Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.von Kühlmann zu -- Hertling er allein verantwortlich für die Politik des Reiches sei. Und dann geschah Herr von Kühlmann ist also nicht eigentlich das Opfer irgendwelcher Damit soll nicht gesagt sein, daß Herr von Kühlmann zurücktreten mußte. von Kühlmann zu — Hertling er allein verantwortlich für die Politik des Reiches sei. Und dann geschah Herr von Kühlmann ist also nicht eigentlich das Opfer irgendwelcher Damit soll nicht gesagt sein, daß Herr von Kühlmann zurücktreten mußte. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333909"/> <fw type="header" place="top"> von Kühlmann zu — Hertling</fw><lb/> <p xml:id="ID_235" prev="#ID_234"> er allein verantwortlich für die Politik des Reiches sei. Und dann geschah<lb/> das, was der Diplomat unter allen Umständen vermeiden muß, solange er seinen<lb/> Zweck nicht erreicht hat: Herr von Kühlmann nahm seine Zuflucht zu einer<lb/> Demonstration. In der Morgenausgabe der „Norddeutschen Allg. Ztg." vom<lb/> 24. Juni finden wir die Mitteilung von einem parlamentarischen Abend beim<lb/> Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, in der abgesehen von hohen Beamten und<lb/> und Parlamentariern der Linken nur die Professoren Meinecke, Troeltsch, Alfred<lb/> Weber, Hans Delbrück und Herckner, das sind sozusagen die wissenschaftlichen Träger<lb/> des Pessimismus in Berlin, aufgeführt sind. Die Tagespresse hatte wohl keine Zeit<lb/> mehr, diese Kundgebung zu unterstreichen; an anderer Stelle ist sie nicht unbeachtet<lb/> geblieben. Am 24. Juni deckte dann Herr von Kühlmann seine Karten vollends<lb/> auf, wie sich nachträglich herausstellte, ohne sich darüber auch nur mit einer dafür<lb/> amtlich in Frage kommenden Stelle ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Die<lb/> Fühlungnahme mit einem süddeutschen Bundesfürsten, der die Oberste Heeres¬<lb/> leitung unterrichtet haben mochte, genügte jedenfalls nicht. Der Herr Reichskanzler<lb/> wurde vollkommen überrascht, der „Vorwärts" schrieb jenen empörenden Flau¬<lb/> macher-Artikel.</p><lb/> <p xml:id="ID_236"> Herr von Kühlmann ist also nicht eigentlich das Opfer irgendwelcher<lb/> Intrigen und Gegensätze zu „anderen Faktoren", sagen wir offen heraus zur<lb/> Obersten Heeresleitung, sondern seiner eigenen Fehler. Ob nun Ungeduld oder<lb/> Erbitterung über die Machtlosigkeit der Diplomatie oder andere Gründe Herrn<lb/> von Kühlmann bestimmt haben, möge dahingestellt bleiben. Herr von Kühlmann<lb/> mag von dem Bestreben geleitet gewesen sein, der Politik einen stärkeren Einfluß auf<lb/> die Kriegführung zu erringen und dadurch in einen sachlichen Gegensatz zu Hinden-<lb/> burg und Ludendorff geraten sein, — über ihn brauchte er nicht zu fallen, denn<lb/> er ist natürlich und gesund und wird bis zu einem gewissen Grade immer bestehen<lb/> bleiben, solange auf beiden Seiten noch ein Fünkchen Lebensenergie flackert. Wo¬<lb/> rüber der Staatssekretär fiel, ist sein offenbarer Versuch, den Willen der Zufalls-<lb/> Mehrheit vom 19. Juli 1917 zum allein gültigen zu machen und mit dieser<lb/> gegen die wirkliche Strömung im Lande, von der Graf Hertling sich vorsichtig<lb/> tragen läßt, zu regieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_237" next="#ID_238"> Damit soll nicht gesagt sein, daß Herr von Kühlmann zurücktreten mußte.<lb/> Sein Verbleiben oder Rücktütt war eine Nervensrage. die er selbst gegen sich<lb/> entschieden hat, vielleicht infolge der Erkenntnis, daß er die Kräfte, auf die er sich<lb/> stützen wollte, überschätzte. Jedenfalls erweckt sein Rücktritt den Eindruck, als habe er<lb/> einen kühnen Handstreich führen wollen und in seinem eigenen Interesse läge es, wenn<lb/> dieser Eindruck durch gewisse Ausstreuungen aus dem Kreise seiner Umgebung<lb/> nicht noch verstärkt würde I War ihm um die Sache, für die er zu kämpfen schien,<lb/> so viel zu tun, wie man nach seinem Auftreten glauben sollte, so mußte er ver¬<lb/> suchen, sich unter allen Umständen im Amt zu halten, wenn er sich seine Stellung<lb/> auch schon außerordentlich erschwert hatte. Nun Herr von Kühlmann auf seinem<lb/> sofortigen Rücktritt bestanden hat, erscheint es mir von persönlichen wie von<lb/> politischen Gesichtspunkten aus unpraktisch, sein Verhältnis zur Obersten Heeres¬<lb/> leitung als Hauptursache in den Vordergrund zu rücken, während doch der wirk¬<lb/> liche Grund in Kühlmanns Neroenzusammenbruch unter dem Einfluß der in der<lb/> Großstadtlust verkümmerten Stimmung der Kreise, mit denen er sich umgab, zu</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
von Kühlmann zu — Hertling
er allein verantwortlich für die Politik des Reiches sei. Und dann geschah
das, was der Diplomat unter allen Umständen vermeiden muß, solange er seinen
Zweck nicht erreicht hat: Herr von Kühlmann nahm seine Zuflucht zu einer
Demonstration. In der Morgenausgabe der „Norddeutschen Allg. Ztg." vom
24. Juni finden wir die Mitteilung von einem parlamentarischen Abend beim
Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, in der abgesehen von hohen Beamten und
und Parlamentariern der Linken nur die Professoren Meinecke, Troeltsch, Alfred
Weber, Hans Delbrück und Herckner, das sind sozusagen die wissenschaftlichen Träger
des Pessimismus in Berlin, aufgeführt sind. Die Tagespresse hatte wohl keine Zeit
mehr, diese Kundgebung zu unterstreichen; an anderer Stelle ist sie nicht unbeachtet
geblieben. Am 24. Juni deckte dann Herr von Kühlmann seine Karten vollends
auf, wie sich nachträglich herausstellte, ohne sich darüber auch nur mit einer dafür
amtlich in Frage kommenden Stelle ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Die
Fühlungnahme mit einem süddeutschen Bundesfürsten, der die Oberste Heeres¬
leitung unterrichtet haben mochte, genügte jedenfalls nicht. Der Herr Reichskanzler
wurde vollkommen überrascht, der „Vorwärts" schrieb jenen empörenden Flau¬
macher-Artikel.
Herr von Kühlmann ist also nicht eigentlich das Opfer irgendwelcher
Intrigen und Gegensätze zu „anderen Faktoren", sagen wir offen heraus zur
Obersten Heeresleitung, sondern seiner eigenen Fehler. Ob nun Ungeduld oder
Erbitterung über die Machtlosigkeit der Diplomatie oder andere Gründe Herrn
von Kühlmann bestimmt haben, möge dahingestellt bleiben. Herr von Kühlmann
mag von dem Bestreben geleitet gewesen sein, der Politik einen stärkeren Einfluß auf
die Kriegführung zu erringen und dadurch in einen sachlichen Gegensatz zu Hinden-
burg und Ludendorff geraten sein, — über ihn brauchte er nicht zu fallen, denn
er ist natürlich und gesund und wird bis zu einem gewissen Grade immer bestehen
bleiben, solange auf beiden Seiten noch ein Fünkchen Lebensenergie flackert. Wo¬
rüber der Staatssekretär fiel, ist sein offenbarer Versuch, den Willen der Zufalls-
Mehrheit vom 19. Juli 1917 zum allein gültigen zu machen und mit dieser
gegen die wirkliche Strömung im Lande, von der Graf Hertling sich vorsichtig
tragen läßt, zu regieren.
Damit soll nicht gesagt sein, daß Herr von Kühlmann zurücktreten mußte.
Sein Verbleiben oder Rücktütt war eine Nervensrage. die er selbst gegen sich
entschieden hat, vielleicht infolge der Erkenntnis, daß er die Kräfte, auf die er sich
stützen wollte, überschätzte. Jedenfalls erweckt sein Rücktritt den Eindruck, als habe er
einen kühnen Handstreich führen wollen und in seinem eigenen Interesse läge es, wenn
dieser Eindruck durch gewisse Ausstreuungen aus dem Kreise seiner Umgebung
nicht noch verstärkt würde I War ihm um die Sache, für die er zu kämpfen schien,
so viel zu tun, wie man nach seinem Auftreten glauben sollte, so mußte er ver¬
suchen, sich unter allen Umständen im Amt zu halten, wenn er sich seine Stellung
auch schon außerordentlich erschwert hatte. Nun Herr von Kühlmann auf seinem
sofortigen Rücktritt bestanden hat, erscheint es mir von persönlichen wie von
politischen Gesichtspunkten aus unpraktisch, sein Verhältnis zur Obersten Heeres¬
leitung als Hauptursache in den Vordergrund zu rücken, während doch der wirk¬
liche Grund in Kühlmanns Neroenzusammenbruch unter dem Einfluß der in der
Großstadtlust verkümmerten Stimmung der Kreise, mit denen er sich umgab, zu
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