Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die H"ffnung

bliebe in der Luft hängen ohne Sicherung ihrer agrarischen Grundlage. Hier
"der sei das ceterum censeo: Enteignung des Großgrundbesitzes, der einer Ber"
ständigung zwischen Stadt und Land im Wege stehe. Man kann die Erregung
begreifen, ist doch der Kampf um die Seele des Bauern für den deutschen Sozia¬
lismus nicht minder bedeutsam als für den russischen.

Doch wir haben uns mit den Lücken des Entwurfs nicht weiter zu be¬
schäftigen -- die Gegengründe des Genossen Kunow sind oben genannt --, sondern
nur noch unserer Übersicht ein allgemeines Schlußwort anzufügen.

Und da müssen wir sagen: trotz aller Mängel im einzelnen ist das Werk
der Kommission besser als sein junger Ruf. Grade die Empörung, die es von
den entgegengesetzten Seiten umtost, beweist, daß der Kurs mitten durch der
richtige ist. Die "Regierungssozialisten" haben allerdings durchaus nicht ihre
grundsätzliche Stellung gegen die kapitalistische Gesellschaft aufgegeben und auf
die Ersetzung der kapitalistischen Pruduktionsordnung durch die sozialistische ver¬
zichtet, wie ihnen von unabhängiger Seite mit deutlichster Tendenz vorgeworfen
wird, wohl aber vermeidet die neue Kundgebung die schädlichen Wirkungen
doktrinärer Verranntheit, indem sie gewissen traditionellen Utopien entschlossen den
Laufpaß gibt. Sie ist in der Tat. wie der "Vorwärts" schreibt, in ihrer Gesamtheit
ein Willensbekenntnis, auf den durch den Krieg geschaffenen Grundlagen praktisch
"eiterzuarbeiten, ... auf dem Boden der Wirklichkeit und Gegenwart. Das
sollte man auch im konservativen Lager anerkennen, und nicht, wie es zum Bei¬
spiel in der "Deutschen Tageszeitung" geschieht, das von gehässigen Phrasen frei¬
gehaltene Programm mit gehässigen Gegenphrasen (Herdenoasein, Verhaustierung,
sozialistische Engstirnigkeit) bekämpfen, was keinen anderen Erfolg hat als gereizte
^ Polemik auf Kosten der sachlichen Probleme.




Die Hoffnung
[Beginn Spaltensatz] Wie aus Steinen das Grün
Am verödeten Tor,
Dringt aus allen Ritzen
Unglücklicher Tage
Die Hoffnung hervor. [Spaltenumbruch] Wir wandeln in Trauer
Und Haben's nicht acht,
Doch sie wächst in der Stille,
Sie blühet, sie wuchert,
Sie lockt und^sie lacht -- [Ende Spaltensatz] O glückliche Torheit
Der Menschenbrust,
Auf dunkelsten Wegen
Die Hoffnung zu hegen
Uns unbewußt! Meta Port



Die H«ffnung

bliebe in der Luft hängen ohne Sicherung ihrer agrarischen Grundlage. Hier
«der sei das ceterum censeo: Enteignung des Großgrundbesitzes, der einer Ber»
ständigung zwischen Stadt und Land im Wege stehe. Man kann die Erregung
begreifen, ist doch der Kampf um die Seele des Bauern für den deutschen Sozia¬
lismus nicht minder bedeutsam als für den russischen.

Doch wir haben uns mit den Lücken des Entwurfs nicht weiter zu be¬
schäftigen — die Gegengründe des Genossen Kunow sind oben genannt —, sondern
nur noch unserer Übersicht ein allgemeines Schlußwort anzufügen.

Und da müssen wir sagen: trotz aller Mängel im einzelnen ist das Werk
der Kommission besser als sein junger Ruf. Grade die Empörung, die es von
den entgegengesetzten Seiten umtost, beweist, daß der Kurs mitten durch der
richtige ist. Die „Regierungssozialisten" haben allerdings durchaus nicht ihre
grundsätzliche Stellung gegen die kapitalistische Gesellschaft aufgegeben und auf
die Ersetzung der kapitalistischen Pruduktionsordnung durch die sozialistische ver¬
zichtet, wie ihnen von unabhängiger Seite mit deutlichster Tendenz vorgeworfen
wird, wohl aber vermeidet die neue Kundgebung die schädlichen Wirkungen
doktrinärer Verranntheit, indem sie gewissen traditionellen Utopien entschlossen den
Laufpaß gibt. Sie ist in der Tat. wie der „Vorwärts" schreibt, in ihrer Gesamtheit
ein Willensbekenntnis, auf den durch den Krieg geschaffenen Grundlagen praktisch
«eiterzuarbeiten, ... auf dem Boden der Wirklichkeit und Gegenwart. Das
sollte man auch im konservativen Lager anerkennen, und nicht, wie es zum Bei¬
spiel in der „Deutschen Tageszeitung" geschieht, das von gehässigen Phrasen frei¬
gehaltene Programm mit gehässigen Gegenphrasen (Herdenoasein, Verhaustierung,
sozialistische Engstirnigkeit) bekämpfen, was keinen anderen Erfolg hat als gereizte
^ Polemik auf Kosten der sachlichen Probleme.




Die Hoffnung
[Beginn Spaltensatz] Wie aus Steinen das Grün
Am verödeten Tor,
Dringt aus allen Ritzen
Unglücklicher Tage
Die Hoffnung hervor. [Spaltenumbruch] Wir wandeln in Trauer
Und Haben's nicht acht,
Doch sie wächst in der Stille,
Sie blühet, sie wuchert,
Sie lockt und^sie lacht — [Ende Spaltensatz] O glückliche Torheit
Der Menschenbrust,
Auf dunkelsten Wegen
Die Hoffnung zu hegen
Uns unbewußt! Meta Port



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0038" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88276"/>
          <fw type="header" place="top"> Die H«ffnung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_102" prev="#ID_101"> bliebe in der Luft hängen ohne Sicherung ihrer agrarischen Grundlage. Hier<lb/>
«der sei das ceterum censeo: Enteignung des Großgrundbesitzes, der einer Ber»<lb/>
ständigung zwischen Stadt und Land im Wege stehe. Man kann die Erregung<lb/>
begreifen, ist doch der Kampf um die Seele des Bauern für den deutschen Sozia¬<lb/>
lismus nicht minder bedeutsam als für den russischen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_103"> Doch wir haben uns mit den Lücken des Entwurfs nicht weiter zu be¬<lb/>
schäftigen &#x2014; die Gegengründe des Genossen Kunow sind oben genannt &#x2014;, sondern<lb/>
nur noch unserer Übersicht ein allgemeines Schlußwort anzufügen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_104"> Und da müssen wir sagen: trotz aller Mängel im einzelnen ist das Werk<lb/>
der Kommission besser als sein junger Ruf. Grade die Empörung, die es von<lb/>
den entgegengesetzten Seiten umtost, beweist, daß der Kurs mitten durch der<lb/>
richtige ist. Die &#x201E;Regierungssozialisten" haben allerdings durchaus nicht ihre<lb/>
grundsätzliche Stellung gegen die kapitalistische Gesellschaft aufgegeben und auf<lb/>
die Ersetzung der kapitalistischen Pruduktionsordnung durch die sozialistische ver¬<lb/>
zichtet, wie ihnen von unabhängiger Seite mit deutlichster Tendenz vorgeworfen<lb/>
wird, wohl aber vermeidet die neue Kundgebung die schädlichen Wirkungen<lb/>
doktrinärer Verranntheit, indem sie gewissen traditionellen Utopien entschlossen den<lb/>
Laufpaß gibt. Sie ist in der Tat. wie der &#x201E;Vorwärts" schreibt, in ihrer Gesamtheit<lb/>
ein Willensbekenntnis, auf den durch den Krieg geschaffenen Grundlagen praktisch<lb/>
«eiterzuarbeiten, ... auf dem Boden der Wirklichkeit und Gegenwart. Das<lb/>
sollte man auch im konservativen Lager anerkennen, und nicht, wie es zum Bei¬<lb/>
spiel in der &#x201E;Deutschen Tageszeitung" geschieht, das von gehässigen Phrasen frei¬<lb/>
gehaltene Programm mit gehässigen Gegenphrasen (Herdenoasein, Verhaustierung,<lb/>
sozialistische Engstirnigkeit) bekämpfen, was keinen anderen Erfolg hat als gereizte<lb/><note type="byline"> ^</note> Polemik auf Kosten der sachlichen Probleme. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Hoffnung</head><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_2" type="poem">
            <l><cb type="start"/>
Wie aus Steinen das Grün<lb/>
Am verödeten Tor,<lb/>
Dringt aus allen Ritzen<lb/>
Unglücklicher Tage<lb/>
Die Hoffnung hervor. <cb/>
Wir wandeln in Trauer<lb/>
Und Haben's nicht acht,<lb/>
Doch sie wächst in der Stille,<lb/>
Sie blühet, sie wuchert,<lb/>
Sie lockt und^sie lacht &#x2014; <cb type="end"/>
O glückliche Torheit<lb/>
Der Menschenbrust,<lb/>
Auf dunkelsten Wegen<lb/>
Die Hoffnung zu hegen<lb/>
Uns unbewußt! <note type="byline"> Meta Port</note></l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0038] Die H«ffnung bliebe in der Luft hängen ohne Sicherung ihrer agrarischen Grundlage. Hier «der sei das ceterum censeo: Enteignung des Großgrundbesitzes, der einer Ber» ständigung zwischen Stadt und Land im Wege stehe. Man kann die Erregung begreifen, ist doch der Kampf um die Seele des Bauern für den deutschen Sozia¬ lismus nicht minder bedeutsam als für den russischen. Doch wir haben uns mit den Lücken des Entwurfs nicht weiter zu be¬ schäftigen — die Gegengründe des Genossen Kunow sind oben genannt —, sondern nur noch unserer Übersicht ein allgemeines Schlußwort anzufügen. Und da müssen wir sagen: trotz aller Mängel im einzelnen ist das Werk der Kommission besser als sein junger Ruf. Grade die Empörung, die es von den entgegengesetzten Seiten umtost, beweist, daß der Kurs mitten durch der richtige ist. Die „Regierungssozialisten" haben allerdings durchaus nicht ihre grundsätzliche Stellung gegen die kapitalistische Gesellschaft aufgegeben und auf die Ersetzung der kapitalistischen Pruduktionsordnung durch die sozialistische ver¬ zichtet, wie ihnen von unabhängiger Seite mit deutlichster Tendenz vorgeworfen wird, wohl aber vermeidet die neue Kundgebung die schädlichen Wirkungen doktrinärer Verranntheit, indem sie gewissen traditionellen Utopien entschlossen den Laufpaß gibt. Sie ist in der Tat. wie der „Vorwärts" schreibt, in ihrer Gesamtheit ein Willensbekenntnis, auf den durch den Krieg geschaffenen Grundlagen praktisch «eiterzuarbeiten, ... auf dem Boden der Wirklichkeit und Gegenwart. Das sollte man auch im konservativen Lager anerkennen, und nicht, wie es zum Bei¬ spiel in der „Deutschen Tageszeitung" geschieht, das von gehässigen Phrasen frei¬ gehaltene Programm mit gehässigen Gegenphrasen (Herdenoasein, Verhaustierung, sozialistische Engstirnigkeit) bekämpfen, was keinen anderen Erfolg hat als gereizte ^ Polemik auf Kosten der sachlichen Probleme. Die Hoffnung Wie aus Steinen das Grün Am verödeten Tor, Dringt aus allen Ritzen Unglücklicher Tage Die Hoffnung hervor. Wir wandeln in Trauer Und Haben's nicht acht, Doch sie wächst in der Stille, Sie blühet, sie wuchert, Sie lockt und^sie lacht — O glückliche Torheit Der Menschenbrust, Auf dunkelsten Wegen Die Hoffnung zu hegen Uns unbewußt! Meta Port

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/38
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/38>, abgerufen am 24.11.2024.