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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die Behandlung der Letten und Ehlen

Linken die Bethmannsche Ostpolitik populär machte. Hier jedoch werden wesent¬
liche Punkte übersehe", vor allem der kryptodemokratische Charakter des
Petrinischen Zarismus, der folgerichtig in die Revolution und den Bolschewis¬
mus mündete. Dieser Zarismus, wie er durch Peter den Großen und seinen
ebenfalls bereits westlich orientierten Borläufer Iwan den Schrecklichen
begründet war, war nämlich selber seinem Wesen nach mnstürzlerisch: er war
Revolution von oben her. Er begann mit einer Niederwerfung des russischen
Feudalismus, der Bojarenherrschaft, und erhob eine in die bekannten Rang¬
klassen gestufte Bureaukratie zur Allmacht, die das sociale Emporkommen außer¬
ordentlich erleichterte. Er ging mit einem erbarmungslosen politischen
Rationalismus den heiligsten Traditionen des Russentmns zu Leibe und lockerte
dadurch allenthalben das organische Gefüge des überkommenen Staates so weit
auf, daß er für die ihm entgegenarbeitende Revolution von unten her selber die
besten Boraussetzungen schuf. Er setzte die politische Willkür an die Stelle der
heiligen Ueberlieferungen, er errichtete einen hhpcrautoritären Ueberbau auf
einem revolutionären Fundament. Im Zeichen dieser rationalistischen Willkür
reichen sich Peter der Große und Lenin über die Jahrhunderte hinweg die
brüderliche Rechte.

Schon für Katharina die Zweite, die Kaiserin der russischen Aufklärung,
waren die westlich fortgeschrittenen baltischen Provinzen ein Versuchsfeld
liberalisierender Neuerungen. Der Nationalismus, dies Kind des 19. Jahr¬
hunderts, war damals noch nicht geboren. Der Gedanke einer Nussifizierung
der Ostseeprovinzen war erst dein panslawistischen Zarismus in der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhundert vorbehalten. Er oktroyierte dem Lande
eben jenes radikal-büreaukratische System, das aus seinem wahren Ziele, der
Ausrottung des Deutschtums, auch gar kein Hehl machte. Dies System war der
Todfeind alles organischen Fortschritts, Wie ihn die Einsichtigen unter den
Deutschbalten wollten und forderten, aber es wurde von den Letten als echter
Fortschritt begrüßt, denn da es keine Selbsterhaltungsintercsseii der kleinen
deutschen Oberschicht zu berücksichtigen brauchte, konnte es sich wesentlich liberaler
und paritätischer geben, als die ständische deutsche Landesverfassung. Darüber
hinaus aber begünstigte es inoffiziell die lettischen und chemischen Ansprüche, da
es zu den Kampfmethoden des Panslciwismus gehörte, den inneren nationalen
Hader der eigenen Sache nutzbar zu machen. Der Leite und Este also -- und das
darf nicht übersehen werden -- sieht im Zarismus nicht sowohl den Unterdrücker,
als viel eher den Befreier. Die russische Konstitution, unter deren Einwirkung
das Land über ein Jahrzehnt gestanden hat, gab vollends der Unterschicht eine
willkommene Gelegenheit, ihre zahlenmäßige Ueberlegenheit zuungunsten der
Deutschen in den Wahlen für die Dnma auszunützen. Da in diesen noch so
unreifen Völkern die politisch besonnenen Kreise, die hauptsächlich der ländlichen
Mittelschicht augehören, sozusagen Politisch stumm sind und als "Vertreter" die
dünne gänzlich radikalisierte Intelligenz und das Proletariat der Städte allein
in Frage kommen, ist es natürlich, daß die übelsten Hetzer in den erregten Zeiten
unmittelbar nach der Revolution den Weg auf die Tribünen des Parlaments
fanden. Und schließlich erfreuten sich zu Anfang des Krieges die nationalen
Ansprüche der baltischen Unterschicht weitgehender Duldung von selten des
Zarismus, während beide in der Verfolgung des baltischen Deutschtums
gemeinsame Sache machten.

Will man neben diese beiden Systeme, das deutsche standisch-feudale und
das russische bureaukratisch-liberalere, noch ein drittes stellen, so muß man frei¬
lich das Gebiet der politischen Realitäten mit dem der Programme und
Ideologien vertauschen. Fragt man etwa diejenigen Vertreter der lettischen
Intelligenz, die heute in der Schweiz eine rührige deutschfeindliche Propaganda
betreiben so treten sie für keines der beiden ein, fondern fordern -- etwa im
Sinne der russischen Revolution in der Aera Kerenski -- ein selbständiges Lett¬
land im freien Rußland. Wie sie sich die Durchführung einer solchen Verfassung
ini einzelnen denken, werden einem freilich die Handvoll Agitatoren kaum sagen


Die Behandlung der Letten und Ehlen

Linken die Bethmannsche Ostpolitik populär machte. Hier jedoch werden wesent¬
liche Punkte übersehe«, vor allem der kryptodemokratische Charakter des
Petrinischen Zarismus, der folgerichtig in die Revolution und den Bolschewis¬
mus mündete. Dieser Zarismus, wie er durch Peter den Großen und seinen
ebenfalls bereits westlich orientierten Borläufer Iwan den Schrecklichen
begründet war, war nämlich selber seinem Wesen nach mnstürzlerisch: er war
Revolution von oben her. Er begann mit einer Niederwerfung des russischen
Feudalismus, der Bojarenherrschaft, und erhob eine in die bekannten Rang¬
klassen gestufte Bureaukratie zur Allmacht, die das sociale Emporkommen außer¬
ordentlich erleichterte. Er ging mit einem erbarmungslosen politischen
Rationalismus den heiligsten Traditionen des Russentmns zu Leibe und lockerte
dadurch allenthalben das organische Gefüge des überkommenen Staates so weit
auf, daß er für die ihm entgegenarbeitende Revolution von unten her selber die
besten Boraussetzungen schuf. Er setzte die politische Willkür an die Stelle der
heiligen Ueberlieferungen, er errichtete einen hhpcrautoritären Ueberbau auf
einem revolutionären Fundament. Im Zeichen dieser rationalistischen Willkür
reichen sich Peter der Große und Lenin über die Jahrhunderte hinweg die
brüderliche Rechte.

Schon für Katharina die Zweite, die Kaiserin der russischen Aufklärung,
waren die westlich fortgeschrittenen baltischen Provinzen ein Versuchsfeld
liberalisierender Neuerungen. Der Nationalismus, dies Kind des 19. Jahr¬
hunderts, war damals noch nicht geboren. Der Gedanke einer Nussifizierung
der Ostseeprovinzen war erst dein panslawistischen Zarismus in der zweiten
Hälfte des neunzehnten Jahrhundert vorbehalten. Er oktroyierte dem Lande
eben jenes radikal-büreaukratische System, das aus seinem wahren Ziele, der
Ausrottung des Deutschtums, auch gar kein Hehl machte. Dies System war der
Todfeind alles organischen Fortschritts, Wie ihn die Einsichtigen unter den
Deutschbalten wollten und forderten, aber es wurde von den Letten als echter
Fortschritt begrüßt, denn da es keine Selbsterhaltungsintercsseii der kleinen
deutschen Oberschicht zu berücksichtigen brauchte, konnte es sich wesentlich liberaler
und paritätischer geben, als die ständische deutsche Landesverfassung. Darüber
hinaus aber begünstigte es inoffiziell die lettischen und chemischen Ansprüche, da
es zu den Kampfmethoden des Panslciwismus gehörte, den inneren nationalen
Hader der eigenen Sache nutzbar zu machen. Der Leite und Este also — und das
darf nicht übersehen werden — sieht im Zarismus nicht sowohl den Unterdrücker,
als viel eher den Befreier. Die russische Konstitution, unter deren Einwirkung
das Land über ein Jahrzehnt gestanden hat, gab vollends der Unterschicht eine
willkommene Gelegenheit, ihre zahlenmäßige Ueberlegenheit zuungunsten der
Deutschen in den Wahlen für die Dnma auszunützen. Da in diesen noch so
unreifen Völkern die politisch besonnenen Kreise, die hauptsächlich der ländlichen
Mittelschicht augehören, sozusagen Politisch stumm sind und als „Vertreter" die
dünne gänzlich radikalisierte Intelligenz und das Proletariat der Städte allein
in Frage kommen, ist es natürlich, daß die übelsten Hetzer in den erregten Zeiten
unmittelbar nach der Revolution den Weg auf die Tribünen des Parlaments
fanden. Und schließlich erfreuten sich zu Anfang des Krieges die nationalen
Ansprüche der baltischen Unterschicht weitgehender Duldung von selten des
Zarismus, während beide in der Verfolgung des baltischen Deutschtums
gemeinsame Sache machten.

Will man neben diese beiden Systeme, das deutsche standisch-feudale und
das russische bureaukratisch-liberalere, noch ein drittes stellen, so muß man frei¬
lich das Gebiet der politischen Realitäten mit dem der Programme und
Ideologien vertauschen. Fragt man etwa diejenigen Vertreter der lettischen
Intelligenz, die heute in der Schweiz eine rührige deutschfeindliche Propaganda
betreiben so treten sie für keines der beiden ein, fondern fordern — etwa im
Sinne der russischen Revolution in der Aera Kerenski — ein selbständiges Lett¬
land im freien Rußland. Wie sie sich die Durchführung einer solchen Verfassung
ini einzelnen denken, werden einem freilich die Handvoll Agitatoren kaum sagen


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[0327] Die Behandlung der Letten und Ehlen Linken die Bethmannsche Ostpolitik populär machte. Hier jedoch werden wesent¬ liche Punkte übersehe«, vor allem der kryptodemokratische Charakter des Petrinischen Zarismus, der folgerichtig in die Revolution und den Bolschewis¬ mus mündete. Dieser Zarismus, wie er durch Peter den Großen und seinen ebenfalls bereits westlich orientierten Borläufer Iwan den Schrecklichen begründet war, war nämlich selber seinem Wesen nach mnstürzlerisch: er war Revolution von oben her. Er begann mit einer Niederwerfung des russischen Feudalismus, der Bojarenherrschaft, und erhob eine in die bekannten Rang¬ klassen gestufte Bureaukratie zur Allmacht, die das sociale Emporkommen außer¬ ordentlich erleichterte. Er ging mit einem erbarmungslosen politischen Rationalismus den heiligsten Traditionen des Russentmns zu Leibe und lockerte dadurch allenthalben das organische Gefüge des überkommenen Staates so weit auf, daß er für die ihm entgegenarbeitende Revolution von unten her selber die besten Boraussetzungen schuf. Er setzte die politische Willkür an die Stelle der heiligen Ueberlieferungen, er errichtete einen hhpcrautoritären Ueberbau auf einem revolutionären Fundament. Im Zeichen dieser rationalistischen Willkür reichen sich Peter der Große und Lenin über die Jahrhunderte hinweg die brüderliche Rechte. Schon für Katharina die Zweite, die Kaiserin der russischen Aufklärung, waren die westlich fortgeschrittenen baltischen Provinzen ein Versuchsfeld liberalisierender Neuerungen. Der Nationalismus, dies Kind des 19. Jahr¬ hunderts, war damals noch nicht geboren. Der Gedanke einer Nussifizierung der Ostseeprovinzen war erst dein panslawistischen Zarismus in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhundert vorbehalten. Er oktroyierte dem Lande eben jenes radikal-büreaukratische System, das aus seinem wahren Ziele, der Ausrottung des Deutschtums, auch gar kein Hehl machte. Dies System war der Todfeind alles organischen Fortschritts, Wie ihn die Einsichtigen unter den Deutschbalten wollten und forderten, aber es wurde von den Letten als echter Fortschritt begrüßt, denn da es keine Selbsterhaltungsintercsseii der kleinen deutschen Oberschicht zu berücksichtigen brauchte, konnte es sich wesentlich liberaler und paritätischer geben, als die ständische deutsche Landesverfassung. Darüber hinaus aber begünstigte es inoffiziell die lettischen und chemischen Ansprüche, da es zu den Kampfmethoden des Panslciwismus gehörte, den inneren nationalen Hader der eigenen Sache nutzbar zu machen. Der Leite und Este also — und das darf nicht übersehen werden — sieht im Zarismus nicht sowohl den Unterdrücker, als viel eher den Befreier. Die russische Konstitution, unter deren Einwirkung das Land über ein Jahrzehnt gestanden hat, gab vollends der Unterschicht eine willkommene Gelegenheit, ihre zahlenmäßige Ueberlegenheit zuungunsten der Deutschen in den Wahlen für die Dnma auszunützen. Da in diesen noch so unreifen Völkern die politisch besonnenen Kreise, die hauptsächlich der ländlichen Mittelschicht augehören, sozusagen Politisch stumm sind und als „Vertreter" die dünne gänzlich radikalisierte Intelligenz und das Proletariat der Städte allein in Frage kommen, ist es natürlich, daß die übelsten Hetzer in den erregten Zeiten unmittelbar nach der Revolution den Weg auf die Tribünen des Parlaments fanden. Und schließlich erfreuten sich zu Anfang des Krieges die nationalen Ansprüche der baltischen Unterschicht weitgehender Duldung von selten des Zarismus, während beide in der Verfolgung des baltischen Deutschtums gemeinsame Sache machten. Will man neben diese beiden Systeme, das deutsche standisch-feudale und das russische bureaukratisch-liberalere, noch ein drittes stellen, so muß man frei¬ lich das Gebiet der politischen Realitäten mit dem der Programme und Ideologien vertauschen. Fragt man etwa diejenigen Vertreter der lettischen Intelligenz, die heute in der Schweiz eine rührige deutschfeindliche Propaganda betreiben so treten sie für keines der beiden ein, fondern fordern — etwa im Sinne der russischen Revolution in der Aera Kerenski — ein selbständiges Lett¬ land im freien Rußland. Wie sie sich die Durchführung einer solchen Verfassung ini einzelnen denken, werden einem freilich die Handvoll Agitatoren kaum sagen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/327>, abgerufen am 22.07.2024.