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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Oon Ludendorff zu payer
Georg Lleinow I von

ücksichtslose Sachlichkeit gegenüber den Tatsachen, die zu
meistern man im Augenblick nicht imstande ist, habe ich
hier als Grundprinzip für meinen Dienst an der Öffentlichkeit fest¬
gestellt. Diese Sachlichkeit zwingt mich erneut anzuerkennen, daß
die neue Regierung stetig und tapfer ihrem Ziel, dem deutschen
Volke den Frieden zu geben, zustrebt und daß sie sich in ihrem Streben durch
keinerlei Gefühlsmomente beeinflussen läßt. Mag uns das Ziel der Regierung
behagen oder nicht, mögen wir in seiner Verfolgung die schwersten Gefahren für
das Land sehen, wir müssen zugeben, daß es mit unerbittlicher Konsequenz verfolgt
wird -- wir müssen es gestehen --, wir sehen zum erstenmal seit langer Zeit,
daß eine deutsche Regierung überhaupt ein erkennbares Ziel hat. Diese Tatsache
allein ist ein so ungeheuerer Faktor unseres politischen Lebens, daß wir ihm uns
nicht entziehen können: er ist da, wir müssen mit ihm rechnen! Das Material
zur Beurteilung der neuen Regierung finden wir heute nicht mehr in der Rede
des Prinzen-Reichskanzlers vom 5. Oktober d. I. allein, sondern auch in dem
Notenwechsel mit dem Präsidenten Wilson und in den Reichstagsverhandlungen
vom 23. bis 27. Oktober. Hierzu tritt noch als ein besonders wichtiger Faktor
zur Beurteilung der Lage die Nachricht vom Rücktritt Ludendorffs. Auch diese
uns tief bewegende Tatsache müssen wir im Angesicht des Ernstes der Lage vor
allen Dingen kühl in das Gesamtbild einfügen und dürfen uns nicht durch unser
Gefühl aus Abwege leiten lassen. Von diesem kalten, sachlichen Standpunkte aus
müssen wir bekennen, daß der Rücktritt des bewährten Generals ebenso zur Klärung
der innerpolitischen Lage beiträgt und geeignet ist die Lage zu entlasten, wie vor
zwei Wochen der des Chefs des Zivilkabinetis, des Herrn von Berg. Es liegt
nicht im Interesse des Volksganzen, wenn die tüchtigsten Persönlichkeiten sich auf
verlorenen Posten nutzlos zerreiben. Weder Herr von Berg, noch der General
Ludendorff wären in der Lage gewesen, die Dinge in ihrer Entwicklung aufzu¬
halten oder sie umzubiegen. Die Verantwortung ist durch ihren Rücktritt klar


Grmzooten IV 1918 , 9


Oon Ludendorff zu payer
Georg Lleinow I von

ücksichtslose Sachlichkeit gegenüber den Tatsachen, die zu
meistern man im Augenblick nicht imstande ist, habe ich
hier als Grundprinzip für meinen Dienst an der Öffentlichkeit fest¬
gestellt. Diese Sachlichkeit zwingt mich erneut anzuerkennen, daß
die neue Regierung stetig und tapfer ihrem Ziel, dem deutschen
Volke den Frieden zu geben, zustrebt und daß sie sich in ihrem Streben durch
keinerlei Gefühlsmomente beeinflussen läßt. Mag uns das Ziel der Regierung
behagen oder nicht, mögen wir in seiner Verfolgung die schwersten Gefahren für
das Land sehen, wir müssen zugeben, daß es mit unerbittlicher Konsequenz verfolgt
wird — wir müssen es gestehen —, wir sehen zum erstenmal seit langer Zeit,
daß eine deutsche Regierung überhaupt ein erkennbares Ziel hat. Diese Tatsache
allein ist ein so ungeheuerer Faktor unseres politischen Lebens, daß wir ihm uns
nicht entziehen können: er ist da, wir müssen mit ihm rechnen! Das Material
zur Beurteilung der neuen Regierung finden wir heute nicht mehr in der Rede
des Prinzen-Reichskanzlers vom 5. Oktober d. I. allein, sondern auch in dem
Notenwechsel mit dem Präsidenten Wilson und in den Reichstagsverhandlungen
vom 23. bis 27. Oktober. Hierzu tritt noch als ein besonders wichtiger Faktor
zur Beurteilung der Lage die Nachricht vom Rücktritt Ludendorffs. Auch diese
uns tief bewegende Tatsache müssen wir im Angesicht des Ernstes der Lage vor
allen Dingen kühl in das Gesamtbild einfügen und dürfen uns nicht durch unser
Gefühl aus Abwege leiten lassen. Von diesem kalten, sachlichen Standpunkte aus
müssen wir bekennen, daß der Rücktritt des bewährten Generals ebenso zur Klärung
der innerpolitischen Lage beiträgt und geeignet ist die Lage zu entlasten, wie vor
zwei Wochen der des Chefs des Zivilkabinetis, des Herrn von Berg. Es liegt
nicht im Interesse des Volksganzen, wenn die tüchtigsten Persönlichkeiten sich auf
verlorenen Posten nutzlos zerreiben. Weder Herr von Berg, noch der General
Ludendorff wären in der Lage gewesen, die Dinge in ihrer Entwicklung aufzu¬
halten oder sie umzubiegen. Die Verantwortung ist durch ihren Rücktritt klar


Grmzooten IV 1918 , 9
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[0117] [Abbildung] Oon Ludendorff zu payer Georg Lleinow I von ücksichtslose Sachlichkeit gegenüber den Tatsachen, die zu meistern man im Augenblick nicht imstande ist, habe ich hier als Grundprinzip für meinen Dienst an der Öffentlichkeit fest¬ gestellt. Diese Sachlichkeit zwingt mich erneut anzuerkennen, daß die neue Regierung stetig und tapfer ihrem Ziel, dem deutschen Volke den Frieden zu geben, zustrebt und daß sie sich in ihrem Streben durch keinerlei Gefühlsmomente beeinflussen läßt. Mag uns das Ziel der Regierung behagen oder nicht, mögen wir in seiner Verfolgung die schwersten Gefahren für das Land sehen, wir müssen zugeben, daß es mit unerbittlicher Konsequenz verfolgt wird — wir müssen es gestehen —, wir sehen zum erstenmal seit langer Zeit, daß eine deutsche Regierung überhaupt ein erkennbares Ziel hat. Diese Tatsache allein ist ein so ungeheuerer Faktor unseres politischen Lebens, daß wir ihm uns nicht entziehen können: er ist da, wir müssen mit ihm rechnen! Das Material zur Beurteilung der neuen Regierung finden wir heute nicht mehr in der Rede des Prinzen-Reichskanzlers vom 5. Oktober d. I. allein, sondern auch in dem Notenwechsel mit dem Präsidenten Wilson und in den Reichstagsverhandlungen vom 23. bis 27. Oktober. Hierzu tritt noch als ein besonders wichtiger Faktor zur Beurteilung der Lage die Nachricht vom Rücktritt Ludendorffs. Auch diese uns tief bewegende Tatsache müssen wir im Angesicht des Ernstes der Lage vor allen Dingen kühl in das Gesamtbild einfügen und dürfen uns nicht durch unser Gefühl aus Abwege leiten lassen. Von diesem kalten, sachlichen Standpunkte aus müssen wir bekennen, daß der Rücktritt des bewährten Generals ebenso zur Klärung der innerpolitischen Lage beiträgt und geeignet ist die Lage zu entlasten, wie vor zwei Wochen der des Chefs des Zivilkabinetis, des Herrn von Berg. Es liegt nicht im Interesse des Volksganzen, wenn die tüchtigsten Persönlichkeiten sich auf verlorenen Posten nutzlos zerreiben. Weder Herr von Berg, noch der General Ludendorff wären in der Lage gewesen, die Dinge in ihrer Entwicklung aufzu¬ halten oder sie umzubiegen. Die Verantwortung ist durch ihren Rücktritt klar Grmzooten IV 1918 , 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/117>, abgerufen am 24.11.2024.