Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr."In tausend Zungen" einer gesunden Entwicklung des ganzen Volkes ist -- der Jungbrunnen seiner Zeigt die Gefahr einmal wirklich die Tatsache: ein Volk -- ein Land, und Und an dieser Stelle ist noch eine Einschaltung nötig. Ich unterscheide nicht Die Gefahr zeigt die Tatsache: Ein Land -- ein Volk! Das Zurücktreten „In tausend Zungen" einer gesunden Entwicklung des ganzen Volkes ist — der Jungbrunnen seiner Zeigt die Gefahr einmal wirklich die Tatsache: ein Volk — ein Land, und Und an dieser Stelle ist noch eine Einschaltung nötig. Ich unterscheide nicht Die Gefahr zeigt die Tatsache: Ein Land — ein Volk! Das Zurücktreten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0022" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88260"/> <fw type="header" place="top"> „In tausend Zungen"</fw><lb/> <p xml:id="ID_43" prev="#ID_42"> einer gesunden Entwicklung des ganzen Volkes ist — der Jungbrunnen seiner<lb/> Kraft, wie man es genannt hat — nicht auch noch zu entbauern und zu enteignen,<lb/> fondern ihn in seiner Selbständigkeit stark zu erhalten. Und viertens ihn aus<lb/> einem anderen Wege, als auf dem des Gefühles finanzieller Verschuldung und<lb/> Bedrängnis, also der leibhaftigen Abhängigkeit von seinen bodenlos gewordenen<lb/> Mitbürgern, zu einem Bewußtsein der Gemeinsamkeit mit ihnen zu führen.<lb/> Dieser Weg aber könnte nur der sein, wo .anstatt des Geldes das andere Mittel,<lb/> das in ruhigen Zeiten den Bodenlosen eine gewisse Ueberlegenheit verschafft, in<lb/> Wirkung träte: die Intelligenz, die größere geistige Beweglichkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_44"> Zeigt die Gefahr einmal wirklich die Tatsache: ein Volk — ein Land, und<lb/> zeigt sie das Land als letzte und vielleicht gar einzige Nahrungsquelle des<lb/> Individuums Volk: so tritt damit auch über die einzelnen Besitzanteile an diesem<lb/> Lande und über die einzelnen Besitzer hinaus der wirkliche Eigentümer des ganzen<lb/> Landes in Sicht. Der aber ist das Volk. Einstmals drückte sich dieses Verhältnis<lb/> im Lehenswefen aus. Der freie Bauer hatte sein Land zu Lehen, und seine<lb/> Leistung für die Allgemeinheit bestand weit weniger in einer unmittelbaren<lb/> Abgabe (Steuer) an den, der ihn belehnt hatte, als in seiner guten Bewirtschaftung<lb/> des Grundes und Bodens, heute würden wir sagen: in der Erzielung von Höchst¬<lb/> erträgen. Nicht als Lehen, aber als Bewußtsein der Verpflichtung wäre dieses<lb/> alte, aus der Natur heraus erwachsene Verhältnis wiederherzustellen. ' Wie<lb/> Höchsterträge zu erzielen sind, das kann in letzter Linie nur der Bauer selbst, der<lb/> sein Land und Klima kennt, ausprobieren und, wissen, und der intellektuelle<lb/> Bodenlose soll ihm da möglichst wenig hineinreden. Aber ihn willig machen zur<lb/> Anerkennung dieser Verpflichtung und ihm Hilfe leisten, diese Verpflichtung auch<lb/> erfüllen zu können, das kann der Intellektuelle, wenn er selbst erst gelernt hat,<lb/> mit dem Landbauer als einem Gleichwertigen zu verkehren und die Miene einer<lb/> suffisanten Überlegenheit dem Bauern gegenüber daheim zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_45"> Und an dieser Stelle ist noch eine Einschaltung nötig. Ich unterscheide nicht<lb/> zwischen Kleinbauer und Großgrundbesitzer. Aus dem Grunde: wirtschaft¬<lb/> lich läßt sich infolge der notwendig gewordenen Arbeitsteilung ein Groß-<lb/> Landbau heute gar nicht umgehen. Wer ihn betreiben soll, ist ebenso klar:<lb/> nicht irgend ein verkrachter Töpfer aus Bunzlau oder ein Berliner Schneider¬<lb/> meister oder ein Mathematikprofessor oder ein Flötenvirtuose, sondern der soll<lb/> ihn betreiben, der ihn seit einer Reihe von Geschlechtern betrieben hat: eben der<lb/> Großgrundbesitzer. Er soll weder enteignet, noch ' entbauert, noch entherrlicht<lb/> werden, wenn die große Iiot der Zeit nur jenen einen inneren Wandel anbahnte,<lb/> daß das noKIsssö' oKIiAs wieder zum allerlebendigsten Gewissensbesitze der<lb/> Großgrundherren würde. Will man die wahre Freiheit für alle, diejenige, die<lb/> das Notwendige aus freier und eigener Entschließung leistet und nicht aus<lb/> äußerem Zwang, so muß man diese Freiheit auch für unsere Groß-Landbauern<lb/> wollen, sür die Höchstleistung im Wirtschaftsbetriebe ja nicht nur eine Forderung<lb/> der allgemeinen Notwendigkeit, sondern auch eine solche des eigenen Vorteiles ist.<lb/> Und die Auffassung, in diesem Sinne „Lehensträger" der Allgemeinheit, des<lb/> Volkes, des Staates zu sein, dürfte in diesen Kreisen auf einen viel weniger<lb/> schwierigen Eingang stoßen, als in manchen anderen Kreisen unseres Volkes.<lb/> Ganz klar aber tritt hier die Torheit in Sicht, diese „Fachleute" von ihrer<lb/> Betätigung ausschließen zu wollen, um damit einen oder zehn redende Theoretiker<lb/> zu beauftragen, für deren Können es ebenso wenig eine Sicherheit gibt, wie für<lb/> ihren Charakter.</p><lb/> <p xml:id="ID_46" next="#ID_47"> Die Gefahr zeigt die Tatsache: Ein Land — ein Volk! Das Zurücktreten<lb/> der Gefahr aber ließ auch sofort wieder die alten Gegensätze in Kraft treten: man<lb/> schrie nach Demokratisierung und Parlamentarisierung, und die „Frankfurter<lb/> Zeitung" entblödete sich fogar nicht, einmal die Volksversammlungen der alten<lb/> Germanen für ihre politischen Anschauungen und ihre Richtigkeit ins Feld zu<lb/> führen. Bei Tacitus und sonstwo steht aber nichts davon bemerkt, daß dazu<lb/> Fremdstämmische und Gelehrte und bodenlose Stadtbewohner Zutritt gefunden<lb/> hätten, sondern die Geschichte bezeugt, daß diese Volksversammlungen nur die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
„In tausend Zungen"
einer gesunden Entwicklung des ganzen Volkes ist — der Jungbrunnen seiner
Kraft, wie man es genannt hat — nicht auch noch zu entbauern und zu enteignen,
fondern ihn in seiner Selbständigkeit stark zu erhalten. Und viertens ihn aus
einem anderen Wege, als auf dem des Gefühles finanzieller Verschuldung und
Bedrängnis, also der leibhaftigen Abhängigkeit von seinen bodenlos gewordenen
Mitbürgern, zu einem Bewußtsein der Gemeinsamkeit mit ihnen zu führen.
Dieser Weg aber könnte nur der sein, wo .anstatt des Geldes das andere Mittel,
das in ruhigen Zeiten den Bodenlosen eine gewisse Ueberlegenheit verschafft, in
Wirkung träte: die Intelligenz, die größere geistige Beweglichkeit.
Zeigt die Gefahr einmal wirklich die Tatsache: ein Volk — ein Land, und
zeigt sie das Land als letzte und vielleicht gar einzige Nahrungsquelle des
Individuums Volk: so tritt damit auch über die einzelnen Besitzanteile an diesem
Lande und über die einzelnen Besitzer hinaus der wirkliche Eigentümer des ganzen
Landes in Sicht. Der aber ist das Volk. Einstmals drückte sich dieses Verhältnis
im Lehenswefen aus. Der freie Bauer hatte sein Land zu Lehen, und seine
Leistung für die Allgemeinheit bestand weit weniger in einer unmittelbaren
Abgabe (Steuer) an den, der ihn belehnt hatte, als in seiner guten Bewirtschaftung
des Grundes und Bodens, heute würden wir sagen: in der Erzielung von Höchst¬
erträgen. Nicht als Lehen, aber als Bewußtsein der Verpflichtung wäre dieses
alte, aus der Natur heraus erwachsene Verhältnis wiederherzustellen. ' Wie
Höchsterträge zu erzielen sind, das kann in letzter Linie nur der Bauer selbst, der
sein Land und Klima kennt, ausprobieren und, wissen, und der intellektuelle
Bodenlose soll ihm da möglichst wenig hineinreden. Aber ihn willig machen zur
Anerkennung dieser Verpflichtung und ihm Hilfe leisten, diese Verpflichtung auch
erfüllen zu können, das kann der Intellektuelle, wenn er selbst erst gelernt hat,
mit dem Landbauer als einem Gleichwertigen zu verkehren und die Miene einer
suffisanten Überlegenheit dem Bauern gegenüber daheim zu lassen.
Und an dieser Stelle ist noch eine Einschaltung nötig. Ich unterscheide nicht
zwischen Kleinbauer und Großgrundbesitzer. Aus dem Grunde: wirtschaft¬
lich läßt sich infolge der notwendig gewordenen Arbeitsteilung ein Groß-
Landbau heute gar nicht umgehen. Wer ihn betreiben soll, ist ebenso klar:
nicht irgend ein verkrachter Töpfer aus Bunzlau oder ein Berliner Schneider¬
meister oder ein Mathematikprofessor oder ein Flötenvirtuose, sondern der soll
ihn betreiben, der ihn seit einer Reihe von Geschlechtern betrieben hat: eben der
Großgrundbesitzer. Er soll weder enteignet, noch ' entbauert, noch entherrlicht
werden, wenn die große Iiot der Zeit nur jenen einen inneren Wandel anbahnte,
daß das noKIsssö' oKIiAs wieder zum allerlebendigsten Gewissensbesitze der
Großgrundherren würde. Will man die wahre Freiheit für alle, diejenige, die
das Notwendige aus freier und eigener Entschließung leistet und nicht aus
äußerem Zwang, so muß man diese Freiheit auch für unsere Groß-Landbauern
wollen, sür die Höchstleistung im Wirtschaftsbetriebe ja nicht nur eine Forderung
der allgemeinen Notwendigkeit, sondern auch eine solche des eigenen Vorteiles ist.
Und die Auffassung, in diesem Sinne „Lehensträger" der Allgemeinheit, des
Volkes, des Staates zu sein, dürfte in diesen Kreisen auf einen viel weniger
schwierigen Eingang stoßen, als in manchen anderen Kreisen unseres Volkes.
Ganz klar aber tritt hier die Torheit in Sicht, diese „Fachleute" von ihrer
Betätigung ausschließen zu wollen, um damit einen oder zehn redende Theoretiker
zu beauftragen, für deren Können es ebenso wenig eine Sicherheit gibt, wie für
ihren Charakter.
Die Gefahr zeigt die Tatsache: Ein Land — ein Volk! Das Zurücktreten
der Gefahr aber ließ auch sofort wieder die alten Gegensätze in Kraft treten: man
schrie nach Demokratisierung und Parlamentarisierung, und die „Frankfurter
Zeitung" entblödete sich fogar nicht, einmal die Volksversammlungen der alten
Germanen für ihre politischen Anschauungen und ihre Richtigkeit ins Feld zu
führen. Bei Tacitus und sonstwo steht aber nichts davon bemerkt, daß dazu
Fremdstämmische und Gelehrte und bodenlose Stadtbewohner Zutritt gefunden
hätten, sondern die Geschichte bezeugt, daß diese Volksversammlungen nur die
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