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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Auseinandersetzung an dieser Stelle erübrigt. Theoretisch wird in diesen Betrieben
die zulässige Arbeitszeit durch den Moment der physischen Ermüdung bestimmt.
Letztere darf nur eine solche sein, das? die Gesundheit des Arbeiters reinen Schaden
darunter leidet. Die physische Ermüdung tritt nun je nach der Betriebsart zu
ganz verschiedenen Zeiten ein. Deshalb ist die Festsetzung eines einheitlichen
Stundentages für alle Arbeiter ein Unding. Viele Arbeiter werden hierbei über¬
müdet, während andere durchaus nicht erschöpft werden. Die Grundlage der
Festlegung des Arbeitstages muß der Kräfteverbrauch bilden und nicht ein
agitatorisches Schema. Dies gilt für alle Hand-, Land- und Kopfarbeiter.

Es ist aber auch klar, daß wenn der Kräfteverbrauch mit der Intensivierung
der Arbeit, d. h. mit der Vollendung der Arbeitsmaschinen und Methoden zunimmt,
und dadurch' die Arbeitskräfte sich schneller erschöpfen, die Arbeitszeit verkürzt-
werden musz.

Es ist sicher, daß für manche Beschäftigungsweisen heute schon der Acht¬
stundentag eine übermäßige Belastung bedeutet, für andere Berufe ist er angemessen.
Für die' große Masse hat er aber zurzeit noch keine Berechtigung. Hier kann
ein eine Verkürzung der Arbeitszeit erst gedacht werden, wenn die Arbeitsmethoden
vollendeter werden, oder wenn gewisse andere Voraussetzungen zur vollendeteren
Ausnutzung der Arbeitskraft des einzelnen geschaffen sind.

Die Natur hat dem Menschen selbst Grenzen in seiner Arbeit gesetzt. Sie
hat ihn dem 24stündigen Tage angepaßt, der wieder je zur Hälfte in Nacht und
Tag zerfällt. Nach diesen ist das menschliche Leben geordnet und so wird es
auch bleiben. Jede Verkürzung der Arbeitszeit bedeutet daher eine Verlängerung
der Ruhe- und Erholungszeit. Es muß nun der Punkt kommen, wo der Mensch
am Tage mehr Erholungszeit hat als er benötigt. Denn, wenn wir den Grund¬
satz aufstellen, daß die Arbeitsermüdung nur eine solche sein darf, daß keine ge-
sundhmlichen Schädigungen daraus entstehen, so muß der normale, gesunde
Mensch mit 8 Stunden Schlaf erholt sein. Geben wir ihm 4 weitere Stunden
zum Essen und Vergnügen, so bleiben noch 4 Stunden am Tage übrig. Ich
gehe wohl nicht fehl mit der Annahme, daß diese Zeit in den meisten Fällen
nicht genutzt wird und der Nation verloren geht. Was macht der Durchschnitt
mit dieser Zeit? Von der Ausnutzungsmöglichkeit dieser Stunden wird im wesent¬
lichen die weitere Verkürzung der Arbeitszeit bei der großen Masse unserer Hcmd-
und Kopfarbeiter abhängig zu machen sein.

Jede Minute, die hier verloren geht, ist ein Verlust im internationalen
Konkurrenzkampf und ein Minus am Nationalvermögen und am Wohlstande der
Arbeiter. Nun ist es natürlich, daß ein Arbeiter, der 8 Stunden z.B. eine Maschine
bedient hat, die ihn zur äußersten AusnuMng seiner physischen Kraft zwingt, die ihm
vcrbleibendeZeit derArbeitsmöglichkeit müde in der gleichenForm wie in den 8Arbeits-
stunden verbringen kann. Wenn er Ökonomie mit seinen Kräften treiben will, so wird
er sich für diese Zeit eine Beschäftigung suchen müssen, die ihn körperlich nicht an¬
strengt, ihn aber von anderen N.roer Gebrauch machen läßt, als bei seiner acht¬
stündigen Arbeitzeit ausgenutzt wurden. Ein Schwerarbeiter, den seine Tätigkeit
zu großem Kräfteverbrauch zwingt, ist geeignet, sich in der ihm verbleibenden
Zeit der Arbeitsmöglichkeit theoretisch weiter zu bilden, um später einen höheren
Arbeitsbereich in dem Betriebe, in dem er tätig ist, einnehmen zu können.
(Arbciterfortbildung)., Oder er wird einen Beruf erlernen, mit dem eine sitzende,
wenig Körperkräfte verbrauchende und geistig unterhaltende Tätigkeit verbunden ist.
Um ein Beispiel zu geben, kann er sich mit der Uhrmacherei, der Feinmechanik,
der Schnitzerei oder sonstigem Kunsthandwerk je nach persönlicher Veranlagung
befassen, und so noch produktiv tätig sein. Nach dem gleichen Grundsatze wird
man für solche Arbeiter, die in ihrer achtstündigen Arbeitszeit eine rein sitzende
den Körper wenig anstrengende Tätigkeit ausüben, einen Nebenberuf in freier
Luft zu finden haben, der ihm ermöglicht, seine Glieder und Lungen von der
Staublust zu erholen. Derartiger Möglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel den
Garten- und Feldbau. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es bei intensiver Bewirt-


Auseinandersetzung an dieser Stelle erübrigt. Theoretisch wird in diesen Betrieben
die zulässige Arbeitszeit durch den Moment der physischen Ermüdung bestimmt.
Letztere darf nur eine solche sein, das? die Gesundheit des Arbeiters reinen Schaden
darunter leidet. Die physische Ermüdung tritt nun je nach der Betriebsart zu
ganz verschiedenen Zeiten ein. Deshalb ist die Festsetzung eines einheitlichen
Stundentages für alle Arbeiter ein Unding. Viele Arbeiter werden hierbei über¬
müdet, während andere durchaus nicht erschöpft werden. Die Grundlage der
Festlegung des Arbeitstages muß der Kräfteverbrauch bilden und nicht ein
agitatorisches Schema. Dies gilt für alle Hand-, Land- und Kopfarbeiter.

Es ist aber auch klar, daß wenn der Kräfteverbrauch mit der Intensivierung
der Arbeit, d. h. mit der Vollendung der Arbeitsmaschinen und Methoden zunimmt,
und dadurch' die Arbeitskräfte sich schneller erschöpfen, die Arbeitszeit verkürzt-
werden musz.

Es ist sicher, daß für manche Beschäftigungsweisen heute schon der Acht¬
stundentag eine übermäßige Belastung bedeutet, für andere Berufe ist er angemessen.
Für die' große Masse hat er aber zurzeit noch keine Berechtigung. Hier kann
ein eine Verkürzung der Arbeitszeit erst gedacht werden, wenn die Arbeitsmethoden
vollendeter werden, oder wenn gewisse andere Voraussetzungen zur vollendeteren
Ausnutzung der Arbeitskraft des einzelnen geschaffen sind.

Die Natur hat dem Menschen selbst Grenzen in seiner Arbeit gesetzt. Sie
hat ihn dem 24stündigen Tage angepaßt, der wieder je zur Hälfte in Nacht und
Tag zerfällt. Nach diesen ist das menschliche Leben geordnet und so wird es
auch bleiben. Jede Verkürzung der Arbeitszeit bedeutet daher eine Verlängerung
der Ruhe- und Erholungszeit. Es muß nun der Punkt kommen, wo der Mensch
am Tage mehr Erholungszeit hat als er benötigt. Denn, wenn wir den Grund¬
satz aufstellen, daß die Arbeitsermüdung nur eine solche sein darf, daß keine ge-
sundhmlichen Schädigungen daraus entstehen, so muß der normale, gesunde
Mensch mit 8 Stunden Schlaf erholt sein. Geben wir ihm 4 weitere Stunden
zum Essen und Vergnügen, so bleiben noch 4 Stunden am Tage übrig. Ich
gehe wohl nicht fehl mit der Annahme, daß diese Zeit in den meisten Fällen
nicht genutzt wird und der Nation verloren geht. Was macht der Durchschnitt
mit dieser Zeit? Von der Ausnutzungsmöglichkeit dieser Stunden wird im wesent¬
lichen die weitere Verkürzung der Arbeitszeit bei der großen Masse unserer Hcmd-
und Kopfarbeiter abhängig zu machen sein.

Jede Minute, die hier verloren geht, ist ein Verlust im internationalen
Konkurrenzkampf und ein Minus am Nationalvermögen und am Wohlstande der
Arbeiter. Nun ist es natürlich, daß ein Arbeiter, der 8 Stunden z.B. eine Maschine
bedient hat, die ihn zur äußersten AusnuMng seiner physischen Kraft zwingt, die ihm
vcrbleibendeZeit derArbeitsmöglichkeit müde in der gleichenForm wie in den 8Arbeits-
stunden verbringen kann. Wenn er Ökonomie mit seinen Kräften treiben will, so wird
er sich für diese Zeit eine Beschäftigung suchen müssen, die ihn körperlich nicht an¬
strengt, ihn aber von anderen N.roer Gebrauch machen läßt, als bei seiner acht¬
stündigen Arbeitzeit ausgenutzt wurden. Ein Schwerarbeiter, den seine Tätigkeit
zu großem Kräfteverbrauch zwingt, ist geeignet, sich in der ihm verbleibenden
Zeit der Arbeitsmöglichkeit theoretisch weiter zu bilden, um später einen höheren
Arbeitsbereich in dem Betriebe, in dem er tätig ist, einnehmen zu können.
(Arbciterfortbildung)., Oder er wird einen Beruf erlernen, mit dem eine sitzende,
wenig Körperkräfte verbrauchende und geistig unterhaltende Tätigkeit verbunden ist.
Um ein Beispiel zu geben, kann er sich mit der Uhrmacherei, der Feinmechanik,
der Schnitzerei oder sonstigem Kunsthandwerk je nach persönlicher Veranlagung
befassen, und so noch produktiv tätig sein. Nach dem gleichen Grundsatze wird
man für solche Arbeiter, die in ihrer achtstündigen Arbeitszeit eine rein sitzende
den Körper wenig anstrengende Tätigkeit ausüben, einen Nebenberuf in freier
Luft zu finden haben, der ihm ermöglicht, seine Glieder und Lungen von der
Staublust zu erholen. Derartiger Möglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel den
Garten- und Feldbau. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es bei intensiver Bewirt-


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[0321] Auseinandersetzung an dieser Stelle erübrigt. Theoretisch wird in diesen Betrieben die zulässige Arbeitszeit durch den Moment der physischen Ermüdung bestimmt. Letztere darf nur eine solche sein, das? die Gesundheit des Arbeiters reinen Schaden darunter leidet. Die physische Ermüdung tritt nun je nach der Betriebsart zu ganz verschiedenen Zeiten ein. Deshalb ist die Festsetzung eines einheitlichen Stundentages für alle Arbeiter ein Unding. Viele Arbeiter werden hierbei über¬ müdet, während andere durchaus nicht erschöpft werden. Die Grundlage der Festlegung des Arbeitstages muß der Kräfteverbrauch bilden und nicht ein agitatorisches Schema. Dies gilt für alle Hand-, Land- und Kopfarbeiter. Es ist aber auch klar, daß wenn der Kräfteverbrauch mit der Intensivierung der Arbeit, d. h. mit der Vollendung der Arbeitsmaschinen und Methoden zunimmt, und dadurch' die Arbeitskräfte sich schneller erschöpfen, die Arbeitszeit verkürzt- werden musz. Es ist sicher, daß für manche Beschäftigungsweisen heute schon der Acht¬ stundentag eine übermäßige Belastung bedeutet, für andere Berufe ist er angemessen. Für die' große Masse hat er aber zurzeit noch keine Berechtigung. Hier kann ein eine Verkürzung der Arbeitszeit erst gedacht werden, wenn die Arbeitsmethoden vollendeter werden, oder wenn gewisse andere Voraussetzungen zur vollendeteren Ausnutzung der Arbeitskraft des einzelnen geschaffen sind. Die Natur hat dem Menschen selbst Grenzen in seiner Arbeit gesetzt. Sie hat ihn dem 24stündigen Tage angepaßt, der wieder je zur Hälfte in Nacht und Tag zerfällt. Nach diesen ist das menschliche Leben geordnet und so wird es auch bleiben. Jede Verkürzung der Arbeitszeit bedeutet daher eine Verlängerung der Ruhe- und Erholungszeit. Es muß nun der Punkt kommen, wo der Mensch am Tage mehr Erholungszeit hat als er benötigt. Denn, wenn wir den Grund¬ satz aufstellen, daß die Arbeitsermüdung nur eine solche sein darf, daß keine ge- sundhmlichen Schädigungen daraus entstehen, so muß der normale, gesunde Mensch mit 8 Stunden Schlaf erholt sein. Geben wir ihm 4 weitere Stunden zum Essen und Vergnügen, so bleiben noch 4 Stunden am Tage übrig. Ich gehe wohl nicht fehl mit der Annahme, daß diese Zeit in den meisten Fällen nicht genutzt wird und der Nation verloren geht. Was macht der Durchschnitt mit dieser Zeit? Von der Ausnutzungsmöglichkeit dieser Stunden wird im wesent¬ lichen die weitere Verkürzung der Arbeitszeit bei der großen Masse unserer Hcmd- und Kopfarbeiter abhängig zu machen sein. Jede Minute, die hier verloren geht, ist ein Verlust im internationalen Konkurrenzkampf und ein Minus am Nationalvermögen und am Wohlstande der Arbeiter. Nun ist es natürlich, daß ein Arbeiter, der 8 Stunden z.B. eine Maschine bedient hat, die ihn zur äußersten AusnuMng seiner physischen Kraft zwingt, die ihm vcrbleibendeZeit derArbeitsmöglichkeit müde in der gleichenForm wie in den 8Arbeits- stunden verbringen kann. Wenn er Ökonomie mit seinen Kräften treiben will, so wird er sich für diese Zeit eine Beschäftigung suchen müssen, die ihn körperlich nicht an¬ strengt, ihn aber von anderen N.roer Gebrauch machen läßt, als bei seiner acht¬ stündigen Arbeitzeit ausgenutzt wurden. Ein Schwerarbeiter, den seine Tätigkeit zu großem Kräfteverbrauch zwingt, ist geeignet, sich in der ihm verbleibenden Zeit der Arbeitsmöglichkeit theoretisch weiter zu bilden, um später einen höheren Arbeitsbereich in dem Betriebe, in dem er tätig ist, einnehmen zu können. (Arbciterfortbildung)., Oder er wird einen Beruf erlernen, mit dem eine sitzende, wenig Körperkräfte verbrauchende und geistig unterhaltende Tätigkeit verbunden ist. Um ein Beispiel zu geben, kann er sich mit der Uhrmacherei, der Feinmechanik, der Schnitzerei oder sonstigem Kunsthandwerk je nach persönlicher Veranlagung befassen, und so noch produktiv tätig sein. Nach dem gleichen Grundsatze wird man für solche Arbeiter, die in ihrer achtstündigen Arbeitszeit eine rein sitzende den Körper wenig anstrengende Tätigkeit ausüben, einen Nebenberuf in freier Luft zu finden haben, der ihm ermöglicht, seine Glieder und Lungen von der Staublust zu erholen. Derartiger Möglichkeiten gibt es viele, zum Beispiel den Garten- und Feldbau. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es bei intensiver Bewirt-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/321>, abgerufen am 24.11.2024.