Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Trennung von Kirche und Staat etwa 30 Millionen Mark). Der Staat erkennt die Kirche als eine Gemeinschaft Natürlich aber, wenn so auch die äußere Form sich erhalten hatte, war an So zeigt die Geschichte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Trennung von Kirche und Staat etwa 30 Millionen Mark). Der Staat erkennt die Kirche als eine Gemeinschaft Natürlich aber, wenn so auch die äußere Form sich erhalten hatte, war an So zeigt die Geschichte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0044" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335226"/> <fw type="header" place="top"> Trennung von Kirche und Staat</fw><lb/> <p xml:id="ID_190" prev="#ID_189"> etwa 30 Millionen Mark). Der Staat erkennt die Kirche als eine Gemeinschaft<lb/> öffentlichen Rechtes an und schützt sie darin durch Gesetze zugunsten der kirch¬<lb/> lichen Feiertage und des Gottesdienstes; er fordert' den religiösen Eid. Für seine<lb/> Veranstaltungen, z. B. das Heer oder die Gefängnisse nimmt er den Dienst der<lb/> Kirche in Anspruch, er läßt in seinen Schulen christlich'konfessionellen Religions¬<lb/> unterricht erteilen. Selbst das Recht des summus epiZLopus war keineswegs<lb/> obsolet geworden. So war der Stand bis zur Revolution; es war im Grunde<lb/> noch die alte Landeskirche.</p><lb/> <p xml:id="ID_191"> Natürlich aber, wenn so auch die äußere Form sich erhalten hatte, war an<lb/> den Anschauungen der Wandel der Zeiten nicht spurlos vorübergegangen. Hier<lb/> ist namentlich die Aufklärung von Einfluß gewesen, die im Geistesleben erst die<lb/> eigentliche Wende vom Mittelalter zur Neuzeit bedeutet. Gewandelt hat sich die<lb/> Anschauung vom Staat; es bildete sich der paritätische Staatsbegriff, der sich<lb/> gegen Religion und Konfession neutral fühlt, das mußte jenes Separatveihältnis<lb/> des Staates zu einer Konfession erschüttern. Ferner entwickelte sich der Obrigkeits¬<lb/> und Polizeistaat mehr und mehr zum modernen Kulturstaat, der in wachsendem<lb/> Maße viele bis dahin von der Kirche gepflegten Kulturanfgaben sich zueignete<lb/> und damit das Gebiet der Kirche immer mehr einengte. Das ist ein Pro-.esz,<lb/> dessen letzte Etappen noch die Heutigen erlebt haben: man denke an die Gesetze<lb/> über Beurkundung des Personenstandes und staatliche Eheschließung, oder an die<lb/> völlige Verstaatlichung der Volksschule. Der Staat, immer mehr seiner aller um¬<lb/> fassenden Aufgabe und aller in ihm schlummernden geistigen und sittlichen Kräfte<lb/> bewußt geworden, schien die Kirche immer weniger zu bedürfen. Andererseits<lb/> wandelte' sich auch die Vorstellung von der Kirche. Nach der Erschlaffung im<lb/> Nationalismus brachte das 19, Jahrhundert eine Erstarkung des kirchlichen Bewußt¬<lb/> seins, die sich in der Forderung der Selbstverwaltung der Kirche äußerte. Es<lb/> war die Zeit, wo in den Kirchen, zum Teil unter reformierten Einfluß und nach<lb/> dem Vorgang im staatlichen und kommunalen Leben, sich die Synodalverfassungen<lb/> bildeten, — auch diese nicht ohne staatliche Bevormundung, aber doch so, daß<lb/> jetzt wirklich eine gesetzgebende Vertretung der Kirche erreicht ward, die aus ihr<lb/> selbst hervorgegangen war. So ward ein konstitutioneller, parlamentarischer Faktor<lb/> in die Kirche eingeführt, wenn auch die Führung beim Staate verblieb.</p><lb/> <p xml:id="ID_192" next="#ID_193"> So zeigt die Geschichte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in<lb/> mannigfachen Wandlungen, immer aber, trotz aller zeitweiligen Spannung und<lb/> Entfremdung so, daß eine Verbindung vorhanden ist, ein gegenseitiges Auf¬<lb/> einanderwirken, Voncinanderempfangen. Wer hat aus dieser Verbindung den<lb/> größeren Gewinn gezogen? Ohne den Vorteil zu verkennen, den auch die Kirche<lb/> davon gehabt hat, wird man doch sagen müssen: zweifellos der Staat. M>t dem<lb/> reichsten geschichtlichen Material ließe sich erweisen, wie auf allen Gebieten der<lb/> Kultur, die heute der Staat als sein eigen ansieht, ihm durch viele Jahrhunderte<lb/> bis aus diesen Tag von der Kirche und ihrer Arbeit die mannigfachste Anregung<lb/> und Förderung zuteil geworden ist: in der Schule, in Kunst und Wissenschaft,<lb/> erst recht in der sozialen Nettungs- und Liebesarbeit. Während langer Zeitspannen<lb/> ist aus all diesen Gebieten die Kirche die eigentliche Pflegerin gewesen, aber auch<lb/> nachdem der Staat in ihre Arbeit eingetreten, hat ihr Einfluß nicht aufgehört.<lb/> Er zeigt sich um so stärker, je mehr es sich um Aufgaben handelt, für die es auf<lb/> Geist und Gesinnung ankommt, auf die sittlich-religiöse Qualität derer, die sie<lb/> angreifen. Das gilt z. V. von der Liebestätigkeit im besonderen Maße. Immer<lb/> ist es hier so gewesen, daß Männer vorangingen, die von der Kirche kamen, mit<lb/> einem Auge, erleuchtet, die Not zu sehen, mit einem Herzen, brennend in barm¬<lb/> herziger Liebe. Niemals wird der Staat mit seinen Mitteln die unvergleichlichen<lb/> Motive ersetzen können, die der Kirche zur Verfügung stehen und die für diese<lb/> Arbeit ganz unentbehrlich sind. Man muß aber noch mehr sagen. Die Kirche<lb/> hat nicht nur durch ihre mehr indirekten kulturellen oder/sozialen Wirkungen dem<lb/> Staat gedient: auch ihre eigentliche, innerste Arbeit ist im höchsten Maße Staats-<lb/> »rhaltend. Sie ist die große Anstalt zur Pflege der Gesinnung in ihrem innersten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
Trennung von Kirche und Staat
etwa 30 Millionen Mark). Der Staat erkennt die Kirche als eine Gemeinschaft
öffentlichen Rechtes an und schützt sie darin durch Gesetze zugunsten der kirch¬
lichen Feiertage und des Gottesdienstes; er fordert' den religiösen Eid. Für seine
Veranstaltungen, z. B. das Heer oder die Gefängnisse nimmt er den Dienst der
Kirche in Anspruch, er läßt in seinen Schulen christlich'konfessionellen Religions¬
unterricht erteilen. Selbst das Recht des summus epiZLopus war keineswegs
obsolet geworden. So war der Stand bis zur Revolution; es war im Grunde
noch die alte Landeskirche.
Natürlich aber, wenn so auch die äußere Form sich erhalten hatte, war an
den Anschauungen der Wandel der Zeiten nicht spurlos vorübergegangen. Hier
ist namentlich die Aufklärung von Einfluß gewesen, die im Geistesleben erst die
eigentliche Wende vom Mittelalter zur Neuzeit bedeutet. Gewandelt hat sich die
Anschauung vom Staat; es bildete sich der paritätische Staatsbegriff, der sich
gegen Religion und Konfession neutral fühlt, das mußte jenes Separatveihältnis
des Staates zu einer Konfession erschüttern. Ferner entwickelte sich der Obrigkeits¬
und Polizeistaat mehr und mehr zum modernen Kulturstaat, der in wachsendem
Maße viele bis dahin von der Kirche gepflegten Kulturanfgaben sich zueignete
und damit das Gebiet der Kirche immer mehr einengte. Das ist ein Pro-.esz,
dessen letzte Etappen noch die Heutigen erlebt haben: man denke an die Gesetze
über Beurkundung des Personenstandes und staatliche Eheschließung, oder an die
völlige Verstaatlichung der Volksschule. Der Staat, immer mehr seiner aller um¬
fassenden Aufgabe und aller in ihm schlummernden geistigen und sittlichen Kräfte
bewußt geworden, schien die Kirche immer weniger zu bedürfen. Andererseits
wandelte' sich auch die Vorstellung von der Kirche. Nach der Erschlaffung im
Nationalismus brachte das 19, Jahrhundert eine Erstarkung des kirchlichen Bewußt¬
seins, die sich in der Forderung der Selbstverwaltung der Kirche äußerte. Es
war die Zeit, wo in den Kirchen, zum Teil unter reformierten Einfluß und nach
dem Vorgang im staatlichen und kommunalen Leben, sich die Synodalverfassungen
bildeten, — auch diese nicht ohne staatliche Bevormundung, aber doch so, daß
jetzt wirklich eine gesetzgebende Vertretung der Kirche erreicht ward, die aus ihr
selbst hervorgegangen war. So ward ein konstitutioneller, parlamentarischer Faktor
in die Kirche eingeführt, wenn auch die Führung beim Staate verblieb.
So zeigt die Geschichte das Verhältnis zwischen Staat und Kirche in
mannigfachen Wandlungen, immer aber, trotz aller zeitweiligen Spannung und
Entfremdung so, daß eine Verbindung vorhanden ist, ein gegenseitiges Auf¬
einanderwirken, Voncinanderempfangen. Wer hat aus dieser Verbindung den
größeren Gewinn gezogen? Ohne den Vorteil zu verkennen, den auch die Kirche
davon gehabt hat, wird man doch sagen müssen: zweifellos der Staat. M>t dem
reichsten geschichtlichen Material ließe sich erweisen, wie auf allen Gebieten der
Kultur, die heute der Staat als sein eigen ansieht, ihm durch viele Jahrhunderte
bis aus diesen Tag von der Kirche und ihrer Arbeit die mannigfachste Anregung
und Förderung zuteil geworden ist: in der Schule, in Kunst und Wissenschaft,
erst recht in der sozialen Nettungs- und Liebesarbeit. Während langer Zeitspannen
ist aus all diesen Gebieten die Kirche die eigentliche Pflegerin gewesen, aber auch
nachdem der Staat in ihre Arbeit eingetreten, hat ihr Einfluß nicht aufgehört.
Er zeigt sich um so stärker, je mehr es sich um Aufgaben handelt, für die es auf
Geist und Gesinnung ankommt, auf die sittlich-religiöse Qualität derer, die sie
angreifen. Das gilt z. V. von der Liebestätigkeit im besonderen Maße. Immer
ist es hier so gewesen, daß Männer vorangingen, die von der Kirche kamen, mit
einem Auge, erleuchtet, die Not zu sehen, mit einem Herzen, brennend in barm¬
herziger Liebe. Niemals wird der Staat mit seinen Mitteln die unvergleichlichen
Motive ersetzen können, die der Kirche zur Verfügung stehen und die für diese
Arbeit ganz unentbehrlich sind. Man muß aber noch mehr sagen. Die Kirche
hat nicht nur durch ihre mehr indirekten kulturellen oder/sozialen Wirkungen dem
Staat gedient: auch ihre eigentliche, innerste Arbeit ist im höchsten Maße Staats-
»rhaltend. Sie ist die große Anstalt zur Pflege der Gesinnung in ihrem innersten.
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