Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
planen und Llamingantcn

Patois!" Ein Patois noch dazu, das offenkundig in Belgien dem Fortkommen
und vor allem dem Aufsteigen in Beamtenschaft und Gesellschaft nicht nur
hinderlich ist, sondern es geradezu unmöglich macht. Borsorgliche Eltern lassen
darum besonders in Brüssel, aber längst nicht allein dort, ihre flämischen Kinder
vielfach nur französisch sprechen, um sie von vornherein von der Last des
flämischen Sprachballastes frei zu halten und ihnen die Möglichkeit erfolgreichen
Aufsteigens in Belgiens Staat und Gesellschaft zu eröffnen.

So ist französische Sprache und französisches Wesen in Belgien unter den
Vlamen das unbedingt erforderliche Mittel geworden, ohne das es ein Aus¬
steigen im staatlichen und gesellschaftlichen Leben einfach nicht gibt. Es erscheint
den Vlamen geradezu als ein unentbehrliches, ja als das alleruneutbehrlichste
Mittel und Werkzeug und die Grundlage allen Fortschrittes. "Was sind wir
ohne unser Französisch?" hört man sie oft sagen in der leider nur zu richtigen,
manche bedrückenden Erkenntnis, wie weit sie mit der alleinigen Beherrschung
ihres angestammten "Patois" kommen. Die deutschen Bestrebungen des Ein-
dämmens der französischen Sprache, zumal ihrer Beseitigung in den Volksschulen
erscheinen unter diesen Voraussetzungen den nicht tiefer Blickenden -- und das
ist die große Mehrheit --als eure Beraubung des flämischen Volkes am unent¬
behrlichsten Mittel des Fortschritts und der Kultur.

Durchaus Bürger zweiter Klasse und ohne Kenntnis des Französischen von
jeglicher, auch der geringsten Staatsanstellung ausgeschlossen, zeigten gleichwohl
in diesem Kriege die Vlamen eine selbstverleugnungsvolle Staatstreue, wie sie
nur bei so echten Germanen denkbar ist. Sie leiden und bluten für den Staat/
der sie mit planniäßiger Absichtlichkeit unter die Füße tritt. Sie treiben die
Staatstreue bis zur 'Selbstvernichtung.

Denn es ist immerhin doch nur ein kleiner, jedenfalls bei weitem nicht
der überwiegende Teil der Flamingauten, der das Verschulden des belgischen
Staates an dem größten ihm einverleibten Volkstum klar erkannt hat und seine
Stellung zu diesem Staate danach einrichtet. Er gibt sich keiner Täuschung mehr
darüber hin, daß vom belgischen Staate nach seiner ganzen Vergangenheit eine
aufrichtige Förderung des Vlamentums nun und nimmer zu erwarten ist,
sondern nur Feindschaft und Unterdrückung -- im besten Falle versteckte. Dieser
Teil der Flamiuganten ist logisch genug, die Verkoppelung der Vlamen mit den
Wallonen im belgischen Staate offen als ein Unglück anzuerkennen. Vom
belgischen Staatsgedanken hat er sich bewußt losgesagt.

Diese tiefgehenden Unterschiede im Schoße des Vlamentums sind die
Ursache, daß Urteil und Stellungnahme der Vlamen zu den vlamenfreundlichen
Maßnahmen der deutschen Verwaltung so unglaublich auseinanderklaffeil. Von
den Franskillons, die ihrem inneren 'Wesen nach nicht mehr dem Vlamentum
zuzuzählen sind, die uns als vollendeter Übergang des Vlamentums zum
französischen Wesen schon durch ihr bloßes Dasein" den Berwelschungsprozeß des
Vlamenvolkes vor Augen führen, können wir füglich schweigen. Doch nicht nur
sie, auch die große Masse der völkisch gleichgültigen, jedoch mit belgischer Staats¬
gesinnung erfüllten Vlamen stehen den 'flämischen Bestrebungen keineswegs
freundlicher gegenüber, seitdem sie sehen, daß sie vom "Feinde" gefördert werden.
Es wird behauptet, daß z. B. in Antwerpen seitdem mehr französisch gesprochen
würde. Das würde, falls es zutreffen sollte, nur dadurch zu erklären sein, daß die
Zweisprachigen oder doch ein merklicher Teil davon sich auf die Anwendung des
Französischen beschränken, seitdem ihnen das Flämische durch die Parteinahme
des "Landcsseindes" einen unangenehmen Beigeschmack bekommen hat.

Auch der Teil der belgisch gesinnten Flaminganten, die man die
"Passivisten" nennt, weil sie gehorsam dem von Le Hcwre ausgegebenen Stich¬
wort an der Vlcnnenfrage während der Dauer des Krieges nicht rühren wollen,
weist das deutsche Eingreifen in die belgischen Sprach- und Nationalitäts¬
verhältnisse scharf und unversöhnlich zurück. Er will von dem Mutigen
Eroberer" keine Geschenke annehmen und findet die ganze Vlamensache durch
seine Parteinahme kompromittiert Und geschädigt.


planen und Llamingantcn

Patois!" Ein Patois noch dazu, das offenkundig in Belgien dem Fortkommen
und vor allem dem Aufsteigen in Beamtenschaft und Gesellschaft nicht nur
hinderlich ist, sondern es geradezu unmöglich macht. Borsorgliche Eltern lassen
darum besonders in Brüssel, aber längst nicht allein dort, ihre flämischen Kinder
vielfach nur französisch sprechen, um sie von vornherein von der Last des
flämischen Sprachballastes frei zu halten und ihnen die Möglichkeit erfolgreichen
Aufsteigens in Belgiens Staat und Gesellschaft zu eröffnen.

So ist französische Sprache und französisches Wesen in Belgien unter den
Vlamen das unbedingt erforderliche Mittel geworden, ohne das es ein Aus¬
steigen im staatlichen und gesellschaftlichen Leben einfach nicht gibt. Es erscheint
den Vlamen geradezu als ein unentbehrliches, ja als das alleruneutbehrlichste
Mittel und Werkzeug und die Grundlage allen Fortschrittes. „Was sind wir
ohne unser Französisch?" hört man sie oft sagen in der leider nur zu richtigen,
manche bedrückenden Erkenntnis, wie weit sie mit der alleinigen Beherrschung
ihres angestammten „Patois" kommen. Die deutschen Bestrebungen des Ein-
dämmens der französischen Sprache, zumal ihrer Beseitigung in den Volksschulen
erscheinen unter diesen Voraussetzungen den nicht tiefer Blickenden — und das
ist die große Mehrheit —als eure Beraubung des flämischen Volkes am unent¬
behrlichsten Mittel des Fortschritts und der Kultur.

Durchaus Bürger zweiter Klasse und ohne Kenntnis des Französischen von
jeglicher, auch der geringsten Staatsanstellung ausgeschlossen, zeigten gleichwohl
in diesem Kriege die Vlamen eine selbstverleugnungsvolle Staatstreue, wie sie
nur bei so echten Germanen denkbar ist. Sie leiden und bluten für den Staat/
der sie mit planniäßiger Absichtlichkeit unter die Füße tritt. Sie treiben die
Staatstreue bis zur 'Selbstvernichtung.

Denn es ist immerhin doch nur ein kleiner, jedenfalls bei weitem nicht
der überwiegende Teil der Flamingauten, der das Verschulden des belgischen
Staates an dem größten ihm einverleibten Volkstum klar erkannt hat und seine
Stellung zu diesem Staate danach einrichtet. Er gibt sich keiner Täuschung mehr
darüber hin, daß vom belgischen Staate nach seiner ganzen Vergangenheit eine
aufrichtige Förderung des Vlamentums nun und nimmer zu erwarten ist,
sondern nur Feindschaft und Unterdrückung — im besten Falle versteckte. Dieser
Teil der Flamiuganten ist logisch genug, die Verkoppelung der Vlamen mit den
Wallonen im belgischen Staate offen als ein Unglück anzuerkennen. Vom
belgischen Staatsgedanken hat er sich bewußt losgesagt.

Diese tiefgehenden Unterschiede im Schoße des Vlamentums sind die
Ursache, daß Urteil und Stellungnahme der Vlamen zu den vlamenfreundlichen
Maßnahmen der deutschen Verwaltung so unglaublich auseinanderklaffeil. Von
den Franskillons, die ihrem inneren 'Wesen nach nicht mehr dem Vlamentum
zuzuzählen sind, die uns als vollendeter Übergang des Vlamentums zum
französischen Wesen schon durch ihr bloßes Dasein" den Berwelschungsprozeß des
Vlamenvolkes vor Augen führen, können wir füglich schweigen. Doch nicht nur
sie, auch die große Masse der völkisch gleichgültigen, jedoch mit belgischer Staats¬
gesinnung erfüllten Vlamen stehen den 'flämischen Bestrebungen keineswegs
freundlicher gegenüber, seitdem sie sehen, daß sie vom „Feinde" gefördert werden.
Es wird behauptet, daß z. B. in Antwerpen seitdem mehr französisch gesprochen
würde. Das würde, falls es zutreffen sollte, nur dadurch zu erklären sein, daß die
Zweisprachigen oder doch ein merklicher Teil davon sich auf die Anwendung des
Französischen beschränken, seitdem ihnen das Flämische durch die Parteinahme
des „Landcsseindes" einen unangenehmen Beigeschmack bekommen hat.

Auch der Teil der belgisch gesinnten Flaminganten, die man die
„Passivisten" nennt, weil sie gehorsam dem von Le Hcwre ausgegebenen Stich¬
wort an der Vlcnnenfrage während der Dauer des Krieges nicht rühren wollen,
weist das deutsche Eingreifen in die belgischen Sprach- und Nationalitäts¬
verhältnisse scharf und unversöhnlich zurück. Er will von dem Mutigen
Eroberer" keine Geschenke annehmen und findet die ganze Vlamensache durch
seine Parteinahme kompromittiert Und geschädigt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/88340"/>
          <fw type="header" place="top"> planen und Llamingantcn</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_404" prev="#ID_403"> Patois!" Ein Patois noch dazu, das offenkundig in Belgien dem Fortkommen<lb/>
und vor allem dem Aufsteigen in Beamtenschaft und Gesellschaft nicht nur<lb/>
hinderlich ist, sondern es geradezu unmöglich macht. Borsorgliche Eltern lassen<lb/>
darum besonders in Brüssel, aber längst nicht allein dort, ihre flämischen Kinder<lb/>
vielfach nur französisch sprechen, um sie von vornherein von der Last des<lb/>
flämischen Sprachballastes frei zu halten und ihnen die Möglichkeit erfolgreichen<lb/>
Aufsteigens in Belgiens Staat und Gesellschaft zu eröffnen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_405"> So ist französische Sprache und französisches Wesen in Belgien unter den<lb/>
Vlamen das unbedingt erforderliche Mittel geworden, ohne das es ein Aus¬<lb/>
steigen im staatlichen und gesellschaftlichen Leben einfach nicht gibt. Es erscheint<lb/>
den Vlamen geradezu als ein unentbehrliches, ja als das alleruneutbehrlichste<lb/>
Mittel und Werkzeug und die Grundlage allen Fortschrittes. &#x201E;Was sind wir<lb/>
ohne unser Französisch?" hört man sie oft sagen in der leider nur zu richtigen,<lb/>
manche bedrückenden Erkenntnis, wie weit sie mit der alleinigen Beherrschung<lb/>
ihres angestammten &#x201E;Patois" kommen. Die deutschen Bestrebungen des Ein-<lb/>
dämmens der französischen Sprache, zumal ihrer Beseitigung in den Volksschulen<lb/>
erscheinen unter diesen Voraussetzungen den nicht tiefer Blickenden &#x2014; und das<lb/>
ist die große Mehrheit &#x2014;als eure Beraubung des flämischen Volkes am unent¬<lb/>
behrlichsten Mittel des Fortschritts und der Kultur.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_406"> Durchaus Bürger zweiter Klasse und ohne Kenntnis des Französischen von<lb/>
jeglicher, auch der geringsten Staatsanstellung ausgeschlossen, zeigten gleichwohl<lb/>
in diesem Kriege die Vlamen eine selbstverleugnungsvolle Staatstreue, wie sie<lb/>
nur bei so echten Germanen denkbar ist. Sie leiden und bluten für den Staat/<lb/>
der sie mit planniäßiger Absichtlichkeit unter die Füße tritt. Sie treiben die<lb/>
Staatstreue bis zur 'Selbstvernichtung.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_407"> Denn es ist immerhin doch nur ein kleiner, jedenfalls bei weitem nicht<lb/>
der überwiegende Teil der Flamingauten, der das Verschulden des belgischen<lb/>
Staates an dem größten ihm einverleibten Volkstum klar erkannt hat und seine<lb/>
Stellung zu diesem Staate danach einrichtet. Er gibt sich keiner Täuschung mehr<lb/>
darüber hin, daß vom belgischen Staate nach seiner ganzen Vergangenheit eine<lb/>
aufrichtige Förderung des Vlamentums nun und nimmer zu erwarten ist,<lb/>
sondern nur Feindschaft und Unterdrückung &#x2014; im besten Falle versteckte. Dieser<lb/>
Teil der Flamiuganten ist logisch genug, die Verkoppelung der Vlamen mit den<lb/>
Wallonen im belgischen Staate offen als ein Unglück anzuerkennen. Vom<lb/>
belgischen Staatsgedanken hat er sich bewußt losgesagt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_408"> Diese tiefgehenden Unterschiede im Schoße des Vlamentums sind die<lb/>
Ursache, daß Urteil und Stellungnahme der Vlamen zu den vlamenfreundlichen<lb/>
Maßnahmen der deutschen Verwaltung so unglaublich auseinanderklaffeil. Von<lb/>
den Franskillons, die ihrem inneren 'Wesen nach nicht mehr dem Vlamentum<lb/>
zuzuzählen sind, die uns als vollendeter Übergang des Vlamentums zum<lb/>
französischen Wesen schon durch ihr bloßes Dasein" den Berwelschungsprozeß des<lb/>
Vlamenvolkes vor Augen führen, können wir füglich schweigen. Doch nicht nur<lb/>
sie, auch die große Masse der völkisch gleichgültigen, jedoch mit belgischer Staats¬<lb/>
gesinnung erfüllten Vlamen stehen den 'flämischen Bestrebungen keineswegs<lb/>
freundlicher gegenüber, seitdem sie sehen, daß sie vom &#x201E;Feinde" gefördert werden.<lb/>
Es wird behauptet, daß z. B. in Antwerpen seitdem mehr französisch gesprochen<lb/>
würde. Das würde, falls es zutreffen sollte, nur dadurch zu erklären sein, daß die<lb/>
Zweisprachigen oder doch ein merklicher Teil davon sich auf die Anwendung des<lb/>
Französischen beschränken, seitdem ihnen das Flämische durch die Parteinahme<lb/>
des &#x201E;Landcsseindes" einen unangenehmen Beigeschmack bekommen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_409"> Auch der Teil der belgisch gesinnten Flaminganten, die man die<lb/>
&#x201E;Passivisten" nennt, weil sie gehorsam dem von Le Hcwre ausgegebenen Stich¬<lb/>
wort an der Vlcnnenfrage während der Dauer des Krieges nicht rühren wollen,<lb/>
weist das deutsche Eingreifen in die belgischen Sprach- und Nationalitäts¬<lb/>
verhältnisse scharf und unversöhnlich zurück. Er will von dem Mutigen<lb/>
Eroberer" keine Geschenke annehmen und findet die ganze Vlamensache durch<lb/>
seine Parteinahme kompromittiert Und geschädigt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] planen und Llamingantcn Patois!" Ein Patois noch dazu, das offenkundig in Belgien dem Fortkommen und vor allem dem Aufsteigen in Beamtenschaft und Gesellschaft nicht nur hinderlich ist, sondern es geradezu unmöglich macht. Borsorgliche Eltern lassen darum besonders in Brüssel, aber längst nicht allein dort, ihre flämischen Kinder vielfach nur französisch sprechen, um sie von vornherein von der Last des flämischen Sprachballastes frei zu halten und ihnen die Möglichkeit erfolgreichen Aufsteigens in Belgiens Staat und Gesellschaft zu eröffnen. So ist französische Sprache und französisches Wesen in Belgien unter den Vlamen das unbedingt erforderliche Mittel geworden, ohne das es ein Aus¬ steigen im staatlichen und gesellschaftlichen Leben einfach nicht gibt. Es erscheint den Vlamen geradezu als ein unentbehrliches, ja als das alleruneutbehrlichste Mittel und Werkzeug und die Grundlage allen Fortschrittes. „Was sind wir ohne unser Französisch?" hört man sie oft sagen in der leider nur zu richtigen, manche bedrückenden Erkenntnis, wie weit sie mit der alleinigen Beherrschung ihres angestammten „Patois" kommen. Die deutschen Bestrebungen des Ein- dämmens der französischen Sprache, zumal ihrer Beseitigung in den Volksschulen erscheinen unter diesen Voraussetzungen den nicht tiefer Blickenden — und das ist die große Mehrheit —als eure Beraubung des flämischen Volkes am unent¬ behrlichsten Mittel des Fortschritts und der Kultur. Durchaus Bürger zweiter Klasse und ohne Kenntnis des Französischen von jeglicher, auch der geringsten Staatsanstellung ausgeschlossen, zeigten gleichwohl in diesem Kriege die Vlamen eine selbstverleugnungsvolle Staatstreue, wie sie nur bei so echten Germanen denkbar ist. Sie leiden und bluten für den Staat/ der sie mit planniäßiger Absichtlichkeit unter die Füße tritt. Sie treiben die Staatstreue bis zur 'Selbstvernichtung. Denn es ist immerhin doch nur ein kleiner, jedenfalls bei weitem nicht der überwiegende Teil der Flamingauten, der das Verschulden des belgischen Staates an dem größten ihm einverleibten Volkstum klar erkannt hat und seine Stellung zu diesem Staate danach einrichtet. Er gibt sich keiner Täuschung mehr darüber hin, daß vom belgischen Staate nach seiner ganzen Vergangenheit eine aufrichtige Förderung des Vlamentums nun und nimmer zu erwarten ist, sondern nur Feindschaft und Unterdrückung — im besten Falle versteckte. Dieser Teil der Flamiuganten ist logisch genug, die Verkoppelung der Vlamen mit den Wallonen im belgischen Staate offen als ein Unglück anzuerkennen. Vom belgischen Staatsgedanken hat er sich bewußt losgesagt. Diese tiefgehenden Unterschiede im Schoße des Vlamentums sind die Ursache, daß Urteil und Stellungnahme der Vlamen zu den vlamenfreundlichen Maßnahmen der deutschen Verwaltung so unglaublich auseinanderklaffeil. Von den Franskillons, die ihrem inneren 'Wesen nach nicht mehr dem Vlamentum zuzuzählen sind, die uns als vollendeter Übergang des Vlamentums zum französischen Wesen schon durch ihr bloßes Dasein" den Berwelschungsprozeß des Vlamenvolkes vor Augen führen, können wir füglich schweigen. Doch nicht nur sie, auch die große Masse der völkisch gleichgültigen, jedoch mit belgischer Staats¬ gesinnung erfüllten Vlamen stehen den 'flämischen Bestrebungen keineswegs freundlicher gegenüber, seitdem sie sehen, daß sie vom „Feinde" gefördert werden. Es wird behauptet, daß z. B. in Antwerpen seitdem mehr französisch gesprochen würde. Das würde, falls es zutreffen sollte, nur dadurch zu erklären sein, daß die Zweisprachigen oder doch ein merklicher Teil davon sich auf die Anwendung des Französischen beschränken, seitdem ihnen das Flämische durch die Parteinahme des „Landcsseindes" einen unangenehmen Beigeschmack bekommen hat. Auch der Teil der belgisch gesinnten Flaminganten, die man die „Passivisten" nennt, weil sie gehorsam dem von Le Hcwre ausgegebenen Stich¬ wort an der Vlcnnenfrage während der Dauer des Krieges nicht rühren wollen, weist das deutsche Eingreifen in die belgischen Sprach- und Nationalitäts¬ verhältnisse scharf und unversöhnlich zurück. Er will von dem Mutigen Eroberer" keine Geschenke annehmen und findet die ganze Vlamensache durch seine Parteinahme kompromittiert Und geschädigt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/102>, abgerufen am 23.07.2024.