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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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"Zu tausend Zungen

dem Raubbau am deutschen Bauerntume nicht zu steuern vermöchten. Was also
nottut, ist erkennbar: Überwindung oder Paralysierung dieser Einseitigkeiten.

Eine Parcilysierung wäre möglich durch die Stärkung des Bauernstandes
in Deutschland. Materiell scheint der Krieg sie im großen schon bewirkt oder
angebahnt zu haben. Und so wäre abzuwarten, ob dieser materiellen Stärkung
eine intellektuelle folgen wird und kann. Eine solche Stärkung wäre von der
Regierung in jeder Weise zu fördern, denn sie stärkt damit das Fundament, auf
dem sie selber und die ganze, gesunde Zukunft unseres Landes und Volkes ruht.

Eine Überwindung wäre möglich durch stärkeres Eindringen der Boden¬
losen selbst in den Bodenbesitz. Also Heraushebung unserer Intellektuellen aus
ihrer phantasievollen Einseitigkeit -- Verselbständigung unserer Lohnarbeiter
durch die Ermöglichung eines Landbaues im kleinen, der ihnen die ersten Lebens¬
notwendigkeiten aus eigener Arbeit sichern und die innere und äußere Gesund¬
heit ihrer Frauen und Kinder durch die Arbeit im Freien stärken und schützen
würde. Daß eine solche Möglichkeit vorliegt, zeigt die Entwicklung während der
Kriegsjahre. Rings um unsere Städte drang fröhliche Arbeit in die brach¬
liegenden Plätze und verlassenen Schutthalden, und ein frisches Grünen und
Blühen gab Kunde von der notwehrenden Kraft, die hier ordnend und waltend
ihr Wer! begann. Und bei wie vielen jener "Intellektuellen" möchte nicht die Emp¬
findung aufleben, die Walther von der Vogelweide einst durchdrang, als die
Schenkung eines Lehens durch Kaiser Friedrich es ihm ermöglichte, von dem
"Umhertreiben auf der Gaukelfuhre" endlich am "am eigenen Herde" ausruhen
zu können. Und weiter brachte der Krieg ein erhöhtes Drängen aus der Enge
der Stadtwohnungen in Landwohnungen mit der Gelegenheit eigenen Garten¬
baues und eigener Kleinviehzucht. Schwein, Schaf, Ziege, Hühner, Kaninchen
und so weiter wurden wieder in weiterem Umfange zu Haustieren, und wem eS
damit glückte, wer hier seine Erfahrungen sammelte und seine Praxis erlernte,
wird gar manchmal weiter geführt: von der Ziege zur Kuh, vom Garten zu
einem Stück Ackerland: die kleine Landwirtschaft will werden, und dieses Werden
wäre nur zu begrüßen und zu unterstützen, denn hier wächst die Jugend und
Gesundheit unseres Volkes, das Selbständigkeitsgefühl des einzelnen, das Heim-
gefühl der Familien. Manches Stückchen Land wird seiner wildtreibenden Ver¬
kommenheit entrissen und von der segnenden Pflege menschlicher Arbeit und
Ordnung einer besseren und schöneren Bestimmung zugeführt. Die Ordnung
aber, die ein Mensch nach außen zu schaffen gezwungen ist, wenn nicht geites
Unkraut all sein Mühen überwuchern soll, wirkt auch nach innen auf ihn felbst
zurück. Da wird er dann lernen, daß Bildung von Bilden kommt, und daß daZ
ein Tun und Zugreifen und Schaffen bedeutet und nicht bloß ein Lesen und Aus¬
wendiglernen.

Dieser Wille aber, der Wille zu einer neuen Stetigkeit, zu einer neuen
"LuvAs" und "irisWs", wie es einmal hieß, zu einer neuen äußeren Ordnung
und einem inneren Maßhalten war in Deutschland im Werden begriffen, und
er ist es noch. Es ist der Wille, der als einzige Gewähr eines wahren Kultur-
strebens Vertrauen verdient/ und gerade ihn haben unsere Feinde nicht mehr
oder noch nicht, da sie diejenigen Elemente ihrer Bevölkerung in rücksichtsloser
Gewinngier vernachlässigten oder verkommen ließen, die allein die starken und
zuverlässigen Träger eines solchen Willens sind und zu sein vermögen.

Mit der Aufnahme der deutschen Sozialpolitik hatte sich dieser Wille zuerst
wieder stark bekundet. Er zeigte an, daß die Meinung sich geändert hatte, der
Bodenlose sei nur ein verkommenes Subjekt, dem man nur den vertragsmäßig
bedungenen Lohn schulde, und das man, wenn es sich muckse, einzusperren oder
totzuschießen habe. Das, was da als überschüssige Kraft aus dem Bauerntume
und aus den bürgerlichen Berufsständen "zur Fabrik" drängte, bestand, nicht
etwa nur aus verkommenen Bauern und Bürgern, sondern in diese neue Arbeit
drang der Wille des Emporkommens mit hinein. Man suchte den Weg, den man
in der alten Lage sozial und wirtschaftlich nicht zu finden vermochte. Und ein
Unglück war es, daß dieser Wille unter die Führung von Leuten geriet, die ihre


„Zu tausend Zungen

dem Raubbau am deutschen Bauerntume nicht zu steuern vermöchten. Was also
nottut, ist erkennbar: Überwindung oder Paralysierung dieser Einseitigkeiten.

Eine Parcilysierung wäre möglich durch die Stärkung des Bauernstandes
in Deutschland. Materiell scheint der Krieg sie im großen schon bewirkt oder
angebahnt zu haben. Und so wäre abzuwarten, ob dieser materiellen Stärkung
eine intellektuelle folgen wird und kann. Eine solche Stärkung wäre von der
Regierung in jeder Weise zu fördern, denn sie stärkt damit das Fundament, auf
dem sie selber und die ganze, gesunde Zukunft unseres Landes und Volkes ruht.

Eine Überwindung wäre möglich durch stärkeres Eindringen der Boden¬
losen selbst in den Bodenbesitz. Also Heraushebung unserer Intellektuellen aus
ihrer phantasievollen Einseitigkeit — Verselbständigung unserer Lohnarbeiter
durch die Ermöglichung eines Landbaues im kleinen, der ihnen die ersten Lebens¬
notwendigkeiten aus eigener Arbeit sichern und die innere und äußere Gesund¬
heit ihrer Frauen und Kinder durch die Arbeit im Freien stärken und schützen
würde. Daß eine solche Möglichkeit vorliegt, zeigt die Entwicklung während der
Kriegsjahre. Rings um unsere Städte drang fröhliche Arbeit in die brach¬
liegenden Plätze und verlassenen Schutthalden, und ein frisches Grünen und
Blühen gab Kunde von der notwehrenden Kraft, die hier ordnend und waltend
ihr Wer! begann. Und bei wie vielen jener „Intellektuellen" möchte nicht die Emp¬
findung aufleben, die Walther von der Vogelweide einst durchdrang, als die
Schenkung eines Lehens durch Kaiser Friedrich es ihm ermöglichte, von dem
„Umhertreiben auf der Gaukelfuhre" endlich am „am eigenen Herde" ausruhen
zu können. Und weiter brachte der Krieg ein erhöhtes Drängen aus der Enge
der Stadtwohnungen in Landwohnungen mit der Gelegenheit eigenen Garten¬
baues und eigener Kleinviehzucht. Schwein, Schaf, Ziege, Hühner, Kaninchen
und so weiter wurden wieder in weiterem Umfange zu Haustieren, und wem eS
damit glückte, wer hier seine Erfahrungen sammelte und seine Praxis erlernte,
wird gar manchmal weiter geführt: von der Ziege zur Kuh, vom Garten zu
einem Stück Ackerland: die kleine Landwirtschaft will werden, und dieses Werden
wäre nur zu begrüßen und zu unterstützen, denn hier wächst die Jugend und
Gesundheit unseres Volkes, das Selbständigkeitsgefühl des einzelnen, das Heim-
gefühl der Familien. Manches Stückchen Land wird seiner wildtreibenden Ver¬
kommenheit entrissen und von der segnenden Pflege menschlicher Arbeit und
Ordnung einer besseren und schöneren Bestimmung zugeführt. Die Ordnung
aber, die ein Mensch nach außen zu schaffen gezwungen ist, wenn nicht geites
Unkraut all sein Mühen überwuchern soll, wirkt auch nach innen auf ihn felbst
zurück. Da wird er dann lernen, daß Bildung von Bilden kommt, und daß daZ
ein Tun und Zugreifen und Schaffen bedeutet und nicht bloß ein Lesen und Aus¬
wendiglernen.

Dieser Wille aber, der Wille zu einer neuen Stetigkeit, zu einer neuen
„LuvAs" und „irisWs", wie es einmal hieß, zu einer neuen äußeren Ordnung
und einem inneren Maßhalten war in Deutschland im Werden begriffen, und
er ist es noch. Es ist der Wille, der als einzige Gewähr eines wahren Kultur-
strebens Vertrauen verdient/ und gerade ihn haben unsere Feinde nicht mehr
oder noch nicht, da sie diejenigen Elemente ihrer Bevölkerung in rücksichtsloser
Gewinngier vernachlässigten oder verkommen ließen, die allein die starken und
zuverlässigen Träger eines solchen Willens sind und zu sein vermögen.

Mit der Aufnahme der deutschen Sozialpolitik hatte sich dieser Wille zuerst
wieder stark bekundet. Er zeigte an, daß die Meinung sich geändert hatte, der
Bodenlose sei nur ein verkommenes Subjekt, dem man nur den vertragsmäßig
bedungenen Lohn schulde, und das man, wenn es sich muckse, einzusperren oder
totzuschießen habe. Das, was da als überschüssige Kraft aus dem Bauerntume
und aus den bürgerlichen Berufsständen „zur Fabrik" drängte, bestand, nicht
etwa nur aus verkommenen Bauern und Bürgern, sondern in diese neue Arbeit
drang der Wille des Emporkommens mit hinein. Man suchte den Weg, den man
in der alten Lage sozial und wirtschaftlich nicht zu finden vermochte. Und ein
Unglück war es, daß dieser Wille unter die Führung von Leuten geriet, die ihre


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[0025] „Zu tausend Zungen dem Raubbau am deutschen Bauerntume nicht zu steuern vermöchten. Was also nottut, ist erkennbar: Überwindung oder Paralysierung dieser Einseitigkeiten. Eine Parcilysierung wäre möglich durch die Stärkung des Bauernstandes in Deutschland. Materiell scheint der Krieg sie im großen schon bewirkt oder angebahnt zu haben. Und so wäre abzuwarten, ob dieser materiellen Stärkung eine intellektuelle folgen wird und kann. Eine solche Stärkung wäre von der Regierung in jeder Weise zu fördern, denn sie stärkt damit das Fundament, auf dem sie selber und die ganze, gesunde Zukunft unseres Landes und Volkes ruht. Eine Überwindung wäre möglich durch stärkeres Eindringen der Boden¬ losen selbst in den Bodenbesitz. Also Heraushebung unserer Intellektuellen aus ihrer phantasievollen Einseitigkeit — Verselbständigung unserer Lohnarbeiter durch die Ermöglichung eines Landbaues im kleinen, der ihnen die ersten Lebens¬ notwendigkeiten aus eigener Arbeit sichern und die innere und äußere Gesund¬ heit ihrer Frauen und Kinder durch die Arbeit im Freien stärken und schützen würde. Daß eine solche Möglichkeit vorliegt, zeigt die Entwicklung während der Kriegsjahre. Rings um unsere Städte drang fröhliche Arbeit in die brach¬ liegenden Plätze und verlassenen Schutthalden, und ein frisches Grünen und Blühen gab Kunde von der notwehrenden Kraft, die hier ordnend und waltend ihr Wer! begann. Und bei wie vielen jener „Intellektuellen" möchte nicht die Emp¬ findung aufleben, die Walther von der Vogelweide einst durchdrang, als die Schenkung eines Lehens durch Kaiser Friedrich es ihm ermöglichte, von dem „Umhertreiben auf der Gaukelfuhre" endlich am „am eigenen Herde" ausruhen zu können. Und weiter brachte der Krieg ein erhöhtes Drängen aus der Enge der Stadtwohnungen in Landwohnungen mit der Gelegenheit eigenen Garten¬ baues und eigener Kleinviehzucht. Schwein, Schaf, Ziege, Hühner, Kaninchen und so weiter wurden wieder in weiterem Umfange zu Haustieren, und wem eS damit glückte, wer hier seine Erfahrungen sammelte und seine Praxis erlernte, wird gar manchmal weiter geführt: von der Ziege zur Kuh, vom Garten zu einem Stück Ackerland: die kleine Landwirtschaft will werden, und dieses Werden wäre nur zu begrüßen und zu unterstützen, denn hier wächst die Jugend und Gesundheit unseres Volkes, das Selbständigkeitsgefühl des einzelnen, das Heim- gefühl der Familien. Manches Stückchen Land wird seiner wildtreibenden Ver¬ kommenheit entrissen und von der segnenden Pflege menschlicher Arbeit und Ordnung einer besseren und schöneren Bestimmung zugeführt. Die Ordnung aber, die ein Mensch nach außen zu schaffen gezwungen ist, wenn nicht geites Unkraut all sein Mühen überwuchern soll, wirkt auch nach innen auf ihn felbst zurück. Da wird er dann lernen, daß Bildung von Bilden kommt, und daß daZ ein Tun und Zugreifen und Schaffen bedeutet und nicht bloß ein Lesen und Aus¬ wendiglernen. Dieser Wille aber, der Wille zu einer neuen Stetigkeit, zu einer neuen „LuvAs" und „irisWs", wie es einmal hieß, zu einer neuen äußeren Ordnung und einem inneren Maßhalten war in Deutschland im Werden begriffen, und er ist es noch. Es ist der Wille, der als einzige Gewähr eines wahren Kultur- strebens Vertrauen verdient/ und gerade ihn haben unsere Feinde nicht mehr oder noch nicht, da sie diejenigen Elemente ihrer Bevölkerung in rücksichtsloser Gewinngier vernachlässigten oder verkommen ließen, die allein die starken und zuverlässigen Träger eines solchen Willens sind und zu sein vermögen. Mit der Aufnahme der deutschen Sozialpolitik hatte sich dieser Wille zuerst wieder stark bekundet. Er zeigte an, daß die Meinung sich geändert hatte, der Bodenlose sei nur ein verkommenes Subjekt, dem man nur den vertragsmäßig bedungenen Lohn schulde, und das man, wenn es sich muckse, einzusperren oder totzuschießen habe. Das, was da als überschüssige Kraft aus dem Bauerntume und aus den bürgerlichen Berufsständen „zur Fabrik" drängte, bestand, nicht etwa nur aus verkommenen Bauern und Bürgern, sondern in diese neue Arbeit drang der Wille des Emporkommens mit hinein. Man suchte den Weg, den man in der alten Lage sozial und wirtschaftlich nicht zu finden vermochte. Und ein Unglück war es, daß dieser Wille unter die Führung von Leuten geriet, die ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/25>, abgerufen am 24.11.2024.