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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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N""e erzählende Literatur

(Verlag Fr. W. Grunow, Leipzig), der in ansprechender Weise das Leben einer
elsässischen Kleinstadt schildert. Hoch über all diesem und mit keinem der er¬
wähnten Bücher auch nur zu vergleichen, steht jedoch der neue große Roman von
Hermann Stehr "Der Heiligenhos" (S. Fischer Verlag, Berlin). Formale Be¬
denken entstehen auch hier. Die spröde Enge von Stehrs früheren Werken ist
jetzt freilich durch eine großzügige reifere Formengeoung ausgeweidet, aber doch
möchte man dem großen Dichter leinen nicht krittelnden, doch beratenden Mentor
zur Seite wünschen, der hier einen Satz klarer rundet, dort eine Episode zurecht¬
rückt, hier eine breite und unnötige Reflexion streicht, dort Wiederholendes zu¬
sammenpreßt oder qualmend Loderndes zu wie immer ungefügen, so doch leuch¬
tendem Feuer reinigt. Auch meint man zu spüren, daß der Dichter seinem Werk
bei der letzten Feile noch nicht ganz kühl gegenüberstand, in einige Figuren zum
Nachteil der anderen sich verliebt hat, und mancherlei stehen geblieben ist, was auf
Konzeptverschiebungen während der Arbeit deutet. Wäre Stehr ein solcher
Berater gegeben, so hätte er dieses Werk nicht als "Dank!" an seine Retter hinaus¬
gehen zu lassen brauchen, denn menschlich hat Stehr so viel zu sagen, daß er bei
reiner künstlerischer Arbeit, die ihm mehr aus innerer echt deutscher Überfülle,
denn aus gelegentlichem künstlerischen Versagen nicht durchweg zu gelingen
scheint, einer umfassenden und überzeugenden Wirkung gewiß sein kann. Das
ganze Westsalentum, wo es ans Rheinland stößt, lebt in dein Werke, mit unge¬
bärdigen, rätselhafter, abgrundtiefen Charakteren, mit Goldsuchern und Fanatikern
voll unbändigen Wahnsinns und tiefer Gottverfunkenheit, mit irren Bettlern,
neidischen Bauern und seltsamem Sektirer- und Blindenwesen. Es ist ein Buch
voll zartester Menschlichkeit und sichcrgehender Mystik, durchwirkt von einer aller¬
dings lyrischen, aber lautersten und lebendigsten Poesie, die in Anschauung und
Formung die glücklichsten, energisch sich einprägenden Griffe tut, für ernste Men¬
schen ein Buch von fesselnder und nachhaltiger Wirkung.

Nicht minder tiefsinnig, wenn auch im Wollen durchaus im Rahmen der
Novelle bleibend und durch äußerste Konzentration, strengsten, hier und da frei¬
lich zu Manier verengten Stilwillen und ironische Lebensbetrachtung nur ge¬
übten und nachdenklichen Lesern zugänglich ist Carl Sternheims "Posinsky"
(Berlin, Verlag Heinrich Hochstim). Indem nämlich dem Dichter das formale
Bedürfnis, der rein rhetorischen Unwirklichkeitspoeste mit ihrer metaphorischen
Betrachtungsweise Kampf anzusagen, zu einer Angelegenheit der Weltanschauung
wurde, erschuf er unter dem Einfluß der Beobachtung, wie während des Krieges
bei den Zuhausegebliebenen alle geistigen Fragen im öffentlichen und
privaten Leben tatsächlich und kaum versteckt den rein materiellen Nahrungs¬
mittelnöten nachgesetzt wurden, die Figur eines philosophischen Hamsterers, der,
allein seiner leiblichen Gedeihnis hingegeben, voll tückischer Schadenfreude zu¬
sieht, wie ein Schiller deklamierendes Schauspielerpaar bei sür derlei Erregun¬
gen unzureichender Nahrung in posierendem Idealismus zugrunde geht. Das
geistreichen Werkchen ist allerdings weniger eine Erzählung als die Umschreibung
eines Charakters, aber so sest und sicher geformt, daß man trotz der kalten Men¬
schenverachtung, die unausgesprochen hinter dem Ganzen steht, schon um der
vorzüglichen Arbeit willen, viel Freude an ihm haben kann.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann._




Nachdruck sämtlicher Rufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des BcrlagS aeswttet.
Berautwortlich: der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterielde West, -- Manuttrivtfeudungen "ut
Bricke werden erbeten unter der Adresse:
An die echriftleitun" der Grenzboten in Berlin SW II, T-uiPelhof-r Ufer 35-.
Fernsprecher des Herausgebers! Amt Lichterfelde 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt "ützow Will.
Verlag: Verlag der Grenzboten W, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer User A>->
Druck .Der Reichsbote" G> in, b, H. in Berlin SW 11, Dessauer Striche SS/U?
N«»e erzählende Literatur

(Verlag Fr. W. Grunow, Leipzig), der in ansprechender Weise das Leben einer
elsässischen Kleinstadt schildert. Hoch über all diesem und mit keinem der er¬
wähnten Bücher auch nur zu vergleichen, steht jedoch der neue große Roman von
Hermann Stehr „Der Heiligenhos" (S. Fischer Verlag, Berlin). Formale Be¬
denken entstehen auch hier. Die spröde Enge von Stehrs früheren Werken ist
jetzt freilich durch eine großzügige reifere Formengeoung ausgeweidet, aber doch
möchte man dem großen Dichter leinen nicht krittelnden, doch beratenden Mentor
zur Seite wünschen, der hier einen Satz klarer rundet, dort eine Episode zurecht¬
rückt, hier eine breite und unnötige Reflexion streicht, dort Wiederholendes zu¬
sammenpreßt oder qualmend Loderndes zu wie immer ungefügen, so doch leuch¬
tendem Feuer reinigt. Auch meint man zu spüren, daß der Dichter seinem Werk
bei der letzten Feile noch nicht ganz kühl gegenüberstand, in einige Figuren zum
Nachteil der anderen sich verliebt hat, und mancherlei stehen geblieben ist, was auf
Konzeptverschiebungen während der Arbeit deutet. Wäre Stehr ein solcher
Berater gegeben, so hätte er dieses Werk nicht als „Dank!" an seine Retter hinaus¬
gehen zu lassen brauchen, denn menschlich hat Stehr so viel zu sagen, daß er bei
reiner künstlerischer Arbeit, die ihm mehr aus innerer echt deutscher Überfülle,
denn aus gelegentlichem künstlerischen Versagen nicht durchweg zu gelingen
scheint, einer umfassenden und überzeugenden Wirkung gewiß sein kann. Das
ganze Westsalentum, wo es ans Rheinland stößt, lebt in dein Werke, mit unge¬
bärdigen, rätselhafter, abgrundtiefen Charakteren, mit Goldsuchern und Fanatikern
voll unbändigen Wahnsinns und tiefer Gottverfunkenheit, mit irren Bettlern,
neidischen Bauern und seltsamem Sektirer- und Blindenwesen. Es ist ein Buch
voll zartester Menschlichkeit und sichcrgehender Mystik, durchwirkt von einer aller¬
dings lyrischen, aber lautersten und lebendigsten Poesie, die in Anschauung und
Formung die glücklichsten, energisch sich einprägenden Griffe tut, für ernste Men¬
schen ein Buch von fesselnder und nachhaltiger Wirkung.

Nicht minder tiefsinnig, wenn auch im Wollen durchaus im Rahmen der
Novelle bleibend und durch äußerste Konzentration, strengsten, hier und da frei¬
lich zu Manier verengten Stilwillen und ironische Lebensbetrachtung nur ge¬
übten und nachdenklichen Lesern zugänglich ist Carl Sternheims „Posinsky"
(Berlin, Verlag Heinrich Hochstim). Indem nämlich dem Dichter das formale
Bedürfnis, der rein rhetorischen Unwirklichkeitspoeste mit ihrer metaphorischen
Betrachtungsweise Kampf anzusagen, zu einer Angelegenheit der Weltanschauung
wurde, erschuf er unter dem Einfluß der Beobachtung, wie während des Krieges
bei den Zuhausegebliebenen alle geistigen Fragen im öffentlichen und
privaten Leben tatsächlich und kaum versteckt den rein materiellen Nahrungs¬
mittelnöten nachgesetzt wurden, die Figur eines philosophischen Hamsterers, der,
allein seiner leiblichen Gedeihnis hingegeben, voll tückischer Schadenfreude zu¬
sieht, wie ein Schiller deklamierendes Schauspielerpaar bei sür derlei Erregun¬
gen unzureichender Nahrung in posierendem Idealismus zugrunde geht. Das
geistreichen Werkchen ist allerdings weniger eine Erzählung als die Umschreibung
eines Charakters, aber so sest und sicher geformt, daß man trotz der kalten Men¬
schenverachtung, die unausgesprochen hinter dem Ganzen steht, schon um der
vorzüglichen Arbeit willen, viel Freude an ihm haben kann.






Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann._




Nachdruck sämtlicher Rufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des BcrlagS aeswttet.
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Bricke werden erbeten unter der Adresse:
An die echriftleitun» der Grenzboten in Berlin SW II, T-uiPelhof-r Ufer 35-.
Fernsprecher des Herausgebers! Amt Lichterfelde 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt ȟtzow Will.
Verlag: Verlag der Grenzboten W, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer User A>->
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[0256] N«»e erzählende Literatur (Verlag Fr. W. Grunow, Leipzig), der in ansprechender Weise das Leben einer elsässischen Kleinstadt schildert. Hoch über all diesem und mit keinem der er¬ wähnten Bücher auch nur zu vergleichen, steht jedoch der neue große Roman von Hermann Stehr „Der Heiligenhos" (S. Fischer Verlag, Berlin). Formale Be¬ denken entstehen auch hier. Die spröde Enge von Stehrs früheren Werken ist jetzt freilich durch eine großzügige reifere Formengeoung ausgeweidet, aber doch möchte man dem großen Dichter leinen nicht krittelnden, doch beratenden Mentor zur Seite wünschen, der hier einen Satz klarer rundet, dort eine Episode zurecht¬ rückt, hier eine breite und unnötige Reflexion streicht, dort Wiederholendes zu¬ sammenpreßt oder qualmend Loderndes zu wie immer ungefügen, so doch leuch¬ tendem Feuer reinigt. Auch meint man zu spüren, daß der Dichter seinem Werk bei der letzten Feile noch nicht ganz kühl gegenüberstand, in einige Figuren zum Nachteil der anderen sich verliebt hat, und mancherlei stehen geblieben ist, was auf Konzeptverschiebungen während der Arbeit deutet. Wäre Stehr ein solcher Berater gegeben, so hätte er dieses Werk nicht als „Dank!" an seine Retter hinaus¬ gehen zu lassen brauchen, denn menschlich hat Stehr so viel zu sagen, daß er bei reiner künstlerischer Arbeit, die ihm mehr aus innerer echt deutscher Überfülle, denn aus gelegentlichem künstlerischen Versagen nicht durchweg zu gelingen scheint, einer umfassenden und überzeugenden Wirkung gewiß sein kann. Das ganze Westsalentum, wo es ans Rheinland stößt, lebt in dein Werke, mit unge¬ bärdigen, rätselhafter, abgrundtiefen Charakteren, mit Goldsuchern und Fanatikern voll unbändigen Wahnsinns und tiefer Gottverfunkenheit, mit irren Bettlern, neidischen Bauern und seltsamem Sektirer- und Blindenwesen. Es ist ein Buch voll zartester Menschlichkeit und sichcrgehender Mystik, durchwirkt von einer aller¬ dings lyrischen, aber lautersten und lebendigsten Poesie, die in Anschauung und Formung die glücklichsten, energisch sich einprägenden Griffe tut, für ernste Men¬ schen ein Buch von fesselnder und nachhaltiger Wirkung. Nicht minder tiefsinnig, wenn auch im Wollen durchaus im Rahmen der Novelle bleibend und durch äußerste Konzentration, strengsten, hier und da frei¬ lich zu Manier verengten Stilwillen und ironische Lebensbetrachtung nur ge¬ übten und nachdenklichen Lesern zugänglich ist Carl Sternheims „Posinsky" (Berlin, Verlag Heinrich Hochstim). Indem nämlich dem Dichter das formale Bedürfnis, der rein rhetorischen Unwirklichkeitspoeste mit ihrer metaphorischen Betrachtungsweise Kampf anzusagen, zu einer Angelegenheit der Weltanschauung wurde, erschuf er unter dem Einfluß der Beobachtung, wie während des Krieges bei den Zuhausegebliebenen alle geistigen Fragen im öffentlichen und privaten Leben tatsächlich und kaum versteckt den rein materiellen Nahrungs¬ mittelnöten nachgesetzt wurden, die Figur eines philosophischen Hamsterers, der, allein seiner leiblichen Gedeihnis hingegeben, voll tückischer Schadenfreude zu¬ sieht, wie ein Schiller deklamierendes Schauspielerpaar bei sür derlei Erregun¬ gen unzureichender Nahrung in posierendem Idealismus zugrunde geht. Das geistreichen Werkchen ist allerdings weniger eine Erzählung als die Umschreibung eines Charakters, aber so sest und sicher geformt, daß man trotz der kalten Men¬ schenverachtung, die unausgesprochen hinter dem Ganzen steht, schon um der vorzüglichen Arbeit willen, viel Freude an ihm haben kann. Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann._ Nachdruck sämtlicher Rufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des BcrlagS aeswttet. Berautwortlich: der Herausgeber Georg Tleinow in Berlin-Lichterielde West, — Manuttrivtfeudungen „ut Bricke werden erbeten unter der Adresse: An die echriftleitun» der Grenzboten in Berlin SW II, T-uiPelhof-r Ufer 35-. Fernsprecher des Herausgebers! Amt Lichterfelde 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt »ützow Will. Verlag: Verlag der Grenzboten W, in, b, H, in Berlin SW II, Tempelhofer User A>-> Druck .Der Reichsbote" G> in, b, H. in Berlin SW 11, Dessauer Striche SS/U?

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/256>, abgerufen am 24.11.2024.