Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Trennung von Uirche und Staat Kern, mit den Mitteln der Religion und der aus ihr erwachsenen Moral. Der Das sind Tatbestände, an die zu erinnern nur in der Verwirrung dieser Oder -- die Erwägung kann hier nicht Übergängen werden -- ist es viel- Trennung von Uirche und Staat Kern, mit den Mitteln der Religion und der aus ihr erwachsenen Moral. Der Das sind Tatbestände, an die zu erinnern nur in der Verwirrung dieser Oder — die Erwägung kann hier nicht Übergängen werden — ist es viel- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335227"/> <fw type="header" place="top"> Trennung von Uirche und Staat</fw><lb/> <p xml:id="ID_193" prev="#ID_192"> Kern, mit den Mitteln der Religion und der aus ihr erwachsenen Moral. Der<lb/> Staat ist aber an dieser Gesinnung seiner Glieder aufs stärkste interessiert. Er<lb/> Srfinde! sich in der eigentümlichen Lage, daß ihm in dieser Hinsicht die Autarkie,<lb/> die Selbstgenügsamkeit abgeht: er kann jene Gesinnung für sein eigenes Bestehen<lb/> nicht entbehren und sie doch von sich aus nicht erzeugen, — jedenfalls fehlt ihm<lb/> mit der Religion dafür das wirksamste Mittel. Der Staat bedarf — niemals<lb/> sahen wir dies deutlicher, als gegenwärtig —, um nicht zusammenzufallen, der<lb/> anerkannten, innerlich bejahten Autorität. Ohne Scheu vor der höchsten Autorität<lb/> aber, die die Religion in die Herzen pflanzt, wird sich auf die Dauer auch die<lb/> vor der menschlichen nicht behaupten. Er bedarf für die Gültigkeit seiner Gesetze<lb/> der ethischen Gesinnung derer, für die sie bestimmt sind, sonst bleiben die besten<lb/> ohne Wirkung und auch der Zwang versagt. Nun mag man einwenden, dasz<lb/> auch dem Staat ethische Mittel zur Verfügung stehen; so hat das moderne Frank-<lb/> reich religionslosen Moralunterricht in seinen Schulen eingeführt. Wir wollen<lb/> diesen ethischen Motiven nicht alle Wirkung absprechen, aber schwerlich wird, wer<lb/> die Dinge kennt, leugnen können, dasz, zumal für die Beeinflussung der Jugend,<lb/> die religiöse, die christliche Moral ungleich günstiger gestellt ist, als solcher künstlich<lb/> gemachter abstrakter Moralismus. Der Staat hätte im eigensten Interesse allen<lb/> Grund, diese Gesinnungspflege aus alle Weise zu fördern.</p><lb/> <p xml:id="ID_194"> Das sind Tatbestände, an die zu erinnern nur in der Verwirrung dieser<lb/> Zeit nötig e, scheint, die uns mit Experimenten beglückt, die die ganzen sittlich-<lb/> religiösen Grundlagen unserer Kultur bedrohen. Kommt man nun von diesem<lb/> geschichtlichen Rückblick zu der Losung von heute: Trennung von Kirche und<lb/> Staat, so ergibt sich unmittelbar, in welchem Sinne man ihr nicht zustimmen<lb/> kann. Nicht in dem, daß die beiden künftighin beziehungslos nebeneinander-<lb/> stehen sollten, als gingen sie sich nichts mehr an. Soll das Programm dazu<lb/> dienen, die Kirche ihrer äußeren Subsistenzmittel zu berauben, ihre öffentliche<lb/> Rolle im Volksleben, ihre Bedeutung für das Volksganze unmöglich zu machen,<lb/> so hieße das die Vergangenheit verleugnen und die Zukunft der deutschen Ge-<lb/> schichte aufs ernsteste gefährden. Hier gilt das Wort: Was Gott zusammengefügt<lb/> hat, das soll der Mensch nicht scheiden. In Wirklichkeit kann er es auch gar<lb/> nicht- Hier, wie oft. wird mit der bloßen Proklamierung der Grenzsperre wenig<lb/> genützt, die Wirklichkeit der Dinge und das unabweisliche Bedürfnis der Menschen<lb/> setzt jich darüber hinweg. Staat und Kirche werden auch weiter aufeinander an-<lb/> gewiesen sein, und wenn sie künftig getrennt marschieren, hoffentlich um so sicherer<lb/> vereint schlagen, wo es daraus ankommt für sie beide. Solche gemeinsame<lb/> Schlachtfelder wird es auch künftig genug geben. Die Kirche hat also allen<lb/> Grad zu fordern, daß die bevorstehende Auseinandersetzung in aller Billigkeit<lb/> geschehe. Es darf eine nachfolgende Vertrauens- und Arbeitsgemeinschaft dadurch<lb/> nicht unmöglich gemacht werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_195" next="#ID_196"> Oder — die Erwägung kann hier nicht Übergängen werden — ist es viel-<lb/> leicht das Schicksal der evangelischen Kirche, an ihrem eigenen allmählichen Abbau<lb/> zu arbeiten? Liegt es. wie manche behauptet haben, im Wesen des Protestantis¬<lb/> mus, daß er nur die persönliche Frömmigkeit des einzelnen im Auge hat, ihm<lb/> aber keine kirchenbildende Kraft innewohnt? Und wäre also doch das Ziel der<lb/> Entwicklung, auf das es nun nach dem Fortfall der staatlichen Stütze rascher los-<lb/> gehen wird, richtig in dem sozialdemokratischen Programm bezeichnet, wenn eS<lb/> die Religion nur als Privatsache gelten lassen will, nicht mehr als öffentliche<lb/> Angelegenheit? Die unveräußerliche Wahrheit darf nicht verkannt werden, die in<lb/> jenein Satze liegt, der seine protestantische Herkunft nicht verleugnet. Ja Religion.<lb/> Christentum, evangelisches Christentum ist allerdings in allererster Linie Prwat-<lb/> sache, Herzenssache. Wenn es das nicht ist, ist es nur Schale ohne Kern. Form<lb/> ohne Inhalt. Wie stark pulsiert dies Gefühl bei Luther, dessen ganzes Werk die<lb/> Entbindung des religiösen Individualismus bedeutet. Diese Linie aber geht durch<lb/> Hen ganzen Protestantismus. Es sei nur an den größten evangelischen Theologen<lb/> im 19. Jahrhundert, Schleiermacher, erinnert: wie stark betont er in seinen „Reden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
Trennung von Uirche und Staat
Kern, mit den Mitteln der Religion und der aus ihr erwachsenen Moral. Der
Staat ist aber an dieser Gesinnung seiner Glieder aufs stärkste interessiert. Er
Srfinde! sich in der eigentümlichen Lage, daß ihm in dieser Hinsicht die Autarkie,
die Selbstgenügsamkeit abgeht: er kann jene Gesinnung für sein eigenes Bestehen
nicht entbehren und sie doch von sich aus nicht erzeugen, — jedenfalls fehlt ihm
mit der Religion dafür das wirksamste Mittel. Der Staat bedarf — niemals
sahen wir dies deutlicher, als gegenwärtig —, um nicht zusammenzufallen, der
anerkannten, innerlich bejahten Autorität. Ohne Scheu vor der höchsten Autorität
aber, die die Religion in die Herzen pflanzt, wird sich auf die Dauer auch die
vor der menschlichen nicht behaupten. Er bedarf für die Gültigkeit seiner Gesetze
der ethischen Gesinnung derer, für die sie bestimmt sind, sonst bleiben die besten
ohne Wirkung und auch der Zwang versagt. Nun mag man einwenden, dasz
auch dem Staat ethische Mittel zur Verfügung stehen; so hat das moderne Frank-
reich religionslosen Moralunterricht in seinen Schulen eingeführt. Wir wollen
diesen ethischen Motiven nicht alle Wirkung absprechen, aber schwerlich wird, wer
die Dinge kennt, leugnen können, dasz, zumal für die Beeinflussung der Jugend,
die religiöse, die christliche Moral ungleich günstiger gestellt ist, als solcher künstlich
gemachter abstrakter Moralismus. Der Staat hätte im eigensten Interesse allen
Grund, diese Gesinnungspflege aus alle Weise zu fördern.
Das sind Tatbestände, an die zu erinnern nur in der Verwirrung dieser
Zeit nötig e, scheint, die uns mit Experimenten beglückt, die die ganzen sittlich-
religiösen Grundlagen unserer Kultur bedrohen. Kommt man nun von diesem
geschichtlichen Rückblick zu der Losung von heute: Trennung von Kirche und
Staat, so ergibt sich unmittelbar, in welchem Sinne man ihr nicht zustimmen
kann. Nicht in dem, daß die beiden künftighin beziehungslos nebeneinander-
stehen sollten, als gingen sie sich nichts mehr an. Soll das Programm dazu
dienen, die Kirche ihrer äußeren Subsistenzmittel zu berauben, ihre öffentliche
Rolle im Volksleben, ihre Bedeutung für das Volksganze unmöglich zu machen,
so hieße das die Vergangenheit verleugnen und die Zukunft der deutschen Ge-
schichte aufs ernsteste gefährden. Hier gilt das Wort: Was Gott zusammengefügt
hat, das soll der Mensch nicht scheiden. In Wirklichkeit kann er es auch gar
nicht- Hier, wie oft. wird mit der bloßen Proklamierung der Grenzsperre wenig
genützt, die Wirklichkeit der Dinge und das unabweisliche Bedürfnis der Menschen
setzt jich darüber hinweg. Staat und Kirche werden auch weiter aufeinander an-
gewiesen sein, und wenn sie künftig getrennt marschieren, hoffentlich um so sicherer
vereint schlagen, wo es daraus ankommt für sie beide. Solche gemeinsame
Schlachtfelder wird es auch künftig genug geben. Die Kirche hat also allen
Grad zu fordern, daß die bevorstehende Auseinandersetzung in aller Billigkeit
geschehe. Es darf eine nachfolgende Vertrauens- und Arbeitsgemeinschaft dadurch
nicht unmöglich gemacht werden.
Oder — die Erwägung kann hier nicht Übergängen werden — ist es viel-
leicht das Schicksal der evangelischen Kirche, an ihrem eigenen allmählichen Abbau
zu arbeiten? Liegt es. wie manche behauptet haben, im Wesen des Protestantis¬
mus, daß er nur die persönliche Frömmigkeit des einzelnen im Auge hat, ihm
aber keine kirchenbildende Kraft innewohnt? Und wäre also doch das Ziel der
Entwicklung, auf das es nun nach dem Fortfall der staatlichen Stütze rascher los-
gehen wird, richtig in dem sozialdemokratischen Programm bezeichnet, wenn eS
die Religion nur als Privatsache gelten lassen will, nicht mehr als öffentliche
Angelegenheit? Die unveräußerliche Wahrheit darf nicht verkannt werden, die in
jenein Satze liegt, der seine protestantische Herkunft nicht verleugnet. Ja Religion.
Christentum, evangelisches Christentum ist allerdings in allererster Linie Prwat-
sache, Herzenssache. Wenn es das nicht ist, ist es nur Schale ohne Kern. Form
ohne Inhalt. Wie stark pulsiert dies Gefühl bei Luther, dessen ganzes Werk die
Entbindung des religiösen Individualismus bedeutet. Diese Linie aber geht durch
Hen ganzen Protestantismus. Es sei nur an den größten evangelischen Theologen
im 19. Jahrhundert, Schleiermacher, erinnert: wie stark betont er in seinen „Reden
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