Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Bolschewistische vorrückcheiien in der Schule In der neuen Schule ist ferner jegliche Beurteilung des Kennwisstandes Ferner haben die Eltern nicht das Recht, ihren Kindern den Besuch einer Selbstredend ist, daß die Beaufsichtigung in den Zwischenstunden und erst Entschuldigungszettel nach Versäumnissen brauchen nicht mehr vorgelegt Die Abiturientenexamina bei Abschluß der Schule fallen weg. Haben die Die Zuhörer der Hochschulen zerfallen in drei Gruchpeu: erstens eigentliche In der früheren Militär-Medizinischen Akademie zu Se. Petersburg wurde So ungefähr ist das Bild der Schule unter bolschewistischer Herrschaft; Grenzboten I dvigs
Bolschewistische vorrückcheiien in der Schule In der neuen Schule ist ferner jegliche Beurteilung des Kennwisstandes Ferner haben die Eltern nicht das Recht, ihren Kindern den Besuch einer Selbstredend ist, daß die Beaufsichtigung in den Zwischenstunden und erst Entschuldigungszettel nach Versäumnissen brauchen nicht mehr vorgelegt Die Abiturientenexamina bei Abschluß der Schule fallen weg. Haben die Die Zuhörer der Hochschulen zerfallen in drei Gruchpeu: erstens eigentliche In der früheren Militär-Medizinischen Akademie zu Se. Petersburg wurde So ungefähr ist das Bild der Schule unter bolschewistischer Herrschaft; Grenzboten I dvigs
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Bolschewistische vorrückcheiien in der Schule
In der neuen Schule ist ferner jegliche Beurteilung des Kennwisstandes
ausgedrückt durch Nnunuerurteüe untersagt. Auch darf der Lehrer die Schüler
uicht noch seinem Belieben durch Fragen beunruhigen,' oder ihre Nerven durch
KxtenchovaKen erregen. Will ein Schüler gefragt'sein, so meldet er es dem
Lehrer vor der Stunde mit Angabe des Abschnittes jenes Faches, aus welchem
er gefragt zu werden wünscht. Der Lehrer hat uicht das Recht, eine solche An¬
meldung zurückzuweisen. Die Versetzung findet statt auf Grund der allgemeinen
^,77 d-.e Leistungen können dabei auch uugenüaende sein. Nachexamina sind
naturuch verboten. Über die Versetzung entscheidet die Konferenz' durch Ab-
Mnmen; vie anwesenden Schüler sind stimmberechtigt. Eine Altersgrenze für die
einzelnen Klassen gibt es nicht. Ebenso ist die Dauer des Besuches einer Klasse
durch .eine Vorschriften eingeschränkt. Es kann somit vorkommen, daß Zehn-
mhnge und sechzehnjährige zusammen in einer .Klasse sitzen.
Ferner haben die Eltern nicht das Recht, ihren Kindern den Besuch einer
bestimmten Schule vorzuschreiben; die Kinder hoben selbst darüber zu bestimmen,
^^"6 Alexandergymnastum oder morgen ins Nirolaigymnasium gehen,
^a die Bildung allen zugänglich sein soll, so ist jegliches Schulgeld ganz
1 ^ Jahresbudget des Mwisterimns der 'Bolksaufklärung ist auf
1,4 MMarden festgesetzt (wohl nur fürs erste Jahr!?).
Selbstredend ist, daß die Beaufsichtigung in den Zwischenstunden und erst
recht aus der Straße seitens der Lehrer fortfällt. Primus, Sekundns und derartige
Currichtnugen sind co ixso als veraltet verpönt. Die Schiller jeder Klasse wählen
ehre Vertreter, die den Lehrern die Wünsche ihrer Klasse vortragen. Unter
anderem können die Schüler auch den Lehrer ersuchen, in einer Stunde ein«: Bor¬
trag zu halten über eine bestimmte Frage, über die sie aufgeklärt zu sein wünschen
— meist handelt es sich um Fragen, die nicht in den Schulkursus hineingehören:
Fragen politischen und anderen Inhalts.
Entschuldigungszettel nach Versäumnissen brauchen nicht mehr vorgelegt
zu werden.
Die Abiturientenexamina bei Abschluß der Schule fallen weg. Haben die
Schüler ihr Zeugnis über die Absolvierung des Gymnasiums erhalten, so
sind sie berechtigt als Studenten in die Hochschule einzulVeten. Der Kursus der
Hochschulen ist auf drei Jahre herabgesetzt, so daß ein Jüngling bereits mit
achtzehn bis neunzehn Jahren die Universität absolviert haben kann.
Die Zuhörer der Hochschulen zerfallen in drei Gruchpeu: erstens eigentliche
Studenten — die mit dem Reifezeugnis eintreten, zweitens Studenten — freie
Zuhörer —, von denen kein solches Zeugnis verlangt wird und drittens Besucher,
was jedermann sein kann.
In der früheren Militär-Medizinischen Akademie zu Se. Petersburg wurde
im Herbst dieses Jahres die Immatrikulation nach altem Muster vollzogen.
Dann wurde durch ein Dekret diese Aufnahme neuer Studenten für ungültig
erklärt, und es wurden in erster Linie „wissensdilrstige Vertreter des Volkes"
aufgenommen, das heißt Liebhaber von leicht zu erwerbenden Arztdiplomen —
Hausknechte, Lastfuhrleute, Fabrikarbeiter usw. und dann erst, so weit noch Plätze
frei waren, die jungen Leute aus den Gymnasien und den übrigen Mittelschulen.
So ungefähr ist das Bild der Schule unter bolschewistischer Herrschaft;
ebenso aber sieht es auch auf allen arideren Gebieten ans, und es ist traurig zu
sehen, daß unser Volk den Spuren der russischen Unkultur folgt.
Grenzboten I dvigs
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