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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Auf den Pfaden der Lokalisierung

Auf den Pfaden der 5ozialisierung
Professor N? irisch ewsky

er Sozialisierungsgedanke ist ein Hauptproblem unserer gegen¬
wärtigen und zukünftigen Wirtschaftspolitik. Er ist die Bekenntnis¬
formel der sozialistischen Republik und das Feldgeschrei des
Radikalismus, die Sorgeuquelle des Unternehmertums und die
Freudenbotschaft der Arbeiterschaft, ein Hausfreund in den
Spalten der öffentlichen Meinung, und doch in seiner Wesenheit
vielen ein Fremdling. Der Begriff der Sozialisierung müßte uns eigentlich
vertraut sein, denn er ist im Gewände der Verstaatlichung häufig genug uns>
begegnet und hat im Kriegssozialismus eine recht deutliche Ausprägung erfahren.
In ihren Formen und Zielen unterscheidet sich freilich die Sozialisierung, wie
sie jetzt auf der Tagesordnung steht, wesentlich von der bisherigen Anwendung
gemeinwirtfchaftlicher Grundsätze, wenigstens nach den Absichten derer, die mit
der Durchführung der Sozialisierung ein Gerüst für den sozialistischen Zukunfts¬
staat erbauen möchten. Ihnen erschien der Staatssozialismus immer nur als
ein harmloser Vorläufer des sozialistischen Aktionsprogramms und der Kriegs¬
sozialismus ist in ihren Augen eine schonende Erfüllung von Staatsnotwendig¬
keiten, ohne dem Privatkapital die erfordlerlichen Daumschrauben anzusetzen. In
welcher Ausdrucksform der Wirtschaftssozialismus aber bisher aufgetreten ist
oder in Zukunft auftreten soll, für ihn wird stets die Überzeugung der feine
Gestaltung betreibenden Kräfte maßgebend sein, daß ihre reformatorischen Ma߬
nahmen der Volkswirtschaft zu einer vollkommeneren Organisation verhelfen, sie
auf eine höhere Stufe der Ausbildung emporheben und dadurch dein Allgemein¬
wohl dienen. Natürlich können die Meinungen darüber, was als gemeinnützig
anzusehen ist, weit auseinandergehen, je nach dem subjektiven Standpunkt des
Urteilenden. Wie die bürgerlichen und sozialistischen Anschauungen über die
Vorzüge dieser oder jener Wirtschaftsordnung in der Regel nicht übereinstimmen,
fo wird jede Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit und die Veranlagung
des Sozialisierungsprozesses beträchtliche Gegensätze aufweisen. Die Frage ist
aber brennend, ihre Beantwortung verantwortungsvoll. Zu ihrer Klärung kann
vielleicht ein Blick in die Sozialisierungsliteratur beitragen.

Als nach Ausbruch des Krieges eine Reihe staatlicher Anordnungen zur
strafferen Ausprägung der Gemeinschaftspslichten und Eindämmung der privaten
Erwerbstriebe erging, erblickte niemand in ihnen etwas anderes, als die pflicht¬
gemäße Anpassung des Wirtschaftslebens an die Erfordernisse des Krieges. Wir
lebten damals noch in der naiven Vorstellung, daß der Krieg trotz seiner wuchtigen
Verklammerungen nicht allzu lange die Menschheit in sein Joch spannen werde,
hatten mithin keine Vevanlafsung, die kriegswirtsch>aftlich>en Besonderheiten wie
ein neues interessantes Studienobjekt unter das Seziermesser zu nehmen. Erst
als der Krieg Wider Erwarten in das zweite und dritte Jahr sich hinzog und die
Kette der staatlichen Eingriffe in die Volkswirtschaft mit zunehmender Schnellig¬
keit sich verlängerte, suchte man ans der Vielheit der einzelnen Reglementierungen
lo etwas wie eine Kriegswirtschaftslehre sich zurechtzulegen. Zu einer Systematik,
die auch auf andere Kriegsfälle anwendbar wäre, reichte aber das Material trop
aller Fülle nicht aus, denn die der Kriegswirtschaft zugrunde liegenden Vorgänge
und Bedürfnisse waren mit so außergewöhnlichem Beiwerk verquickt, daß ihnen
gegenüber die sonst so beliebte Schematisierung versagte. Als Beispiel sei nur an
die Erörterungen erinnert, ob der Staat künftighin im Hinblick auf Kriegs¬
möglichkeiten durch eine Ansammlung von Vorratsreserven in großem Umfange
für eine verbesserte Sicherstellung der Volksernährung und Rohstoffversorgung
Vorkehrungen treffen müßte. Im Lichte der späteren Erfahrungen erscheinen die
damaligen Diskussionen hierüber wie kleinbürgerliche Stammti'Schreber.

Mit der Ausdehnung der organisierten Kriegswirtschaft traten die Grnnd-
jüge eines aus der praktischen Betätigung erwachsenen Systems der staatlichen


Auf den Pfaden der Lokalisierung

Auf den Pfaden der 5ozialisierung
Professor N? irisch ewsky

er Sozialisierungsgedanke ist ein Hauptproblem unserer gegen¬
wärtigen und zukünftigen Wirtschaftspolitik. Er ist die Bekenntnis¬
formel der sozialistischen Republik und das Feldgeschrei des
Radikalismus, die Sorgeuquelle des Unternehmertums und die
Freudenbotschaft der Arbeiterschaft, ein Hausfreund in den
Spalten der öffentlichen Meinung, und doch in seiner Wesenheit
vielen ein Fremdling. Der Begriff der Sozialisierung müßte uns eigentlich
vertraut sein, denn er ist im Gewände der Verstaatlichung häufig genug uns>
begegnet und hat im Kriegssozialismus eine recht deutliche Ausprägung erfahren.
In ihren Formen und Zielen unterscheidet sich freilich die Sozialisierung, wie
sie jetzt auf der Tagesordnung steht, wesentlich von der bisherigen Anwendung
gemeinwirtfchaftlicher Grundsätze, wenigstens nach den Absichten derer, die mit
der Durchführung der Sozialisierung ein Gerüst für den sozialistischen Zukunfts¬
staat erbauen möchten. Ihnen erschien der Staatssozialismus immer nur als
ein harmloser Vorläufer des sozialistischen Aktionsprogramms und der Kriegs¬
sozialismus ist in ihren Augen eine schonende Erfüllung von Staatsnotwendig¬
keiten, ohne dem Privatkapital die erfordlerlichen Daumschrauben anzusetzen. In
welcher Ausdrucksform der Wirtschaftssozialismus aber bisher aufgetreten ist
oder in Zukunft auftreten soll, für ihn wird stets die Überzeugung der feine
Gestaltung betreibenden Kräfte maßgebend sein, daß ihre reformatorischen Ma߬
nahmen der Volkswirtschaft zu einer vollkommeneren Organisation verhelfen, sie
auf eine höhere Stufe der Ausbildung emporheben und dadurch dein Allgemein¬
wohl dienen. Natürlich können die Meinungen darüber, was als gemeinnützig
anzusehen ist, weit auseinandergehen, je nach dem subjektiven Standpunkt des
Urteilenden. Wie die bürgerlichen und sozialistischen Anschauungen über die
Vorzüge dieser oder jener Wirtschaftsordnung in der Regel nicht übereinstimmen,
fo wird jede Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit und die Veranlagung
des Sozialisierungsprozesses beträchtliche Gegensätze aufweisen. Die Frage ist
aber brennend, ihre Beantwortung verantwortungsvoll. Zu ihrer Klärung kann
vielleicht ein Blick in die Sozialisierungsliteratur beitragen.

Als nach Ausbruch des Krieges eine Reihe staatlicher Anordnungen zur
strafferen Ausprägung der Gemeinschaftspslichten und Eindämmung der privaten
Erwerbstriebe erging, erblickte niemand in ihnen etwas anderes, als die pflicht¬
gemäße Anpassung des Wirtschaftslebens an die Erfordernisse des Krieges. Wir
lebten damals noch in der naiven Vorstellung, daß der Krieg trotz seiner wuchtigen
Verklammerungen nicht allzu lange die Menschheit in sein Joch spannen werde,
hatten mithin keine Vevanlafsung, die kriegswirtsch>aftlich>en Besonderheiten wie
ein neues interessantes Studienobjekt unter das Seziermesser zu nehmen. Erst
als der Krieg Wider Erwarten in das zweite und dritte Jahr sich hinzog und die
Kette der staatlichen Eingriffe in die Volkswirtschaft mit zunehmender Schnellig¬
keit sich verlängerte, suchte man ans der Vielheit der einzelnen Reglementierungen
lo etwas wie eine Kriegswirtschaftslehre sich zurechtzulegen. Zu einer Systematik,
die auch auf andere Kriegsfälle anwendbar wäre, reichte aber das Material trop
aller Fülle nicht aus, denn die der Kriegswirtschaft zugrunde liegenden Vorgänge
und Bedürfnisse waren mit so außergewöhnlichem Beiwerk verquickt, daß ihnen
gegenüber die sonst so beliebte Schematisierung versagte. Als Beispiel sei nur an
die Erörterungen erinnert, ob der Staat künftighin im Hinblick auf Kriegs¬
möglichkeiten durch eine Ansammlung von Vorratsreserven in großem Umfange
für eine verbesserte Sicherstellung der Volksernährung und Rohstoffversorgung
Vorkehrungen treffen müßte. Im Lichte der späteren Erfahrungen erscheinen die
damaligen Diskussionen hierüber wie kleinbürgerliche Stammti'Schreber.

Mit der Ausdehnung der organisierten Kriegswirtschaft traten die Grnnd-
jüge eines aus der praktischen Betätigung erwachsenen Systems der staatlichen


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[0176] Auf den Pfaden der Lokalisierung Auf den Pfaden der 5ozialisierung Professor N? irisch ewsky er Sozialisierungsgedanke ist ein Hauptproblem unserer gegen¬ wärtigen und zukünftigen Wirtschaftspolitik. Er ist die Bekenntnis¬ formel der sozialistischen Republik und das Feldgeschrei des Radikalismus, die Sorgeuquelle des Unternehmertums und die Freudenbotschaft der Arbeiterschaft, ein Hausfreund in den Spalten der öffentlichen Meinung, und doch in seiner Wesenheit vielen ein Fremdling. Der Begriff der Sozialisierung müßte uns eigentlich vertraut sein, denn er ist im Gewände der Verstaatlichung häufig genug uns> begegnet und hat im Kriegssozialismus eine recht deutliche Ausprägung erfahren. In ihren Formen und Zielen unterscheidet sich freilich die Sozialisierung, wie sie jetzt auf der Tagesordnung steht, wesentlich von der bisherigen Anwendung gemeinwirtfchaftlicher Grundsätze, wenigstens nach den Absichten derer, die mit der Durchführung der Sozialisierung ein Gerüst für den sozialistischen Zukunfts¬ staat erbauen möchten. Ihnen erschien der Staatssozialismus immer nur als ein harmloser Vorläufer des sozialistischen Aktionsprogramms und der Kriegs¬ sozialismus ist in ihren Augen eine schonende Erfüllung von Staatsnotwendig¬ keiten, ohne dem Privatkapital die erfordlerlichen Daumschrauben anzusetzen. In welcher Ausdrucksform der Wirtschaftssozialismus aber bisher aufgetreten ist oder in Zukunft auftreten soll, für ihn wird stets die Überzeugung der feine Gestaltung betreibenden Kräfte maßgebend sein, daß ihre reformatorischen Ma߬ nahmen der Volkswirtschaft zu einer vollkommeneren Organisation verhelfen, sie auf eine höhere Stufe der Ausbildung emporheben und dadurch dein Allgemein¬ wohl dienen. Natürlich können die Meinungen darüber, was als gemeinnützig anzusehen ist, weit auseinandergehen, je nach dem subjektiven Standpunkt des Urteilenden. Wie die bürgerlichen und sozialistischen Anschauungen über die Vorzüge dieser oder jener Wirtschaftsordnung in der Regel nicht übereinstimmen, fo wird jede Auseinandersetzung über die Zweckmäßigkeit und die Veranlagung des Sozialisierungsprozesses beträchtliche Gegensätze aufweisen. Die Frage ist aber brennend, ihre Beantwortung verantwortungsvoll. Zu ihrer Klärung kann vielleicht ein Blick in die Sozialisierungsliteratur beitragen. Als nach Ausbruch des Krieges eine Reihe staatlicher Anordnungen zur strafferen Ausprägung der Gemeinschaftspslichten und Eindämmung der privaten Erwerbstriebe erging, erblickte niemand in ihnen etwas anderes, als die pflicht¬ gemäße Anpassung des Wirtschaftslebens an die Erfordernisse des Krieges. Wir lebten damals noch in der naiven Vorstellung, daß der Krieg trotz seiner wuchtigen Verklammerungen nicht allzu lange die Menschheit in sein Joch spannen werde, hatten mithin keine Vevanlafsung, die kriegswirtsch>aftlich>en Besonderheiten wie ein neues interessantes Studienobjekt unter das Seziermesser zu nehmen. Erst als der Krieg Wider Erwarten in das zweite und dritte Jahr sich hinzog und die Kette der staatlichen Eingriffe in die Volkswirtschaft mit zunehmender Schnellig¬ keit sich verlängerte, suchte man ans der Vielheit der einzelnen Reglementierungen lo etwas wie eine Kriegswirtschaftslehre sich zurechtzulegen. Zu einer Systematik, die auch auf andere Kriegsfälle anwendbar wäre, reichte aber das Material trop aller Fülle nicht aus, denn die der Kriegswirtschaft zugrunde liegenden Vorgänge und Bedürfnisse waren mit so außergewöhnlichem Beiwerk verquickt, daß ihnen gegenüber die sonst so beliebte Schematisierung versagte. Als Beispiel sei nur an die Erörterungen erinnert, ob der Staat künftighin im Hinblick auf Kriegs¬ möglichkeiten durch eine Ansammlung von Vorratsreserven in großem Umfange für eine verbesserte Sicherstellung der Volksernährung und Rohstoffversorgung Vorkehrungen treffen müßte. Im Lichte der späteren Erfahrungen erscheinen die damaligen Diskussionen hierüber wie kleinbürgerliche Stammti'Schreber. Mit der Ausdehnung der organisierten Kriegswirtschaft traten die Grnnd- jüge eines aus der praktischen Betätigung erwachsenen Systems der staatlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/176>, abgerufen am 05.02.2025.