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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Gedanken über das deutsche Zukunftsheer

auf demokratischen Grundlagen ausgebauten Volksheeres zum Schulze
des Vaterlandes unter wesentlicher Herabsetzung der Dienstzeit. Jeder
Truppenteil wählt einen Vertrauensausschuß zur Mitwirkung bei der Ver¬
pflegung, Urlaub und Unterbringung, sowie bei Beschwerden; Entlassung der in
den Kasernen befindlichen Soldaten, auch des Jahrganges' 1899, Auflösung der
militairischen Behörden, die nur sür den Krieg geschaffen waren, und der heute
als überflüssig zu erachtenden Friedensbehörden. Fürsorge sür die bisherigen
aktiven Offiziere und Unteroffiziere für die Übergangszeit, Bestätigung der bis¬
her von den Soldaten gewählten Führer, soweit sie sich bewährt haben."

Dieses Programm ist im allgemeinen zu begrüßen. Gerüchte besagen, es
bestehe die Absicht, die allgemeine Dienstpflicht nach dem Muster der Schweiz ein¬
zuführen. Dann' würde die "wesentliche Herabsetzung der Dienstzeit" sür den
Hauptteil des Heeres, die Infanterie, eine einmalige Ausbildungszeit von
65 Tagen bedeuten; ihr würden nach Schweizer Muster vom 20. bis 32. Lebens¬
jahre alljährlich elftägige Wiedevholungskurse folgen und sich vom 32. bis
40. Lebensjahre die Landwehrpflicht, vom 40. bis 48. Lebensjahre die Laud-
sturmpflicht anschließen, beide ohne Dienstveripflichtung in Friedenszeiten.

Unbestätigte Gerüchte nennen auch Stärkezahlen. Sich mit denselben
hier zu befassen, wäre zwecklos. Zweifellos wird beim Friedensschluß die Entente
ein Wort über die Stärke unseres Zukunftsheeres mitsprechen; zudem legt uns
die finanzielle Not äußerste Beschränkung auf. Um so ernster ist zu erwägen,
wo die Grenzen dessen liegen, was wir brauchen und leisten können. Dabei
haben wir in Rechnung zustellen, daß zunächst keiner der Feinde an Abrüstung
denkt, daß Staaten ohne gesetzliche Wehrpflicht jetzt zu dieser übergegangen sind
und unsere Feinde den bei uns erschlagenen "Militarismus" sorglichst Pflegen
und ausbauen, somit für Weltabrüstung und Wilsonschen Völkerbundsfrieden zu¬
nächst trotz unserer Bereitwilligkeit, trotz Berner internationaler Konferenz wenig
Aussicht besteht.

Wir brauchen also ein Heer zum Schutze des Vaterlandes, statt des alten
mit langer Dienstzeit ein neues Volksheer mit kürzerer Ausbildungszeit und mit
kurzen Übungszeiten. Um so besser und innerlich gefestigter muß es sein und
unseren Landesverhältnissen muß es angepaßt werden, ohne fremde Systeme
nachzuahmen. Das Wichtigste bleibt, daß wir nicht am falschen Platze sparen.
Wir taten das schon einmal, als wir uns die Mittel für Ausbildung der Ersatz¬
reserve und des unausgebildeten Landsturmes verweigern ließen. '1914 hätten
wir mit ihnen den Krieg gewinnen, Milliarden ersparen können; wir hätten im
Kriege nicht von Improvisationen lieben und Unsere beste Jugend vorzeitig opfern
müssen, fondern hätten wohlausgebildete, kraftvolle Truppenorganisationen zur
raschen Entscheidung in Frankreich in die Front werfen können. Mögen wir
uns diesen Fehler beim Neuaufbau des Wolksheercs zur Warnung dienen lassen:

Aus dem Kriege wissen wir, daß ein neuzeitliches Heer nur auf dem
Roben der allgemeinen Wehrpflicht denkbar ist. In Zukunft darf es keinen ge¬
sunden Deutschen geben, der der Wehrpflicht entzogen wird. Diese Forderung
entspricht nicht nur dem Gedanken des Volksheeres und des Schutzes für das
Vaterland. Sie entspringt der Tatsache, daß die allgemeine Wehrpflicht und die
Heeresschule die Wurzeln unserer Volkskraft waren und bleiben müssen. Durch
sie wurde unser Jungvolk körperlich stark, geistig geweckt, findig und anstellig;
durch sie lernte es Ordnung und Unterordnung, Zucht und Gehorsam. Der
einzelne lernte sich als Glied des Ganzen fühlen, einer für alle, alle für einen sich,
einsetzen. Das wirkte weiteo, wenn die Ströme der Gedienten sich aus den
Kasernen bei der Entlassung in das -Volk zurückergossen, das schuf Manneszucht
in allen Betrieben, Tüchtigkeit und Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit in
allen Berufen und Betätigungen, das gründete unseren unübertroffenen Ruf als
beste Arbeiter in der Welt. Will der Feind uns diese Schule nicht mehr.zu-
estehen, so beabsichtigt er, unsere Volkskraft ein für allemal abzutöten. Es geht
el der Frage um das neue Heer nicht -nur um den Wasfenfchutz des Vaterlandes,
es geht um alles!


Gedanken über das deutsche Zukunftsheer

auf demokratischen Grundlagen ausgebauten Volksheeres zum Schulze
des Vaterlandes unter wesentlicher Herabsetzung der Dienstzeit. Jeder
Truppenteil wählt einen Vertrauensausschuß zur Mitwirkung bei der Ver¬
pflegung, Urlaub und Unterbringung, sowie bei Beschwerden; Entlassung der in
den Kasernen befindlichen Soldaten, auch des Jahrganges' 1899, Auflösung der
militairischen Behörden, die nur sür den Krieg geschaffen waren, und der heute
als überflüssig zu erachtenden Friedensbehörden. Fürsorge sür die bisherigen
aktiven Offiziere und Unteroffiziere für die Übergangszeit, Bestätigung der bis¬
her von den Soldaten gewählten Führer, soweit sie sich bewährt haben."

Dieses Programm ist im allgemeinen zu begrüßen. Gerüchte besagen, es
bestehe die Absicht, die allgemeine Dienstpflicht nach dem Muster der Schweiz ein¬
zuführen. Dann' würde die „wesentliche Herabsetzung der Dienstzeit" sür den
Hauptteil des Heeres, die Infanterie, eine einmalige Ausbildungszeit von
65 Tagen bedeuten; ihr würden nach Schweizer Muster vom 20. bis 32. Lebens¬
jahre alljährlich elftägige Wiedevholungskurse folgen und sich vom 32. bis
40. Lebensjahre die Landwehrpflicht, vom 40. bis 48. Lebensjahre die Laud-
sturmpflicht anschließen, beide ohne Dienstveripflichtung in Friedenszeiten.

Unbestätigte Gerüchte nennen auch Stärkezahlen. Sich mit denselben
hier zu befassen, wäre zwecklos. Zweifellos wird beim Friedensschluß die Entente
ein Wort über die Stärke unseres Zukunftsheeres mitsprechen; zudem legt uns
die finanzielle Not äußerste Beschränkung auf. Um so ernster ist zu erwägen,
wo die Grenzen dessen liegen, was wir brauchen und leisten können. Dabei
haben wir in Rechnung zustellen, daß zunächst keiner der Feinde an Abrüstung
denkt, daß Staaten ohne gesetzliche Wehrpflicht jetzt zu dieser übergegangen sind
und unsere Feinde den bei uns erschlagenen „Militarismus" sorglichst Pflegen
und ausbauen, somit für Weltabrüstung und Wilsonschen Völkerbundsfrieden zu¬
nächst trotz unserer Bereitwilligkeit, trotz Berner internationaler Konferenz wenig
Aussicht besteht.

Wir brauchen also ein Heer zum Schutze des Vaterlandes, statt des alten
mit langer Dienstzeit ein neues Volksheer mit kürzerer Ausbildungszeit und mit
kurzen Übungszeiten. Um so besser und innerlich gefestigter muß es sein und
unseren Landesverhältnissen muß es angepaßt werden, ohne fremde Systeme
nachzuahmen. Das Wichtigste bleibt, daß wir nicht am falschen Platze sparen.
Wir taten das schon einmal, als wir uns die Mittel für Ausbildung der Ersatz¬
reserve und des unausgebildeten Landsturmes verweigern ließen. '1914 hätten
wir mit ihnen den Krieg gewinnen, Milliarden ersparen können; wir hätten im
Kriege nicht von Improvisationen lieben und Unsere beste Jugend vorzeitig opfern
müssen, fondern hätten wohlausgebildete, kraftvolle Truppenorganisationen zur
raschen Entscheidung in Frankreich in die Front werfen können. Mögen wir
uns diesen Fehler beim Neuaufbau des Wolksheercs zur Warnung dienen lassen:

Aus dem Kriege wissen wir, daß ein neuzeitliches Heer nur auf dem
Roben der allgemeinen Wehrpflicht denkbar ist. In Zukunft darf es keinen ge¬
sunden Deutschen geben, der der Wehrpflicht entzogen wird. Diese Forderung
entspricht nicht nur dem Gedanken des Volksheeres und des Schutzes für das
Vaterland. Sie entspringt der Tatsache, daß die allgemeine Wehrpflicht und die
Heeresschule die Wurzeln unserer Volkskraft waren und bleiben müssen. Durch
sie wurde unser Jungvolk körperlich stark, geistig geweckt, findig und anstellig;
durch sie lernte es Ordnung und Unterordnung, Zucht und Gehorsam. Der
einzelne lernte sich als Glied des Ganzen fühlen, einer für alle, alle für einen sich,
einsetzen. Das wirkte weiteo, wenn die Ströme der Gedienten sich aus den
Kasernen bei der Entlassung in das -Volk zurückergossen, das schuf Manneszucht
in allen Betrieben, Tüchtigkeit und Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit in
allen Berufen und Betätigungen, das gründete unseren unübertroffenen Ruf als
beste Arbeiter in der Welt. Will der Feind uns diese Schule nicht mehr.zu-
estehen, so beabsichtigt er, unsere Volkskraft ein für allemal abzutöten. Es geht
el der Frage um das neue Heer nicht -nur um den Wasfenfchutz des Vaterlandes,
es geht um alles!


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[0151] Gedanken über das deutsche Zukunftsheer auf demokratischen Grundlagen ausgebauten Volksheeres zum Schulze des Vaterlandes unter wesentlicher Herabsetzung der Dienstzeit. Jeder Truppenteil wählt einen Vertrauensausschuß zur Mitwirkung bei der Ver¬ pflegung, Urlaub und Unterbringung, sowie bei Beschwerden; Entlassung der in den Kasernen befindlichen Soldaten, auch des Jahrganges' 1899, Auflösung der militairischen Behörden, die nur sür den Krieg geschaffen waren, und der heute als überflüssig zu erachtenden Friedensbehörden. Fürsorge sür die bisherigen aktiven Offiziere und Unteroffiziere für die Übergangszeit, Bestätigung der bis¬ her von den Soldaten gewählten Führer, soweit sie sich bewährt haben." Dieses Programm ist im allgemeinen zu begrüßen. Gerüchte besagen, es bestehe die Absicht, die allgemeine Dienstpflicht nach dem Muster der Schweiz ein¬ zuführen. Dann' würde die „wesentliche Herabsetzung der Dienstzeit" sür den Hauptteil des Heeres, die Infanterie, eine einmalige Ausbildungszeit von 65 Tagen bedeuten; ihr würden nach Schweizer Muster vom 20. bis 32. Lebens¬ jahre alljährlich elftägige Wiedevholungskurse folgen und sich vom 32. bis 40. Lebensjahre die Landwehrpflicht, vom 40. bis 48. Lebensjahre die Laud- sturmpflicht anschließen, beide ohne Dienstveripflichtung in Friedenszeiten. Unbestätigte Gerüchte nennen auch Stärkezahlen. Sich mit denselben hier zu befassen, wäre zwecklos. Zweifellos wird beim Friedensschluß die Entente ein Wort über die Stärke unseres Zukunftsheeres mitsprechen; zudem legt uns die finanzielle Not äußerste Beschränkung auf. Um so ernster ist zu erwägen, wo die Grenzen dessen liegen, was wir brauchen und leisten können. Dabei haben wir in Rechnung zustellen, daß zunächst keiner der Feinde an Abrüstung denkt, daß Staaten ohne gesetzliche Wehrpflicht jetzt zu dieser übergegangen sind und unsere Feinde den bei uns erschlagenen „Militarismus" sorglichst Pflegen und ausbauen, somit für Weltabrüstung und Wilsonschen Völkerbundsfrieden zu¬ nächst trotz unserer Bereitwilligkeit, trotz Berner internationaler Konferenz wenig Aussicht besteht. Wir brauchen also ein Heer zum Schutze des Vaterlandes, statt des alten mit langer Dienstzeit ein neues Volksheer mit kürzerer Ausbildungszeit und mit kurzen Übungszeiten. Um so besser und innerlich gefestigter muß es sein und unseren Landesverhältnissen muß es angepaßt werden, ohne fremde Systeme nachzuahmen. Das Wichtigste bleibt, daß wir nicht am falschen Platze sparen. Wir taten das schon einmal, als wir uns die Mittel für Ausbildung der Ersatz¬ reserve und des unausgebildeten Landsturmes verweigern ließen. '1914 hätten wir mit ihnen den Krieg gewinnen, Milliarden ersparen können; wir hätten im Kriege nicht von Improvisationen lieben und Unsere beste Jugend vorzeitig opfern müssen, fondern hätten wohlausgebildete, kraftvolle Truppenorganisationen zur raschen Entscheidung in Frankreich in die Front werfen können. Mögen wir uns diesen Fehler beim Neuaufbau des Wolksheercs zur Warnung dienen lassen: Aus dem Kriege wissen wir, daß ein neuzeitliches Heer nur auf dem Roben der allgemeinen Wehrpflicht denkbar ist. In Zukunft darf es keinen ge¬ sunden Deutschen geben, der der Wehrpflicht entzogen wird. Diese Forderung entspricht nicht nur dem Gedanken des Volksheeres und des Schutzes für das Vaterland. Sie entspringt der Tatsache, daß die allgemeine Wehrpflicht und die Heeresschule die Wurzeln unserer Volkskraft waren und bleiben müssen. Durch sie wurde unser Jungvolk körperlich stark, geistig geweckt, findig und anstellig; durch sie lernte es Ordnung und Unterordnung, Zucht und Gehorsam. Der einzelne lernte sich als Glied des Ganzen fühlen, einer für alle, alle für einen sich, einsetzen. Das wirkte weiteo, wenn die Ströme der Gedienten sich aus den Kasernen bei der Entlassung in das -Volk zurückergossen, das schuf Manneszucht in allen Betrieben, Tüchtigkeit und Ordnung, Pünktlichkeit und Sauberkeit in allen Berufen und Betätigungen, das gründete unseren unübertroffenen Ruf als beste Arbeiter in der Welt. Will der Feind uns diese Schule nicht mehr.zu- estehen, so beabsichtigt er, unsere Volkskraft ein für allemal abzutöten. Es geht el der Frage um das neue Heer nicht -nur um den Wasfenfchutz des Vaterlandes, es geht um alles!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/151>, abgerufen am 06.02.2025.