Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Zertrümmerte Geigen mit äußerster Besonnenheit und Diplomatie vorgegangen werden. In der Provinz Lassen wir so den Mehrheitssozialisten in ihren führenden Negierungs- Wie unsicher trotz Rostes großen Erfolges die Stellung der Mehrheits¬ "Die Ausführungen Molkenbuhrs sind geeignet, in großen Kreisen Unruhe Molkenbuhr halte vorher ausgeführt: "Seit einigen Tagen sind nun Truppen W>r können nicht zugeben, daß der Stab dieser Division sich dort in Zertrümmerte Geigen mit äußerster Besonnenheit und Diplomatie vorgegangen werden. In der Provinz Lassen wir so den Mehrheitssozialisten in ihren führenden Negierungs- Wie unsicher trotz Rostes großen Erfolges die Stellung der Mehrheits¬ „Die Ausführungen Molkenbuhrs sind geeignet, in großen Kreisen Unruhe Molkenbuhr halte vorher ausgeführt: „Seit einigen Tagen sind nun Truppen W>r können nicht zugeben, daß der Stab dieser Division sich dort in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335251"/> <fw type="header" place="top"> Zertrümmerte Geigen</fw><lb/> <p xml:id="ID_279" prev="#ID_278"> mit äußerster Besonnenheit und Diplomatie vorgegangen werden. In der Provinz<lb/> fanden die sozialistischen Volksbeauftragten zunächst keinen Rückhalt unter der<lb/> besonnenen Arbeiterschaft, die sich nach den überstandenen Strapazen nach Ruhe<lb/> sehnte, während eine in den Kriegsbetrieben verwöhnte, undisziplinierte Jugend<lb/> das politische Wort führte. Wer die Ereignisse in Berlin von der Provinz aus<lb/> in naher Fühlung mit den maßgebenden Persönlichkeiten verfolgen konnte, wird'<lb/> mir zugeben, daß die Provinz-Soldatenräte immer bestrebt gewesen sind, sich<lb/> unabhängig von der Berliner Regierung zu hallen und auch im gegenwärtigen<lb/> Augenblick mehr darauf bedacht sind, sich selbst an der Macht zu erhalten, als<lb/> die neue Zentralgewalt zu stärken. Nur wo in der Provinz überzeugte und<lb/> zugleich gebildete'Anhänger der Mehrheiissozialiflen an den führenden'Stellen<lb/> stehen, da haben die Volksbeauftragten Einfluß ausüben können. Was sie also<lb/> leisteten bis zu dem Augenblick, wo sie mit eigenen, der Regierung'absolut sicheren<lb/> Truppen unter Rostes Führung sich anschickten, Berlin von Liebknecht und seinem<lb/> Pöbel zu säubern, ist eine politische Leistung allererster Ordnung, die uns hoffen<lb/> lassen könnte, daß wir über den tiefsten Stand in unserm innerpolitischem Leben<lb/> hinweg wären, wenn nicht.das Gespenst des Meuchelmords zwischen uns und<lb/> unsere Zukunft tritt.</p><lb/> <p xml:id="ID_280"> Lassen wir so den Mehrheitssozialisten in ihren führenden Negierungs-<lb/> Männern volle Gerechtigkeit widerfahren, so brauchen wir nicht zu verschweigen,<lb/> daß ihr vorläufiger Sieg über die Anarchie doch nur möglich geworden ist durch<lb/> die selbstlose Hingabe, mit der Offiziere und Beamte aller Truppen und Behörden<lb/> sich in den Dienst der nationalen Sache gestellt haben. Ohne sie wäre Berlin<lb/> längst ein Trümmerhaufen, die Staatswirtschaft unheilbar erschüttert und für<lb/> die Übertragung sozialistischer Ideale in das praktische Leben kein Boden mehr<lb/> vorhanden.</p><lb/> <p xml:id="ID_281"> Wie unsicher trotz Rostes großen Erfolges die Stellung der Mehrheits¬<lb/> sozialisten in der Regierung ist, darauf deutet die Haltung der Vollversammlung<lb/> der Groß-Berliner Soldatenräte hin, die am 16. d. M. zu einer Aussprache über<lb/> die Lage zusammentrat. Sie stellt eine entschiedene Stellungnahme gegen die<lb/> republikanische Armee und somit gegen das einzige Machtmittel der Regierung<lb/> dar, wenn ein Dringlichkeitsantrag folgenden Wortlauts fast einstimmig an¬<lb/> genommen wird:</p><lb/> <p xml:id="ID_282"> „Die Ausführungen Molkenbuhrs sind geeignet, in großen Kreisen Unruhe<lb/> hervorzurufen. Man möge deshalb sich sofort an Roste wenden, der mit dem Ober-<lb/> befehlshaber der in Berlin weilenden Truppen sich in Verbindung zu setzen habe<lb/> über Zweck und Dauer des Aufenthalts der in Berlin weilenden Truppen.<lb/> Roste möge sofort in der Versammlung eisch<inen, um hier Aufklärung zu geben."</p><lb/> <p xml:id="ID_283"> Molkenbuhr halte vorher ausgeführt: „Seit einigen Tagen sind nun Truppen<lb/> in Berlin, über die wir keine Gewalt mehr haben, die eine drohende Gefahr für<lb/> die Revolution sind. Ich war heute nachmittag im Bureau der Unabhängigen<lb/> Sozialdemokratischen Partei. Ich habe manche Verwüstung in Belgien und<lb/> Frankreich gesehen, aber was da geschehen, übertrifft alles. Dort haben keine<lb/> Soldaten, dort haben VcmdcUcn gehaust...... So etwas können wir nicht<lb/> billigen. Was in Berlin an O-dnungsmaßnahmen zu tun noch übrig bleibt, ist<lb/> die Entwaffnung der Verbrecher, die planlos umherstreifen. Dieser Ansicht stimmen<lb/> auch die Unabhängigen Sozialdemokraten bei. Als aber gestern in Moabit die<lb/> -Ausräumung' begann, da mußten wir die Empfindung haben, ,die Geister,<lb/> die wir riefen, werden wir nicht wieder los'. Durch die Reihen der Arbeiter<lb/> geht der Ruf: .Das ist die weiße Garde I'</p><lb/> <p xml:id="ID_284" next="#ID_285"> W>r können nicht zugeben, daß der Stab dieser Division sich dort in<lb/> Moabit verbarrikadiert Ju diesen Leuten verkörpert sich ein Geist, den wir stärker<lb/> bekämpfen müssen als Spartakus. Wir können doch nicht, die Kommunisten als<lb/> Parler durch Muscbinengewehre bekämpfen, ohne uns deS Teirors schuldig zu<lb/> machen, den wir ihnen vorwerfen. Wir müssen sie mit geistigen Waffen bekämpfen.<lb/> Wir müssen die Regierung unterstützen in ihrem Bestreben, eine Volkswehr zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0069]
Zertrümmerte Geigen
mit äußerster Besonnenheit und Diplomatie vorgegangen werden. In der Provinz
fanden die sozialistischen Volksbeauftragten zunächst keinen Rückhalt unter der
besonnenen Arbeiterschaft, die sich nach den überstandenen Strapazen nach Ruhe
sehnte, während eine in den Kriegsbetrieben verwöhnte, undisziplinierte Jugend
das politische Wort führte. Wer die Ereignisse in Berlin von der Provinz aus
in naher Fühlung mit den maßgebenden Persönlichkeiten verfolgen konnte, wird'
mir zugeben, daß die Provinz-Soldatenräte immer bestrebt gewesen sind, sich
unabhängig von der Berliner Regierung zu hallen und auch im gegenwärtigen
Augenblick mehr darauf bedacht sind, sich selbst an der Macht zu erhalten, als
die neue Zentralgewalt zu stärken. Nur wo in der Provinz überzeugte und
zugleich gebildete'Anhänger der Mehrheiissozialiflen an den führenden'Stellen
stehen, da haben die Volksbeauftragten Einfluß ausüben können. Was sie also
leisteten bis zu dem Augenblick, wo sie mit eigenen, der Regierung'absolut sicheren
Truppen unter Rostes Führung sich anschickten, Berlin von Liebknecht und seinem
Pöbel zu säubern, ist eine politische Leistung allererster Ordnung, die uns hoffen
lassen könnte, daß wir über den tiefsten Stand in unserm innerpolitischem Leben
hinweg wären, wenn nicht.das Gespenst des Meuchelmords zwischen uns und
unsere Zukunft tritt.
Lassen wir so den Mehrheitssozialisten in ihren führenden Negierungs-
Männern volle Gerechtigkeit widerfahren, so brauchen wir nicht zu verschweigen,
daß ihr vorläufiger Sieg über die Anarchie doch nur möglich geworden ist durch
die selbstlose Hingabe, mit der Offiziere und Beamte aller Truppen und Behörden
sich in den Dienst der nationalen Sache gestellt haben. Ohne sie wäre Berlin
längst ein Trümmerhaufen, die Staatswirtschaft unheilbar erschüttert und für
die Übertragung sozialistischer Ideale in das praktische Leben kein Boden mehr
vorhanden.
Wie unsicher trotz Rostes großen Erfolges die Stellung der Mehrheits¬
sozialisten in der Regierung ist, darauf deutet die Haltung der Vollversammlung
der Groß-Berliner Soldatenräte hin, die am 16. d. M. zu einer Aussprache über
die Lage zusammentrat. Sie stellt eine entschiedene Stellungnahme gegen die
republikanische Armee und somit gegen das einzige Machtmittel der Regierung
dar, wenn ein Dringlichkeitsantrag folgenden Wortlauts fast einstimmig an¬
genommen wird:
„Die Ausführungen Molkenbuhrs sind geeignet, in großen Kreisen Unruhe
hervorzurufen. Man möge deshalb sich sofort an Roste wenden, der mit dem Ober-
befehlshaber der in Berlin weilenden Truppen sich in Verbindung zu setzen habe
über Zweck und Dauer des Aufenthalts der in Berlin weilenden Truppen.
Roste möge sofort in der Versammlung eisch<inen, um hier Aufklärung zu geben."
Molkenbuhr halte vorher ausgeführt: „Seit einigen Tagen sind nun Truppen
in Berlin, über die wir keine Gewalt mehr haben, die eine drohende Gefahr für
die Revolution sind. Ich war heute nachmittag im Bureau der Unabhängigen
Sozialdemokratischen Partei. Ich habe manche Verwüstung in Belgien und
Frankreich gesehen, aber was da geschehen, übertrifft alles. Dort haben keine
Soldaten, dort haben VcmdcUcn gehaust...... So etwas können wir nicht
billigen. Was in Berlin an O-dnungsmaßnahmen zu tun noch übrig bleibt, ist
die Entwaffnung der Verbrecher, die planlos umherstreifen. Dieser Ansicht stimmen
auch die Unabhängigen Sozialdemokraten bei. Als aber gestern in Moabit die
-Ausräumung' begann, da mußten wir die Empfindung haben, ,die Geister,
die wir riefen, werden wir nicht wieder los'. Durch die Reihen der Arbeiter
geht der Ruf: .Das ist die weiße Garde I'
W>r können nicht zugeben, daß der Stab dieser Division sich dort in
Moabit verbarrikadiert Ju diesen Leuten verkörpert sich ein Geist, den wir stärker
bekämpfen müssen als Spartakus. Wir können doch nicht, die Kommunisten als
Parler durch Muscbinengewehre bekämpfen, ohne uns deS Teirors schuldig zu
machen, den wir ihnen vorwerfen. Wir müssen sie mit geistigen Waffen bekämpfen.
Wir müssen die Regierung unterstützen in ihrem Bestreben, eine Volkswehr zu
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |