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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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damit nimmermehr auf das Recht, für unser bedrohtes Volkstum jenseits des
Rheines mit allen uns jeweils zur Verfügung stehenden Kräften -- sie werden
nicht immer so geschwächt sein wie heute -- mit größter Entschiedenheit einzu¬
treten. Schon heute muß -- am besten von der Tribüne des Reichstages --
laut und vernehmlich die neuerliche Erklärung des Reichskanzlers bekräftigt
werden: "Das deutsche Volk", -- so sollen seine berufenen Sprecher erklären --
"wird, so gebeugt es heute ist, nach Maßgabe seiner irgend verfügbaren Kräfte in
Zukunft ein Anwalt deutschen Volkstumes in der ganzen Welt sein und bleiben.
Allen Elsässern und Lothringern zumal, die durch die Neuordnung der Dinge
innerlich oder äußerlich gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen und
über den Rhein zu wandern, wird Deutschland freudige und dankbare Aufnahme
gewähren, wie Frankreich es nach 1871 tat. Es wird auf der Friedenskonferenz
und namentlich späterhin im Völkerbund dauernd für die Rechte des Deutsch¬
tums jenseits der Reichsgrenzen eintreten. Alle diejenigen also, in Elsaß-Loth¬
ringen oder wo es auch sei, die sich die Grundvoraussetzungen für die Erhaltung
ihres deutschen Volkstums heute zu erkämpfen suchen, dürfen beim Deutschen
Reich allen Rückhalt erwarten, über den es irgend verfügt."

Eine offizielle deutsche Kundgebung, wie sie hier gefordert wird, ist für die
Entwicklung der elsaß-lothvingischen Frage von nicht zu unterschätzender Bedeu¬
tung. Alle die Kreise im Reichsland, die heute noch in zwölfter Stunde eine selb¬
ständige Politik auf Grund des von der Entente feierlich proklamierten Selbst-
böstimmngsrechtes der Völker, sei es zugunsten der Reichszugehörigkeit, sei es auch
nur in der Richtung auf den partikular-elsässischen Selbsterhaltungsgedanken ein¬
leiten wollen, stehen vor der schicksalsschweren Frage, was aus ihnen und ihrer
Familie werden soll, wenn sie sich politisch kompromittieren und etwa vor dem
übermächtigen französischen Einfluß das Land verlassen müssen. Wie mir zu¬
verlässig bekannt ist, hält lediglich diese lähmende Ungewißheit breite Kreise des
Landes davon ab, sich energisch gegen eine Einverleibung in Frankreich auszu¬
sprechen. Bei einer Volksabstimmung etwa ist bei der gegenwärtigen Stimmung
auf Grund des Kriegselends und der'vierjährigen Militärdiktatur ein sehr erheb¬
licher Stimmausfall für Verbleiben im Reichsverband schwerlich zu erhoffen.
Dagegen ist zahlenmmäßig der Kreis derer, die unbedingt für Angliederung an
Frankreich sind, nicht eben groß. Der ausgeprägte Partikularismus des Elsässers
hat während des Krieges noch eine wesentliche Steigerung erfahren. In der Tat
sind es mancherlei zugkräftige Argumente, die dem Elsässer heute eine Staats¬
form des neutralen Puffers etwa nach luxemburgischem Muster als recht ver¬
lockend erscheinen lassen. Gegen den Anschluß an Frankreich war vor dem Krieg
die ganze Industrie, der die Vereinigung mit dem deutschen Wirtschaftsgebiet
einen großen Aufsmwung gebracht hat.^) Heute mag etwa die oberelsässische
Textilindustrie von den Westmächten Erleichterungen im Nohstoffbezug und in¬
folge der Vernichtung der nordfranzösischen Textilindustrie gute Aussichten in
Frankreich erwarten. Doch handelt es sich auch dabei nur um vorübergehende
Vorteile. Die ganze Winzerbevölkernng hat das größte Interesse an der Auf¬
rechterhaltung der Zollgrenze nach Westen. Den Wettbewerb mit dem fran¬
zösischen Weinbau könnte sie nicht aushalten. Ein nicht zu unterschätzendes
Moment ist die Militärfrage. Die Aussicht, nicht mehr dienen zu brauchen, hat
bei der gegenwärtigen Militärmüdigkeit für die Massen der Bevölkerung viel
Verlockendes. Namentlich bei der unterelsässischen Landbevölkerung ist zudem
das deutsche Nationalgefühl immerhin fo weit ausgeprägt, daß ein entschiedener
Widerspruch gegen eine Verwelschung zu erwarten ist. So stehen alles in allem
die Aktien des Nentralitätsgedankens etwa für das Elsaß und Deutsch-Lothringen
recht günstig, wenn es überhaupt zu einem Referendum gebracht werden kann
und soll.



2) Vgl. Freunde, Elsaß-Lothringen im deutschen Industriestaat. Grenz¬
boten Ur. 45.
T>i<? Lage in Elsaß-Lothringen

damit nimmermehr auf das Recht, für unser bedrohtes Volkstum jenseits des
Rheines mit allen uns jeweils zur Verfügung stehenden Kräften — sie werden
nicht immer so geschwächt sein wie heute — mit größter Entschiedenheit einzu¬
treten. Schon heute muß — am besten von der Tribüne des Reichstages —
laut und vernehmlich die neuerliche Erklärung des Reichskanzlers bekräftigt
werden: „Das deutsche Volk", — so sollen seine berufenen Sprecher erklären —
„wird, so gebeugt es heute ist, nach Maßgabe seiner irgend verfügbaren Kräfte in
Zukunft ein Anwalt deutschen Volkstumes in der ganzen Welt sein und bleiben.
Allen Elsässern und Lothringern zumal, die durch die Neuordnung der Dinge
innerlich oder äußerlich gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen und
über den Rhein zu wandern, wird Deutschland freudige und dankbare Aufnahme
gewähren, wie Frankreich es nach 1871 tat. Es wird auf der Friedenskonferenz
und namentlich späterhin im Völkerbund dauernd für die Rechte des Deutsch¬
tums jenseits der Reichsgrenzen eintreten. Alle diejenigen also, in Elsaß-Loth¬
ringen oder wo es auch sei, die sich die Grundvoraussetzungen für die Erhaltung
ihres deutschen Volkstums heute zu erkämpfen suchen, dürfen beim Deutschen
Reich allen Rückhalt erwarten, über den es irgend verfügt."

Eine offizielle deutsche Kundgebung, wie sie hier gefordert wird, ist für die
Entwicklung der elsaß-lothvingischen Frage von nicht zu unterschätzender Bedeu¬
tung. Alle die Kreise im Reichsland, die heute noch in zwölfter Stunde eine selb¬
ständige Politik auf Grund des von der Entente feierlich proklamierten Selbst-
böstimmngsrechtes der Völker, sei es zugunsten der Reichszugehörigkeit, sei es auch
nur in der Richtung auf den partikular-elsässischen Selbsterhaltungsgedanken ein¬
leiten wollen, stehen vor der schicksalsschweren Frage, was aus ihnen und ihrer
Familie werden soll, wenn sie sich politisch kompromittieren und etwa vor dem
übermächtigen französischen Einfluß das Land verlassen müssen. Wie mir zu¬
verlässig bekannt ist, hält lediglich diese lähmende Ungewißheit breite Kreise des
Landes davon ab, sich energisch gegen eine Einverleibung in Frankreich auszu¬
sprechen. Bei einer Volksabstimmung etwa ist bei der gegenwärtigen Stimmung
auf Grund des Kriegselends und der'vierjährigen Militärdiktatur ein sehr erheb¬
licher Stimmausfall für Verbleiben im Reichsverband schwerlich zu erhoffen.
Dagegen ist zahlenmmäßig der Kreis derer, die unbedingt für Angliederung an
Frankreich sind, nicht eben groß. Der ausgeprägte Partikularismus des Elsässers
hat während des Krieges noch eine wesentliche Steigerung erfahren. In der Tat
sind es mancherlei zugkräftige Argumente, die dem Elsässer heute eine Staats¬
form des neutralen Puffers etwa nach luxemburgischem Muster als recht ver¬
lockend erscheinen lassen. Gegen den Anschluß an Frankreich war vor dem Krieg
die ganze Industrie, der die Vereinigung mit dem deutschen Wirtschaftsgebiet
einen großen Aufsmwung gebracht hat.^) Heute mag etwa die oberelsässische
Textilindustrie von den Westmächten Erleichterungen im Nohstoffbezug und in¬
folge der Vernichtung der nordfranzösischen Textilindustrie gute Aussichten in
Frankreich erwarten. Doch handelt es sich auch dabei nur um vorübergehende
Vorteile. Die ganze Winzerbevölkernng hat das größte Interesse an der Auf¬
rechterhaltung der Zollgrenze nach Westen. Den Wettbewerb mit dem fran¬
zösischen Weinbau könnte sie nicht aushalten. Ein nicht zu unterschätzendes
Moment ist die Militärfrage. Die Aussicht, nicht mehr dienen zu brauchen, hat
bei der gegenwärtigen Militärmüdigkeit für die Massen der Bevölkerung viel
Verlockendes. Namentlich bei der unterelsässischen Landbevölkerung ist zudem
das deutsche Nationalgefühl immerhin fo weit ausgeprägt, daß ein entschiedener
Widerspruch gegen eine Verwelschung zu erwarten ist. So stehen alles in allem
die Aktien des Nentralitätsgedankens etwa für das Elsaß und Deutsch-Lothringen
recht günstig, wenn es überhaupt zu einem Referendum gebracht werden kann
und soll.



2) Vgl. Freunde, Elsaß-Lothringen im deutschen Industriestaat. Grenz¬
boten Ur. 45.
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[0179] T>i<? Lage in Elsaß-Lothringen damit nimmermehr auf das Recht, für unser bedrohtes Volkstum jenseits des Rheines mit allen uns jeweils zur Verfügung stehenden Kräften — sie werden nicht immer so geschwächt sein wie heute — mit größter Entschiedenheit einzu¬ treten. Schon heute muß — am besten von der Tribüne des Reichstages — laut und vernehmlich die neuerliche Erklärung des Reichskanzlers bekräftigt werden: „Das deutsche Volk", — so sollen seine berufenen Sprecher erklären — „wird, so gebeugt es heute ist, nach Maßgabe seiner irgend verfügbaren Kräfte in Zukunft ein Anwalt deutschen Volkstumes in der ganzen Welt sein und bleiben. Allen Elsässern und Lothringern zumal, die durch die Neuordnung der Dinge innerlich oder äußerlich gezwungen sein werden, ihre Heimat zu verlassen und über den Rhein zu wandern, wird Deutschland freudige und dankbare Aufnahme gewähren, wie Frankreich es nach 1871 tat. Es wird auf der Friedenskonferenz und namentlich späterhin im Völkerbund dauernd für die Rechte des Deutsch¬ tums jenseits der Reichsgrenzen eintreten. Alle diejenigen also, in Elsaß-Loth¬ ringen oder wo es auch sei, die sich die Grundvoraussetzungen für die Erhaltung ihres deutschen Volkstums heute zu erkämpfen suchen, dürfen beim Deutschen Reich allen Rückhalt erwarten, über den es irgend verfügt." Eine offizielle deutsche Kundgebung, wie sie hier gefordert wird, ist für die Entwicklung der elsaß-lothvingischen Frage von nicht zu unterschätzender Bedeu¬ tung. Alle die Kreise im Reichsland, die heute noch in zwölfter Stunde eine selb¬ ständige Politik auf Grund des von der Entente feierlich proklamierten Selbst- böstimmngsrechtes der Völker, sei es zugunsten der Reichszugehörigkeit, sei es auch nur in der Richtung auf den partikular-elsässischen Selbsterhaltungsgedanken ein¬ leiten wollen, stehen vor der schicksalsschweren Frage, was aus ihnen und ihrer Familie werden soll, wenn sie sich politisch kompromittieren und etwa vor dem übermächtigen französischen Einfluß das Land verlassen müssen. Wie mir zu¬ verlässig bekannt ist, hält lediglich diese lähmende Ungewißheit breite Kreise des Landes davon ab, sich energisch gegen eine Einverleibung in Frankreich auszu¬ sprechen. Bei einer Volksabstimmung etwa ist bei der gegenwärtigen Stimmung auf Grund des Kriegselends und der'vierjährigen Militärdiktatur ein sehr erheb¬ licher Stimmausfall für Verbleiben im Reichsverband schwerlich zu erhoffen. Dagegen ist zahlenmmäßig der Kreis derer, die unbedingt für Angliederung an Frankreich sind, nicht eben groß. Der ausgeprägte Partikularismus des Elsässers hat während des Krieges noch eine wesentliche Steigerung erfahren. In der Tat sind es mancherlei zugkräftige Argumente, die dem Elsässer heute eine Staats¬ form des neutralen Puffers etwa nach luxemburgischem Muster als recht ver¬ lockend erscheinen lassen. Gegen den Anschluß an Frankreich war vor dem Krieg die ganze Industrie, der die Vereinigung mit dem deutschen Wirtschaftsgebiet einen großen Aufsmwung gebracht hat.^) Heute mag etwa die oberelsässische Textilindustrie von den Westmächten Erleichterungen im Nohstoffbezug und in¬ folge der Vernichtung der nordfranzösischen Textilindustrie gute Aussichten in Frankreich erwarten. Doch handelt es sich auch dabei nur um vorübergehende Vorteile. Die ganze Winzerbevölkernng hat das größte Interesse an der Auf¬ rechterhaltung der Zollgrenze nach Westen. Den Wettbewerb mit dem fran¬ zösischen Weinbau könnte sie nicht aushalten. Ein nicht zu unterschätzendes Moment ist die Militärfrage. Die Aussicht, nicht mehr dienen zu brauchen, hat bei der gegenwärtigen Militärmüdigkeit für die Massen der Bevölkerung viel Verlockendes. Namentlich bei der unterelsässischen Landbevölkerung ist zudem das deutsche Nationalgefühl immerhin fo weit ausgeprägt, daß ein entschiedener Widerspruch gegen eine Verwelschung zu erwarten ist. So stehen alles in allem die Aktien des Nentralitätsgedankens etwa für das Elsaß und Deutsch-Lothringen recht günstig, wenn es überhaupt zu einem Referendum gebracht werden kann und soll. 2) Vgl. Freunde, Elsaß-Lothringen im deutschen Industriestaat. Grenz¬ boten Ur. 45.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/179>, abgerufen am 22.07.2024.