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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Jahrhundert gewesen Ware! Dagegen heißt es in dein Raschdauschen Aufsatz:
"Nicht sowohl von der Existenz unseres Vertrages als vielmehr von der Staats¬
kunst des Fürsten Bismarck hing es ab, daß die fortdauernd kühlen Beziehungen
sich nicht weiter verschlechterten. Als dann mit seinem Ausscheiden das un¬
geheure Gewicht seines Namens entfiel, das keinem seiner Nachfolger, wer es
auch sei, beiwohnen konnte, mußte die Frage in den Vordergrund treten, ob dem
Vertrag die ursprünglich zugedachte Bedeutung noch beizumessen sei und ob bei
einer längeren Fortdauer nicht, unser Verhältnis, in erster Linie zu Österreich-
Ungarn, dann aber auch zu anderen Staaten, denen gegenüber wir in unseren
Bewegungen durch das Abkommen eingeschränkt waren, darunter leiden müsse."

Wie oft hat Fürst Bismarck während seiner Amtszeit über die brutale
panrussische Erobererpolitik gestöhnt und sich dagegen aufgebäumt, der "Vasall"
oder, wie sich der Abg. Jörg einmal .ausdrückte, der "Kettenhund des Pan-
slawismus" zu sein! Noch um Jahre 1897 aber hegte er Zweifel an einem ver¬
brieften Bunde zwischen Rußland und Frankreich. Nachdem endlich bei dem Be¬
suche des Präsidenten Faure in Petersburg vom Zaren Nikolaus des Zweiten
das in Paris sehnlich erwartete Wort Allianz ausgesprochen war, sagte er zu dem
Herausgeber der "Zukunft":") nstions kllioes könnte unter Umständen eine
bloße Artigkeit, .eine Unterstreichung des ebenso unverbindlicher Wortes nstion"
armes gewesen sein, schwerlich würde auch der Inhalt eines Vertrags, wenn
überhaupt einer existiere, den Franzosen gefallen, man überschätze heutzutage
vielfach das Dekorative in der Politik. Woran er mit der Hartnäckigkeit des
hohen Lebensalters im.Gedenken längst vergangener Zeiten nicht glauben mochte,
das war schon am 27. August 1891 durch einen Notenaustausch begonnen und
1892 durch eine Militärkonvention, 1894 weiter durch einen förmlichen Bündnis¬
vertrag vervollständigt worden.

Unter dem Tiiel "Die deutsche Weltfrage" schrieb Dvßojewsli in einem im
Mai 1877 veröffeiulichten Amiet:"j ,,l1ut da kommt nun noch (zu der vilen
Gewöhnung der Denischen c"> Zeripaltung. die nicht so schnell ve> schwinde wie
ein ousgell'unteres Glas Wasw) da!' Nninrgesctz selber sino: Deutschland ist
in Europa immerhin das Land, das in der Mitte liegt. Wie start es auch sein
mag -- auf der einen Seile bleibt Frankreich, auf der anderen Rusland Es ist
ja wahr, die Nüssen sind- vorläufig noch höflich. Wie aber, wenn sie plötzlich er¬
raten, daß nicht sie des Bündnis mit Deutschland brauchen, woh> aber Deutich-
l::ut das Bündnis mit Rußland, und überdies noch, daß die Mhänchgk'it von
dein Bündnis mit Rußland allein Anschein nach die verhängnisvolle B ftimmnng
Deutschlands ist und besonders seit dein denses^fianzöfisch u wiege ("n Oriuinol
gesperrt gedruckt). Das ist es ja, warum an die allzu große Ehrerbietung Ru߬
land!:' selbst ein von seiner Kruft so überzeugter Mensch/ wie B'!>marck, rictu im-
stande ist zu glcinben" Was der geniale, die deutsche Nuliur Ueb.nde. aber von
mystischem Glauben ein die Herrlichkeit des russischen Gones beherrschte Dichter
vom Erraten seiner Russen ahnte, traf bald genug ein, und uleichzeitig wiutis das
Mißtrauen, von dem sich der deutsche Kraftmensch gegenüber der rusnschen Ehr¬
erbietung leiten ließ. Aber nur auf die Dauer seiner Amtszeit. Der Biswarck
im Ruhsstande ließ in seimn vielen öffentlichen Äußerungen 'meng mehr davon
merken, und so wurde die unuerbrüchliche Freundschaft mit Rußland in dem
weiten Kreise seiner dankbaren Verehrer allmählich zum Dogma.

Im inneren Zusammenhang mit den Ermahnungen zum engen Anschluß
an Nuszlund standen die Angriffe des entamteteu Kämpfers . ge.im den neun
Polenturs in Preußen. Die Politik Caprivis nach innen war auf mänlichste Zu-
saminenfafsrng aller Kruste, mit El Schluß der ehemaligen "Neichsfeinde". einge¬
stellt. Die Hauptbeschwerdcn der dentschen Katholiken waren schon von Bismarck
durch den Nbbnn der preußischen Maigesetze gewittert worden, dagegen fand der




") Siehe "Zukunft" vom 4. Sept. 1897.
>", F. N. Dostojewski: "Pouihche Sctuiftm", 2. Auflage, München 1917, S. 76 f.

Jahrhundert gewesen Ware! Dagegen heißt es in dein Raschdauschen Aufsatz:
„Nicht sowohl von der Existenz unseres Vertrages als vielmehr von der Staats¬
kunst des Fürsten Bismarck hing es ab, daß die fortdauernd kühlen Beziehungen
sich nicht weiter verschlechterten. Als dann mit seinem Ausscheiden das un¬
geheure Gewicht seines Namens entfiel, das keinem seiner Nachfolger, wer es
auch sei, beiwohnen konnte, mußte die Frage in den Vordergrund treten, ob dem
Vertrag die ursprünglich zugedachte Bedeutung noch beizumessen sei und ob bei
einer längeren Fortdauer nicht, unser Verhältnis, in erster Linie zu Österreich-
Ungarn, dann aber auch zu anderen Staaten, denen gegenüber wir in unseren
Bewegungen durch das Abkommen eingeschränkt waren, darunter leiden müsse."

Wie oft hat Fürst Bismarck während seiner Amtszeit über die brutale
panrussische Erobererpolitik gestöhnt und sich dagegen aufgebäumt, der „Vasall"
oder, wie sich der Abg. Jörg einmal .ausdrückte, der „Kettenhund des Pan-
slawismus" zu sein! Noch um Jahre 1897 aber hegte er Zweifel an einem ver¬
brieften Bunde zwischen Rußland und Frankreich. Nachdem endlich bei dem Be¬
suche des Präsidenten Faure in Petersburg vom Zaren Nikolaus des Zweiten
das in Paris sehnlich erwartete Wort Allianz ausgesprochen war, sagte er zu dem
Herausgeber der „Zukunft":") nstions kllioes könnte unter Umständen eine
bloße Artigkeit, .eine Unterstreichung des ebenso unverbindlicher Wortes nstion«
armes gewesen sein, schwerlich würde auch der Inhalt eines Vertrags, wenn
überhaupt einer existiere, den Franzosen gefallen, man überschätze heutzutage
vielfach das Dekorative in der Politik. Woran er mit der Hartnäckigkeit des
hohen Lebensalters im.Gedenken längst vergangener Zeiten nicht glauben mochte,
das war schon am 27. August 1891 durch einen Notenaustausch begonnen und
1892 durch eine Militärkonvention, 1894 weiter durch einen förmlichen Bündnis¬
vertrag vervollständigt worden.

Unter dem Tiiel „Die deutsche Weltfrage" schrieb Dvßojewsli in einem im
Mai 1877 veröffeiulichten Amiet:"j ,,l1ut da kommt nun noch (zu der vilen
Gewöhnung der Denischen c»> Zeripaltung. die nicht so schnell ve> schwinde wie
ein ousgell'unteres Glas Wasw) da!' Nninrgesctz selber sino: Deutschland ist
in Europa immerhin das Land, das in der Mitte liegt. Wie start es auch sein
mag — auf der einen Seile bleibt Frankreich, auf der anderen Rusland Es ist
ja wahr, die Nüssen sind- vorläufig noch höflich. Wie aber, wenn sie plötzlich er¬
raten, daß nicht sie des Bündnis mit Deutschland brauchen, woh> aber Deutich-
l::ut das Bündnis mit Rußland, und überdies noch, daß die Mhänchgk'it von
dein Bündnis mit Rußland allein Anschein nach die verhängnisvolle B ftimmnng
Deutschlands ist und besonders seit dein denses^fianzöfisch u wiege (»n Oriuinol
gesperrt gedruckt). Das ist es ja, warum an die allzu große Ehrerbietung Ru߬
land!:' selbst ein von seiner Kruft so überzeugter Mensch/ wie B'!>marck, rictu im-
stande ist zu glcinben" Was der geniale, die deutsche Nuliur Ueb.nde. aber von
mystischem Glauben ein die Herrlichkeit des russischen Gones beherrschte Dichter
vom Erraten seiner Russen ahnte, traf bald genug ein, und uleichzeitig wiutis das
Mißtrauen, von dem sich der deutsche Kraftmensch gegenüber der rusnschen Ehr¬
erbietung leiten ließ. Aber nur auf die Dauer seiner Amtszeit. Der Biswarck
im Ruhsstande ließ in seimn vielen öffentlichen Äußerungen 'meng mehr davon
merken, und so wurde die unuerbrüchliche Freundschaft mit Rußland in dem
weiten Kreise seiner dankbaren Verehrer allmählich zum Dogma.

Im inneren Zusammenhang mit den Ermahnungen zum engen Anschluß
an Nuszlund standen die Angriffe des entamteteu Kämpfers . ge.im den neun
Polenturs in Preußen. Die Politik Caprivis nach innen war auf mänlichste Zu-
saminenfafsrng aller Kruste, mit El Schluß der ehemaligen „Neichsfeinde". einge¬
stellt. Die Hauptbeschwerdcn der dentschen Katholiken waren schon von Bismarck
durch den Nbbnn der preußischen Maigesetze gewittert worden, dagegen fand der




") Siehe „Zukunft" vom 4. Sept. 1897.
>«, F. N. Dostojewski: „Pouihche Sctuiftm", 2. Auflage, München 1917, S. 76 f.
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[0290] Jahrhundert gewesen Ware! Dagegen heißt es in dein Raschdauschen Aufsatz: „Nicht sowohl von der Existenz unseres Vertrages als vielmehr von der Staats¬ kunst des Fürsten Bismarck hing es ab, daß die fortdauernd kühlen Beziehungen sich nicht weiter verschlechterten. Als dann mit seinem Ausscheiden das un¬ geheure Gewicht seines Namens entfiel, das keinem seiner Nachfolger, wer es auch sei, beiwohnen konnte, mußte die Frage in den Vordergrund treten, ob dem Vertrag die ursprünglich zugedachte Bedeutung noch beizumessen sei und ob bei einer längeren Fortdauer nicht, unser Verhältnis, in erster Linie zu Österreich- Ungarn, dann aber auch zu anderen Staaten, denen gegenüber wir in unseren Bewegungen durch das Abkommen eingeschränkt waren, darunter leiden müsse." Wie oft hat Fürst Bismarck während seiner Amtszeit über die brutale panrussische Erobererpolitik gestöhnt und sich dagegen aufgebäumt, der „Vasall" oder, wie sich der Abg. Jörg einmal .ausdrückte, der „Kettenhund des Pan- slawismus" zu sein! Noch um Jahre 1897 aber hegte er Zweifel an einem ver¬ brieften Bunde zwischen Rußland und Frankreich. Nachdem endlich bei dem Be¬ suche des Präsidenten Faure in Petersburg vom Zaren Nikolaus des Zweiten das in Paris sehnlich erwartete Wort Allianz ausgesprochen war, sagte er zu dem Herausgeber der „Zukunft":") nstions kllioes könnte unter Umständen eine bloße Artigkeit, .eine Unterstreichung des ebenso unverbindlicher Wortes nstion« armes gewesen sein, schwerlich würde auch der Inhalt eines Vertrags, wenn überhaupt einer existiere, den Franzosen gefallen, man überschätze heutzutage vielfach das Dekorative in der Politik. Woran er mit der Hartnäckigkeit des hohen Lebensalters im.Gedenken längst vergangener Zeiten nicht glauben mochte, das war schon am 27. August 1891 durch einen Notenaustausch begonnen und 1892 durch eine Militärkonvention, 1894 weiter durch einen förmlichen Bündnis¬ vertrag vervollständigt worden. Unter dem Tiiel „Die deutsche Weltfrage" schrieb Dvßojewsli in einem im Mai 1877 veröffeiulichten Amiet:"j ,,l1ut da kommt nun noch (zu der vilen Gewöhnung der Denischen c»> Zeripaltung. die nicht so schnell ve> schwinde wie ein ousgell'unteres Glas Wasw) da!' Nninrgesctz selber sino: Deutschland ist in Europa immerhin das Land, das in der Mitte liegt. Wie start es auch sein mag — auf der einen Seile bleibt Frankreich, auf der anderen Rusland Es ist ja wahr, die Nüssen sind- vorläufig noch höflich. Wie aber, wenn sie plötzlich er¬ raten, daß nicht sie des Bündnis mit Deutschland brauchen, woh> aber Deutich- l::ut das Bündnis mit Rußland, und überdies noch, daß die Mhänchgk'it von dein Bündnis mit Rußland allein Anschein nach die verhängnisvolle B ftimmnng Deutschlands ist und besonders seit dein denses^fianzöfisch u wiege (»n Oriuinol gesperrt gedruckt). Das ist es ja, warum an die allzu große Ehrerbietung Ru߬ land!:' selbst ein von seiner Kruft so überzeugter Mensch/ wie B'!>marck, rictu im- stande ist zu glcinben" Was der geniale, die deutsche Nuliur Ueb.nde. aber von mystischem Glauben ein die Herrlichkeit des russischen Gones beherrschte Dichter vom Erraten seiner Russen ahnte, traf bald genug ein, und uleichzeitig wiutis das Mißtrauen, von dem sich der deutsche Kraftmensch gegenüber der rusnschen Ehr¬ erbietung leiten ließ. Aber nur auf die Dauer seiner Amtszeit. Der Biswarck im Ruhsstande ließ in seimn vielen öffentlichen Äußerungen 'meng mehr davon merken, und so wurde die unuerbrüchliche Freundschaft mit Rußland in dem weiten Kreise seiner dankbaren Verehrer allmählich zum Dogma. Im inneren Zusammenhang mit den Ermahnungen zum engen Anschluß an Nuszlund standen die Angriffe des entamteteu Kämpfers . ge.im den neun Polenturs in Preußen. Die Politik Caprivis nach innen war auf mänlichste Zu- saminenfafsrng aller Kruste, mit El Schluß der ehemaligen „Neichsfeinde". einge¬ stellt. Die Hauptbeschwerdcn der dentschen Katholiken waren schon von Bismarck durch den Nbbnn der preußischen Maigesetze gewittert worden, dagegen fand der ") Siehe „Zukunft" vom 4. Sept. 1897. >«, F. N. Dostojewski: „Pouihche Sctuiftm", 2. Auflage, München 1917, S. 76 f.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/290>, abgerufen am 24.11.2024.