Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Flimmerkunst

Er heiratet Schwester Charlotte vom Fleck weg und lebt mit ihr und dem
Kinde seines Kollegen sehr glücklich und höchst stolz auf seine Frau.

Wie stellst Du Dir dies alles eigentlich vor, mein bester Haym? Der Mann
lebt doch in seiner Umwelt. Er hat seinen Verkehr, freundschaftlichen, geselligen,
wissenschaftlichen. Er versendet Verlobungs- und Vermählungsanzeigen, Papiere
sind sür das Standesamt zu beschaffen, Besuche werden gemacht und empfangen,
das Hochzeitsfest kann nicht unbeachtet bleiben -- und nichts geschieht, was das
Glück des berühmten, begehrten und reichen, nach kaum einem Jahr vom Assistenten
zum Geheimrat ausgerückten, beinahe geadelten (richtiger: geadelt worden seienden)
Mannes trüben könnte.

Glaubst Du denn, daß "die Welt" einen solchen Schlag ins Gesicht, die
unter so seltsamen, mindestens seltsamen, Umständen geschlossene Verbindung mit
einer Frau von zweifelhafter, mindestens zweifelhafter, Vergangenheit hinnehmen
oder gar billigen werde? Im Leben nicht. Auf der guten Bühne nicht. Im guten
Roman nicht. Aber nicht wahr, liebster Freund, im Flimmerkasten geht alles?

Doch Du treibst es noch toller. Charlotte ist einst dem Kollegen Geheimrat,
dem Vater des Kindes, von einem Maler als "krank" in die Klinik geliefert worden.
Pfui Teufel! Darauf baut der Hintertreppenschurke, der als verheirateter Mann
mit seiner Patientin ein Verhältnis angefangen hat, den weitausholenden Plan zur
Vernichtung des jungen Ehepaares. Scholle, der Kubiktroddel, mutet seiner ver¬
götterten Frau die Qual zu, mit ihm zusammen Gast zu sein des jämmerlichen
Mannes, des letzten auf Erden, mit dem zusammenzutreffen sie über sich gewinnen
könnte --, wen" Du nicht ein so hirnverbrannter Filmdichter wärest.
"

"Na, Lottekind, wie kommst Du hierher?

Sagt so ein anständiger Mensch, geschweige ein berühmter Malerprofessor,
zur vornehmen Gattin eines nicht minder berühmten Klinikers, wenn er ihr in
Gesellschaft vorgestellt wird und eine Ähnlichkeit zu entdecken glaubt? oder gewiß
ist, daß Frau Geheimrat Scholle einst Lottelind war? In welcher Welt lebst Du
denn? frage ich nochmals.

Hast Du nun endlich genug? Ich auch.

Nur das Eine kann, ich Dir nicht schenken: mein Freund, der berühmte (alle
meine Freunde sind berühmt) Geheimrat L., hat die ganze Nrztegeschichte für
kindisch-umeife Stammelei erklärt; das Eingreifen der drei Mummelgreise von der
Ärztekammer, die Herzoperation an einem Leichnam, das Erscheinen der toten Frau
Geheimrat auf dem Seziertisch ihres Gatten und vieles andere sei nicht höherer,
sondern höchster Blödsinn, berechnet auf die rohe Schaulust, die niedrigen Instinkte
einer urteile-lösen Menge,

Liebster Haym, auf welches Publikum rechnest Du denn? Mir scheint: auf
Dirnen, Zuhälter, lichtscheues Gesindel, Entgleiste, Halbaffen, Gcmznarren, Idioten.
Hast Du denn jeden Respekt verloren vor der Kunst, vor der anständigen Mitwelt,
vor Dir selber?

Vor Dir selber und vor mir?

Mir, Deinem Freund und erstem Darsteller Deutschlands, unecht Du zu,
diesen gottverfluchten quartier latin-Schnarren zu "tragen" und den Pöbel durch
die Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit meiner begnadeten Gesichtsmuskeln, ins¬
besondere der LorruZglores supercilii, des levator tabu superioris, des lVialaris
und des ^M-matiLUZ minor, in Mitleid und Furcht, in Rührung, Staunen und
Ekstase zu versetzen?

Ich lehne ab. Ich Streite. Verrichte Dein unseliges Manuskript und bete
andere Götter aut

Deinen Einwand kenne ich. Du sagst, ich hätte schon in vielen Flimmer¬
schmarren die tragende Rolle gespielt, also --

Du hast recht. LeiderI Meine Hoffnung war, den Filu aus den Niederungen
emporzubringen. Es war ein schöner Traum! Der Filu war nicht aufzuhalten.
Er sank tiefer und immer tiefer. Künftighin werde ich nicht mehr für die Lein¬
wand spielen. Du hast mir die Augen geöffnet. Heißen Dank!


16*
Flimmerkunst

Er heiratet Schwester Charlotte vom Fleck weg und lebt mit ihr und dem
Kinde seines Kollegen sehr glücklich und höchst stolz auf seine Frau.

Wie stellst Du Dir dies alles eigentlich vor, mein bester Haym? Der Mann
lebt doch in seiner Umwelt. Er hat seinen Verkehr, freundschaftlichen, geselligen,
wissenschaftlichen. Er versendet Verlobungs- und Vermählungsanzeigen, Papiere
sind sür das Standesamt zu beschaffen, Besuche werden gemacht und empfangen,
das Hochzeitsfest kann nicht unbeachtet bleiben — und nichts geschieht, was das
Glück des berühmten, begehrten und reichen, nach kaum einem Jahr vom Assistenten
zum Geheimrat ausgerückten, beinahe geadelten (richtiger: geadelt worden seienden)
Mannes trüben könnte.

Glaubst Du denn, daß „die Welt" einen solchen Schlag ins Gesicht, die
unter so seltsamen, mindestens seltsamen, Umständen geschlossene Verbindung mit
einer Frau von zweifelhafter, mindestens zweifelhafter, Vergangenheit hinnehmen
oder gar billigen werde? Im Leben nicht. Auf der guten Bühne nicht. Im guten
Roman nicht. Aber nicht wahr, liebster Freund, im Flimmerkasten geht alles?

Doch Du treibst es noch toller. Charlotte ist einst dem Kollegen Geheimrat,
dem Vater des Kindes, von einem Maler als „krank" in die Klinik geliefert worden.
Pfui Teufel! Darauf baut der Hintertreppenschurke, der als verheirateter Mann
mit seiner Patientin ein Verhältnis angefangen hat, den weitausholenden Plan zur
Vernichtung des jungen Ehepaares. Scholle, der Kubiktroddel, mutet seiner ver¬
götterten Frau die Qual zu, mit ihm zusammen Gast zu sein des jämmerlichen
Mannes, des letzten auf Erden, mit dem zusammenzutreffen sie über sich gewinnen
könnte —, wen» Du nicht ein so hirnverbrannter Filmdichter wärest.
"

„Na, Lottekind, wie kommst Du hierher?

Sagt so ein anständiger Mensch, geschweige ein berühmter Malerprofessor,
zur vornehmen Gattin eines nicht minder berühmten Klinikers, wenn er ihr in
Gesellschaft vorgestellt wird und eine Ähnlichkeit zu entdecken glaubt? oder gewiß
ist, daß Frau Geheimrat Scholle einst Lottelind war? In welcher Welt lebst Du
denn? frage ich nochmals.

Hast Du nun endlich genug? Ich auch.

Nur das Eine kann, ich Dir nicht schenken: mein Freund, der berühmte (alle
meine Freunde sind berühmt) Geheimrat L., hat die ganze Nrztegeschichte für
kindisch-umeife Stammelei erklärt; das Eingreifen der drei Mummelgreise von der
Ärztekammer, die Herzoperation an einem Leichnam, das Erscheinen der toten Frau
Geheimrat auf dem Seziertisch ihres Gatten und vieles andere sei nicht höherer,
sondern höchster Blödsinn, berechnet auf die rohe Schaulust, die niedrigen Instinkte
einer urteile-lösen Menge,

Liebster Haym, auf welches Publikum rechnest Du denn? Mir scheint: auf
Dirnen, Zuhälter, lichtscheues Gesindel, Entgleiste, Halbaffen, Gcmznarren, Idioten.
Hast Du denn jeden Respekt verloren vor der Kunst, vor der anständigen Mitwelt,
vor Dir selber?

Vor Dir selber und vor mir?

Mir, Deinem Freund und erstem Darsteller Deutschlands, unecht Du zu,
diesen gottverfluchten quartier latin-Schnarren zu „tragen" und den Pöbel durch
die Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit meiner begnadeten Gesichtsmuskeln, ins¬
besondere der LorruZglores supercilii, des levator tabu superioris, des lVialaris
und des ^M-matiLUZ minor, in Mitleid und Furcht, in Rührung, Staunen und
Ekstase zu versetzen?

Ich lehne ab. Ich Streite. Verrichte Dein unseliges Manuskript und bete
andere Götter aut

Deinen Einwand kenne ich. Du sagst, ich hätte schon in vielen Flimmer¬
schmarren die tragende Rolle gespielt, also —

Du hast recht. LeiderI Meine Hoffnung war, den Filu aus den Niederungen
emporzubringen. Es war ein schöner Traum! Der Filu war nicht aufzuhalten.
Er sank tiefer und immer tiefer. Künftighin werde ich nicht mehr für die Lein¬
wand spielen. Du hast mir die Augen geöffnet. Heißen Dank!


16*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88441"/>
            <fw type="header" place="top"> Flimmerkunst</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_849"> Er heiratet Schwester Charlotte vom Fleck weg und lebt mit ihr und dem<lb/>
Kinde seines Kollegen sehr glücklich und höchst stolz auf seine Frau.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_850"> Wie stellst Du Dir dies alles eigentlich vor, mein bester Haym? Der Mann<lb/>
lebt doch in seiner Umwelt. Er hat seinen Verkehr, freundschaftlichen, geselligen,<lb/>
wissenschaftlichen. Er versendet Verlobungs- und Vermählungsanzeigen, Papiere<lb/>
sind sür das Standesamt zu beschaffen, Besuche werden gemacht und empfangen,<lb/>
das Hochzeitsfest kann nicht unbeachtet bleiben &#x2014; und nichts geschieht, was das<lb/>
Glück des berühmten, begehrten und reichen, nach kaum einem Jahr vom Assistenten<lb/>
zum Geheimrat ausgerückten, beinahe geadelten (richtiger: geadelt worden seienden)<lb/>
Mannes trüben könnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_851"> Glaubst Du denn, daß &#x201E;die Welt" einen solchen Schlag ins Gesicht, die<lb/>
unter so seltsamen, mindestens seltsamen, Umständen geschlossene Verbindung mit<lb/>
einer Frau von zweifelhafter, mindestens zweifelhafter, Vergangenheit hinnehmen<lb/>
oder gar billigen werde? Im Leben nicht. Auf der guten Bühne nicht. Im guten<lb/>
Roman nicht. Aber nicht wahr, liebster Freund, im Flimmerkasten geht alles?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_852"> Doch Du treibst es noch toller. Charlotte ist einst dem Kollegen Geheimrat,<lb/>
dem Vater des Kindes, von einem Maler als &#x201E;krank" in die Klinik geliefert worden.<lb/>
Pfui Teufel! Darauf baut der Hintertreppenschurke, der als verheirateter Mann<lb/>
mit seiner Patientin ein Verhältnis angefangen hat, den weitausholenden Plan zur<lb/>
Vernichtung des jungen Ehepaares. Scholle, der Kubiktroddel, mutet seiner ver¬<lb/>
götterten Frau die Qual zu, mit ihm zusammen Gast zu sein des jämmerlichen<lb/>
Mannes, des letzten auf Erden, mit dem zusammenzutreffen sie über sich gewinnen<lb/>
könnte &#x2014;, wen» Du nicht ein so hirnverbrannter Filmdichter wärest.<lb/>
"</p><lb/>
            <p xml:id="ID_853"> &#x201E;Na, Lottekind, wie kommst Du hierher?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_854"> Sagt so ein anständiger Mensch, geschweige ein berühmter Malerprofessor,<lb/>
zur vornehmen Gattin eines nicht minder berühmten Klinikers, wenn er ihr in<lb/>
Gesellschaft vorgestellt wird und eine Ähnlichkeit zu entdecken glaubt? oder gewiß<lb/>
ist, daß Frau Geheimrat Scholle einst Lottelind war? In welcher Welt lebst Du<lb/>
denn? frage ich nochmals.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_855"> Hast Du nun endlich genug? Ich auch.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_856"> Nur das Eine kann, ich Dir nicht schenken: mein Freund, der berühmte (alle<lb/>
meine Freunde sind berühmt) Geheimrat L., hat die ganze Nrztegeschichte für<lb/>
kindisch-umeife Stammelei erklärt; das Eingreifen der drei Mummelgreise von der<lb/>
Ärztekammer, die Herzoperation an einem Leichnam, das Erscheinen der toten Frau<lb/>
Geheimrat auf dem Seziertisch ihres Gatten und vieles andere sei nicht höherer,<lb/>
sondern höchster Blödsinn, berechnet auf die rohe Schaulust, die niedrigen Instinkte<lb/>
einer urteile-lösen Menge,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_857"> Liebster Haym, auf welches Publikum rechnest Du denn? Mir scheint: auf<lb/>
Dirnen, Zuhälter, lichtscheues Gesindel, Entgleiste, Halbaffen, Gcmznarren, Idioten.<lb/>
Hast Du denn jeden Respekt verloren vor der Kunst, vor der anständigen Mitwelt,<lb/>
vor Dir selber?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_858"> Vor Dir selber und vor mir?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_859"> Mir, Deinem Freund und erstem Darsteller Deutschlands, unecht Du zu,<lb/>
diesen gottverfluchten quartier latin-Schnarren zu &#x201E;tragen" und den Pöbel durch<lb/>
die Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit meiner begnadeten Gesichtsmuskeln, ins¬<lb/>
besondere der LorruZglores supercilii, des levator tabu superioris, des lVialaris<lb/>
und des ^M-matiLUZ minor, in Mitleid und Furcht, in Rührung, Staunen und<lb/>
Ekstase zu versetzen?</p><lb/>
            <p xml:id="ID_860"> Ich lehne ab. Ich Streite. Verrichte Dein unseliges Manuskript und bete<lb/>
andere Götter aut</p><lb/>
            <p xml:id="ID_861"> Deinen Einwand kenne ich. Du sagst, ich hätte schon in vielen Flimmer¬<lb/>
schmarren die tragende Rolle gespielt, also &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_862"> Du hast recht. LeiderI Meine Hoffnung war, den Filu aus den Niederungen<lb/>
emporzubringen. Es war ein schöner Traum! Der Filu war nicht aufzuhalten.<lb/>
Er sank tiefer und immer tiefer. Künftighin werde ich nicht mehr für die Lein¬<lb/>
wand spielen. Du hast mir die Augen geöffnet. Heißen Dank!</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 16*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0203] Flimmerkunst Er heiratet Schwester Charlotte vom Fleck weg und lebt mit ihr und dem Kinde seines Kollegen sehr glücklich und höchst stolz auf seine Frau. Wie stellst Du Dir dies alles eigentlich vor, mein bester Haym? Der Mann lebt doch in seiner Umwelt. Er hat seinen Verkehr, freundschaftlichen, geselligen, wissenschaftlichen. Er versendet Verlobungs- und Vermählungsanzeigen, Papiere sind sür das Standesamt zu beschaffen, Besuche werden gemacht und empfangen, das Hochzeitsfest kann nicht unbeachtet bleiben — und nichts geschieht, was das Glück des berühmten, begehrten und reichen, nach kaum einem Jahr vom Assistenten zum Geheimrat ausgerückten, beinahe geadelten (richtiger: geadelt worden seienden) Mannes trüben könnte. Glaubst Du denn, daß „die Welt" einen solchen Schlag ins Gesicht, die unter so seltsamen, mindestens seltsamen, Umständen geschlossene Verbindung mit einer Frau von zweifelhafter, mindestens zweifelhafter, Vergangenheit hinnehmen oder gar billigen werde? Im Leben nicht. Auf der guten Bühne nicht. Im guten Roman nicht. Aber nicht wahr, liebster Freund, im Flimmerkasten geht alles? Doch Du treibst es noch toller. Charlotte ist einst dem Kollegen Geheimrat, dem Vater des Kindes, von einem Maler als „krank" in die Klinik geliefert worden. Pfui Teufel! Darauf baut der Hintertreppenschurke, der als verheirateter Mann mit seiner Patientin ein Verhältnis angefangen hat, den weitausholenden Plan zur Vernichtung des jungen Ehepaares. Scholle, der Kubiktroddel, mutet seiner ver¬ götterten Frau die Qual zu, mit ihm zusammen Gast zu sein des jämmerlichen Mannes, des letzten auf Erden, mit dem zusammenzutreffen sie über sich gewinnen könnte —, wen» Du nicht ein so hirnverbrannter Filmdichter wärest. " „Na, Lottekind, wie kommst Du hierher? Sagt so ein anständiger Mensch, geschweige ein berühmter Malerprofessor, zur vornehmen Gattin eines nicht minder berühmten Klinikers, wenn er ihr in Gesellschaft vorgestellt wird und eine Ähnlichkeit zu entdecken glaubt? oder gewiß ist, daß Frau Geheimrat Scholle einst Lottelind war? In welcher Welt lebst Du denn? frage ich nochmals. Hast Du nun endlich genug? Ich auch. Nur das Eine kann, ich Dir nicht schenken: mein Freund, der berühmte (alle meine Freunde sind berühmt) Geheimrat L., hat die ganze Nrztegeschichte für kindisch-umeife Stammelei erklärt; das Eingreifen der drei Mummelgreise von der Ärztekammer, die Herzoperation an einem Leichnam, das Erscheinen der toten Frau Geheimrat auf dem Seziertisch ihres Gatten und vieles andere sei nicht höherer, sondern höchster Blödsinn, berechnet auf die rohe Schaulust, die niedrigen Instinkte einer urteile-lösen Menge, Liebster Haym, auf welches Publikum rechnest Du denn? Mir scheint: auf Dirnen, Zuhälter, lichtscheues Gesindel, Entgleiste, Halbaffen, Gcmznarren, Idioten. Hast Du denn jeden Respekt verloren vor der Kunst, vor der anständigen Mitwelt, vor Dir selber? Vor Dir selber und vor mir? Mir, Deinem Freund und erstem Darsteller Deutschlands, unecht Du zu, diesen gottverfluchten quartier latin-Schnarren zu „tragen" und den Pöbel durch die Beweglichkeit und Ausdrucksfähigkeit meiner begnadeten Gesichtsmuskeln, ins¬ besondere der LorruZglores supercilii, des levator tabu superioris, des lVialaris und des ^M-matiLUZ minor, in Mitleid und Furcht, in Rührung, Staunen und Ekstase zu versetzen? Ich lehne ab. Ich Streite. Verrichte Dein unseliges Manuskript und bete andere Götter aut Deinen Einwand kenne ich. Du sagst, ich hätte schon in vielen Flimmer¬ schmarren die tragende Rolle gespielt, also — Du hast recht. LeiderI Meine Hoffnung war, den Filu aus den Niederungen emporzubringen. Es war ein schöner Traum! Der Filu war nicht aufzuhalten. Er sank tiefer und immer tiefer. Künftighin werde ich nicht mehr für die Lein¬ wand spielen. Du hast mir die Augen geöffnet. Heißen Dank! 16*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/203
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/203>, abgerufen am 22.07.2024.