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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Preußen -- ein geographischer Begriff?

darüber schlüssig zu werden, bedarf es eines Blickes auf die Genesis des preußi¬
schen Staates."




Er äst in der Tat ein Produkt der Besten unter seinen Monarchen, wie
übrigens mehr oder weniger sämtliche europäischen Staatenbibdungen. Wenn
wir den Entwicklungsprozeß vom zusammengesetzten Territorialstaat des sieb¬
zehnten IahrhMiderts über die Idee des Gesamtstaates zum Einheitsstaate des
neunzehnten verfolgen, so treten die Gestalten des Großen Kurfürsten, Fried¬
rich Wilhelms des Ersten und feines genialen Sohnes beherrschend in den
Vordergrund. -- Auch von dem Brandenburg Johann Sigismuuds galt das
sprichwörtliche Heiratsglück der Habsburger. Mit dem kurz hintereinander er¬
folgenden Anfall der preußischen und klevischenLändcrkomplexe faßte das bis dahin
in typisch territorialen Stilleben hauptsächlich zwischen Elbe und Oder eingeklemmte
Kurfürstentum am Rhein und jenseits der Weichsel Posto, so gleichsam' die Ziele
und Umrisse des künftigen Großstaates markierend. Als dann, von kleineren Er¬
werbungen abgesehen, eine Generation später (1648) Hinterpommern, Halber¬
stadt und Minden, sowie der 1680 realisierte Anspruch .aus Magdeburg hinzu¬
kam, war jener Zustand des zusammengesetzten Territorialstaates erreicht, wie er
für die Nogiermngöperiode des Großen Kurfürsten zunächst noch charakteristisch
ist. Es wär ein Bündel durch Personalunion zusammengehaltener, sonst höchst
eigenwilliger Gebiete mit ausgesprochen Partikularistischen Interessen, wo man
grundsätzlich unter dem "lieben Vaterland" die engere Heimat, beileibe nicht den
brandenburgischen Gesamtstaat begriff und die kurfürstlichen Räte als "fremde
Minister" titulierte. Lag doch der einende Staatsgedanke selbst an der Stelle,
wo man ihn überall zuerst suchen muß, nämlich beim Fürsten und seiner nächsten
Umgebung -- dies die Wortbedeutung von lo "tat" in der .Renaissance -- noch im
Gemenge mit älteren primitiveren Vorstellungen. Die halb tervitorial-Partiku-
laristische, halb einhcitsstaatliche Staatsauffassung des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm, wie sie in seinen Testamenten begegnet, Paßt, was neue Forschungen
erwiesen haben, durchaus zu der inneren Politik dieses Fürsten, für die der
Grundsatz straffer Zentralisation keineswegs von vornherein maßgebend war,
vielmehr sich erst an und mit der von ihm selbst inaugurierten Machtpolitik ent¬
wickelte. Denn allerdings ist es seine Persönlichkeit gewesen, die zum ersten
Male die beiden großen formenden Kräfte des künftigen Einheitsstaates ent¬
bunden hat: Machtpolitck und Militarismus. Friedrich Wilhelm hatte die
Fähigkeiten, ans dein dreifachen Erdfall in Kleve, Preußen und Pommern die
machtpolitischen Konsequenzen zu ziehen, aber nur seine Pläne zu verwirklichen,
bedürfte es der ultiiru,, rg,to in Gestalt eines fechtenden Heeres. Indem der
mUos xvrxstliris auf die Steuerleistungen sämtlicher Einzellande begründet
wurde, war sowohl das Mittel wie das Ziel, die überterritoriale, dynastische
Großmachtspolitik, dazu angetan, dem Gedanken des Gesamtstaates immer
mehr zum Durchbruch zu verhelfen. Ein anderes Mittel zu dem gleichen Zweck
wird ebenfalls noch von, Friedrich Wilhelm angebahnt: es ist der großartig"
Neubau einer fürstlich-zentrvlistischen Vevwaltungsb.ehvrd.en-Orgnnisation, der
die ständisch-Partikularistischen Einrichtungen zum Teil beseitigte, zum Teil über¬
wölbte, ein Werk, das in seiner ersten, bis 1698 reichenden Periode schon 1639
begann. Die zweite, von 1713 bis 17W reichende Bauperiode steht bereits unter
den, Zeichen des neuen Meisters, den: unstreitig das Hauptverdienst an der Ge¬
staltung des preußischen Einheitsstaates gebührt, Friedrich Wilhelms des
Ersten.

Auf Einzelheiten kann hier natürlich nicht.eingegangen werden, es genügt
an die Namen: Generaldirektorium, Kriegs- und Domänenkammern, Kanton¬
reglement zu erinnern. Preußens größter innerer König -- fo nannte ihn später
der Reformer Schön -- hat die Politik seines Großvaters, nun aber ganz bewußt
und ohne Hemmungen, fortgeführt. Als er starb, war jene einheitliche Be¬
hördengliederung -- dos Symptom einheitlicher Staatsstruktur --wie sie bis auf
die Stein-Hardenbergsche Ära bestanden hat, im wesentlichen fertiggestellt.


Preußen — ein geographischer Begriff?

darüber schlüssig zu werden, bedarf es eines Blickes auf die Genesis des preußi¬
schen Staates.»




Er äst in der Tat ein Produkt der Besten unter seinen Monarchen, wie
übrigens mehr oder weniger sämtliche europäischen Staatenbibdungen. Wenn
wir den Entwicklungsprozeß vom zusammengesetzten Territorialstaat des sieb¬
zehnten IahrhMiderts über die Idee des Gesamtstaates zum Einheitsstaate des
neunzehnten verfolgen, so treten die Gestalten des Großen Kurfürsten, Fried¬
rich Wilhelms des Ersten und feines genialen Sohnes beherrschend in den
Vordergrund. — Auch von dem Brandenburg Johann Sigismuuds galt das
sprichwörtliche Heiratsglück der Habsburger. Mit dem kurz hintereinander er¬
folgenden Anfall der preußischen und klevischenLändcrkomplexe faßte das bis dahin
in typisch territorialen Stilleben hauptsächlich zwischen Elbe und Oder eingeklemmte
Kurfürstentum am Rhein und jenseits der Weichsel Posto, so gleichsam' die Ziele
und Umrisse des künftigen Großstaates markierend. Als dann, von kleineren Er¬
werbungen abgesehen, eine Generation später (1648) Hinterpommern, Halber¬
stadt und Minden, sowie der 1680 realisierte Anspruch .aus Magdeburg hinzu¬
kam, war jener Zustand des zusammengesetzten Territorialstaates erreicht, wie er
für die Nogiermngöperiode des Großen Kurfürsten zunächst noch charakteristisch
ist. Es wär ein Bündel durch Personalunion zusammengehaltener, sonst höchst
eigenwilliger Gebiete mit ausgesprochen Partikularistischen Interessen, wo man
grundsätzlich unter dem „lieben Vaterland" die engere Heimat, beileibe nicht den
brandenburgischen Gesamtstaat begriff und die kurfürstlichen Räte als „fremde
Minister" titulierte. Lag doch der einende Staatsgedanke selbst an der Stelle,
wo man ihn überall zuerst suchen muß, nämlich beim Fürsten und seiner nächsten
Umgebung — dies die Wortbedeutung von lo «tat» in der .Renaissance — noch im
Gemenge mit älteren primitiveren Vorstellungen. Die halb tervitorial-Partiku-
laristische, halb einhcitsstaatliche Staatsauffassung des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm, wie sie in seinen Testamenten begegnet, Paßt, was neue Forschungen
erwiesen haben, durchaus zu der inneren Politik dieses Fürsten, für die der
Grundsatz straffer Zentralisation keineswegs von vornherein maßgebend war,
vielmehr sich erst an und mit der von ihm selbst inaugurierten Machtpolitik ent¬
wickelte. Denn allerdings ist es seine Persönlichkeit gewesen, die zum ersten
Male die beiden großen formenden Kräfte des künftigen Einheitsstaates ent¬
bunden hat: Machtpolitck und Militarismus. Friedrich Wilhelm hatte die
Fähigkeiten, ans dein dreifachen Erdfall in Kleve, Preußen und Pommern die
machtpolitischen Konsequenzen zu ziehen, aber nur seine Pläne zu verwirklichen,
bedürfte es der ultiiru,, rg,to in Gestalt eines fechtenden Heeres. Indem der
mUos xvrxstliris auf die Steuerleistungen sämtlicher Einzellande begründet
wurde, war sowohl das Mittel wie das Ziel, die überterritoriale, dynastische
Großmachtspolitik, dazu angetan, dem Gedanken des Gesamtstaates immer
mehr zum Durchbruch zu verhelfen. Ein anderes Mittel zu dem gleichen Zweck
wird ebenfalls noch von, Friedrich Wilhelm angebahnt: es ist der großartig«
Neubau einer fürstlich-zentrvlistischen Vevwaltungsb.ehvrd.en-Orgnnisation, der
die ständisch-Partikularistischen Einrichtungen zum Teil beseitigte, zum Teil über¬
wölbte, ein Werk, das in seiner ersten, bis 1698 reichenden Periode schon 1639
begann. Die zweite, von 1713 bis 17W reichende Bauperiode steht bereits unter
den, Zeichen des neuen Meisters, den: unstreitig das Hauptverdienst an der Ge¬
staltung des preußischen Einheitsstaates gebührt, Friedrich Wilhelms des
Ersten.

Auf Einzelheiten kann hier natürlich nicht.eingegangen werden, es genügt
an die Namen: Generaldirektorium, Kriegs- und Domänenkammern, Kanton¬
reglement zu erinnern. Preußens größter innerer König — fo nannte ihn später
der Reformer Schön — hat die Politik seines Großvaters, nun aber ganz bewußt
und ohne Hemmungen, fortgeführt. Als er starb, war jene einheitliche Be¬
hördengliederung — dos Symptom einheitlicher Staatsstruktur —wie sie bis auf
die Stein-Hardenbergsche Ära bestanden hat, im wesentlichen fertiggestellt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/15>, abgerufen am 11.02.2025.