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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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haben, auf die Versicherung, daß die guten dynastischen und amtlichen Be¬
ziehungen zwischen Petersburg und Berlin keinen Schaden gelitten hätten. In
der Tat waren sie in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, besonders
seit der Thronbesteigung des Zaren Nikolaus des Zweiten, viel freundlicher als
im letzten Jahrzehnt der Amtszeit des Fürsten Bismarck. Was bedeuteten aber
die notgedrungen schwachen Einwände Caprivis, Hohenlohes, Marschalls gegen¬
über dein vernichtenden Urteil eines Bismarck wegen der Nichterneuerung des
russisch-deutschen Versicherungsvertrags! Wie bei einem großen Teil der Zeit¬
genossen, so setzte sich bei den meisten späteren Geschichtsschreibern die Ansicht
fest, daß der Verzicht auf das' Abkommen ein folgenschwerer Fehler gewesen sei.
Erst während des Weltkrieges hat sich hierin ein Wandel angebahnt.' Hermann
Oncken ist in seinem gleichzeitig mit meinen Erinnerungen über den neuen Kurs
in den Druck gegebenen Werke: "Das alte und das neue Mitteleuropa" in eine
Nachprüfung des grimmigen Stempels eingetreten, den der große Kämpfer nach
seiner Entlassung auf jenen Verzicht gedrückt hat, und dabei zu einem ganz ähn¬
lichen Ergebnis wie ich gekommen.

Nun hat sich auch mein älterer Kollege aus dem Auswärtigen Amt, der
Gesandte a. D. Wirkliche Geheime Rat L. Raschdau, in den "Grenzboten" zu dem
gleichen Thema vernehmen lassen. Wie kaum ein anderer ist er berufen, mehr
Licht in das Dunkel der Geschichte des RückVersicherungsvertrags und seines
Werth für Teutschland zu bringen. Er war seit 1886 Vortragender Rat im
Auswärtigen Amt und seit seinem Übergang von der handelspolitischen in die
politische Abteilung (1888) mit Behandlung der russischen Angelegenheiten be¬
traut, er gehört zu den wenigen, die' den Inhalt des deutsch - russischen Ab¬
kommens genau kennen und ist unter den fünf oder sechs Amtspersonen,, die bei
dem Entschlüsse, auf die von Rußland, gewünschte Verlängerung nicht einzugehen,
mitgewirkt haben, der einzige Überlebende. Bei dem Besuche/ in Narwa (1890)
befand er sich mit dem Kanzler von Caprivi im kaiserlichen Gefolge.

Wie aufrichtig Raschdau den Altkanzler verehrte, geht aus seinen Bei¬
trägen zu den von Erich Marcks, A. v. Brauer u. a. herausgegebenen persön¬
lichen "Erinnerungen an Bismarck"") hervor. In seinem Grenzboten-Artikel
bestätigt Raschdau, daß der Zar, auf dessen Haltung Fürst Bismarck nach seinen
öffentlichen Erklärungen fest vertraute, gerade in der letzten Vertragsperiode "be¬
denkliche Beweise von Unsicherheit" zu erkennen gegeben hatte. Nach einer
Schilderung, wie sich die deutsch-russischen Beziehungen in den Jahren 1881 bis
18W tatsächlich entwickelt hatten, stellt Raschdau die Frage: "Kann ein Un¬
befangener, der sich diese Vorgänge (Ersatz des Nihilismus durch den Panslawis-
mus, russisch-französische Verbrüderungsfeste seit 1887, russische Maßregeln gegen
die Ausländer, besonders dos Deutschtum, deutscher Feldzug gegen die russischen
Werte kurz vor dem Besuch des Zaren in Berlin, darauf folgende Veröffent¬
lichung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnisvertrages usw.) ins Ge¬
dächtnis zurückruft, wirklich die Meinung hegen, daß der Nückversicherungs-
vertrag einen günstigen Einfluß auf die gegenseitigen Beziehungen der beiden
Großmächte geübt habe? Es läßt sich nur erwidern, daß ohne ihn die Lage viel-,
leicht noch gespannter gewesen wäre."

In meinen Erinnerungen hatte ich gesagt, daß sich nur ein Staatsmann
von der Meisterschaft und den unvergleichlich reichen Wirkungsmöglichkeiten
eines Bismarck zutrauen durfte, das Spiel mit den fünf Kugeln (Dreibund und
Ruckversicherungen mit Nußland Und Rumänien) auszuführen, ohne daß die
eine.mit der anderen karambolierte und zu Boden fiel. Infolgedessen sei der
Verzicht auf das russische Geheimabkommen eine Notwendigkeit gewesen, wenn
Bismarck ging. Einige .Kritiker wollten darin ein höchst blamables Zeugnis für
die Unfähigkeit der deutschen Diplomaten der nachbismarckschen Zeit erblicken.
Eine sonderbare Auslegung! Als ob Bismarck nur ein Diplomat von gutem
Durchschnitt, nicht aber der alles überragende Staatsmann Europas im vorigen



") Stuttgart und Berlin ISIS.
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haben, auf die Versicherung, daß die guten dynastischen und amtlichen Be¬
ziehungen zwischen Petersburg und Berlin keinen Schaden gelitten hätten. In
der Tat waren sie in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, besonders
seit der Thronbesteigung des Zaren Nikolaus des Zweiten, viel freundlicher als
im letzten Jahrzehnt der Amtszeit des Fürsten Bismarck. Was bedeuteten aber
die notgedrungen schwachen Einwände Caprivis, Hohenlohes, Marschalls gegen¬
über dein vernichtenden Urteil eines Bismarck wegen der Nichterneuerung des
russisch-deutschen Versicherungsvertrags! Wie bei einem großen Teil der Zeit¬
genossen, so setzte sich bei den meisten späteren Geschichtsschreibern die Ansicht
fest, daß der Verzicht auf das' Abkommen ein folgenschwerer Fehler gewesen sei.
Erst während des Weltkrieges hat sich hierin ein Wandel angebahnt.' Hermann
Oncken ist in seinem gleichzeitig mit meinen Erinnerungen über den neuen Kurs
in den Druck gegebenen Werke: „Das alte und das neue Mitteleuropa" in eine
Nachprüfung des grimmigen Stempels eingetreten, den der große Kämpfer nach
seiner Entlassung auf jenen Verzicht gedrückt hat, und dabei zu einem ganz ähn¬
lichen Ergebnis wie ich gekommen.

Nun hat sich auch mein älterer Kollege aus dem Auswärtigen Amt, der
Gesandte a. D. Wirkliche Geheime Rat L. Raschdau, in den „Grenzboten" zu dem
gleichen Thema vernehmen lassen. Wie kaum ein anderer ist er berufen, mehr
Licht in das Dunkel der Geschichte des RückVersicherungsvertrags und seines
Werth für Teutschland zu bringen. Er war seit 1886 Vortragender Rat im
Auswärtigen Amt und seit seinem Übergang von der handelspolitischen in die
politische Abteilung (1888) mit Behandlung der russischen Angelegenheiten be¬
traut, er gehört zu den wenigen, die' den Inhalt des deutsch - russischen Ab¬
kommens genau kennen und ist unter den fünf oder sechs Amtspersonen,, die bei
dem Entschlüsse, auf die von Rußland, gewünschte Verlängerung nicht einzugehen,
mitgewirkt haben, der einzige Überlebende. Bei dem Besuche/ in Narwa (1890)
befand er sich mit dem Kanzler von Caprivi im kaiserlichen Gefolge.

Wie aufrichtig Raschdau den Altkanzler verehrte, geht aus seinen Bei¬
trägen zu den von Erich Marcks, A. v. Brauer u. a. herausgegebenen persön¬
lichen „Erinnerungen an Bismarck"") hervor. In seinem Grenzboten-Artikel
bestätigt Raschdau, daß der Zar, auf dessen Haltung Fürst Bismarck nach seinen
öffentlichen Erklärungen fest vertraute, gerade in der letzten Vertragsperiode „be¬
denkliche Beweise von Unsicherheit" zu erkennen gegeben hatte. Nach einer
Schilderung, wie sich die deutsch-russischen Beziehungen in den Jahren 1881 bis
18W tatsächlich entwickelt hatten, stellt Raschdau die Frage: „Kann ein Un¬
befangener, der sich diese Vorgänge (Ersatz des Nihilismus durch den Panslawis-
mus, russisch-französische Verbrüderungsfeste seit 1887, russische Maßregeln gegen
die Ausländer, besonders dos Deutschtum, deutscher Feldzug gegen die russischen
Werte kurz vor dem Besuch des Zaren in Berlin, darauf folgende Veröffent¬
lichung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnisvertrages usw.) ins Ge¬
dächtnis zurückruft, wirklich die Meinung hegen, daß der Nückversicherungs-
vertrag einen günstigen Einfluß auf die gegenseitigen Beziehungen der beiden
Großmächte geübt habe? Es läßt sich nur erwidern, daß ohne ihn die Lage viel-,
leicht noch gespannter gewesen wäre."

In meinen Erinnerungen hatte ich gesagt, daß sich nur ein Staatsmann
von der Meisterschaft und den unvergleichlich reichen Wirkungsmöglichkeiten
eines Bismarck zutrauen durfte, das Spiel mit den fünf Kugeln (Dreibund und
Ruckversicherungen mit Nußland Und Rumänien) auszuführen, ohne daß die
eine.mit der anderen karambolierte und zu Boden fiel. Infolgedessen sei der
Verzicht auf das russische Geheimabkommen eine Notwendigkeit gewesen, wenn
Bismarck ging. Einige .Kritiker wollten darin ein höchst blamables Zeugnis für
die Unfähigkeit der deutschen Diplomaten der nachbismarckschen Zeit erblicken.
Eine sonderbare Auslegung! Als ob Bismarck nur ein Diplomat von gutem
Durchschnitt, nicht aber der alles überragende Staatsmann Europas im vorigen



") Stuttgart und Berlin ISIS.
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[0289] Bismarcks voimnchlius haben, auf die Versicherung, daß die guten dynastischen und amtlichen Be¬ ziehungen zwischen Petersburg und Berlin keinen Schaden gelitten hätten. In der Tat waren sie in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, besonders seit der Thronbesteigung des Zaren Nikolaus des Zweiten, viel freundlicher als im letzten Jahrzehnt der Amtszeit des Fürsten Bismarck. Was bedeuteten aber die notgedrungen schwachen Einwände Caprivis, Hohenlohes, Marschalls gegen¬ über dein vernichtenden Urteil eines Bismarck wegen der Nichterneuerung des russisch-deutschen Versicherungsvertrags! Wie bei einem großen Teil der Zeit¬ genossen, so setzte sich bei den meisten späteren Geschichtsschreibern die Ansicht fest, daß der Verzicht auf das' Abkommen ein folgenschwerer Fehler gewesen sei. Erst während des Weltkrieges hat sich hierin ein Wandel angebahnt.' Hermann Oncken ist in seinem gleichzeitig mit meinen Erinnerungen über den neuen Kurs in den Druck gegebenen Werke: „Das alte und das neue Mitteleuropa" in eine Nachprüfung des grimmigen Stempels eingetreten, den der große Kämpfer nach seiner Entlassung auf jenen Verzicht gedrückt hat, und dabei zu einem ganz ähn¬ lichen Ergebnis wie ich gekommen. Nun hat sich auch mein älterer Kollege aus dem Auswärtigen Amt, der Gesandte a. D. Wirkliche Geheime Rat L. Raschdau, in den „Grenzboten" zu dem gleichen Thema vernehmen lassen. Wie kaum ein anderer ist er berufen, mehr Licht in das Dunkel der Geschichte des RückVersicherungsvertrags und seines Werth für Teutschland zu bringen. Er war seit 1886 Vortragender Rat im Auswärtigen Amt und seit seinem Übergang von der handelspolitischen in die politische Abteilung (1888) mit Behandlung der russischen Angelegenheiten be¬ traut, er gehört zu den wenigen, die' den Inhalt des deutsch - russischen Ab¬ kommens genau kennen und ist unter den fünf oder sechs Amtspersonen,, die bei dem Entschlüsse, auf die von Rußland, gewünschte Verlängerung nicht einzugehen, mitgewirkt haben, der einzige Überlebende. Bei dem Besuche/ in Narwa (1890) befand er sich mit dem Kanzler von Caprivi im kaiserlichen Gefolge. Wie aufrichtig Raschdau den Altkanzler verehrte, geht aus seinen Bei¬ trägen zu den von Erich Marcks, A. v. Brauer u. a. herausgegebenen persön¬ lichen „Erinnerungen an Bismarck"") hervor. In seinem Grenzboten-Artikel bestätigt Raschdau, daß der Zar, auf dessen Haltung Fürst Bismarck nach seinen öffentlichen Erklärungen fest vertraute, gerade in der letzten Vertragsperiode „be¬ denkliche Beweise von Unsicherheit" zu erkennen gegeben hatte. Nach einer Schilderung, wie sich die deutsch-russischen Beziehungen in den Jahren 1881 bis 18W tatsächlich entwickelt hatten, stellt Raschdau die Frage: „Kann ein Un¬ befangener, der sich diese Vorgänge (Ersatz des Nihilismus durch den Panslawis- mus, russisch-französische Verbrüderungsfeste seit 1887, russische Maßregeln gegen die Ausländer, besonders dos Deutschtum, deutscher Feldzug gegen die russischen Werte kurz vor dem Besuch des Zaren in Berlin, darauf folgende Veröffent¬ lichung des deutsch-österreichisch-ungarischen Bündnisvertrages usw.) ins Ge¬ dächtnis zurückruft, wirklich die Meinung hegen, daß der Nückversicherungs- vertrag einen günstigen Einfluß auf die gegenseitigen Beziehungen der beiden Großmächte geübt habe? Es läßt sich nur erwidern, daß ohne ihn die Lage viel-, leicht noch gespannter gewesen wäre." In meinen Erinnerungen hatte ich gesagt, daß sich nur ein Staatsmann von der Meisterschaft und den unvergleichlich reichen Wirkungsmöglichkeiten eines Bismarck zutrauen durfte, das Spiel mit den fünf Kugeln (Dreibund und Ruckversicherungen mit Nußland Und Rumänien) auszuführen, ohne daß die eine.mit der anderen karambolierte und zu Boden fiel. Infolgedessen sei der Verzicht auf das russische Geheimabkommen eine Notwendigkeit gewesen, wenn Bismarck ging. Einige .Kritiker wollten darin ein höchst blamables Zeugnis für die Unfähigkeit der deutschen Diplomaten der nachbismarckschen Zeit erblicken. Eine sonderbare Auslegung! Als ob Bismarck nur ein Diplomat von gutem Durchschnitt, nicht aber der alles überragende Staatsmann Europas im vorigen ") Stuttgart und Berlin ISIS.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/289>, abgerufen am 23.07.2024.