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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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er jetzt auf seinem Geldsack siyt,
Der spart für den Feind,
wer Rriegsanleihe zeichnet,
Gvart 5ur seine Rinder"

Die Lage
Georg Llcinow von

le deutsche Regierung brauchte eine volle Woche, um auf Wilsons
Herausforderung eine Antwort zu finden. Was schließlich zutage
kam, konnte niemanden in der Heimat befriedigen, da es dem
Gegner nicht einmal Achtung einzuflößen vermag. Dennoch
enthält die Antwort alles, was von ihr nach Lage der Dinge ge¬
fordert werden konnte: die ernste Bekundung des Friedenswillens.
Es ist ein diplomatisches Aktenstück, das ziemlich unverhüllt deu^ Zweck zur
Schau trägt, das am 5. Oktober eingeleitete Friedensgespräch unter keinen
Umständen abreißen zu lassen und die öffentlichen Erörterungen des Friedens
über alle natürlichen Klippen und böswillig angebrachte Stauungen hinweg
in Fluß zu bringen und zu erhalten. Das ist nicht mehr allein Dienst
am Vaterlande, das ist Dienst an der Menschheit überhaupt und sollte ge¬
eignet sein, der neuen Regierung in der Welt Vertrauen und Freunde zu
werben. Leider sind solche Menschheitsdienste in der großen Politik Wechseln auf
die Zukunft vergleichbar, von denen niemand weiß, ob sie so rechtzeitig eingelöst
werden können, daß sie seinem Adressaten noch Nutzen bringen. Friedrich der
Große ließ sich durch den Dank der Menschheit nicht verlocken, gegen die Interessen
seines Landes zu handeln: als er im Dezember 1745 vom französischen Ge¬
sandten Darget gedrängt wurde, seine Truppen marschieren zu lassen, um den
Frieden Europas sicherzustellen, erwiderte er, die wahre Größe liege doch sehr viel
mehr darin, für das Glück seiner Untertanen als für die Ruhe Europas zu sorgen.
Auch wir haben wenig Vertrauen dazu, daß die Menschheit unseren Staats¬
männern und durch sie uns je Dank wissen wird, wenn es gelingen sollte, durch
Verhandlungen und Nachgiebigkeit das Kriegsende herbeizuführen. Die Schuld
am Kriege wird stets dem Unterlegenen auferlegt. Welche Opfer er für den all¬
gemeinen Frieden brachte, werden nicht einmal die Philologen nach tausend Jahren
hervorzuheben wagen, weil Größe und Kultur sich stets an Kraft knüpft, an Sieg
nicht an Untergang. Das ist Naturgesetz!

Inzwischen warten wir wieder, was die Entente für gut befinden wird,
uns durch Wilson an neuen Forderungen zu unterbreiten. Durch die Kanzleien


Grenzboten IV 1918 7


er jetzt auf seinem Geldsack siyt,
Der spart für den Feind,
wer Rriegsanleihe zeichnet,
Gvart 5ur seine Rinder«

Die Lage
Georg Llcinow von

le deutsche Regierung brauchte eine volle Woche, um auf Wilsons
Herausforderung eine Antwort zu finden. Was schließlich zutage
kam, konnte niemanden in der Heimat befriedigen, da es dem
Gegner nicht einmal Achtung einzuflößen vermag. Dennoch
enthält die Antwort alles, was von ihr nach Lage der Dinge ge¬
fordert werden konnte: die ernste Bekundung des Friedenswillens.
Es ist ein diplomatisches Aktenstück, das ziemlich unverhüllt deu^ Zweck zur
Schau trägt, das am 5. Oktober eingeleitete Friedensgespräch unter keinen
Umständen abreißen zu lassen und die öffentlichen Erörterungen des Friedens
über alle natürlichen Klippen und böswillig angebrachte Stauungen hinweg
in Fluß zu bringen und zu erhalten. Das ist nicht mehr allein Dienst
am Vaterlande, das ist Dienst an der Menschheit überhaupt und sollte ge¬
eignet sein, der neuen Regierung in der Welt Vertrauen und Freunde zu
werben. Leider sind solche Menschheitsdienste in der großen Politik Wechseln auf
die Zukunft vergleichbar, von denen niemand weiß, ob sie so rechtzeitig eingelöst
werden können, daß sie seinem Adressaten noch Nutzen bringen. Friedrich der
Große ließ sich durch den Dank der Menschheit nicht verlocken, gegen die Interessen
seines Landes zu handeln: als er im Dezember 1745 vom französischen Ge¬
sandten Darget gedrängt wurde, seine Truppen marschieren zu lassen, um den
Frieden Europas sicherzustellen, erwiderte er, die wahre Größe liege doch sehr viel
mehr darin, für das Glück seiner Untertanen als für die Ruhe Europas zu sorgen.
Auch wir haben wenig Vertrauen dazu, daß die Menschheit unseren Staats¬
männern und durch sie uns je Dank wissen wird, wenn es gelingen sollte, durch
Verhandlungen und Nachgiebigkeit das Kriegsende herbeizuführen. Die Schuld
am Kriege wird stets dem Unterlegenen auferlegt. Welche Opfer er für den all¬
gemeinen Frieden brachte, werden nicht einmal die Philologen nach tausend Jahren
hervorzuheben wagen, weil Größe und Kultur sich stets an Kraft knüpft, an Sieg
nicht an Untergang. Das ist Naturgesetz!

Inzwischen warten wir wieder, was die Entente für gut befinden wird,
uns durch Wilson an neuen Forderungen zu unterbreiten. Durch die Kanzleien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/93>, abgerufen am 28.11.2024.