die übrige' Industrie ist<lb/> ohne Kohlenbelieferung. Beim Ausbleiben weiterer .Kohlenzufuhr sind 300 00V<lb/> Menschen ohne Licht, Wärme und Kochmöglichkeit. Was Groß-Berlin anlangt,<lb/> so betrug die Kohlenzufuhr aus dem Ruhrrevier in Friedenszeit täglich 25 00S<lb/> Eisenbahnwagen: dagegen im Dezember uur noch 15 000 Wagen. Heute ist es<lb/> noch schlimmer. Berlin steht, wenn aus dem oberschlesischen Gebiet die Zufuhr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
Der Todesgang unserer Volkswirtschaft
1325 Millionen Mark erforderlich und für 1919 wird das Defizit fast
3 Milliarden Mark betvagen. Der durchschnittliche Lohn ist von 1280 Mark im
Jahre 1913 auf 4220 Mark gestiegen; das ist ein Mehr von 230 Prozent. Die
Perbesserung des Lohneinkommens der Eisenbahnarbeiter ab 1. Dezember v. I.
erforderte 236 Millionen Mark. Der Monatsverdienst eines Eisenbahn-
Handwerkers beträgt heute etwa 500 Mark. Was für die Eisenbahnen gilt, gilt
auch für die anderen Staatsbetriebe. Es werden hier Löhne gezahlt, die vielfach
außerhalb des Rahmens des üblichen und wirtschaftlich notwendigen stehen-, das
bedeutet eine verwerfliche Schädigung unserer Industrie.
Welches sind nun die Folgen der Arbeitseinstellungen? Unsere Kohlen¬
versorgung droht ins Stocken zu geraten. Dies veranschaulichen nachstehende
Zahlen über die Eifenbahnwagengestcllung in den Bergwerken, in der ersten
Dezemberhälfte. Wenn diese Zahlen sich inzwischen auch weiter nach dem Null¬
punkt hin entwickelt haben, so werden sie dennoch für die Beurteilung der
augenblicklichen Lage einen guten Maßstab abgeben. Die Jahre 1917 und 18
sind einander gegenübergestellt. An den zwölf Arbeitstagen der ersten Dezember-
Hälfte sind gestellt worden:
1917 t9t8
Auf Steinkohlenbergwerken . 432 127 (Aufs. 266 260) 298 622 (Aufs. 6654)
Davon in Oberschlesien . 113 620 ( „ 66 003) 63 778 ( ? '„ — )
Auf Braunkohlenbergwerken. 130 798 ( „ 109 699) 92 873 ( „ 2644)
Die in Klammern angebeuen Zahlen über den Ausfall bezeichnen da«
Zurückbleiben der Wagengestellung hinter den Anforderungen der Zechen. Ans
den im Jahre 1918 äußerst geringen Wagenanforderungen der Gruben ist er¬
sichtlich, daß die Förderleistung und die Leistungsfähigkeit in der ersten Dezember¬
hälfte gegen das Vorjahr ganz erheblich zurückgeblieben ist; ein Vergleich,
mit der Friedenszeit würde das Bild von 1918 noch trüber erscheinen lassen.
Infolge dieses Kohlenmangels wird die Eisenbahn als größter Kohlenverbraucher
den Betrieb weiter einschränken Müssen, vielleicht gar zu völligem Stillstand
kommen, was Wohl demnächst eintreten wird, wenn diese Verhält¬
nisse anhalten. Damit verbunden wird der Warenverkehr und die Nahrungs-
mittelzufuhr in die Städte ins Stocken geraten. Tausende von Industrie¬
betrieben müssen eingeschränkt oder stillgelegt werden. Die ohnehin schon große
Zahl der Arbeitslosen schwillt dann zu Millionen an. Neue Unruhen, Hungers¬
not, Elend und Zertrümmerung vieler Existenzen werden die Folge sein.
Welches Elend die Streiks und die nachlassenden Arbeitsleistungen allein bis
zum 20. Dezember 1918 angerichtet haben, ist aus Zeitungsnotizen bekannt.
So mußte in ganz Bayern eine mehrtägige Betriebseinstellung vom 24. Dezem¬
ber 1918 bis 1. Januar 1919 festgesetzt werden. In Düsseldorf betrug der
Monatsbedarf an Kohlen 40 000 Tonnen, im November 1918 gingen ein
21000 Tonnen und im Dezember nur mehr 16 000 Tonnen. In Württemberg
hatte sich seit einigen Wochen die Kohlenzufuhr um rund 100 000 Tonnen monat¬
lich vermindert. Von 62 Gaswerken mit seitheriger Kohlenzufuhr im Monat
von 22 000 Tonnen Saarkohlen sind 17 Werke in Gemeinden von zusammen
140 000 Einwohnern oder rund 30 000 Haushaltungen bereits stillgelegt oder
vor dem Stillstand. Gaswerke der übrigen Gemeinden mit zusammen 750 000
Einwohnern oder rund 180 000 Haushaltungen kommen in Kürze ebenfalls zum
Erliegen. Die Bedienung der Elektrizitäts- -und Wasserwerke, sowie Nahrungs¬
mittelbetriebe ist völlig unzureichend. Für das Gaswerk in Stuttgart fehlen trotz
großer Einschränkungen täglich 1500 Tonnen. Die übrige' Industrie ist
ohne Kohlenbelieferung. Beim Ausbleiben weiterer .Kohlenzufuhr sind 300 00V
Menschen ohne Licht, Wärme und Kochmöglichkeit. Was Groß-Berlin anlangt,
so betrug die Kohlenzufuhr aus dem Ruhrrevier in Friedenszeit täglich 25 00S
Eisenbahnwagen: dagegen im Dezember uur noch 15 000 Wagen. Heute ist es
noch schlimmer. Berlin steht, wenn aus dem oberschlesischen Gebiet die Zufuhr
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