Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? um so schärfer an. Im Augenblick unserer Schwäche versuchen sie nicht anders Solche furchtbare Prüfung, kann ein Volk nur überwinden, wenn es sich zur Ich habe hier schon vor etwa 14 Tagen die Ehre gehabt, vor einer Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte? um so schärfer an. Im Augenblick unserer Schwäche versuchen sie nicht anders Solche furchtbare Prüfung, kann ein Volk nur überwinden, wenn es sich zur Ich habe hier schon vor etwa 14 Tagen die Ehre gehabt, vor einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0194" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/335376"/> <fw type="header" place="top"> Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?</fw><lb/> <p xml:id="ID_877" prev="#ID_876"> um so schärfer an. Im Augenblick unserer Schwäche versuchen sie nicht anders<lb/> wie die uns feindlichsten der feindlichen Völker, langgehegte Träume zu ver¬<lb/> wirklichen auf unsere Kosten und uns zu treten und uns das letzte zu nehmen,<lb/> das wir besitzen, unser Deutschtum, unsern deutschen Heimatboden.</p><lb/> <p xml:id="ID_878"> Solche furchtbare Prüfung, kann ein Volk nur überwinden, wenn es sich zur<lb/> Gemeinsamkeit im Volkstum bekennt. Es ist eine Verirrung, heute internationalen<lb/> Verbindungen und Verheißungen nachzujagen. Es ist ein Trugbilo, eine Fata<lb/> morgana, das den Arbeitern seit Jahrzehnten vorgespiegelt wird, daß es eine<lb/> Solidarität der Arbeiter über die ganze Welt gäbe, die über die Nationalität<lb/> hinaus Bestand haben könnte. Die Solidarität hört auf in dem Augenblick,<lb/> wo der Stärkere sich bewußt ist, daß ^er den Schwächeren von der Futterkrippe<lb/> fortschieben kann. Die deutschen Arbeiter hier in der Provinz Posen werden<lb/> es mir bezeugen, daß ich die Wahrheit spreche, wenn ich hier mitteile, was<lb/> ihnen in den letzten Wochen vor Neujahr von ihren polnischen Arbeitsgenossen<lb/> gesagt worden ist. Wartet mal, hieß es, wenn wir Polen hier erst herrschen,<lb/> dann fliegt ihr hinaus, von der Eisenbahn, aus den Fabriken, die hier auf<lb/> dem polnischen Boden stehen. Wir, die Polen, werden Eure Stellungen ein¬<lb/> nehmen. Die einzigen, die von internationaler Verbrüderung etwas haben<lb/> könnten, das sind wir, die Geistesarbeiter, die in ihren Studierstuben sitzen,<lb/> sich Sprach- und Geschichts- und Ltteraturkenntnisse über alle Völker der Welt<lb/> anzueignen vermögen und die deshalb befähigt sind über gewisse allmenschliche<lb/> Gedanken mit der ganzen Welt zu verhandeln. Es gibt Dinge, die dem<lb/> Nakeler Einwohner ebenso auf der Seele brennen, wie demjenigen von Tim-<lb/> buktu oder Krassnojarsk. Aber wir können sie nur so lange schiedlich und<lb/> friedlich behandeln, als wir auf dem Boden der Theorie bleiben. Wo es gilt<lb/> Theorien in die Praxis des Lebens zu überführen, treten unvermeidlich Rei¬<lb/> bungen ein und wo erst Reibungen auftreten, wo die Konkurrenz zwischen den<lb/> -Völkern in irgend einer Form einsetzt, da gilt keine internationale Verbrüderung,<lb/> da gilt kein überweltliches Streben einzelner Philanthropen, sondern da gilt<lb/> einzig das Wort: „Der Kräftige, der Starke siegt und der Schwache unterliegt."<lb/> Wie das im großen oder im kleinen ist, wie es schon anfängt in der Tierwelt,<lb/> wo das Starke das Kleine unterdrückt, so ist es bei uns Menschen in der Pro¬<lb/> vinz, in den Städten, in den Ortschaften, überall. Blut gehört zu Blut und<lb/> Blut muß sich mit Blut verteidigen. Darüber hilft uns kein Philosophieren<lb/> und kein Doktrinieren hinweg. Wenn ich Ihnen dieses ins Gedächtnis rufe,<lb/> so bin ich mir wohl bewußt, daß Sie die Wahrheit meiner Worte eben am<lb/> eigenen Leibe erlebt haben, da Sie alle den Versuch erleben, daß die Polen<lb/> sich zu Herrschern über das Land machen wollen. Zu Herrschern machen heißt<lb/> aber die wirtschaftlichen und die kulturellen Güter nach eigenem Ermessen ver¬<lb/> teilen und den Unterworfenen zu zwingen, nicht das zu tun, was ihm in erster<lb/> Linie frommt, sondern das zu tun, was der herrschenden Klasse, der herrschen¬<lb/> den Nationalität vor allen Dingen nützlich ist.' Aus unsrer Not gibt es nur<lb/> einen Ausweg: Vergessen wir, daß wir uns in Klassen befehden, vergessen wir.<lb/> daß aus der wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung sich eine Fülle von Gruppen<lb/> mit Sonderinteressen gebildet hat. Lassen wir den Kastengeist, lassen wir dieses<lb/> Zusammenstecken der Köpfe von einzelnen Erwerbsklassen beiseite und fühlen<lb/> wir uns endlich einmal als ein Volk, als das deutsche Volk, das bedrohte Volk,<lb/> dem seine Daseinsberechtigung hier in der Ostmark streitig gemacht werden soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_879" next="#ID_880"> Ich habe hier schon vor etwa 14 Tagen die Ehre gehabt, vor einer<lb/> Anzahl von Ihnen zu sprechen. Da habe ich die Frage aufgeworfen, wie es<lb/> möglich gewesen ist, daß aus die gewaltigen Leistungen unseres Volkes daheim</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0194]
Wozu brauchen wir die deutschen Volksräte?
um so schärfer an. Im Augenblick unserer Schwäche versuchen sie nicht anders
wie die uns feindlichsten der feindlichen Völker, langgehegte Träume zu ver¬
wirklichen auf unsere Kosten und uns zu treten und uns das letzte zu nehmen,
das wir besitzen, unser Deutschtum, unsern deutschen Heimatboden.
Solche furchtbare Prüfung, kann ein Volk nur überwinden, wenn es sich zur
Gemeinsamkeit im Volkstum bekennt. Es ist eine Verirrung, heute internationalen
Verbindungen und Verheißungen nachzujagen. Es ist ein Trugbilo, eine Fata
morgana, das den Arbeitern seit Jahrzehnten vorgespiegelt wird, daß es eine
Solidarität der Arbeiter über die ganze Welt gäbe, die über die Nationalität
hinaus Bestand haben könnte. Die Solidarität hört auf in dem Augenblick,
wo der Stärkere sich bewußt ist, daß ^er den Schwächeren von der Futterkrippe
fortschieben kann. Die deutschen Arbeiter hier in der Provinz Posen werden
es mir bezeugen, daß ich die Wahrheit spreche, wenn ich hier mitteile, was
ihnen in den letzten Wochen vor Neujahr von ihren polnischen Arbeitsgenossen
gesagt worden ist. Wartet mal, hieß es, wenn wir Polen hier erst herrschen,
dann fliegt ihr hinaus, von der Eisenbahn, aus den Fabriken, die hier auf
dem polnischen Boden stehen. Wir, die Polen, werden Eure Stellungen ein¬
nehmen. Die einzigen, die von internationaler Verbrüderung etwas haben
könnten, das sind wir, die Geistesarbeiter, die in ihren Studierstuben sitzen,
sich Sprach- und Geschichts- und Ltteraturkenntnisse über alle Völker der Welt
anzueignen vermögen und die deshalb befähigt sind über gewisse allmenschliche
Gedanken mit der ganzen Welt zu verhandeln. Es gibt Dinge, die dem
Nakeler Einwohner ebenso auf der Seele brennen, wie demjenigen von Tim-
buktu oder Krassnojarsk. Aber wir können sie nur so lange schiedlich und
friedlich behandeln, als wir auf dem Boden der Theorie bleiben. Wo es gilt
Theorien in die Praxis des Lebens zu überführen, treten unvermeidlich Rei¬
bungen ein und wo erst Reibungen auftreten, wo die Konkurrenz zwischen den
-Völkern in irgend einer Form einsetzt, da gilt keine internationale Verbrüderung,
da gilt kein überweltliches Streben einzelner Philanthropen, sondern da gilt
einzig das Wort: „Der Kräftige, der Starke siegt und der Schwache unterliegt."
Wie das im großen oder im kleinen ist, wie es schon anfängt in der Tierwelt,
wo das Starke das Kleine unterdrückt, so ist es bei uns Menschen in der Pro¬
vinz, in den Städten, in den Ortschaften, überall. Blut gehört zu Blut und
Blut muß sich mit Blut verteidigen. Darüber hilft uns kein Philosophieren
und kein Doktrinieren hinweg. Wenn ich Ihnen dieses ins Gedächtnis rufe,
so bin ich mir wohl bewußt, daß Sie die Wahrheit meiner Worte eben am
eigenen Leibe erlebt haben, da Sie alle den Versuch erleben, daß die Polen
sich zu Herrschern über das Land machen wollen. Zu Herrschern machen heißt
aber die wirtschaftlichen und die kulturellen Güter nach eigenem Ermessen ver¬
teilen und den Unterworfenen zu zwingen, nicht das zu tun, was ihm in erster
Linie frommt, sondern das zu tun, was der herrschenden Klasse, der herrschen¬
den Nationalität vor allen Dingen nützlich ist.' Aus unsrer Not gibt es nur
einen Ausweg: Vergessen wir, daß wir uns in Klassen befehden, vergessen wir.
daß aus der wirtschaftlichen und sozialen Gestaltung sich eine Fülle von Gruppen
mit Sonderinteressen gebildet hat. Lassen wir den Kastengeist, lassen wir dieses
Zusammenstecken der Köpfe von einzelnen Erwerbsklassen beiseite und fühlen
wir uns endlich einmal als ein Volk, als das deutsche Volk, das bedrohte Volk,
dem seine Daseinsberechtigung hier in der Ostmark streitig gemacht werden soll.
Ich habe hier schon vor etwa 14 Tagen die Ehre gehabt, vor einer
Anzahl von Ihnen zu sprechen. Da habe ich die Frage aufgeworfen, wie es
möglich gewesen ist, daß aus die gewaltigen Leistungen unseres Volkes daheim
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