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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Die deutsche Revolution

zeugen wird, der mit den Soldatenräten Fühlung hat. Unsere Bolschewisten
dagegen fordern die brutale Diktatur des Proletariats. Diese stellt nicht nur
eine andere Regierungsform, fondern einen anderen Staat dar, nämlich den
proletarischen, der eine Maschine zur Unterdrückung der Bourgeoisie sein soll.
So hat es Wladimir Lenin vor einigen Wochen ausgedrückt in einem leidenschaft¬
lichen Artikel gegen den "Renegaten" Kautsky, der es in feiner gleichnamigen
Wiener Broschüre wagte, das Evangelium von der "Diktatur des Proletariats"
anzuzweifeln und eine ehrlich, demokratische Organisierung der Gesellschaft zu
fordern.

Kautsky, der gebürtige Tscheche und künftige Unterstaatssekretär im Aus¬
wärtigen Amt Hugo Haafes, rechnet sich zu den Unabhängigen. Er wird mit
feinen besonnenen Lehren in ihrem Lager wenig Gegenliebe sinden, ist man hier
doch sehr unzufrieden mit der "lauen" Haltung der Truppen °) und nicht abgeneigt,
die Frage der Konstituante sagen wir einmal -- dilatorisch zu behandeln.
Namentlich die Spartakusleute zeichneten sich von vornherein durch anarchistische
Gewaltmethoden und Hetzversuche fehr unrühmlich aus. In der "Roten Fahne",
zu der sie unter Anwendung des Terrors einen Tag lang den "Berliner Lokal-
Anzeiger" umwandeln konnten, wurde in äußerst gehässigen Tone zum Wider¬
stand gegen die Anordnungen Eberts, des "vom gestürzten Kaiser neugebackenen
Reichskanzlers", aufgefordert. Vier Jahre lang, so heißt es dort, haben die
Scheidemänner, die Regierungssozialisten such durch die Schrecken eines Krieges
gejagt, haben sie euch gesagt, man müsse das "Vaterland" verteidigen, wo es sich
nur um die nackten Raubinteressen des Imperialismus handelte.' Jetzt, da der
deutsche Imperialismus zusammenbricht, suchen sie sür die Bourgeoisie zu retten,
was noch zu retten ist und suchen die revolutionäre Energie 'der Massen zu
ersticken. Der Aufruf schließt mit den Worten: Es darf kein "Scheidemann"
mehr in der Regierung sitzen; es darf kein Sozialist in die Regierung eintreten,
solange ein Regierungssozialist noch in ihr sitzt. Es gibt keine'Gemeinschaft mit
denen, die euch vier Jahre lang verraten haben.

Gewänne dieser Geist die Oberhand, so wären die Folgen unabsehbar.
Aber wie gesagt, augenblicklich ist das nicht zu besorgen. Der Organismus der
Arbeiter- und Soldatenräte scheint gesund genug, um Krankheits- und Giftstoffe
solcher Art auszuscheiden oder wenigstens unschädlich zu machen. Wie man in
der Zirkus Busch-Sitzung vom Sonntag sich das Unrecht einer ultraradikalen
Zusammensetzung des Aktionskomitees nicht bieten ließ,') sondern auf seinen
paritätischen Aufbau bestand, fo scheint auch innerhalb der Einzelorganifationen
das Regiment der demagogischen Hetzer und Nichtsalsagitatoren ein schnelles
Ende gefunden zu haben. In einer bekannten militärischen Behörde Berlins zum
Beispiel, die nahe dem Lehrter Bahnhof ihr Amtslokal hat, konnte sich im Drunter
und Drüber des Anfangs ein junger Mensch als Gewalthaber aufspielen, und zwar
angeblich legitimiert durch den Arbeiter- und Soldatenrat, der nichts weiter war,
als ein gemeiner Betrüger, und der, als ihm der Boden unter den Füßen zu heiß
wurde, mit Unterschlagungen das Feld seiner "Tätigkeit" räumte. Solche
Erfahrungen müssen ernüchternd und belehrend auf die allzu vertrauensselige
breite Masse wirken und haben es entschieden auch getan.

Wir können also hoffen, daß der gegenwärtige Ausnahmezustand in nicht
zu ferner Zeit wieder normalen Verhältnissen Platz macht, daß die in
Verwirrung geratenen Begriffe: "Gesetz", "Volksvertretung", "Recht" usw. von
der legitimen Konstituante des deutschen Gesamtvolkes in jene neuen Formen
gebracht werden, welche die veränderte Zeit erfordert.

Die baldige Einberufung der Nationalversammlung muß das ostsruiu
osnsso jedes wahren Volkssreundes sein. Ertönt der Ruf zu den Wahlen, so ist
es heiligste Pflicht jedes mündigen Deutschen, zu feinem Teile mitzuwirken und
nicht verärgert oder apathisch, beiseits zu stehen, wie es leider bisher unter den




-) "Berliner Tageblatt" Ur. 584.
"
') Bgl. "Vorwärts vom 11. November.
Die deutsche Revolution

zeugen wird, der mit den Soldatenräten Fühlung hat. Unsere Bolschewisten
dagegen fordern die brutale Diktatur des Proletariats. Diese stellt nicht nur
eine andere Regierungsform, fondern einen anderen Staat dar, nämlich den
proletarischen, der eine Maschine zur Unterdrückung der Bourgeoisie sein soll.
So hat es Wladimir Lenin vor einigen Wochen ausgedrückt in einem leidenschaft¬
lichen Artikel gegen den „Renegaten" Kautsky, der es in feiner gleichnamigen
Wiener Broschüre wagte, das Evangelium von der „Diktatur des Proletariats"
anzuzweifeln und eine ehrlich, demokratische Organisierung der Gesellschaft zu
fordern.

Kautsky, der gebürtige Tscheche und künftige Unterstaatssekretär im Aus¬
wärtigen Amt Hugo Haafes, rechnet sich zu den Unabhängigen. Er wird mit
feinen besonnenen Lehren in ihrem Lager wenig Gegenliebe sinden, ist man hier
doch sehr unzufrieden mit der „lauen" Haltung der Truppen °) und nicht abgeneigt,
die Frage der Konstituante sagen wir einmal — dilatorisch zu behandeln.
Namentlich die Spartakusleute zeichneten sich von vornherein durch anarchistische
Gewaltmethoden und Hetzversuche fehr unrühmlich aus. In der „Roten Fahne",
zu der sie unter Anwendung des Terrors einen Tag lang den „Berliner Lokal-
Anzeiger" umwandeln konnten, wurde in äußerst gehässigen Tone zum Wider¬
stand gegen die Anordnungen Eberts, des „vom gestürzten Kaiser neugebackenen
Reichskanzlers", aufgefordert. Vier Jahre lang, so heißt es dort, haben die
Scheidemänner, die Regierungssozialisten such durch die Schrecken eines Krieges
gejagt, haben sie euch gesagt, man müsse das „Vaterland" verteidigen, wo es sich
nur um die nackten Raubinteressen des Imperialismus handelte.' Jetzt, da der
deutsche Imperialismus zusammenbricht, suchen sie sür die Bourgeoisie zu retten,
was noch zu retten ist und suchen die revolutionäre Energie 'der Massen zu
ersticken. Der Aufruf schließt mit den Worten: Es darf kein „Scheidemann"
mehr in der Regierung sitzen; es darf kein Sozialist in die Regierung eintreten,
solange ein Regierungssozialist noch in ihr sitzt. Es gibt keine'Gemeinschaft mit
denen, die euch vier Jahre lang verraten haben.

Gewänne dieser Geist die Oberhand, so wären die Folgen unabsehbar.
Aber wie gesagt, augenblicklich ist das nicht zu besorgen. Der Organismus der
Arbeiter- und Soldatenräte scheint gesund genug, um Krankheits- und Giftstoffe
solcher Art auszuscheiden oder wenigstens unschädlich zu machen. Wie man in
der Zirkus Busch-Sitzung vom Sonntag sich das Unrecht einer ultraradikalen
Zusammensetzung des Aktionskomitees nicht bieten ließ,') sondern auf seinen
paritätischen Aufbau bestand, fo scheint auch innerhalb der Einzelorganifationen
das Regiment der demagogischen Hetzer und Nichtsalsagitatoren ein schnelles
Ende gefunden zu haben. In einer bekannten militärischen Behörde Berlins zum
Beispiel, die nahe dem Lehrter Bahnhof ihr Amtslokal hat, konnte sich im Drunter
und Drüber des Anfangs ein junger Mensch als Gewalthaber aufspielen, und zwar
angeblich legitimiert durch den Arbeiter- und Soldatenrat, der nichts weiter war,
als ein gemeiner Betrüger, und der, als ihm der Boden unter den Füßen zu heiß
wurde, mit Unterschlagungen das Feld seiner „Tätigkeit" räumte. Solche
Erfahrungen müssen ernüchternd und belehrend auf die allzu vertrauensselige
breite Masse wirken und haben es entschieden auch getan.

Wir können also hoffen, daß der gegenwärtige Ausnahmezustand in nicht
zu ferner Zeit wieder normalen Verhältnissen Platz macht, daß die in
Verwirrung geratenen Begriffe: „Gesetz", „Volksvertretung", „Recht" usw. von
der legitimen Konstituante des deutschen Gesamtvolkes in jene neuen Formen
gebracht werden, welche die veränderte Zeit erfordert.

Die baldige Einberufung der Nationalversammlung muß das ostsruiu
osnsso jedes wahren Volkssreundes sein. Ertönt der Ruf zu den Wahlen, so ist
es heiligste Pflicht jedes mündigen Deutschen, zu feinem Teile mitzuwirken und
nicht verärgert oder apathisch, beiseits zu stehen, wie es leider bisher unter den




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[0199] Die deutsche Revolution zeugen wird, der mit den Soldatenräten Fühlung hat. Unsere Bolschewisten dagegen fordern die brutale Diktatur des Proletariats. Diese stellt nicht nur eine andere Regierungsform, fondern einen anderen Staat dar, nämlich den proletarischen, der eine Maschine zur Unterdrückung der Bourgeoisie sein soll. So hat es Wladimir Lenin vor einigen Wochen ausgedrückt in einem leidenschaft¬ lichen Artikel gegen den „Renegaten" Kautsky, der es in feiner gleichnamigen Wiener Broschüre wagte, das Evangelium von der „Diktatur des Proletariats" anzuzweifeln und eine ehrlich, demokratische Organisierung der Gesellschaft zu fordern. Kautsky, der gebürtige Tscheche und künftige Unterstaatssekretär im Aus¬ wärtigen Amt Hugo Haafes, rechnet sich zu den Unabhängigen. Er wird mit feinen besonnenen Lehren in ihrem Lager wenig Gegenliebe sinden, ist man hier doch sehr unzufrieden mit der „lauen" Haltung der Truppen °) und nicht abgeneigt, die Frage der Konstituante sagen wir einmal — dilatorisch zu behandeln. Namentlich die Spartakusleute zeichneten sich von vornherein durch anarchistische Gewaltmethoden und Hetzversuche fehr unrühmlich aus. In der „Roten Fahne", zu der sie unter Anwendung des Terrors einen Tag lang den „Berliner Lokal- Anzeiger" umwandeln konnten, wurde in äußerst gehässigen Tone zum Wider¬ stand gegen die Anordnungen Eberts, des „vom gestürzten Kaiser neugebackenen Reichskanzlers", aufgefordert. Vier Jahre lang, so heißt es dort, haben die Scheidemänner, die Regierungssozialisten such durch die Schrecken eines Krieges gejagt, haben sie euch gesagt, man müsse das „Vaterland" verteidigen, wo es sich nur um die nackten Raubinteressen des Imperialismus handelte.' Jetzt, da der deutsche Imperialismus zusammenbricht, suchen sie sür die Bourgeoisie zu retten, was noch zu retten ist und suchen die revolutionäre Energie 'der Massen zu ersticken. Der Aufruf schließt mit den Worten: Es darf kein „Scheidemann" mehr in der Regierung sitzen; es darf kein Sozialist in die Regierung eintreten, solange ein Regierungssozialist noch in ihr sitzt. Es gibt keine'Gemeinschaft mit denen, die euch vier Jahre lang verraten haben. Gewänne dieser Geist die Oberhand, so wären die Folgen unabsehbar. Aber wie gesagt, augenblicklich ist das nicht zu besorgen. Der Organismus der Arbeiter- und Soldatenräte scheint gesund genug, um Krankheits- und Giftstoffe solcher Art auszuscheiden oder wenigstens unschädlich zu machen. Wie man in der Zirkus Busch-Sitzung vom Sonntag sich das Unrecht einer ultraradikalen Zusammensetzung des Aktionskomitees nicht bieten ließ,') sondern auf seinen paritätischen Aufbau bestand, fo scheint auch innerhalb der Einzelorganifationen das Regiment der demagogischen Hetzer und Nichtsalsagitatoren ein schnelles Ende gefunden zu haben. In einer bekannten militärischen Behörde Berlins zum Beispiel, die nahe dem Lehrter Bahnhof ihr Amtslokal hat, konnte sich im Drunter und Drüber des Anfangs ein junger Mensch als Gewalthaber aufspielen, und zwar angeblich legitimiert durch den Arbeiter- und Soldatenrat, der nichts weiter war, als ein gemeiner Betrüger, und der, als ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wurde, mit Unterschlagungen das Feld seiner „Tätigkeit" räumte. Solche Erfahrungen müssen ernüchternd und belehrend auf die allzu vertrauensselige breite Masse wirken und haben es entschieden auch getan. Wir können also hoffen, daß der gegenwärtige Ausnahmezustand in nicht zu ferner Zeit wieder normalen Verhältnissen Platz macht, daß die in Verwirrung geratenen Begriffe: „Gesetz", „Volksvertretung", „Recht" usw. von der legitimen Konstituante des deutschen Gesamtvolkes in jene neuen Formen gebracht werden, welche die veränderte Zeit erfordert. Die baldige Einberufung der Nationalversammlung muß das ostsruiu osnsso jedes wahren Volkssreundes sein. Ertönt der Ruf zu den Wahlen, so ist es heiligste Pflicht jedes mündigen Deutschen, zu feinem Teile mitzuwirken und nicht verärgert oder apathisch, beiseits zu stehen, wie es leider bisher unter den -) „Berliner Tageblatt" Ur. 584. " ') Bgl. „Vorwärts vom 11. November.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/199>, abgerufen am 24.11.2024.