Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.Der K-Stundentaz -- ein nationales Unglück aufbau im Innern zu denken. Sicher würde dann nicht soviel zerstört werden, Um den Gewinn des Krieges für sich sicher zu stellen, werden sie in der Unter diesen Verhältnissen mutet es wie kindlicher Unverstand an, wenn, Eine solche zwar gut gemeinte, aber doch sehr übereilte Maßnahme der Die Konzentrierung der Arbeit kann nicht von heute auf morgen erfolgen Der K-Stundentaz — ein nationales Unglück aufbau im Innern zu denken. Sicher würde dann nicht soviel zerstört werden, Um den Gewinn des Krieges für sich sicher zu stellen, werden sie in der Unter diesen Verhältnissen mutet es wie kindlicher Unverstand an, wenn, Eine solche zwar gut gemeinte, aber doch sehr übereilte Maßnahme der Die Konzentrierung der Arbeit kann nicht von heute auf morgen erfolgen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88557"/> <fw type="header" place="top"> Der K-Stundentaz — ein nationales Unglück</fw><lb/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> aufbau im Innern zu denken. Sicher würde dann nicht soviel zerstört werden,<lb/> was doch mit Mühe und Not wieder aufgebaut werden muß! Es ist sich wohl<lb/> kein denkender Deutscher darüber im Zweifel, daß eine grundsätzliche Reform<lb/> unserer inneren Verhältnisse notwendig ist. denn die ganze Nation hat die Fehler<lb/> des alten Systems furchtbar zu büßen und trägt kein Verlangen nach einer Rück¬<lb/> kehr desselben. Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes will, daß an<lb/> Stelle des alten ein freies, auf demokratischer Grundlage aufgebautes Deutsch-<lb/> land ohne die Fehler des alten Systems, aber auch unter Hinnübernahme dessen,-<lb/> was an diesem gut war, erstehen möge. Sind wir nnn aber frei? Können wir<lb/> uns diese Demokratie zurzeit so einrichten, wie wir es für richtig hallen und wie<lb/> wir es gerne wollen, selbst vorausgesetzt, daß wir im Innern wirklich, einig über<lb/> die Art der Durchführung der Reformen wären, was leider nicht der Fall ist?<lb/> Wir sind es richti Vielmehr sind wir in eine solche Abhängigkeit von unseren<lb/> Gegnern — leider durch eigene Schuld — geraten, daß diese über uns zu be-<lb/> schließen haben. Selbst wenn diese — was noch gar nicht sicher steht — sich in<lb/> der nächsten Zukunft nicht direkt in unsere inneren Verhältnisse einmischen werden,<lb/> so werden sie es aber umsomehr indirekt tun, ohne daß wir imstande sind, uns<lb/> dagegen aufzulehnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1455"> Um den Gewinn des Krieges für sich sicher zu stellen, werden sie in der<lb/> Hauptsache eins von uns fordern, nämlich Arbeit und wieder Arbeit. Unser<lb/> Selbstbestimmungsrecht gewinnen wir erst wieder, wenn wir diese von unseren<lb/> Gegnern für notwendig erachtete Arbeit geleistet haben. Wir müssen in der<lb/> nächsten Zukunft doppelt arbeiten, um unser Selbstbestimmmigsrecht wieder zu<lb/> erlangen, um uns als freie Bürger unserer geliebten Heimat fühlen zu können.<lb/> Alle anderen Gedanken haben hinter diesem wichtigsten zurückzutreten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1456"> Unter diesen Verhältnissen mutet es wie kindlicher Unverstand an, wenn,<lb/> wie wir es in den letzten Wochen häufig feststellen konnten, alles getan wird, um<lb/> unsere Arbeitskraft zu verringern, d. h. die Abhängigkeit von unseren Gegnern zu<lb/> verlängern, und die Durchführung der notwendigen großen inneren Reformen auf<lb/> eine unbestimmte Zeit hinauszuschieben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1457"> Eine solche zwar gut gemeinte, aber doch sehr übereilte Maßnahme der<lb/> derzeitigen Machthaber im deutschen Reiche ist der Achtstundentag. Er ist zunächst<lb/> eine theoretische Konstruktion und dadurch wird seine Durchführung zum Experiment.<lb/> Und zwar zu einem solchen, das an die Wurzeln unseres ganzen bisherigen<lb/> Wirtschaftslebens faßt. Ist es, wie der Krieg neben allen früheren Erfahrungen<lb/> zur Evidenz gezeigt hat, für ein Volk schon an und für sich eine große Gefahr,<lb/> in schwierigen Zeiten überhaupt in so weitem Maßstabe zu experimentieren, so ist<lb/> dies noch viel mehr der Fall, wenn sich ge^i dieses Experiment die gewichtigsten<lb/> Bedenken erheben lassen. Was bedeutet den.i der Achtstundentag, so wie er ein¬<lb/> geführt worden ist, für das deutsche Wirtschaftsleben? Kurz ausgedrückt lautet<lb/> die Antwort: Eine Verringerung der Produktion um ein Fünftel und damit<lb/> Erhöhung der Produktionskosten um mehr als das gleiche. Das heißt doch in<lb/> anderen Worten: Wir können weniger an das Ausland liefern und müssen es<lb/> zu teureren Preisen verkaufen, wenn wir ein dauerndes Geschäft machen wollen.<lb/> Man kann hier nun einwerfen, daß eine Verringerung der Arbeitsleistung nicht<lb/> unbedingte Folge der Verkürzung der Arbeitszeit sein muß, und daß der Arbeiter<lb/> bei guter Ernährung, konzentrierter Arbeit und entsprechender Organisation der<lb/> Betriebe dieselbe Durchschnittsleistung wie bisher erzielen könne. Abgesehen davon,<lb/> daß dies nur bei einer beschränkten Anzahl von Industrien und Betrieben mög¬<lb/> lich ist, würde dies doch eine gründliche Vorbereitung nicht nur in Organisation<lb/> und Arbeitsmethodik der Betriebe, sondern auch vor allen Dingen der Arbeiter<lb/> zu einer erhöhten Konzentration der Arbeit- zur Voraussetzung haben, und ich<lb/> glaube nicht, daß ein Betrieb nachgewiesen werden kann, der bei gleicher Arbeiter¬<lb/> zahl nnter Anwendung des Achtstundentages dasselbe leistet, wie vorher.</p><lb/> <p xml:id="ID_1458" next="#ID_1459"> Die Konzentrierung der Arbeit kann nicht von heute auf morgen erfolgen<lb/> — auf dem Papiere Wohl, aber nicht in der Praxis — sie ist auch wesentlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Der K-Stundentaz — ein nationales Unglück
aufbau im Innern zu denken. Sicher würde dann nicht soviel zerstört werden,
was doch mit Mühe und Not wieder aufgebaut werden muß! Es ist sich wohl
kein denkender Deutscher darüber im Zweifel, daß eine grundsätzliche Reform
unserer inneren Verhältnisse notwendig ist. denn die ganze Nation hat die Fehler
des alten Systems furchtbar zu büßen und trägt kein Verlangen nach einer Rück¬
kehr desselben. Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes will, daß an
Stelle des alten ein freies, auf demokratischer Grundlage aufgebautes Deutsch-
land ohne die Fehler des alten Systems, aber auch unter Hinnübernahme dessen,-
was an diesem gut war, erstehen möge. Sind wir nnn aber frei? Können wir
uns diese Demokratie zurzeit so einrichten, wie wir es für richtig hallen und wie
wir es gerne wollen, selbst vorausgesetzt, daß wir im Innern wirklich, einig über
die Art der Durchführung der Reformen wären, was leider nicht der Fall ist?
Wir sind es richti Vielmehr sind wir in eine solche Abhängigkeit von unseren
Gegnern — leider durch eigene Schuld — geraten, daß diese über uns zu be-
schließen haben. Selbst wenn diese — was noch gar nicht sicher steht — sich in
der nächsten Zukunft nicht direkt in unsere inneren Verhältnisse einmischen werden,
so werden sie es aber umsomehr indirekt tun, ohne daß wir imstande sind, uns
dagegen aufzulehnen.
Um den Gewinn des Krieges für sich sicher zu stellen, werden sie in der
Hauptsache eins von uns fordern, nämlich Arbeit und wieder Arbeit. Unser
Selbstbestimmungsrecht gewinnen wir erst wieder, wenn wir diese von unseren
Gegnern für notwendig erachtete Arbeit geleistet haben. Wir müssen in der
nächsten Zukunft doppelt arbeiten, um unser Selbstbestimmmigsrecht wieder zu
erlangen, um uns als freie Bürger unserer geliebten Heimat fühlen zu können.
Alle anderen Gedanken haben hinter diesem wichtigsten zurückzutreten.
Unter diesen Verhältnissen mutet es wie kindlicher Unverstand an, wenn,
wie wir es in den letzten Wochen häufig feststellen konnten, alles getan wird, um
unsere Arbeitskraft zu verringern, d. h. die Abhängigkeit von unseren Gegnern zu
verlängern, und die Durchführung der notwendigen großen inneren Reformen auf
eine unbestimmte Zeit hinauszuschieben.
Eine solche zwar gut gemeinte, aber doch sehr übereilte Maßnahme der
derzeitigen Machthaber im deutschen Reiche ist der Achtstundentag. Er ist zunächst
eine theoretische Konstruktion und dadurch wird seine Durchführung zum Experiment.
Und zwar zu einem solchen, das an die Wurzeln unseres ganzen bisherigen
Wirtschaftslebens faßt. Ist es, wie der Krieg neben allen früheren Erfahrungen
zur Evidenz gezeigt hat, für ein Volk schon an und für sich eine große Gefahr,
in schwierigen Zeiten überhaupt in so weitem Maßstabe zu experimentieren, so ist
dies noch viel mehr der Fall, wenn sich ge^i dieses Experiment die gewichtigsten
Bedenken erheben lassen. Was bedeutet den.i der Achtstundentag, so wie er ein¬
geführt worden ist, für das deutsche Wirtschaftsleben? Kurz ausgedrückt lautet
die Antwort: Eine Verringerung der Produktion um ein Fünftel und damit
Erhöhung der Produktionskosten um mehr als das gleiche. Das heißt doch in
anderen Worten: Wir können weniger an das Ausland liefern und müssen es
zu teureren Preisen verkaufen, wenn wir ein dauerndes Geschäft machen wollen.
Man kann hier nun einwerfen, daß eine Verringerung der Arbeitsleistung nicht
unbedingte Folge der Verkürzung der Arbeitszeit sein muß, und daß der Arbeiter
bei guter Ernährung, konzentrierter Arbeit und entsprechender Organisation der
Betriebe dieselbe Durchschnittsleistung wie bisher erzielen könne. Abgesehen davon,
daß dies nur bei einer beschränkten Anzahl von Industrien und Betrieben mög¬
lich ist, würde dies doch eine gründliche Vorbereitung nicht nur in Organisation
und Arbeitsmethodik der Betriebe, sondern auch vor allen Dingen der Arbeiter
zu einer erhöhten Konzentration der Arbeit- zur Voraussetzung haben, und ich
glaube nicht, daß ein Betrieb nachgewiesen werden kann, der bei gleicher Arbeiter¬
zahl nnter Anwendung des Achtstundentages dasselbe leistet, wie vorher.
Die Konzentrierung der Arbeit kann nicht von heute auf morgen erfolgen
— auf dem Papiere Wohl, aber nicht in der Praxis — sie ist auch wesentlich
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