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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Die Rolle des Gelullten c>"s der politische" ^eitbi'ehre

Sollten nicht unsere deutschen Juden etwas genauer die Geschichte der
Demokratie lesen, um gewahr zu werden, welch ein Schicksal ihnen bevorstehen
könnte, wenn sie das verwirklichen wollen, was im wahrsten Sinne deutschler Art
wesensfremd ist: Gedankenaufbau nach französischer AdvokatenlogÄ verbunden
mit den Idealen des kindlichen Amerikanismus, den Rathenau so trefflich
zeichnet: "Amerika bleibt ein .Kinderland, solange es den Käsetrust oder das
Seifenmonopol ernster nimmt uls eine Musikschule oder eine HoruAciiusgabe----"

Und gerade bei der Betrachtung Amerikas sollten wir stutzig werden. Der
Amerikaner Draper sagt: Große Männer könne, ja dürfe es in Amerika nicht
mehr geben! Und Münsterberg gibt dem ähnlich Ausdruck: "Für wahrhaft große
Männer ist kein freier Raum, groß erscheint da zunächst, wer die Strömungen
des Tages ausnützt (also der Streber). Der Ehrgeiz muß sich zunächst notwendig
auf diejenigen Leistungen richten, für die jedermann Verständnis besitzt und bei
denen jeder wetteifern kann: Reichtum und körperliche Leistung. . . .

Es ist kein Zufall, daß Amerika bisher noch kein eigentliches Weltgenie zur
Entwicklung gebracht hat."

Unserem deutschen Volke ist jetzt die Existenzfrage in jeder Beziehung gestellt.
Wie erhalten wir die Grundlagen zur Verwirklichung unseres Wesens, um nicht
wie Ahasver in der amerikanisierten oder verengländerten Welt von Ort zu Ort
gehetzt zu werden bis zum Untergange.

Die Machtpolitik ist schlafen gegangen, wieder fliegen die Naben der Zwie¬
tracht um den Kyffhäuserberg. Nie erschien uns die Welt so dunkel wie in den
Weihnachtstagen 1918.

Doch Tausende und Abertausende sind noch am Werke. Nicht jene
Jünglinge, die in den Tagen des Glücks und deS Ruhms nuteinstimmten in den
Vaterlandsgesang und die heute sich beeilen, "unterzukommen" in den Betrieben,
wo mechanisierter Geist und Geld viel oder alles gilt.

Eines müssen wir bewußt deutschen Intellektuellen von ihnen lernen: das
ist die genaue Berechnung der wirtschaftlichen Faktoren. Uns liegt die Zukunft
des deutschen Volkes am Herzen, nicht die Verwirklichung irgendeiner besonders
angepriesenen Staatsform. Das deutsche Volk wird in eine Wirtschaftslage
gedrängt, die von jedem Gebildeten gebieterisch fordert, schon heute diesem Problem
seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Reichtum Deutschlands liegt in
seiner Arbeitskraft, seiner Befähigung zur Qualitätsarbeit. Diese Arbeit fordert
gute Ernährung, überhaupt eine gute Lebenshaltung, um konkurrenzfähig zu
bleiben. Wir werden aus die Einfuhr aller Stoffe verzichten müssen, für die die
deutsche Erfinderkunst bereits Ersatzstoffe schuf oder noch schaffen wird. Wir
werden mit der Ausfuhr hochwertiger Produkte unsere dringendsten Nahrungs¬
bedürfnisse bezahlen müssen. Das wird aber nicht ausreichen; wir müssen zur
intensivsten Landwirtschaft schreiten, schon um zahlreiche Arbeitskräfte unter¬
zubringen, die aus den nicht mehr konkurrenzfähigen, da allein aus die Ausfuhr
eingestellten Industriezweigen ausscheiden müssen.

Es erfordert also die Siedlungsfrage unsere Aufmerksamkeit.

Hier aber bietet sich uns eine viel umfassendere Lösungsmöglichkeit für die
Existenzfrage und hier würde vielleicht wieder ihre schwerste Bedrohung liegen.

Revolutionen, wie wir sie heute erleben, sind Beschleunigungen eines Natur¬
prozesses, der die Umschichtung der menschlichen Gesellschaft mit einer automatischen
Genauigkeit bewirkt. Herrschende Schichten, durch Reinheit einer langen Nassen-
inzucht und Züchtung der Führertalente besonders befähigt, versallen der De¬
generation -- äußere Umstände ermöglichen ihnen noch über ihre Zeit hinaus
fortzubestehen, bis die Gleichgewichtslage etwa durch kriegerische Ereignisse, Wirt¬
schaftskatastrophen oder durch den Feuerstrahl einer genialen Persönlichkeit zer¬
stört wird.

In diesem Augenblicke steht das Volk vor einer Entscheidung über sein
Selbst. Hat es einen Führer, ein Herrschergenie, so wird ihm die Lösung leicht.
Entbehrt es dieser Großen im Geiste aber ganz, dann muß, wie die römische


Die Rolle des Gelullten c>»s der politische» ^eitbi'ehre

Sollten nicht unsere deutschen Juden etwas genauer die Geschichte der
Demokratie lesen, um gewahr zu werden, welch ein Schicksal ihnen bevorstehen
könnte, wenn sie das verwirklichen wollen, was im wahrsten Sinne deutschler Art
wesensfremd ist: Gedankenaufbau nach französischer AdvokatenlogÄ verbunden
mit den Idealen des kindlichen Amerikanismus, den Rathenau so trefflich
zeichnet: „Amerika bleibt ein .Kinderland, solange es den Käsetrust oder das
Seifenmonopol ernster nimmt uls eine Musikschule oder eine HoruAciiusgabe----"

Und gerade bei der Betrachtung Amerikas sollten wir stutzig werden. Der
Amerikaner Draper sagt: Große Männer könne, ja dürfe es in Amerika nicht
mehr geben! Und Münsterberg gibt dem ähnlich Ausdruck: „Für wahrhaft große
Männer ist kein freier Raum, groß erscheint da zunächst, wer die Strömungen
des Tages ausnützt (also der Streber). Der Ehrgeiz muß sich zunächst notwendig
auf diejenigen Leistungen richten, für die jedermann Verständnis besitzt und bei
denen jeder wetteifern kann: Reichtum und körperliche Leistung. . . .

Es ist kein Zufall, daß Amerika bisher noch kein eigentliches Weltgenie zur
Entwicklung gebracht hat."

Unserem deutschen Volke ist jetzt die Existenzfrage in jeder Beziehung gestellt.
Wie erhalten wir die Grundlagen zur Verwirklichung unseres Wesens, um nicht
wie Ahasver in der amerikanisierten oder verengländerten Welt von Ort zu Ort
gehetzt zu werden bis zum Untergange.

Die Machtpolitik ist schlafen gegangen, wieder fliegen die Naben der Zwie¬
tracht um den Kyffhäuserberg. Nie erschien uns die Welt so dunkel wie in den
Weihnachtstagen 1918.

Doch Tausende und Abertausende sind noch am Werke. Nicht jene
Jünglinge, die in den Tagen des Glücks und deS Ruhms nuteinstimmten in den
Vaterlandsgesang und die heute sich beeilen, „unterzukommen" in den Betrieben,
wo mechanisierter Geist und Geld viel oder alles gilt.

Eines müssen wir bewußt deutschen Intellektuellen von ihnen lernen: das
ist die genaue Berechnung der wirtschaftlichen Faktoren. Uns liegt die Zukunft
des deutschen Volkes am Herzen, nicht die Verwirklichung irgendeiner besonders
angepriesenen Staatsform. Das deutsche Volk wird in eine Wirtschaftslage
gedrängt, die von jedem Gebildeten gebieterisch fordert, schon heute diesem Problem
seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Reichtum Deutschlands liegt in
seiner Arbeitskraft, seiner Befähigung zur Qualitätsarbeit. Diese Arbeit fordert
gute Ernährung, überhaupt eine gute Lebenshaltung, um konkurrenzfähig zu
bleiben. Wir werden aus die Einfuhr aller Stoffe verzichten müssen, für die die
deutsche Erfinderkunst bereits Ersatzstoffe schuf oder noch schaffen wird. Wir
werden mit der Ausfuhr hochwertiger Produkte unsere dringendsten Nahrungs¬
bedürfnisse bezahlen müssen. Das wird aber nicht ausreichen; wir müssen zur
intensivsten Landwirtschaft schreiten, schon um zahlreiche Arbeitskräfte unter¬
zubringen, die aus den nicht mehr konkurrenzfähigen, da allein aus die Ausfuhr
eingestellten Industriezweigen ausscheiden müssen.

Es erfordert also die Siedlungsfrage unsere Aufmerksamkeit.

Hier aber bietet sich uns eine viel umfassendere Lösungsmöglichkeit für die
Existenzfrage und hier würde vielleicht wieder ihre schwerste Bedrohung liegen.

Revolutionen, wie wir sie heute erleben, sind Beschleunigungen eines Natur¬
prozesses, der die Umschichtung der menschlichen Gesellschaft mit einer automatischen
Genauigkeit bewirkt. Herrschende Schichten, durch Reinheit einer langen Nassen-
inzucht und Züchtung der Führertalente besonders befähigt, versallen der De¬
generation — äußere Umstände ermöglichen ihnen noch über ihre Zeit hinaus
fortzubestehen, bis die Gleichgewichtslage etwa durch kriegerische Ereignisse, Wirt¬
schaftskatastrophen oder durch den Feuerstrahl einer genialen Persönlichkeit zer¬
stört wird.

In diesem Augenblicke steht das Volk vor einer Entscheidung über sein
Selbst. Hat es einen Führer, ein Herrschergenie, so wird ihm die Lösung leicht.
Entbehrt es dieser Großen im Geiste aber ganz, dann muß, wie die römische


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[0066] Die Rolle des Gelullten c>»s der politische» ^eitbi'ehre Sollten nicht unsere deutschen Juden etwas genauer die Geschichte der Demokratie lesen, um gewahr zu werden, welch ein Schicksal ihnen bevorstehen könnte, wenn sie das verwirklichen wollen, was im wahrsten Sinne deutschler Art wesensfremd ist: Gedankenaufbau nach französischer AdvokatenlogÄ verbunden mit den Idealen des kindlichen Amerikanismus, den Rathenau so trefflich zeichnet: „Amerika bleibt ein .Kinderland, solange es den Käsetrust oder das Seifenmonopol ernster nimmt uls eine Musikschule oder eine HoruAciiusgabe----" Und gerade bei der Betrachtung Amerikas sollten wir stutzig werden. Der Amerikaner Draper sagt: Große Männer könne, ja dürfe es in Amerika nicht mehr geben! Und Münsterberg gibt dem ähnlich Ausdruck: „Für wahrhaft große Männer ist kein freier Raum, groß erscheint da zunächst, wer die Strömungen des Tages ausnützt (also der Streber). Der Ehrgeiz muß sich zunächst notwendig auf diejenigen Leistungen richten, für die jedermann Verständnis besitzt und bei denen jeder wetteifern kann: Reichtum und körperliche Leistung. . . . Es ist kein Zufall, daß Amerika bisher noch kein eigentliches Weltgenie zur Entwicklung gebracht hat." Unserem deutschen Volke ist jetzt die Existenzfrage in jeder Beziehung gestellt. Wie erhalten wir die Grundlagen zur Verwirklichung unseres Wesens, um nicht wie Ahasver in der amerikanisierten oder verengländerten Welt von Ort zu Ort gehetzt zu werden bis zum Untergange. Die Machtpolitik ist schlafen gegangen, wieder fliegen die Naben der Zwie¬ tracht um den Kyffhäuserberg. Nie erschien uns die Welt so dunkel wie in den Weihnachtstagen 1918. Doch Tausende und Abertausende sind noch am Werke. Nicht jene Jünglinge, die in den Tagen des Glücks und deS Ruhms nuteinstimmten in den Vaterlandsgesang und die heute sich beeilen, „unterzukommen" in den Betrieben, wo mechanisierter Geist und Geld viel oder alles gilt. Eines müssen wir bewußt deutschen Intellektuellen von ihnen lernen: das ist die genaue Berechnung der wirtschaftlichen Faktoren. Uns liegt die Zukunft des deutschen Volkes am Herzen, nicht die Verwirklichung irgendeiner besonders angepriesenen Staatsform. Das deutsche Volk wird in eine Wirtschaftslage gedrängt, die von jedem Gebildeten gebieterisch fordert, schon heute diesem Problem seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden. Der Reichtum Deutschlands liegt in seiner Arbeitskraft, seiner Befähigung zur Qualitätsarbeit. Diese Arbeit fordert gute Ernährung, überhaupt eine gute Lebenshaltung, um konkurrenzfähig zu bleiben. Wir werden aus die Einfuhr aller Stoffe verzichten müssen, für die die deutsche Erfinderkunst bereits Ersatzstoffe schuf oder noch schaffen wird. Wir werden mit der Ausfuhr hochwertiger Produkte unsere dringendsten Nahrungs¬ bedürfnisse bezahlen müssen. Das wird aber nicht ausreichen; wir müssen zur intensivsten Landwirtschaft schreiten, schon um zahlreiche Arbeitskräfte unter¬ zubringen, die aus den nicht mehr konkurrenzfähigen, da allein aus die Ausfuhr eingestellten Industriezweigen ausscheiden müssen. Es erfordert also die Siedlungsfrage unsere Aufmerksamkeit. Hier aber bietet sich uns eine viel umfassendere Lösungsmöglichkeit für die Existenzfrage und hier würde vielleicht wieder ihre schwerste Bedrohung liegen. Revolutionen, wie wir sie heute erleben, sind Beschleunigungen eines Natur¬ prozesses, der die Umschichtung der menschlichen Gesellschaft mit einer automatischen Genauigkeit bewirkt. Herrschende Schichten, durch Reinheit einer langen Nassen- inzucht und Züchtung der Führertalente besonders befähigt, versallen der De¬ generation — äußere Umstände ermöglichen ihnen noch über ihre Zeit hinaus fortzubestehen, bis die Gleichgewichtslage etwa durch kriegerische Ereignisse, Wirt¬ schaftskatastrophen oder durch den Feuerstrahl einer genialen Persönlichkeit zer¬ stört wird. In diesem Augenblicke steht das Volk vor einer Entscheidung über sein Selbst. Hat es einen Führer, ein Herrschergenie, so wird ihm die Lösung leicht. Entbehrt es dieser Großen im Geiste aber ganz, dann muß, wie die römische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/66>, abgerufen am 05.02.2025.