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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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halten, an Stellen, ein denen der Staat versagte, vortrefflich abgeschnitten haben:
der Initiative der Stadt sind eine Reihe von Reformen zu verdanken, die be¬
fruchtend auf das sehnlicher überhaupt gewirkt haben -- ich denke da an die
"Reformschulen", an die Versuche mit "Begabtenklassen" usw. Trotzdem muß
es dabei bleiben, daß wo das Lebensinteresse von Erziehung und Unterricht sich
einer Ausdehnung städtischer Rechte hindernd in den Weg stellt, das erste ent¬
scheidet. Denn -- und das darf nicht vergessen werden -- das wichtigste Recht
in den "inneren" Angelegenheiten der Schule, das Recht der Ernennung von
Lehrern und Leitern, steht den Städten ja. schon längst zu. Sie haben es also
durchaus in der Hand, durch Männer ihres Vertrauens das innere Leben der
Schule entscheidend zu beeinflussen. Dies Recht geht so weit, daß die Gemein¬
den in der Lage sind, sich die besten Kräfte jederzeit zu sichern, und die besonderen
Anreizmittel, die ihnen dazu zu Gebote stehen, namentlich also die Bewilligung
eines höheren Gehalts, als es der Staat gibt, verfehlen ihre Wirkung nicht.

Wie steht es nun mit den den Städten durch die neue Verwaltungsord¬
nung eingeräumten Rechten? Zu allererst muß darauf hingewiesen werden,
daß überall, wo es sich um großstädtische Verhältnisse handelt, sie von der Neu¬
ordnung wenig berührt werden. Der Stadtschulrat einer Großstadt, geschweige
denn der Oberbürgermeister hat viel zu viel Verwaltungsgeschäfte zu erledigen,
um sich noch eingehend mit dem Unterricht in den verschiedenen höheren Lehr¬
anstalten beschäftigen zu können. Selbst bei den Revisionen wird er schwerlich
immer erscheinen "können -- vorausgesetzt, daß sie nach dem Kriege überhaupt
wieder aufleben. Kommt er aber wirklich, so wird es ihm einigermaßen pein¬
lich sein, immer uur als Zuhörer ihnen beiwohnen zu können. Schon deshalb
wird er also nicht oft bei den Besichtigungen zugegen sein. Anders wird daS
natürlich in den Mittel- und kleineren Städten sein. Hier wird es sich der
Bürgermeister schwerlich nehmen lassen, an dem Unterricht und den Revisionen
teilzunehmen. Im kleineren Kreise liegen auch die Reibungen näher: hier tritt
das Persönliche Element mehr in den Vordergrund, Sympathien und Anti¬
pathien spielen eine größere Rolle -- es läßt sich nicht' sagen, wie hier die Neue¬
rung wirken wird. Der Optimist wird behaupten, daß bei freundschaftlichem
Entgegenkommen ein Zusammenstoß sicher nicht erfolgen wird, bei Schikanen
von selten des Stadtoberhauptes aber der ruhjge, sein Recht wahrende Direktor
kraft der beherrschenden Stellung, die er sich in seiner Stadt erobern wird, auch
ihm gegenüber nicht den kürzeren ziehen wird. Er wird darauf hinweisen, daß
wenn der Bürgermeister ihm Vorhaltungen machen will, er in der Lage ist,
diese abzuweisen und zu verlangen, daß die Angelegenheit im Schulausschuß zur
Sprache gebracht werde; dort aber wird er bei ungerechtfertigten Angriffen eine
Stütze ein seinen Mitbürgern finden. Der Pessimist wird darauf aufmerksam
machen, daß auch der ruhigste Direktor oder Oberlehrer in Harnisch geraten
muß, wenn er den Besuch des Bürgermeisters täglich und stündlich zu erwarten
hat, und daß es nicht erfreulich ist, wenn nach einer schlechten Zensur des Sohnes
eines einflußreichen Stadtvaters nun der Klassenlehrer seines Lebens in den
Stunden, die er zu geben hat, infolge solcher Besuche nicht mehr sicher ist. Hier
zeigt sich eben -- wird er sagen. -- daß letzten Endes bei dieser Lage der Dinge
die Schule und ihre Interessen leiden müssen: entweder wird der Lehrer, um
der Bedrängnis zu entgehen, den betreffenden Schüler bevorzugen, oder es wird
der Zusammenstöße kein Ende sein. Bei den Revisionen aber'wird -- voraus¬
gesetzt, daß der Provinzialschulrat sie vornimmt -- der eigentlich wesentliche
Teil, nämlich die Besprechung der Fehler, die gemacht worden sind, in die Kon¬
ferenz verlegt werden, von. der der städtische Beamte ausgeschlossen ist.

Diese Eventualitäten zeigen, daß es bei der Durchführung der neuen Ver¬
waltungsordnung im wesentlichen auf normale Verhältnisse zwischen Bürger¬
meister und Schule ankommt. Wo von vornherein Animosität herrscht, ' da
werden auch in Zukunft Zusammenstöße sich ereignen. Darin wird die Neu-
ordnung keinen Wandel schaffen: Personenfragen' sind hier letzten Endes das
Entscheidende. ^


Die neue verwaltungsordnunq

halten, an Stellen, ein denen der Staat versagte, vortrefflich abgeschnitten haben:
der Initiative der Stadt sind eine Reihe von Reformen zu verdanken, die be¬
fruchtend auf das sehnlicher überhaupt gewirkt haben — ich denke da an die
„Reformschulen", an die Versuche mit „Begabtenklassen" usw. Trotzdem muß
es dabei bleiben, daß wo das Lebensinteresse von Erziehung und Unterricht sich
einer Ausdehnung städtischer Rechte hindernd in den Weg stellt, das erste ent¬
scheidet. Denn — und das darf nicht vergessen werden — das wichtigste Recht
in den „inneren" Angelegenheiten der Schule, das Recht der Ernennung von
Lehrern und Leitern, steht den Städten ja. schon längst zu. Sie haben es also
durchaus in der Hand, durch Männer ihres Vertrauens das innere Leben der
Schule entscheidend zu beeinflussen. Dies Recht geht so weit, daß die Gemein¬
den in der Lage sind, sich die besten Kräfte jederzeit zu sichern, und die besonderen
Anreizmittel, die ihnen dazu zu Gebote stehen, namentlich also die Bewilligung
eines höheren Gehalts, als es der Staat gibt, verfehlen ihre Wirkung nicht.

Wie steht es nun mit den den Städten durch die neue Verwaltungsord¬
nung eingeräumten Rechten? Zu allererst muß darauf hingewiesen werden,
daß überall, wo es sich um großstädtische Verhältnisse handelt, sie von der Neu¬
ordnung wenig berührt werden. Der Stadtschulrat einer Großstadt, geschweige
denn der Oberbürgermeister hat viel zu viel Verwaltungsgeschäfte zu erledigen,
um sich noch eingehend mit dem Unterricht in den verschiedenen höheren Lehr¬
anstalten beschäftigen zu können. Selbst bei den Revisionen wird er schwerlich
immer erscheinen "können — vorausgesetzt, daß sie nach dem Kriege überhaupt
wieder aufleben. Kommt er aber wirklich, so wird es ihm einigermaßen pein¬
lich sein, immer uur als Zuhörer ihnen beiwohnen zu können. Schon deshalb
wird er also nicht oft bei den Besichtigungen zugegen sein. Anders wird daS
natürlich in den Mittel- und kleineren Städten sein. Hier wird es sich der
Bürgermeister schwerlich nehmen lassen, an dem Unterricht und den Revisionen
teilzunehmen. Im kleineren Kreise liegen auch die Reibungen näher: hier tritt
das Persönliche Element mehr in den Vordergrund, Sympathien und Anti¬
pathien spielen eine größere Rolle — es läßt sich nicht' sagen, wie hier die Neue¬
rung wirken wird. Der Optimist wird behaupten, daß bei freundschaftlichem
Entgegenkommen ein Zusammenstoß sicher nicht erfolgen wird, bei Schikanen
von selten des Stadtoberhauptes aber der ruhjge, sein Recht wahrende Direktor
kraft der beherrschenden Stellung, die er sich in seiner Stadt erobern wird, auch
ihm gegenüber nicht den kürzeren ziehen wird. Er wird darauf hinweisen, daß
wenn der Bürgermeister ihm Vorhaltungen machen will, er in der Lage ist,
diese abzuweisen und zu verlangen, daß die Angelegenheit im Schulausschuß zur
Sprache gebracht werde; dort aber wird er bei ungerechtfertigten Angriffen eine
Stütze ein seinen Mitbürgern finden. Der Pessimist wird darauf aufmerksam
machen, daß auch der ruhigste Direktor oder Oberlehrer in Harnisch geraten
muß, wenn er den Besuch des Bürgermeisters täglich und stündlich zu erwarten
hat, und daß es nicht erfreulich ist, wenn nach einer schlechten Zensur des Sohnes
eines einflußreichen Stadtvaters nun der Klassenlehrer seines Lebens in den
Stunden, die er zu geben hat, infolge solcher Besuche nicht mehr sicher ist. Hier
zeigt sich eben — wird er sagen. — daß letzten Endes bei dieser Lage der Dinge
die Schule und ihre Interessen leiden müssen: entweder wird der Lehrer, um
der Bedrängnis zu entgehen, den betreffenden Schüler bevorzugen, oder es wird
der Zusammenstöße kein Ende sein. Bei den Revisionen aber'wird — voraus¬
gesetzt, daß der Provinzialschulrat sie vornimmt — der eigentlich wesentliche
Teil, nämlich die Besprechung der Fehler, die gemacht worden sind, in die Kon¬
ferenz verlegt werden, von. der der städtische Beamte ausgeschlossen ist.

Diese Eventualitäten zeigen, daß es bei der Durchführung der neuen Ver¬
waltungsordnung im wesentlichen auf normale Verhältnisse zwischen Bürger¬
meister und Schule ankommt. Wo von vornherein Animosität herrscht, ' da
werden auch in Zukunft Zusammenstöße sich ereignen. Darin wird die Neu-
ordnung keinen Wandel schaffen: Personenfragen' sind hier letzten Endes das
Entscheidende. ^


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[0099] Die neue verwaltungsordnunq halten, an Stellen, ein denen der Staat versagte, vortrefflich abgeschnitten haben: der Initiative der Stadt sind eine Reihe von Reformen zu verdanken, die be¬ fruchtend auf das sehnlicher überhaupt gewirkt haben — ich denke da an die „Reformschulen", an die Versuche mit „Begabtenklassen" usw. Trotzdem muß es dabei bleiben, daß wo das Lebensinteresse von Erziehung und Unterricht sich einer Ausdehnung städtischer Rechte hindernd in den Weg stellt, das erste ent¬ scheidet. Denn — und das darf nicht vergessen werden — das wichtigste Recht in den „inneren" Angelegenheiten der Schule, das Recht der Ernennung von Lehrern und Leitern, steht den Städten ja. schon längst zu. Sie haben es also durchaus in der Hand, durch Männer ihres Vertrauens das innere Leben der Schule entscheidend zu beeinflussen. Dies Recht geht so weit, daß die Gemein¬ den in der Lage sind, sich die besten Kräfte jederzeit zu sichern, und die besonderen Anreizmittel, die ihnen dazu zu Gebote stehen, namentlich also die Bewilligung eines höheren Gehalts, als es der Staat gibt, verfehlen ihre Wirkung nicht. Wie steht es nun mit den den Städten durch die neue Verwaltungsord¬ nung eingeräumten Rechten? Zu allererst muß darauf hingewiesen werden, daß überall, wo es sich um großstädtische Verhältnisse handelt, sie von der Neu¬ ordnung wenig berührt werden. Der Stadtschulrat einer Großstadt, geschweige denn der Oberbürgermeister hat viel zu viel Verwaltungsgeschäfte zu erledigen, um sich noch eingehend mit dem Unterricht in den verschiedenen höheren Lehr¬ anstalten beschäftigen zu können. Selbst bei den Revisionen wird er schwerlich immer erscheinen "können — vorausgesetzt, daß sie nach dem Kriege überhaupt wieder aufleben. Kommt er aber wirklich, so wird es ihm einigermaßen pein¬ lich sein, immer uur als Zuhörer ihnen beiwohnen zu können. Schon deshalb wird er also nicht oft bei den Besichtigungen zugegen sein. Anders wird daS natürlich in den Mittel- und kleineren Städten sein. Hier wird es sich der Bürgermeister schwerlich nehmen lassen, an dem Unterricht und den Revisionen teilzunehmen. Im kleineren Kreise liegen auch die Reibungen näher: hier tritt das Persönliche Element mehr in den Vordergrund, Sympathien und Anti¬ pathien spielen eine größere Rolle — es läßt sich nicht' sagen, wie hier die Neue¬ rung wirken wird. Der Optimist wird behaupten, daß bei freundschaftlichem Entgegenkommen ein Zusammenstoß sicher nicht erfolgen wird, bei Schikanen von selten des Stadtoberhauptes aber der ruhjge, sein Recht wahrende Direktor kraft der beherrschenden Stellung, die er sich in seiner Stadt erobern wird, auch ihm gegenüber nicht den kürzeren ziehen wird. Er wird darauf hinweisen, daß wenn der Bürgermeister ihm Vorhaltungen machen will, er in der Lage ist, diese abzuweisen und zu verlangen, daß die Angelegenheit im Schulausschuß zur Sprache gebracht werde; dort aber wird er bei ungerechtfertigten Angriffen eine Stütze ein seinen Mitbürgern finden. Der Pessimist wird darauf aufmerksam machen, daß auch der ruhigste Direktor oder Oberlehrer in Harnisch geraten muß, wenn er den Besuch des Bürgermeisters täglich und stündlich zu erwarten hat, und daß es nicht erfreulich ist, wenn nach einer schlechten Zensur des Sohnes eines einflußreichen Stadtvaters nun der Klassenlehrer seines Lebens in den Stunden, die er zu geben hat, infolge solcher Besuche nicht mehr sicher ist. Hier zeigt sich eben — wird er sagen. — daß letzten Endes bei dieser Lage der Dinge die Schule und ihre Interessen leiden müssen: entweder wird der Lehrer, um der Bedrängnis zu entgehen, den betreffenden Schüler bevorzugen, oder es wird der Zusammenstöße kein Ende sein. Bei den Revisionen aber'wird — voraus¬ gesetzt, daß der Provinzialschulrat sie vornimmt — der eigentlich wesentliche Teil, nämlich die Besprechung der Fehler, die gemacht worden sind, in die Kon¬ ferenz verlegt werden, von. der der städtische Beamte ausgeschlossen ist. Diese Eventualitäten zeigen, daß es bei der Durchführung der neuen Ver¬ waltungsordnung im wesentlichen auf normale Verhältnisse zwischen Bürger¬ meister und Schule ankommt. Wo von vornherein Animosität herrscht, ' da werden auch in Zukunft Zusammenstöße sich ereignen. Darin wird die Neu- ordnung keinen Wandel schaffen: Personenfragen' sind hier letzten Endes das Entscheidende. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/99>, abgerufen am 24.11.2024.