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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Oentschöstcrrcich und seine Nachbarstaaten

Sprachinseln (Brunn, Olmütz, Marburg und so weiter) und Randgebiete Preis¬
gegeben werden. Eine Zeitlang hatte man -- wie in Tirol beim Einmärsche der
Bayern -- auch in Böhmen hoffen dürfen, daß das Deutsche Reich den Verteidi¬
gungskampf aufnehmen und die Grenzgebiete besetzen und schützen werde, und
selbst in den Alpenländern begann man Freiwillige für diesen Kampf des Gesamt-
oeutschtums zu werben, von dem wir eine Verbesserung der Waffenstillstands-
bedingungen erhofften. Aber das kam anders.

All diese Tumulte wirkten auf die in den Grenzboten Ur. 47 erwähnten
Verhandlungen mit den Slawen vielfach störend ein. Lage und Aussichten haben
sich aber auch durch das Vorgehen der Italiener nicht unwesentlich verändert.
Dazu kommt noch, daß innerhalb der Jugoflavia nicht nur die Meinungsunter¬
schiede über Staatsform und gegebenenfalls Herrscherhaus, sondern auch die
Gegensätze zwischen Serben, Kroaten und Slowenen allmählich schärfer hervor¬
treten. Die Abwehr der italienischen weitgehenden Ansprüche, aber auch die zu¬
nehmend aggressive Haltung gegen Ungarn und Deutschösterveich, bei der auch
der Einfluß der Tschechen und jener der leidenschaftlichen, tätigen und geschickten
Serben eine große Rolle spielt, verschleiern diese inneren Gegensätze uns werden
Wohl anch um so geflissentlicher betont, um sie zu verschleiern und zur Ruhe
kommen zu lassen. Aber die Stellung der kroatischen republikanischen Bauern¬
partei unter Radin und der Sozialdemokratie läßt sie deutlich erkennen. Trieft
und Fiume dürften weder den Südftawen verbleiben, noch jene unmiiteware
Selbständigkeit erlangen, für welche die Triester Sozialdemokratie noch vor kurzem
eintrat. Werden sie italienisch, so kann die Jugoslawia sie von ihrem deutschen
und ungarischen Hinterland absperren, und wird dies vielleicht in der Hitze der
Erregung alsbald versuchen. Das gemeinsame Interesse zwischen Südslawen und
Dcutschösterreichern an den Verkehr dieser Häfen und dem Zugang zu ihnen, in
dem eine wichtige Grundlage gegenseitiger Verständigung lag, wird dadurch aus¬
geschaltet und Dentschösterreich muß sich einen Zugang zur Adria sichern, der
nicht in den Händen der Slawen liegt. Mit andern Worten, es muß dahin
streben, an einer oder mehreren gut gangbaren Stellen unmittelbar an Italien
zu grenzen. Der Besitz von Tarvis und den Zugängen zum Predil und Pontebbe-
pasz, wo deutsche Sprachinseln von ziemlicher Größe sind, und ihr Zusammen¬
hang mit Vliland gewinnt dadurch an Wert, Ist es nicht zu erlangen, so ist es
das weitaus kleinere libet, wenn hier Italien seine wesentlich gesteigerten An¬
sprüche durchsetzt, als wenn ein -- an sich unnatürlich begrenzter -- Zipfel
slawischen Gebiets auch hier sich zwischen uns und Italien einschiebt und uns
nicht nur von Trieft, sondern auch von Venedig abriegelt. Wir können also in
der Streit zwischen südslawischem und italienischem Größenwahn nicht einseitig auf
die eine oder andere Seile treten; wir müssen unsere Unterstützung demjenigen
gewähren, der uns dafür mehr bieten kann und mehr gewährleisten will und eine
kluge Politik kann uns von beiden Seilen wertvolle Zugeständnisse sichern. Dabei
ist nicht zu übersehen, daß außerhalb Tirols kein unbedingter Gegensatz zu Italien
besteht, namentlich zu einem republikanischen Italien, das durchaus un Bereich
der Möglichkeit liegt. Aus Trieft sind wir in jedem Fall verdrängt und der
Gegensatz zwischen der klerikalen Habsburger- und der Savoyen-Dhnastie kommt
nicht mehr in Frage. Schwanken wir aber haltlos herum, so verderben wir es
mit beiden Teilen und der Gedanke mancher Südslawen, für das Zurückweichen
von Italien Ersatz auf unsere Kosten zu finden, kommt zur Verwirklichung. Wir
brauchen eine natürlich geschützte Grenze, die anch den Nachbar gegen uns gut
sondert und schützt. Die Kartuschen Alpen und Karawanken, der dünnbewohnte
waldige Bachem, die verwilderte Drau unterhalb Marburg stellen, je weiter west¬
lich desto ausgesprochener, eine solche dar, eine Scheide zwischen natürlichen Ver¬
kehrs- und Wirtschaftsgebieten. Sie verläuft größtenteils in slavonischem Sprach¬
gebiet, aber jede weiter nördlich gezogene Grenze, selbst die Dmulinie oberhalb
Marburg, die von den Slovenm immer mehr als Minimalgrenze ihrer Ansprüche
bezeichnet wird (früher war es ihr Maximum), würde dem jugoslawischen Staat
eine offene, zu Zwistigkeiten führende Begrenzung geben. Sie würde die Deutschen


Oentschöstcrrcich und seine Nachbarstaaten

Sprachinseln (Brunn, Olmütz, Marburg und so weiter) und Randgebiete Preis¬
gegeben werden. Eine Zeitlang hatte man — wie in Tirol beim Einmärsche der
Bayern — auch in Böhmen hoffen dürfen, daß das Deutsche Reich den Verteidi¬
gungskampf aufnehmen und die Grenzgebiete besetzen und schützen werde, und
selbst in den Alpenländern begann man Freiwillige für diesen Kampf des Gesamt-
oeutschtums zu werben, von dem wir eine Verbesserung der Waffenstillstands-
bedingungen erhofften. Aber das kam anders.

All diese Tumulte wirkten auf die in den Grenzboten Ur. 47 erwähnten
Verhandlungen mit den Slawen vielfach störend ein. Lage und Aussichten haben
sich aber auch durch das Vorgehen der Italiener nicht unwesentlich verändert.
Dazu kommt noch, daß innerhalb der Jugoflavia nicht nur die Meinungsunter¬
schiede über Staatsform und gegebenenfalls Herrscherhaus, sondern auch die
Gegensätze zwischen Serben, Kroaten und Slowenen allmählich schärfer hervor¬
treten. Die Abwehr der italienischen weitgehenden Ansprüche, aber auch die zu¬
nehmend aggressive Haltung gegen Ungarn und Deutschösterveich, bei der auch
der Einfluß der Tschechen und jener der leidenschaftlichen, tätigen und geschickten
Serben eine große Rolle spielt, verschleiern diese inneren Gegensätze uns werden
Wohl anch um so geflissentlicher betont, um sie zu verschleiern und zur Ruhe
kommen zu lassen. Aber die Stellung der kroatischen republikanischen Bauern¬
partei unter Radin und der Sozialdemokratie läßt sie deutlich erkennen. Trieft
und Fiume dürften weder den Südftawen verbleiben, noch jene unmiiteware
Selbständigkeit erlangen, für welche die Triester Sozialdemokratie noch vor kurzem
eintrat. Werden sie italienisch, so kann die Jugoslawia sie von ihrem deutschen
und ungarischen Hinterland absperren, und wird dies vielleicht in der Hitze der
Erregung alsbald versuchen. Das gemeinsame Interesse zwischen Südslawen und
Dcutschösterreichern an den Verkehr dieser Häfen und dem Zugang zu ihnen, in
dem eine wichtige Grundlage gegenseitiger Verständigung lag, wird dadurch aus¬
geschaltet und Dentschösterreich muß sich einen Zugang zur Adria sichern, der
nicht in den Händen der Slawen liegt. Mit andern Worten, es muß dahin
streben, an einer oder mehreren gut gangbaren Stellen unmittelbar an Italien
zu grenzen. Der Besitz von Tarvis und den Zugängen zum Predil und Pontebbe-
pasz, wo deutsche Sprachinseln von ziemlicher Größe sind, und ihr Zusammen¬
hang mit Vliland gewinnt dadurch an Wert, Ist es nicht zu erlangen, so ist es
das weitaus kleinere libet, wenn hier Italien seine wesentlich gesteigerten An¬
sprüche durchsetzt, als wenn ein — an sich unnatürlich begrenzter — Zipfel
slawischen Gebiets auch hier sich zwischen uns und Italien einschiebt und uns
nicht nur von Trieft, sondern auch von Venedig abriegelt. Wir können also in
der Streit zwischen südslawischem und italienischem Größenwahn nicht einseitig auf
die eine oder andere Seile treten; wir müssen unsere Unterstützung demjenigen
gewähren, der uns dafür mehr bieten kann und mehr gewährleisten will und eine
kluge Politik kann uns von beiden Seilen wertvolle Zugeständnisse sichern. Dabei
ist nicht zu übersehen, daß außerhalb Tirols kein unbedingter Gegensatz zu Italien
besteht, namentlich zu einem republikanischen Italien, das durchaus un Bereich
der Möglichkeit liegt. Aus Trieft sind wir in jedem Fall verdrängt und der
Gegensatz zwischen der klerikalen Habsburger- und der Savoyen-Dhnastie kommt
nicht mehr in Frage. Schwanken wir aber haltlos herum, so verderben wir es
mit beiden Teilen und der Gedanke mancher Südslawen, für das Zurückweichen
von Italien Ersatz auf unsere Kosten zu finden, kommt zur Verwirklichung. Wir
brauchen eine natürlich geschützte Grenze, die anch den Nachbar gegen uns gut
sondert und schützt. Die Kartuschen Alpen und Karawanken, der dünnbewohnte
waldige Bachem, die verwilderte Drau unterhalb Marburg stellen, je weiter west¬
lich desto ausgesprochener, eine solche dar, eine Scheide zwischen natürlichen Ver¬
kehrs- und Wirtschaftsgebieten. Sie verläuft größtenteils in slavonischem Sprach¬
gebiet, aber jede weiter nördlich gezogene Grenze, selbst die Dmulinie oberhalb
Marburg, die von den Slovenm immer mehr als Minimalgrenze ihrer Ansprüche
bezeichnet wird (früher war es ihr Maximum), würde dem jugoslawischen Staat
eine offene, zu Zwistigkeiten führende Begrenzung geben. Sie würde die Deutschen


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[0268] Oentschöstcrrcich und seine Nachbarstaaten Sprachinseln (Brunn, Olmütz, Marburg und so weiter) und Randgebiete Preis¬ gegeben werden. Eine Zeitlang hatte man — wie in Tirol beim Einmärsche der Bayern — auch in Böhmen hoffen dürfen, daß das Deutsche Reich den Verteidi¬ gungskampf aufnehmen und die Grenzgebiete besetzen und schützen werde, und selbst in den Alpenländern begann man Freiwillige für diesen Kampf des Gesamt- oeutschtums zu werben, von dem wir eine Verbesserung der Waffenstillstands- bedingungen erhofften. Aber das kam anders. All diese Tumulte wirkten auf die in den Grenzboten Ur. 47 erwähnten Verhandlungen mit den Slawen vielfach störend ein. Lage und Aussichten haben sich aber auch durch das Vorgehen der Italiener nicht unwesentlich verändert. Dazu kommt noch, daß innerhalb der Jugoflavia nicht nur die Meinungsunter¬ schiede über Staatsform und gegebenenfalls Herrscherhaus, sondern auch die Gegensätze zwischen Serben, Kroaten und Slowenen allmählich schärfer hervor¬ treten. Die Abwehr der italienischen weitgehenden Ansprüche, aber auch die zu¬ nehmend aggressive Haltung gegen Ungarn und Deutschösterveich, bei der auch der Einfluß der Tschechen und jener der leidenschaftlichen, tätigen und geschickten Serben eine große Rolle spielt, verschleiern diese inneren Gegensätze uns werden Wohl anch um so geflissentlicher betont, um sie zu verschleiern und zur Ruhe kommen zu lassen. Aber die Stellung der kroatischen republikanischen Bauern¬ partei unter Radin und der Sozialdemokratie läßt sie deutlich erkennen. Trieft und Fiume dürften weder den Südftawen verbleiben, noch jene unmiiteware Selbständigkeit erlangen, für welche die Triester Sozialdemokratie noch vor kurzem eintrat. Werden sie italienisch, so kann die Jugoslawia sie von ihrem deutschen und ungarischen Hinterland absperren, und wird dies vielleicht in der Hitze der Erregung alsbald versuchen. Das gemeinsame Interesse zwischen Südslawen und Dcutschösterreichern an den Verkehr dieser Häfen und dem Zugang zu ihnen, in dem eine wichtige Grundlage gegenseitiger Verständigung lag, wird dadurch aus¬ geschaltet und Dentschösterreich muß sich einen Zugang zur Adria sichern, der nicht in den Händen der Slawen liegt. Mit andern Worten, es muß dahin streben, an einer oder mehreren gut gangbaren Stellen unmittelbar an Italien zu grenzen. Der Besitz von Tarvis und den Zugängen zum Predil und Pontebbe- pasz, wo deutsche Sprachinseln von ziemlicher Größe sind, und ihr Zusammen¬ hang mit Vliland gewinnt dadurch an Wert, Ist es nicht zu erlangen, so ist es das weitaus kleinere libet, wenn hier Italien seine wesentlich gesteigerten An¬ sprüche durchsetzt, als wenn ein — an sich unnatürlich begrenzter — Zipfel slawischen Gebiets auch hier sich zwischen uns und Italien einschiebt und uns nicht nur von Trieft, sondern auch von Venedig abriegelt. Wir können also in der Streit zwischen südslawischem und italienischem Größenwahn nicht einseitig auf die eine oder andere Seile treten; wir müssen unsere Unterstützung demjenigen gewähren, der uns dafür mehr bieten kann und mehr gewährleisten will und eine kluge Politik kann uns von beiden Seilen wertvolle Zugeständnisse sichern. Dabei ist nicht zu übersehen, daß außerhalb Tirols kein unbedingter Gegensatz zu Italien besteht, namentlich zu einem republikanischen Italien, das durchaus un Bereich der Möglichkeit liegt. Aus Trieft sind wir in jedem Fall verdrängt und der Gegensatz zwischen der klerikalen Habsburger- und der Savoyen-Dhnastie kommt nicht mehr in Frage. Schwanken wir aber haltlos herum, so verderben wir es mit beiden Teilen und der Gedanke mancher Südslawen, für das Zurückweichen von Italien Ersatz auf unsere Kosten zu finden, kommt zur Verwirklichung. Wir brauchen eine natürlich geschützte Grenze, die anch den Nachbar gegen uns gut sondert und schützt. Die Kartuschen Alpen und Karawanken, der dünnbewohnte waldige Bachem, die verwilderte Drau unterhalb Marburg stellen, je weiter west¬ lich desto ausgesprochener, eine solche dar, eine Scheide zwischen natürlichen Ver¬ kehrs- und Wirtschaftsgebieten. Sie verläuft größtenteils in slavonischem Sprach¬ gebiet, aber jede weiter nördlich gezogene Grenze, selbst die Dmulinie oberhalb Marburg, die von den Slovenm immer mehr als Minimalgrenze ihrer Ansprüche bezeichnet wird (früher war es ihr Maximum), würde dem jugoslawischen Staat eine offene, zu Zwistigkeiten führende Begrenzung geben. Sie würde die Deutschen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/268>, abgerufen am 24.11.2024.