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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

müssen irgendwohin, um Platz zu schaffen für
Werk und Entgelt seiner Söhne. Es ging
darum, daß sie trotz jener besseren Erkennt¬
nis jedem tastenden deutschen Versuche, vor¬
zubauen, wo noch Arbeitsstätten zu hergeben
waren und wo niemandes Rechte verletzt
wuroen, sich eifernd und eisern in den Weg
stellten. Es ging darum und nicht zuletzt
darum, daß die einzelnen Deutschen, da Ge¬
biete und Möglichkeiten ihres Vaterlandes
nicht wuchsen mit der Zahl und Tatkraft der
deutschen Menschen, zu den Fremden kamen
und bei ihnen Arbeit suchten. Es ging dar¬
um, daß jene einzelnen Wäger fleißiger,
tüchtiger und zuverlässiger waren als die
nächste Umwelt, und daß sie diese nötigten zu
größerer Anspannung und zu unbequemerem
Tagewerke. Es ging darum, nach Verdienst
teilhaftig werden zu dürfen an den Gütern
der Erde und doch deutsch bleiben zu können.
Es ging um das Recht auf Arbeit ohne Auf¬
gabe des eigenen Volkstums und das heißt
ohne völkische Entehrung, wie es der Ameri¬
kaner, der Engländer, der Franzose selbst¬
verständlich hat und für sich nicht anders zu
denken vermag. Es ging darum, daß dies
alles allein den Deutschen nicht zugestanden
werden sollte, sondern daß man sie einzu¬
schnüren trachtete in dem zu kleinen Land
ihrer Väter, daß man sie abzuhalten ver¬
suchte von den Rohstoffen der Erde, daß man
sie gern vergrämt hätte allerorts, weil sie
jung waren und um ihrer Jugend willen
gefährlich erschienen.

Alles andere, was Geheimnkten enthalten,
was Geschwätzige zu enthüllen wähnen, sind
Folgeerscheinungen, sind Umdeutungen, sind
bewußte und unbewußte Fälschungen dieser
Einfachheit. Und alle Fehler auf deutscher
Seite/ auf feiten früherer deutscher Macht-'
Haber, stellen sich dar als menschliche Mittel,
nicht etwa sich selbst etwas zuliebe zu tun,
sondern gegenüber menschlichem Übelwollen
einem Naturvorgänge gerecht zu werden.

Alldeutschtum? -- Der alldeutscheste
Deutsche war der Arbeiter, der höhere Löhne
verlangte. Welttyrannei? -- Der ärgste
Welttyrann war der Arbeiter jeder Gattung,
der sich wehrte gegen die Einstellung deutscher
Arbeitsgenossen. Großmannssucht? -- Wer
gezwungen wird, sich zu wehren, muß glauben

[Spaltenumbruch]

an seine Kraft. Imperialismus? -- Im¬
perialismus bedeutet Ausschließung. Der
Kampf um die Freiheit der Arbeitsplätze und
Spielplätze der Welt für jeden Tüchtigen hat
das Gegenteil zum Ziel.

Gefährlich schienen alle Jungen zu aller
Zeit den Alten. Gefährlich ist die ein¬
geschnürte und niedergehaltene Jugend. Jedes
umstellte Geschöpf beißt. Jeder Mensch wird
böse in erstickender Enge.

Es ging also um verzwungene Jugend,
um verzwungene Natur. Darum ging es,
darum geht es noch heute.

Das gesteht zu, und Eure Sache bleibt
die gute Sache, die sie war und bleibt wert,
daß wir für sie litten. --"

Solches schrieb jüngst ein Auslanddeutscher
der Heimat zur Warnung.^) Erlösende Worte
in einer Zeit, wo das Gift der Lüge sich
Herz und Hirn des deutschen Volkes nähert
und es gelähmt und schwach den Mächten
der Täuschung und Selbsttäuschung gegen¬
übersteht. Das "elende Gestammel der deut¬
schen Schuld am Kriege", als sei "das deutsche
Leid und der deutsche Verlust um eine ver¬
dorbene und falsche Sache gewesen, ist
Seelentotschlag." Nicht nur für die "müde,
aber aufhorchend an die fernen Gefangenen¬
zäune tretenden Volksgenossen", das Ver¬
brechen richtet sich gegen die Seele dieses
ganzen Volkes, dem der Glauben an sich
selbst erschlagen wird. (Denn das Gefasel
von der Verführung durch die Machthaber
ist doch die unsinnigste Beleidigung Deutsch-
lands, das nicht erst seit dem 9. November
"reif" geworden sein kann.)

Und haben wir nicht in der Gegenwart
genug des Unbegreiflichen, tief Betrülicnden
an deutscher Art still zu verarbeiten, muß
auch noch die von einer falsch gezeichneten
Vergangenheit ausgehende moralische De¬
pression auf uns lasten? Nein, dreimal nein!
Auch für uns galt jenes Recht, das in den
Sternen hanget unveräußerlich und das der
Phrasenschwnll feindlicher Verleumdung nicht
mindern kann. Man soll es gewiß nicht
durch stetes im Munde Führen entweihen und
entwerten, wie jene es tun, aber steigt die

[Ende Spaltensatz]
Hans Grimm in der "Voss. Ztg." vom
1. Februar.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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müssen irgendwohin, um Platz zu schaffen für
Werk und Entgelt seiner Söhne. Es ging
darum, daß sie trotz jener besseren Erkennt¬
nis jedem tastenden deutschen Versuche, vor¬
zubauen, wo noch Arbeitsstätten zu hergeben
waren und wo niemandes Rechte verletzt
wuroen, sich eifernd und eisern in den Weg
stellten. Es ging darum und nicht zuletzt
darum, daß die einzelnen Deutschen, da Ge¬
biete und Möglichkeiten ihres Vaterlandes
nicht wuchsen mit der Zahl und Tatkraft der
deutschen Menschen, zu den Fremden kamen
und bei ihnen Arbeit suchten. Es ging dar¬
um, daß jene einzelnen Wäger fleißiger,
tüchtiger und zuverlässiger waren als die
nächste Umwelt, und daß sie diese nötigten zu
größerer Anspannung und zu unbequemerem
Tagewerke. Es ging darum, nach Verdienst
teilhaftig werden zu dürfen an den Gütern
der Erde und doch deutsch bleiben zu können.
Es ging um das Recht auf Arbeit ohne Auf¬
gabe des eigenen Volkstums und das heißt
ohne völkische Entehrung, wie es der Ameri¬
kaner, der Engländer, der Franzose selbst¬
verständlich hat und für sich nicht anders zu
denken vermag. Es ging darum, daß dies
alles allein den Deutschen nicht zugestanden
werden sollte, sondern daß man sie einzu¬
schnüren trachtete in dem zu kleinen Land
ihrer Väter, daß man sie abzuhalten ver¬
suchte von den Rohstoffen der Erde, daß man
sie gern vergrämt hätte allerorts, weil sie
jung waren und um ihrer Jugend willen
gefährlich erschienen.

Alles andere, was Geheimnkten enthalten,
was Geschwätzige zu enthüllen wähnen, sind
Folgeerscheinungen, sind Umdeutungen, sind
bewußte und unbewußte Fälschungen dieser
Einfachheit. Und alle Fehler auf deutscher
Seite/ auf feiten früherer deutscher Macht-'
Haber, stellen sich dar als menschliche Mittel,
nicht etwa sich selbst etwas zuliebe zu tun,
sondern gegenüber menschlichem Übelwollen
einem Naturvorgänge gerecht zu werden.

Alldeutschtum? — Der alldeutscheste
Deutsche war der Arbeiter, der höhere Löhne
verlangte. Welttyrannei? — Der ärgste
Welttyrann war der Arbeiter jeder Gattung,
der sich wehrte gegen die Einstellung deutscher
Arbeitsgenossen. Großmannssucht? — Wer
gezwungen wird, sich zu wehren, muß glauben

[Spaltenumbruch]

an seine Kraft. Imperialismus? — Im¬
perialismus bedeutet Ausschließung. Der
Kampf um die Freiheit der Arbeitsplätze und
Spielplätze der Welt für jeden Tüchtigen hat
das Gegenteil zum Ziel.

Gefährlich schienen alle Jungen zu aller
Zeit den Alten. Gefährlich ist die ein¬
geschnürte und niedergehaltene Jugend. Jedes
umstellte Geschöpf beißt. Jeder Mensch wird
böse in erstickender Enge.

Es ging also um verzwungene Jugend,
um verzwungene Natur. Darum ging es,
darum geht es noch heute.

Das gesteht zu, und Eure Sache bleibt
die gute Sache, die sie war und bleibt wert,
daß wir für sie litten. —"

Solches schrieb jüngst ein Auslanddeutscher
der Heimat zur Warnung.^) Erlösende Worte
in einer Zeit, wo das Gift der Lüge sich
Herz und Hirn des deutschen Volkes nähert
und es gelähmt und schwach den Mächten
der Täuschung und Selbsttäuschung gegen¬
übersteht. Das „elende Gestammel der deut¬
schen Schuld am Kriege", als sei „das deutsche
Leid und der deutsche Verlust um eine ver¬
dorbene und falsche Sache gewesen, ist
Seelentotschlag." Nicht nur für die „müde,
aber aufhorchend an die fernen Gefangenen¬
zäune tretenden Volksgenossen", das Ver¬
brechen richtet sich gegen die Seele dieses
ganzen Volkes, dem der Glauben an sich
selbst erschlagen wird. (Denn das Gefasel
von der Verführung durch die Machthaber
ist doch die unsinnigste Beleidigung Deutsch-
lands, das nicht erst seit dem 9. November
„reif" geworden sein kann.)

Und haben wir nicht in der Gegenwart
genug des Unbegreiflichen, tief Betrülicnden
an deutscher Art still zu verarbeiten, muß
auch noch die von einer falsch gezeichneten
Vergangenheit ausgehende moralische De¬
pression auf uns lasten? Nein, dreimal nein!
Auch für uns galt jenes Recht, das in den
Sternen hanget unveräußerlich und das der
Phrasenschwnll feindlicher Verleumdung nicht
mindern kann. Man soll es gewiß nicht
durch stetes im Munde Führen entweihen und
entwerten, wie jene es tun, aber steigt die

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Hans Grimm in der „Voss. Ztg." vom
1. Februar.
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[0135] Maßgebliches und Unmaßgebliches müssen irgendwohin, um Platz zu schaffen für Werk und Entgelt seiner Söhne. Es ging darum, daß sie trotz jener besseren Erkennt¬ nis jedem tastenden deutschen Versuche, vor¬ zubauen, wo noch Arbeitsstätten zu hergeben waren und wo niemandes Rechte verletzt wuroen, sich eifernd und eisern in den Weg stellten. Es ging darum und nicht zuletzt darum, daß die einzelnen Deutschen, da Ge¬ biete und Möglichkeiten ihres Vaterlandes nicht wuchsen mit der Zahl und Tatkraft der deutschen Menschen, zu den Fremden kamen und bei ihnen Arbeit suchten. Es ging dar¬ um, daß jene einzelnen Wäger fleißiger, tüchtiger und zuverlässiger waren als die nächste Umwelt, und daß sie diese nötigten zu größerer Anspannung und zu unbequemerem Tagewerke. Es ging darum, nach Verdienst teilhaftig werden zu dürfen an den Gütern der Erde und doch deutsch bleiben zu können. Es ging um das Recht auf Arbeit ohne Auf¬ gabe des eigenen Volkstums und das heißt ohne völkische Entehrung, wie es der Ameri¬ kaner, der Engländer, der Franzose selbst¬ verständlich hat und für sich nicht anders zu denken vermag. Es ging darum, daß dies alles allein den Deutschen nicht zugestanden werden sollte, sondern daß man sie einzu¬ schnüren trachtete in dem zu kleinen Land ihrer Väter, daß man sie abzuhalten ver¬ suchte von den Rohstoffen der Erde, daß man sie gern vergrämt hätte allerorts, weil sie jung waren und um ihrer Jugend willen gefährlich erschienen. Alles andere, was Geheimnkten enthalten, was Geschwätzige zu enthüllen wähnen, sind Folgeerscheinungen, sind Umdeutungen, sind bewußte und unbewußte Fälschungen dieser Einfachheit. Und alle Fehler auf deutscher Seite/ auf feiten früherer deutscher Macht-' Haber, stellen sich dar als menschliche Mittel, nicht etwa sich selbst etwas zuliebe zu tun, sondern gegenüber menschlichem Übelwollen einem Naturvorgänge gerecht zu werden. Alldeutschtum? — Der alldeutscheste Deutsche war der Arbeiter, der höhere Löhne verlangte. Welttyrannei? — Der ärgste Welttyrann war der Arbeiter jeder Gattung, der sich wehrte gegen die Einstellung deutscher Arbeitsgenossen. Großmannssucht? — Wer gezwungen wird, sich zu wehren, muß glauben an seine Kraft. Imperialismus? — Im¬ perialismus bedeutet Ausschließung. Der Kampf um die Freiheit der Arbeitsplätze und Spielplätze der Welt für jeden Tüchtigen hat das Gegenteil zum Ziel. Gefährlich schienen alle Jungen zu aller Zeit den Alten. Gefährlich ist die ein¬ geschnürte und niedergehaltene Jugend. Jedes umstellte Geschöpf beißt. Jeder Mensch wird böse in erstickender Enge. Es ging also um verzwungene Jugend, um verzwungene Natur. Darum ging es, darum geht es noch heute. Das gesteht zu, und Eure Sache bleibt die gute Sache, die sie war und bleibt wert, daß wir für sie litten. —" Solches schrieb jüngst ein Auslanddeutscher der Heimat zur Warnung.^) Erlösende Worte in einer Zeit, wo das Gift der Lüge sich Herz und Hirn des deutschen Volkes nähert und es gelähmt und schwach den Mächten der Täuschung und Selbsttäuschung gegen¬ übersteht. Das „elende Gestammel der deut¬ schen Schuld am Kriege", als sei „das deutsche Leid und der deutsche Verlust um eine ver¬ dorbene und falsche Sache gewesen, ist Seelentotschlag." Nicht nur für die „müde, aber aufhorchend an die fernen Gefangenen¬ zäune tretenden Volksgenossen", das Ver¬ brechen richtet sich gegen die Seele dieses ganzen Volkes, dem der Glauben an sich selbst erschlagen wird. (Denn das Gefasel von der Verführung durch die Machthaber ist doch die unsinnigste Beleidigung Deutsch- lands, das nicht erst seit dem 9. November „reif" geworden sein kann.) Und haben wir nicht in der Gegenwart genug des Unbegreiflichen, tief Betrülicnden an deutscher Art still zu verarbeiten, muß auch noch die von einer falsch gezeichneten Vergangenheit ausgehende moralische De¬ pression auf uns lasten? Nein, dreimal nein! Auch für uns galt jenes Recht, das in den Sternen hanget unveräußerlich und das der Phrasenschwnll feindlicher Verleumdung nicht mindern kann. Man soll es gewiß nicht durch stetes im Munde Führen entweihen und entwerten, wie jene es tun, aber steigt die Hans Grimm in der „Voss. Ztg." vom 1. Februar.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_335181/135>, abgerufen am 05.02.2025.