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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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geschehen, die im dritten Teile überhaupt nicht zu Worte kommt, also noch stief¬
mütterlicher behandelt wird, als die deutsche im zweiten. Man verstehe recht:
wir plädieren nicht für noch größere Kompliziertheit des Stoffs -- wovon noch
zu reden ist --, aber ein Hinweis auf die Verschiedenheit des deutschen und des
westeuropäischen Staatsgedankens hätte sich, da genug Vorarbeit geleistet ist, ohne
Hinaufsteigen zu entlegenen Quellen bewerkstelligen lassen. Anschauliche Belehrung
ist hier auch für "weitere Kreise" von größter Wichtigkeit.

Nühlmann hat den einzelnen Originaläußerungen knappe Orientierungen
über die Verfasser vorangestellt und in Fußnoten dem Lehrenden ebenso knappe
Fingerzeige für die Probleme der Textstellen zu geben versucht. In beiden Fällen
ist nicht immer alles in Ordnung, obwohl gern zugegeben werden soll, daß die
Noten gute Sachkenntnis verraten. Auf den Beweis unserer Behauptung müssen
wir an dieser Stelle verzichten. -- Was Textauswahl und -behandlung betrifft,
die bisweilen gewiß nicht einfach waren, so hat Nühlmann verwunderlicherweise
mitunter gerade die charakteristischsten Äußerungen seiner Gewährsmänner, zum
Beispiel bei Bossuet und Stahl, vorenthalten. Die übersetzten Stellen scheinen nicht
immer korrekt zu sein, wenigstens ist die berühmte Staatsoefinition des Bodinus
sinnentstellt wiedergegeben.

Zum Schluß noch ein paar Worte über Zweck und allgemeinen Charakter
dieser Quellenschrift. Der Verfasser scheint ihren inhaltlichen Wert durch den
Hinweis "für unterrichtliche Zwecke" noch eingeschränkt wissen zu wollen. Uns
scheint dagegen das Gebotene weit über das hinauszugehen, was man bei Schülern
und Lehrern auf dem wenig gepflegten Gebiete der politischen Theorien billiger¬
weise erwarten kann. Die der Anregung des Unterrichtenden dienenden Fußnoten
enthalten förmliche Dokrorthnncn, wie sie -- wir wollen niemand zu nahe treten
-- der Durchschnitt unserer Lehrerschaft unseres Erachtens nicht vor der Klasse
verarbeiten kann. Von Beispielen sei im Nahmen einer Buchanzeige abgesehen,
aber diese blendend wirkenden "Thesen" unter dem Strich bewahrheiten den Satz:
Leicht gesagt, schwer getan. Jede Achtung vor dem pädagogischen Grundsatz,
"anzuregen", das Niveau zu heben usw. -- aber, allzu straff gespannt, zerspringt
der Bogen I

Die UnVerdaulichkeit des hier servierten geistigen Mahles für Lehrer und
Schüler muß mit Notwendigkeit zur Halbbildung und Unwahrheit und damit zur
Entweihung der Wissenschaft führen. An die Stelle wirklich erworbener und
durchgeistigter Kenntnisse tritt aus Gründen des non possumus bestenfalles ödes
Schlagwvrtgeklapper. Es ist eine schöne Sache um die ideale Forderung, aber
man soll, wo es sich um unsere Primaner handelt, den Maßstab des Universitäts¬
Dr. H. O. Meisner seminars zuhause lassen.


Berichtigung:

In seiner Besprechung von Dr: Klaudius Bojungas Schrift
"Der deutsche Sprachunterricht auf höheren Schulen" (Heft 30 der "Grenzboten"
d. I.) wiederholt Professor Butte die Behauptung Bojungas, daß ein rheinischer
Gymnasialdtrektor das Lateinische als den "Eingang sür Herrschaften", die Be¬
schäftigung mit dem Deutschen aber als "Hintertür sür Dienstboten" bezeichnet
habe. Wir stellen gern fest, daß Bojunga die leicht hingeworfenen Äußerungen
des Gymnasialdirektors -- es handelt sich um einen im Schützengraben ent¬
worfenen Brief, der ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war --
unrichtig ausgelegt hat. Der Verfasser des Feldpostbriefes findet im Gegenteil
Worte des tiefsten Verständnisses für Sinn und Bedeutung des Deutschunterrichts
(vgl. die Zeitschrift "Das humanistische Gymnasium" Heft 1/2 Jg. 1917).




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Rachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des VerlaaS Mallet.
Verantwortlich: der Herausgeber Georg Clsinow in Berlin-Lichlerselde West. -- Wanuslriptsendunge" und
Bricke werden erbeten unter der Adresse:
An die Tchriftlcltnnn der Grenzboten in Berlin SW 11, Tcmpelliofer Ufer 85".
Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterselde 4S8, des Verlags und der Schristlettung: Amt Liitzow Will.
Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. S. H. in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer W"
Druck .Der Reichsbote" G. in. b, H. in Berlin SW 11, Defsmer Straße M/i>7
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geschehen, die im dritten Teile überhaupt nicht zu Worte kommt, also noch stief¬
mütterlicher behandelt wird, als die deutsche im zweiten. Man verstehe recht:
wir plädieren nicht für noch größere Kompliziertheit des Stoffs — wovon noch
zu reden ist —, aber ein Hinweis auf die Verschiedenheit des deutschen und des
westeuropäischen Staatsgedankens hätte sich, da genug Vorarbeit geleistet ist, ohne
Hinaufsteigen zu entlegenen Quellen bewerkstelligen lassen. Anschauliche Belehrung
ist hier auch für „weitere Kreise" von größter Wichtigkeit.

Nühlmann hat den einzelnen Originaläußerungen knappe Orientierungen
über die Verfasser vorangestellt und in Fußnoten dem Lehrenden ebenso knappe
Fingerzeige für die Probleme der Textstellen zu geben versucht. In beiden Fällen
ist nicht immer alles in Ordnung, obwohl gern zugegeben werden soll, daß die
Noten gute Sachkenntnis verraten. Auf den Beweis unserer Behauptung müssen
wir an dieser Stelle verzichten. — Was Textauswahl und -behandlung betrifft,
die bisweilen gewiß nicht einfach waren, so hat Nühlmann verwunderlicherweise
mitunter gerade die charakteristischsten Äußerungen seiner Gewährsmänner, zum
Beispiel bei Bossuet und Stahl, vorenthalten. Die übersetzten Stellen scheinen nicht
immer korrekt zu sein, wenigstens ist die berühmte Staatsoefinition des Bodinus
sinnentstellt wiedergegeben.

Zum Schluß noch ein paar Worte über Zweck und allgemeinen Charakter
dieser Quellenschrift. Der Verfasser scheint ihren inhaltlichen Wert durch den
Hinweis „für unterrichtliche Zwecke" noch eingeschränkt wissen zu wollen. Uns
scheint dagegen das Gebotene weit über das hinauszugehen, was man bei Schülern
und Lehrern auf dem wenig gepflegten Gebiete der politischen Theorien billiger¬
weise erwarten kann. Die der Anregung des Unterrichtenden dienenden Fußnoten
enthalten förmliche Dokrorthnncn, wie sie — wir wollen niemand zu nahe treten
— der Durchschnitt unserer Lehrerschaft unseres Erachtens nicht vor der Klasse
verarbeiten kann. Von Beispielen sei im Nahmen einer Buchanzeige abgesehen,
aber diese blendend wirkenden „Thesen" unter dem Strich bewahrheiten den Satz:
Leicht gesagt, schwer getan. Jede Achtung vor dem pädagogischen Grundsatz,
„anzuregen", das Niveau zu heben usw. — aber, allzu straff gespannt, zerspringt
der Bogen I

Die UnVerdaulichkeit des hier servierten geistigen Mahles für Lehrer und
Schüler muß mit Notwendigkeit zur Halbbildung und Unwahrheit und damit zur
Entweihung der Wissenschaft führen. An die Stelle wirklich erworbener und
durchgeistigter Kenntnisse tritt aus Gründen des non possumus bestenfalles ödes
Schlagwvrtgeklapper. Es ist eine schöne Sache um die ideale Forderung, aber
man soll, wo es sich um unsere Primaner handelt, den Maßstab des Universitäts¬
Dr. H. O. Meisner seminars zuhause lassen.


Berichtigung:

In seiner Besprechung von Dr: Klaudius Bojungas Schrift
„Der deutsche Sprachunterricht auf höheren Schulen" (Heft 30 der „Grenzboten"
d. I.) wiederholt Professor Butte die Behauptung Bojungas, daß ein rheinischer
Gymnasialdtrektor das Lateinische als den „Eingang sür Herrschaften", die Be¬
schäftigung mit dem Deutschen aber als „Hintertür sür Dienstboten" bezeichnet
habe. Wir stellen gern fest, daß Bojunga die leicht hingeworfenen Äußerungen
des Gymnasialdirektors — es handelt sich um einen im Schützengraben ent¬
worfenen Brief, der ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war —
unrichtig ausgelegt hat. Der Verfasser des Feldpostbriefes findet im Gegenteil
Worte des tiefsten Verständnisses für Sinn und Bedeutung des Deutschunterrichts
(vgl. die Zeitschrift „Das humanistische Gymnasium" Heft 1/2 Jg. 1917).




Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Rachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des VerlaaS Mallet.
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[0116] Neue Lücher geschehen, die im dritten Teile überhaupt nicht zu Worte kommt, also noch stief¬ mütterlicher behandelt wird, als die deutsche im zweiten. Man verstehe recht: wir plädieren nicht für noch größere Kompliziertheit des Stoffs — wovon noch zu reden ist —, aber ein Hinweis auf die Verschiedenheit des deutschen und des westeuropäischen Staatsgedankens hätte sich, da genug Vorarbeit geleistet ist, ohne Hinaufsteigen zu entlegenen Quellen bewerkstelligen lassen. Anschauliche Belehrung ist hier auch für „weitere Kreise" von größter Wichtigkeit. Nühlmann hat den einzelnen Originaläußerungen knappe Orientierungen über die Verfasser vorangestellt und in Fußnoten dem Lehrenden ebenso knappe Fingerzeige für die Probleme der Textstellen zu geben versucht. In beiden Fällen ist nicht immer alles in Ordnung, obwohl gern zugegeben werden soll, daß die Noten gute Sachkenntnis verraten. Auf den Beweis unserer Behauptung müssen wir an dieser Stelle verzichten. — Was Textauswahl und -behandlung betrifft, die bisweilen gewiß nicht einfach waren, so hat Nühlmann verwunderlicherweise mitunter gerade die charakteristischsten Äußerungen seiner Gewährsmänner, zum Beispiel bei Bossuet und Stahl, vorenthalten. Die übersetzten Stellen scheinen nicht immer korrekt zu sein, wenigstens ist die berühmte Staatsoefinition des Bodinus sinnentstellt wiedergegeben. Zum Schluß noch ein paar Worte über Zweck und allgemeinen Charakter dieser Quellenschrift. Der Verfasser scheint ihren inhaltlichen Wert durch den Hinweis „für unterrichtliche Zwecke" noch eingeschränkt wissen zu wollen. Uns scheint dagegen das Gebotene weit über das hinauszugehen, was man bei Schülern und Lehrern auf dem wenig gepflegten Gebiete der politischen Theorien billiger¬ weise erwarten kann. Die der Anregung des Unterrichtenden dienenden Fußnoten enthalten förmliche Dokrorthnncn, wie sie — wir wollen niemand zu nahe treten — der Durchschnitt unserer Lehrerschaft unseres Erachtens nicht vor der Klasse verarbeiten kann. Von Beispielen sei im Nahmen einer Buchanzeige abgesehen, aber diese blendend wirkenden „Thesen" unter dem Strich bewahrheiten den Satz: Leicht gesagt, schwer getan. Jede Achtung vor dem pädagogischen Grundsatz, „anzuregen", das Niveau zu heben usw. — aber, allzu straff gespannt, zerspringt der Bogen I Die UnVerdaulichkeit des hier servierten geistigen Mahles für Lehrer und Schüler muß mit Notwendigkeit zur Halbbildung und Unwahrheit und damit zur Entweihung der Wissenschaft führen. An die Stelle wirklich erworbener und durchgeistigter Kenntnisse tritt aus Gründen des non possumus bestenfalles ödes Schlagwvrtgeklapper. Es ist eine schöne Sache um die ideale Forderung, aber man soll, wo es sich um unsere Primaner handelt, den Maßstab des Universitäts¬ Dr. H. O. Meisner seminars zuhause lassen. Berichtigung: In seiner Besprechung von Dr: Klaudius Bojungas Schrift „Der deutsche Sprachunterricht auf höheren Schulen" (Heft 30 der „Grenzboten" d. I.) wiederholt Professor Butte die Behauptung Bojungas, daß ein rheinischer Gymnasialdtrektor das Lateinische als den „Eingang sür Herrschaften", die Be¬ schäftigung mit dem Deutschen aber als „Hintertür sür Dienstboten" bezeichnet habe. Wir stellen gern fest, daß Bojunga die leicht hingeworfenen Äußerungen des Gymnasialdirektors — es handelt sich um einen im Schützengraben ent¬ worfenen Brief, der ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt war — unrichtig ausgelegt hat. Der Verfasser des Feldpostbriefes findet im Gegenteil Worte des tiefsten Verständnisses für Sinn und Bedeutung des Deutschunterrichts (vgl. die Zeitschrift „Das humanistische Gymnasium" Heft 1/2 Jg. 1917). Allen Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Rachdruck sämtlicher Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des VerlaaS Mallet. Verantwortlich: der Herausgeber Georg Clsinow in Berlin-Lichlerselde West. — Wanuslriptsendunge» und Bricke werden erbeten unter der Adresse: An die Tchriftlcltnnn der Grenzboten in Berlin SW 11, Tcmpelliofer Ufer 85». Fernsprecher des Herausgebers: Amt Lichterselde 4S8, des Verlags und der Schristlettung: Amt Liitzow Will. Verlag: Verlag der Grenzboten G. in. S. H. in Berlin SW 11, Tempelhofer Ufer W» Druck .Der Reichsbote" G. in. b, H. in Berlin SW 11, Defsmer Straße M/i>7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/116>, abgerufen am 24.11.2024.