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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Friedrich der Zweite hat nur noch in der Bezirks- ",ab Lokalverwaltung
des Platten Landes Ungleichmäßigkeiten zu beseitigen brauchen, alle seine Pro¬
vinzen bildeten, Nile er im Testament von 1752 mit Befriedigung feststellt, trotz
ihrer zersplitterten Lage -- nicht ohne Grund spottete man über den "roi 6s-
Ii"is!i-k!s" -- doch schon einen gemeinsamen Körper (un oorps onssmills).

Die Zentralisation greift unter dem großen Könige auf Gebiete über, deren
Probleme von der älteren Zeit noch nicht gelöst worden waren, z. B. die Justiz,
wo die Reformen Cocoejis und seiner^ Nachfolger -- gesamtstaatliche Prozeßord¬
nung, gleichförmiger, in eine Spitze gufammenlaufender Instanzenzug,') einheit¬
liches preußisches Recht -- den Staatsgooanken auch im Reichslehen an die Stelle
territorialer Interessen und Gewohnheiten setzte. Anderseits schreitet man auf
Wegen fort, die der Vorgänger schon gewandelt ist, so in der Wirtschaftspolitik,
wo die merlantilistische Bewegung, die bekannte wirtschaftliche Begleiterscheinung
des staatlichen Verschmelzungsprozesses, diesmal besonders in straffer Zu¬
sammenfassung der mittleren Provinzen zu einem einheitlichen Markte gipfelt.
War die Zentralisationspolitik Friedrich Wilhelms im Geigensatz zu der seines
Großvaters ein Akt bewußter Zwecksetzung, so rückt sie beim Philosophen von
Sanssouci noch eine Stufe weiter in die Sphäre systematischer Reflexion. Bei
dieser Gelegenheit -- etwa im politischen Testament von 1752 -- geschieht es, daß
der König sich auch die Frage nach den psychologischen Bindemitteln vorlegt, die
einen Staat zusammenhalten. Der Einheitsgedanke verliert dabei gleichsam von
der Erdenschwere, wie sie ihm bei einer mehr räumlich-administrativen Politik
eignet, um sich in jene Bezirke des Geistes zu Sublimieren, wo er nicht nur an der
Schotte oder am grünen Tisch der Bureaukratie haftet, sondern Besitztum der auf
jener wohnenden, von dieser verwalteten Menschen zu werden beginnt. Nicht
aller, sondern zunächst nur derjenigen, die für den Gesamtstaat geblutet hatten
und durch die politische Schule der Armee gegangen waren, also der adligen Offi¬
ziere und der bäuerlichen Soldaten. Für letztere auch ihrem ganzen intellek¬
tuellen Zustande gemäß erst in verschwommenen Formen. Um so stärker bei den
Geschlechtern von Kolin und Leurheu, die nun wirklich neben dem "Sprit 6s oorp"
einen "Sprit 6s "ation eingennpft bekamen, wie es der .König als "Maxime"
seiner Adelspolitik ausgesprochen hat. So etwas wäre unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten, der sich noch mit rennenden Ständen
herumärgern und "die Junkers ihre Autorität ruinieren" mußte,
ganz undenkbar gewesen. Welch Abstand auch zwischen diesem preußi¬
schen Nationalempfinden und der klevischen und magdeburgischen,, Nation", die im
selben Jahrhundert noch herumgeistert! Allerdings jener preußische ssprit. 6s
,t"ti,<,Q des achtzehnten Jahrhunderts ist von anderer Natur als sein deutscher
Namensvetter im nonnzehnten. Er ist überhaupt mehr Staats- als National¬
geist, und wie man' bei Staat und Nation verschiedene Organisationselemente
unterscheiden kann, nämlich hier das der genossensch>aftlichen Leben.sgemei>'.schaft,
dort das der herrschaftlichen Autorität, so beruhte auch das staatliche Gemein-
samrcitsbewußtsein des preußischen Adels damals mehr -auf einem verstandes-
mäßigen Erfassen der "Staatsräson" als aus volklichen Solidavitätsgefühlen, die
bei der vom Absolutismus geflissentlich festgehaltenen Kastenscheidnng der Stände
gar nicht aufkommen konnten. Wohl -aber verstand der friderizianische Offizier
Schillers Ferdinand in "Kabale und Liebe", wenn -er auf die Worte der Lady:
"Diesen Degen gab Ihnen der Fürst" voll ernster Entschiedenheit entgegnet:
"Der Staat gab ihn mir durch die Hand des Fürsten". Denn diesen begrifflichen
Unterschied hatte ihm der "erste Beamte" im preußischen unsiun rsgirris selbst --
und nicht nur im Worte -- klar gemacht.

Trotzdem ! Als sich die Augen des Unermüdlichen schlössen, da zeigte sich doch
bald, daß der Staatsmaschine die treibende Kraft fehlte, daß die Untertanen noch
gar sehr der künstlichen Stütze in der Person des Monarchen bedurften, um Staat-



') Gemmer: in -die DoppeWU-e -7vertMunÄ-Kammergericht und abgesehen von
sonstigen kleineren Schönheitsfehlern.

Friedrich der Zweite hat nur noch in der Bezirks- »,ab Lokalverwaltung
des Platten Landes Ungleichmäßigkeiten zu beseitigen brauchen, alle seine Pro¬
vinzen bildeten, Nile er im Testament von 1752 mit Befriedigung feststellt, trotz
ihrer zersplitterten Lage — nicht ohne Grund spottete man über den „roi 6s-
Ii»is!i-k!s" — doch schon einen gemeinsamen Körper (un oorps onssmills).

Die Zentralisation greift unter dem großen Könige auf Gebiete über, deren
Probleme von der älteren Zeit noch nicht gelöst worden waren, z. B. die Justiz,
wo die Reformen Cocoejis und seiner^ Nachfolger — gesamtstaatliche Prozeßord¬
nung, gleichförmiger, in eine Spitze gufammenlaufender Instanzenzug,') einheit¬
liches preußisches Recht — den Staatsgooanken auch im Reichslehen an die Stelle
territorialer Interessen und Gewohnheiten setzte. Anderseits schreitet man auf
Wegen fort, die der Vorgänger schon gewandelt ist, so in der Wirtschaftspolitik,
wo die merlantilistische Bewegung, die bekannte wirtschaftliche Begleiterscheinung
des staatlichen Verschmelzungsprozesses, diesmal besonders in straffer Zu¬
sammenfassung der mittleren Provinzen zu einem einheitlichen Markte gipfelt.
War die Zentralisationspolitik Friedrich Wilhelms im Geigensatz zu der seines
Großvaters ein Akt bewußter Zwecksetzung, so rückt sie beim Philosophen von
Sanssouci noch eine Stufe weiter in die Sphäre systematischer Reflexion. Bei
dieser Gelegenheit — etwa im politischen Testament von 1752 — geschieht es, daß
der König sich auch die Frage nach den psychologischen Bindemitteln vorlegt, die
einen Staat zusammenhalten. Der Einheitsgedanke verliert dabei gleichsam von
der Erdenschwere, wie sie ihm bei einer mehr räumlich-administrativen Politik
eignet, um sich in jene Bezirke des Geistes zu Sublimieren, wo er nicht nur an der
Schotte oder am grünen Tisch der Bureaukratie haftet, sondern Besitztum der auf
jener wohnenden, von dieser verwalteten Menschen zu werden beginnt. Nicht
aller, sondern zunächst nur derjenigen, die für den Gesamtstaat geblutet hatten
und durch die politische Schule der Armee gegangen waren, also der adligen Offi¬
ziere und der bäuerlichen Soldaten. Für letztere auch ihrem ganzen intellek¬
tuellen Zustande gemäß erst in verschwommenen Formen. Um so stärker bei den
Geschlechtern von Kolin und Leurheu, die nun wirklich neben dem «Sprit 6s oorp»
einen «Sprit 6s „ation eingennpft bekamen, wie es der .König als „Maxime"
seiner Adelspolitik ausgesprochen hat. So etwas wäre unter Friedrich
Wilhelm dem Ersten, der sich noch mit rennenden Ständen
herumärgern und „die Junkers ihre Autorität ruinieren" mußte,
ganz undenkbar gewesen. Welch Abstand auch zwischen diesem preußi¬
schen Nationalempfinden und der klevischen und magdeburgischen,, Nation", die im
selben Jahrhundert noch herumgeistert! Allerdings jener preußische ssprit. 6s
,t»ti,<,Q des achtzehnten Jahrhunderts ist von anderer Natur als sein deutscher
Namensvetter im nonnzehnten. Er ist überhaupt mehr Staats- als National¬
geist, und wie man' bei Staat und Nation verschiedene Organisationselemente
unterscheiden kann, nämlich hier das der genossensch>aftlichen Leben.sgemei>'.schaft,
dort das der herrschaftlichen Autorität, so beruhte auch das staatliche Gemein-
samrcitsbewußtsein des preußischen Adels damals mehr -auf einem verstandes-
mäßigen Erfassen der „Staatsräson" als aus volklichen Solidavitätsgefühlen, die
bei der vom Absolutismus geflissentlich festgehaltenen Kastenscheidnng der Stände
gar nicht aufkommen konnten. Wohl -aber verstand der friderizianische Offizier
Schillers Ferdinand in „Kabale und Liebe", wenn -er auf die Worte der Lady:
„Diesen Degen gab Ihnen der Fürst" voll ernster Entschiedenheit entgegnet:
„Der Staat gab ihn mir durch die Hand des Fürsten". Denn diesen begrifflichen
Unterschied hatte ihm der „erste Beamte" im preußischen unsiun rsgirris selbst —
und nicht nur im Worte — klar gemacht.

Trotzdem ! Als sich die Augen des Unermüdlichen schlössen, da zeigte sich doch
bald, daß der Staatsmaschine die treibende Kraft fehlte, daß die Untertanen noch
gar sehr der künstlichen Stütze in der Person des Monarchen bedurften, um Staat-



') Gemmer: in -die DoppeWU-e -7vertMunÄ-Kammergericht und abgesehen von
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[0016] Friedrich der Zweite hat nur noch in der Bezirks- »,ab Lokalverwaltung des Platten Landes Ungleichmäßigkeiten zu beseitigen brauchen, alle seine Pro¬ vinzen bildeten, Nile er im Testament von 1752 mit Befriedigung feststellt, trotz ihrer zersplitterten Lage — nicht ohne Grund spottete man über den „roi 6s- Ii»is!i-k!s" — doch schon einen gemeinsamen Körper (un oorps onssmills). Die Zentralisation greift unter dem großen Könige auf Gebiete über, deren Probleme von der älteren Zeit noch nicht gelöst worden waren, z. B. die Justiz, wo die Reformen Cocoejis und seiner^ Nachfolger — gesamtstaatliche Prozeßord¬ nung, gleichförmiger, in eine Spitze gufammenlaufender Instanzenzug,') einheit¬ liches preußisches Recht — den Staatsgooanken auch im Reichslehen an die Stelle territorialer Interessen und Gewohnheiten setzte. Anderseits schreitet man auf Wegen fort, die der Vorgänger schon gewandelt ist, so in der Wirtschaftspolitik, wo die merlantilistische Bewegung, die bekannte wirtschaftliche Begleiterscheinung des staatlichen Verschmelzungsprozesses, diesmal besonders in straffer Zu¬ sammenfassung der mittleren Provinzen zu einem einheitlichen Markte gipfelt. War die Zentralisationspolitik Friedrich Wilhelms im Geigensatz zu der seines Großvaters ein Akt bewußter Zwecksetzung, so rückt sie beim Philosophen von Sanssouci noch eine Stufe weiter in die Sphäre systematischer Reflexion. Bei dieser Gelegenheit — etwa im politischen Testament von 1752 — geschieht es, daß der König sich auch die Frage nach den psychologischen Bindemitteln vorlegt, die einen Staat zusammenhalten. Der Einheitsgedanke verliert dabei gleichsam von der Erdenschwere, wie sie ihm bei einer mehr räumlich-administrativen Politik eignet, um sich in jene Bezirke des Geistes zu Sublimieren, wo er nicht nur an der Schotte oder am grünen Tisch der Bureaukratie haftet, sondern Besitztum der auf jener wohnenden, von dieser verwalteten Menschen zu werden beginnt. Nicht aller, sondern zunächst nur derjenigen, die für den Gesamtstaat geblutet hatten und durch die politische Schule der Armee gegangen waren, also der adligen Offi¬ ziere und der bäuerlichen Soldaten. Für letztere auch ihrem ganzen intellek¬ tuellen Zustande gemäß erst in verschwommenen Formen. Um so stärker bei den Geschlechtern von Kolin und Leurheu, die nun wirklich neben dem «Sprit 6s oorp» einen «Sprit 6s „ation eingennpft bekamen, wie es der .König als „Maxime" seiner Adelspolitik ausgesprochen hat. So etwas wäre unter Friedrich Wilhelm dem Ersten, der sich noch mit rennenden Ständen herumärgern und „die Junkers ihre Autorität ruinieren" mußte, ganz undenkbar gewesen. Welch Abstand auch zwischen diesem preußi¬ schen Nationalempfinden und der klevischen und magdeburgischen,, Nation", die im selben Jahrhundert noch herumgeistert! Allerdings jener preußische ssprit. 6s ,t»ti,<,Q des achtzehnten Jahrhunderts ist von anderer Natur als sein deutscher Namensvetter im nonnzehnten. Er ist überhaupt mehr Staats- als National¬ geist, und wie man' bei Staat und Nation verschiedene Organisationselemente unterscheiden kann, nämlich hier das der genossensch>aftlichen Leben.sgemei>'.schaft, dort das der herrschaftlichen Autorität, so beruhte auch das staatliche Gemein- samrcitsbewußtsein des preußischen Adels damals mehr -auf einem verstandes- mäßigen Erfassen der „Staatsräson" als aus volklichen Solidavitätsgefühlen, die bei der vom Absolutismus geflissentlich festgehaltenen Kastenscheidnng der Stände gar nicht aufkommen konnten. Wohl -aber verstand der friderizianische Offizier Schillers Ferdinand in „Kabale und Liebe", wenn -er auf die Worte der Lady: „Diesen Degen gab Ihnen der Fürst" voll ernster Entschiedenheit entgegnet: „Der Staat gab ihn mir durch die Hand des Fürsten". Denn diesen begrifflichen Unterschied hatte ihm der „erste Beamte" im preußischen unsiun rsgirris selbst — und nicht nur im Worte — klar gemacht. Trotzdem ! Als sich die Augen des Unermüdlichen schlössen, da zeigte sich doch bald, daß der Staatsmaschine die treibende Kraft fehlte, daß die Untertanen noch gar sehr der künstlichen Stütze in der Person des Monarchen bedurften, um Staat- ') Gemmer: in -die DoppeWU-e -7vertMunÄ-Kammergericht und abgesehen von sonstigen kleineren Schönheitsfehlern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/16>, abgerufen am 06.02.2025.