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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Berufswahl und Bcgabtenschnle

Sittlichkeit. Selbstverständlich handelt es sich bei einer ganzen Anzahl dieser
Wesenszüge um nicht experimentell oder überhaupt Meßbares, oft sind sie für den
Dritten nicht, sondern nur für den Betroffenen selbst bei tiefster Selbstprüfung
erkennbar. 2) Aber wie weit der Einzelberuf diese oder jene Eigenschaft erfordert,
kann doch geschätzt und erwogen und mit dem Befund verglichen werden. Und
es wird auch schon ein Fortschritt sein, wenn wir nicht positiv zu einem Beruft
raten, sondern -- und zwar nicht nach gefühlsmäßigen Antrieben, sondern nach
nüchterner Erkenntnis -- von bestimmten Berufen abraten können (negative
Berufsberatung). Jedenfalls hat Aloys Fischer recht, wenn er betont, daß "auf
Grund einer Durchleuchtung der Berufsarbeiten in ihren Voraussetzungen und
Teilen, Hilfsmitteln und Hindernissen, Gefahren und Erfolgsaussichten" in der
Zusammenarbeit von Vertretern der Berufe und Psychologen "psychische Berufs¬
bilder" gewonnen werden können, die dann die Unterlagen für die Berufsberatung
abgeben.

' Für. die Berufsberatung, nicht für den Berufszwang. Eine oberflächliche
Betrachtung könnte ja zu der Konsequenz kommen, daß mit der immer feineren
Ausbildung der Berufsforschung schließlich ein durchaus rationelles Verfahren für
den Nachersatz der Berufe einerseits, für die Unterbringung der passenden Anwärter
in "ihrem" Berufe andererseits gefunden wäre. Ausgeschaltet wäre damit das
Irrationale aus einem wichtigen Gebiete des Lebens, das Überraschende, der
Zwang zur eigenen Entscheidung, Initiative, Wagemut; das Leben wäre eine
Versicherungsanstalt, jeder Mensch ein Angestellter in seinem Berufe -- und was
der Perspektiven mehr sind. Aber so darf es eben doch nicht werden. Die Be¬
ratung soll kein Zwang, auch keine Überredung und Verführung sein; "wir können
empfehlen und warnen, aber wir sind niemals sicher, ob wir nicht, wenn uns-
gefolgt wird. .Kräfte unterbinden, die der riskierende Verzicht auf Klugheit frei¬
gemacht hätte" (Fischer, S. 29 und 80).

. An der Grenze des verstandesmäßig Berechenbaren endet auch die Berufs¬
forschung und -beratung; und die Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen im Menschen¬
wesen wird hier keinen Zwang zulassen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
nationalen Vorteils. Hiergegen wird es an Widerspruch nicht fehlen. Man darf
sich eben nicht der Tatsache verschließen, daß wir uns hier an der Grenze zweier
Weltanschauungen befinden. In der Berechtigung oder Nichtberechtigung der
Gesamtheit, über das Schicksal des einzelnen zu verfügen, bekämpfen sich von
jeher Individualismus und soziale Stciatsallmacht, und der Kampf ist darum
nicht zu Ende, weil im Bugcnblick die Wogen sozialer Ausfassung so hoch gehen,
wie noch nie bei unserem Volke. Ich sagte vorhin, der einzelne werde verpflichtet
sein, seinen Platz im Friedensheere einzunehmen. Soll man ihm auch noch das
Recht nehmen, in letzter Linie darüber zu entscheiden, welches dieser Platz ist? --




Es ist nicht zu verkennen, daß wir seit der Auflösung der strafffländischen
Gliederung unseres Volkes aus dem Zustand, wo der Beruf angeboren war und
Erziehung und VildnNg sich nach dem Stande der Eltern richteten, nach dem
Gegenpol hinstreben, einem sozialen Konglomerat, in dem die Geburisstände ver¬
schwinden und der Bildungsgrad allein die Voraussetzung für die Erreichbarkeit
eines Berufes darstellt. Man kann in aller Unbefangenheit dieses historische
Faktum feststellen und braucht weder für den verflossenen noch für den intendierten
Zustand gefühlsmäßig Partei zu nehmen. Heute ist das Ziel, nach dem die Ent¬
wicklung hinstrebt, nicht erreicht; noch immer wird das Kind auch in den Gesell-



2) Wie weit eine solche Selbstprüfung gehen darf, ohne den Blütenstaub der Harm¬
losigkeit gerade in der Jugend abzustreifen, ist eine nicht allgemein zu beantwortende Frage.
Vor einer Übertragung der Methoden der Psychoanalyse auf das Gebiet der Erziehung
glaubt daher Hera. v. Müller in seiner verständigen Schrift "Psychanalyse und Pädagogik"
(Leipzig 1S17, ehb. geh. 2 M.) warnen zu müssend
Berufswahl und Bcgabtenschnle

Sittlichkeit. Selbstverständlich handelt es sich bei einer ganzen Anzahl dieser
Wesenszüge um nicht experimentell oder überhaupt Meßbares, oft sind sie für den
Dritten nicht, sondern nur für den Betroffenen selbst bei tiefster Selbstprüfung
erkennbar. 2) Aber wie weit der Einzelberuf diese oder jene Eigenschaft erfordert,
kann doch geschätzt und erwogen und mit dem Befund verglichen werden. Und
es wird auch schon ein Fortschritt sein, wenn wir nicht positiv zu einem Beruft
raten, sondern — und zwar nicht nach gefühlsmäßigen Antrieben, sondern nach
nüchterner Erkenntnis — von bestimmten Berufen abraten können (negative
Berufsberatung). Jedenfalls hat Aloys Fischer recht, wenn er betont, daß „auf
Grund einer Durchleuchtung der Berufsarbeiten in ihren Voraussetzungen und
Teilen, Hilfsmitteln und Hindernissen, Gefahren und Erfolgsaussichten" in der
Zusammenarbeit von Vertretern der Berufe und Psychologen „psychische Berufs¬
bilder" gewonnen werden können, die dann die Unterlagen für die Berufsberatung
abgeben.

' Für. die Berufsberatung, nicht für den Berufszwang. Eine oberflächliche
Betrachtung könnte ja zu der Konsequenz kommen, daß mit der immer feineren
Ausbildung der Berufsforschung schließlich ein durchaus rationelles Verfahren für
den Nachersatz der Berufe einerseits, für die Unterbringung der passenden Anwärter
in „ihrem" Berufe andererseits gefunden wäre. Ausgeschaltet wäre damit das
Irrationale aus einem wichtigen Gebiete des Lebens, das Überraschende, der
Zwang zur eigenen Entscheidung, Initiative, Wagemut; das Leben wäre eine
Versicherungsanstalt, jeder Mensch ein Angestellter in seinem Berufe — und was
der Perspektiven mehr sind. Aber so darf es eben doch nicht werden. Die Be¬
ratung soll kein Zwang, auch keine Überredung und Verführung sein; „wir können
empfehlen und warnen, aber wir sind niemals sicher, ob wir nicht, wenn uns-
gefolgt wird. .Kräfte unterbinden, die der riskierende Verzicht auf Klugheit frei¬
gemacht hätte" (Fischer, S. 29 und 80).

. An der Grenze des verstandesmäßig Berechenbaren endet auch die Berufs¬
forschung und -beratung; und die Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen im Menschen¬
wesen wird hier keinen Zwang zulassen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des
nationalen Vorteils. Hiergegen wird es an Widerspruch nicht fehlen. Man darf
sich eben nicht der Tatsache verschließen, daß wir uns hier an der Grenze zweier
Weltanschauungen befinden. In der Berechtigung oder Nichtberechtigung der
Gesamtheit, über das Schicksal des einzelnen zu verfügen, bekämpfen sich von
jeher Individualismus und soziale Stciatsallmacht, und der Kampf ist darum
nicht zu Ende, weil im Bugcnblick die Wogen sozialer Ausfassung so hoch gehen,
wie noch nie bei unserem Volke. Ich sagte vorhin, der einzelne werde verpflichtet
sein, seinen Platz im Friedensheere einzunehmen. Soll man ihm auch noch das
Recht nehmen, in letzter Linie darüber zu entscheiden, welches dieser Platz ist? —




Es ist nicht zu verkennen, daß wir seit der Auflösung der strafffländischen
Gliederung unseres Volkes aus dem Zustand, wo der Beruf angeboren war und
Erziehung und VildnNg sich nach dem Stande der Eltern richteten, nach dem
Gegenpol hinstreben, einem sozialen Konglomerat, in dem die Geburisstände ver¬
schwinden und der Bildungsgrad allein die Voraussetzung für die Erreichbarkeit
eines Berufes darstellt. Man kann in aller Unbefangenheit dieses historische
Faktum feststellen und braucht weder für den verflossenen noch für den intendierten
Zustand gefühlsmäßig Partei zu nehmen. Heute ist das Ziel, nach dem die Ent¬
wicklung hinstrebt, nicht erreicht; noch immer wird das Kind auch in den Gesell-



2) Wie weit eine solche Selbstprüfung gehen darf, ohne den Blütenstaub der Harm¬
losigkeit gerade in der Jugend abzustreifen, ist eine nicht allgemein zu beantwortende Frage.
Vor einer Übertragung der Methoden der Psychoanalyse auf das Gebiet der Erziehung
glaubt daher Hera. v. Müller in seiner verständigen Schrift „Psychanalyse und Pädagogik"
(Leipzig 1S17, ehb. geh. 2 M.) warnen zu müssend
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[0151] Berufswahl und Bcgabtenschnle Sittlichkeit. Selbstverständlich handelt es sich bei einer ganzen Anzahl dieser Wesenszüge um nicht experimentell oder überhaupt Meßbares, oft sind sie für den Dritten nicht, sondern nur für den Betroffenen selbst bei tiefster Selbstprüfung erkennbar. 2) Aber wie weit der Einzelberuf diese oder jene Eigenschaft erfordert, kann doch geschätzt und erwogen und mit dem Befund verglichen werden. Und es wird auch schon ein Fortschritt sein, wenn wir nicht positiv zu einem Beruft raten, sondern — und zwar nicht nach gefühlsmäßigen Antrieben, sondern nach nüchterner Erkenntnis — von bestimmten Berufen abraten können (negative Berufsberatung). Jedenfalls hat Aloys Fischer recht, wenn er betont, daß „auf Grund einer Durchleuchtung der Berufsarbeiten in ihren Voraussetzungen und Teilen, Hilfsmitteln und Hindernissen, Gefahren und Erfolgsaussichten" in der Zusammenarbeit von Vertretern der Berufe und Psychologen „psychische Berufs¬ bilder" gewonnen werden können, die dann die Unterlagen für die Berufsberatung abgeben. ' Für. die Berufsberatung, nicht für den Berufszwang. Eine oberflächliche Betrachtung könnte ja zu der Konsequenz kommen, daß mit der immer feineren Ausbildung der Berufsforschung schließlich ein durchaus rationelles Verfahren für den Nachersatz der Berufe einerseits, für die Unterbringung der passenden Anwärter in „ihrem" Berufe andererseits gefunden wäre. Ausgeschaltet wäre damit das Irrationale aus einem wichtigen Gebiete des Lebens, das Überraschende, der Zwang zur eigenen Entscheidung, Initiative, Wagemut; das Leben wäre eine Versicherungsanstalt, jeder Mensch ein Angestellter in seinem Berufe — und was der Perspektiven mehr sind. Aber so darf es eben doch nicht werden. Die Be¬ ratung soll kein Zwang, auch keine Überredung und Verführung sein; „wir können empfehlen und warnen, aber wir sind niemals sicher, ob wir nicht, wenn uns- gefolgt wird. .Kräfte unterbinden, die der riskierende Verzicht auf Klugheit frei¬ gemacht hätte" (Fischer, S. 29 und 80). . An der Grenze des verstandesmäßig Berechenbaren endet auch die Berufs¬ forschung und -beratung; und die Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen im Menschen¬ wesen wird hier keinen Zwang zulassen, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des nationalen Vorteils. Hiergegen wird es an Widerspruch nicht fehlen. Man darf sich eben nicht der Tatsache verschließen, daß wir uns hier an der Grenze zweier Weltanschauungen befinden. In der Berechtigung oder Nichtberechtigung der Gesamtheit, über das Schicksal des einzelnen zu verfügen, bekämpfen sich von jeher Individualismus und soziale Stciatsallmacht, und der Kampf ist darum nicht zu Ende, weil im Bugcnblick die Wogen sozialer Ausfassung so hoch gehen, wie noch nie bei unserem Volke. Ich sagte vorhin, der einzelne werde verpflichtet sein, seinen Platz im Friedensheere einzunehmen. Soll man ihm auch noch das Recht nehmen, in letzter Linie darüber zu entscheiden, welches dieser Platz ist? — Es ist nicht zu verkennen, daß wir seit der Auflösung der strafffländischen Gliederung unseres Volkes aus dem Zustand, wo der Beruf angeboren war und Erziehung und VildnNg sich nach dem Stande der Eltern richteten, nach dem Gegenpol hinstreben, einem sozialen Konglomerat, in dem die Geburisstände ver¬ schwinden und der Bildungsgrad allein die Voraussetzung für die Erreichbarkeit eines Berufes darstellt. Man kann in aller Unbefangenheit dieses historische Faktum feststellen und braucht weder für den verflossenen noch für den intendierten Zustand gefühlsmäßig Partei zu nehmen. Heute ist das Ziel, nach dem die Ent¬ wicklung hinstrebt, nicht erreicht; noch immer wird das Kind auch in den Gesell- 2) Wie weit eine solche Selbstprüfung gehen darf, ohne den Blütenstaub der Harm¬ losigkeit gerade in der Jugend abzustreifen, ist eine nicht allgemein zu beantwortende Frage. Vor einer Übertragung der Methoden der Psychoanalyse auf das Gebiet der Erziehung glaubt daher Hera. v. Müller in seiner verständigen Schrift „Psychanalyse und Pädagogik" (Leipzig 1S17, ehb. geh. 2 M.) warnen zu müssend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/151>, abgerufen am 28.11.2024.