Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.vom Aufbau der Gewalten eingewirkt hat, die Pariser Erinnerungen des Verfassers oder die politischen Die wenn irgendmöglich zu vermeidende Abhängigkeit des Präsidenten vom Danach werden der Reichskanzler und die Reichsminister -- mit einem Wie leicht die schrankenlose Parteiherrschaft einreißt, wenn das "Prinzip Dessen Ansehen ist aber noch voll anderer Seite in Frage gestellt. Neben ') Schotte, der Weg zur Gesetzlichkeit. 1919, R. Enzelmcmn, Berlin, S. 92.
vom Aufbau der Gewalten eingewirkt hat, die Pariser Erinnerungen des Verfassers oder die politischen Die wenn irgendmöglich zu vermeidende Abhängigkeit des Präsidenten vom Danach werden der Reichskanzler und die Reichsminister — mit einem Wie leicht die schrankenlose Parteiherrschaft einreißt, wenn das „Prinzip Dessen Ansehen ist aber noch voll anderer Seite in Frage gestellt. Neben ') Schotte, der Weg zur Gesetzlichkeit. 1919, R. Enzelmcmn, Berlin, S. 92.
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vom Aufbau der Gewalten
eingewirkt hat, die Pariser Erinnerungen des Verfassers oder die politischen
Sorgen; wir halten sie jedenfalls für verfehlt, denn einmal, wie man jüngst
treffend gesagt hat: wir sind keine Franzosen'"), die ihren 1799 er und 1848 er
Erfahrungen 1876 einen Riegel vorschieben wollten und dann: die etwa gewonnene
„Sicherheit" wiegt die großen Schattenseiten des französischen Systems bei weitem
nicht auf.
Die wenn irgendmöglich zu vermeidende Abhängigkeit des Präsidenten vom
Parlament droht nun aber noch in einer anderen Form. Die „Denkschrift"
fordert zwar Mit Recht, daß die beiden ebenbürtigen Staatsorgane „nicht in un-
verbundener Gegensätzlichkeit nebeneinander stehen dürften, daß zwischen ihnen
vielmehr die parlamentarische Negierung das bewegliche Bindeglied bilden" müsse.
Schön und gut, aber eben ein „bewegliches Bindeglied", das nicht zur Fessel für
den einen Teil werden darf! Und dies wird, fürchten wir, die Folge sein, wenn
man das Problem der Kabinettsbildung so löst, wie es der Prenez'sche Entwurf
in seinen Paragraphen 63—71 vorschreibt, die fast wörtlich in die endgültige Ver¬
fassung (Art. 74—77) übergegangen sind.
Danach werden der Reichskanzler und die Reichsminister — mit einem
Schlage sind sie nun da, die von der Verfassung bisher nicht gekannten I — vom
Reichspräsidenten ernannt und entlassen. Aber sie bedürfen zu ihrer Amtsführung
des Vertrauens des Reichstags und niüssen zurücktreten, wenn ihnen das Ver¬
trauen durch einen ausdrücklichen Beschluß entzogen wird. Dieser Kernsatz parla¬
mentarischer Regierungsweise, den man in echt deutscher Gewissenhaftigkeit feier¬
lich seinem geschriebenen Grundgesetz einverleiben will — auch die Einzelstaaten
werden von Neichswegen auf ihn verpflichtet (Art. 16) — droht nun aber aus
einem Leitmotiv zu einem die verfassungsrechtliche Symphonie zerstörenden mono¬
tonen Signal zu werden. Möge man doch bedenken, daß auch hier der starre
Buchstabe tötet und nur, der Geist lebendig macht. Dieser Geist, der das englische
Recht seit bald einem Jahrhundert durchweht, ohne daß man es je für nötig
gehalten hat, ihn in dürre Paragraphen zu zwängen. Der Wille der Mehrheits¬
parteien soll nicht zum Geßlerhut werden, dem das Staatsoberhaupt nun unter
allen Umständen seine Reverenz erweisen muß! Das mit Recht verpönte „im¬
perative Mandat" der Volksvertreter soll nicht beim Staatspräsidenten wieder
aufleben. Wir brauchen eine präsidial-monarchistische Spitze unserer Regierung
aus Gründen, die oben berührt wurden und die in der Preuß'schen Denkschrift
selbst überzeugend klargelegt sind. Ein Staatsoberhaupt aber mit gebundener
Marschroute hinsichtlich deS.Kommens und Gehens seiner Minister — ist in Wirk¬
lichkeit kein Staatsoberhaupt, sondern ein Dekorationsstück im Stile der rois
tAlneantg, nur daß ihm auch noch deren traditionelle Weihe abgeht."
Wie leicht die schrankenlose Parteiherrschaft einreißt, wenn das „Prinzip
erst einmal feststeht, obgleich sie mit diesem Prinzip, wenn man es richtig versteht,
keineswegs gleichbedeutend ist, das hat man an dem Debüt der ersten rein parla¬
mentarischen Kabinettsbildung in Deutschland sehen können. Hier zäumte man
das Pferd vom Schwänze auf. Anstatt, daß der Präsident seinen Premier beauf¬
tragte, das geeignete Kollegium zusammenzustellen, präsentierten die Parteien für
diese Posten ihre längst bereiten Kandidaten. So erhält man aber, wie treffend
bemerkt wurde, „ein Kollegium von wenig zu einander passenden Vertrauens¬
personen, aber niemals ein arbeitsfähiges Kabinett", einen interfraktionellen Aus¬
schuß der Mehrheitsparteien seligen Angedenkens, aber keine Regierung. Die
Kabinettskrisen begannen infolgedessen gleich nach der Geburt. Der unzweifelhafte
Grundsatz, daß echte parlamentarische Regierungsweise nur dann vorliegt, wenn
die beiden Staatsorgane der exekutiven und legislativen Funktion einander eben¬
bürtig sind, ist eben durch die bloße Tatsache des plebiszitären Ursprungs des
Präsidenten noch nicht gesichert.
Dessen Ansehen ist aber noch voll anderer Seite in Frage gestellt. Neben
') Schotte, der Weg zur Gesetzlichkeit. 1919, R. Enzelmcmn, Berlin, S. 92.
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