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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Bevölkenmgspolitik oder Gcburtenpolitik?

auch unserer oder höherer Art sein werden. Es liegt deshalb die Verführung
nahe, der qualitativen Geburtenpolitik das Wort zu reden. Aber auch das hat
viel Verwirrung gestiftet. Denn unklare Köpfe waren schnell bereit, daraus die
Forderung abzuleiten, daß man nur wenig Kinder in die Welt setzen und diesen
wenigen dasür eine möglichst üppige, möglichst gute Erziehung zuteil werden lassen
soll. Daß bei einer solchen Wirtschaft "gut" erzogener Einkinder unser Volk nicht
würde bestehen können, bedarf keines Beweises. Das Problem der Qualität ist
zudem bei der Geburtenpolitik viel weniger ein Problem der Erziehung als ein
solches der Erbanlagen. Insofern ist hier aber das Problem der Qualität gerade
ein solches der Zahl. Darauf kommt es letzten Endes nämlich an, daß die¬
jenigen Menschen, die ihren Erbwerten nach über dem Durchschnitt flehen, einen
zahlenmäßig größeren Nachwuchs stellen als die unterdurchschnittlich Befähigten.
Weder die quantitative noch die qualitative Geburienpolitik kann daher unser letztes
Ziel sein. Die Zahl der qualitativ Guten ist es vielmehr, also die Fruchtbarkeit
der Tüchtigen, auf die allein alles ankommt. Eine Geburtenpolitik wird deshalb
nur dann den Namen einer rassenhygienischen Geburtenpolitik verdienen, den Namen
also einer Geburtenpolitik, die die Erhaltungsbedingungen des dauernd fortlebenden
Volkskörpers zur Richtschnur nimmt, wenn sie sich bemüht, die Fruchtbarkeit vor¬
nehmlich solcher Bevölkerungsgruppen zu vermehren, deren durchschnittliche erbliche
Leistungsfähigkeit über dem Gesamtdurchschnitt des Volkes liegt. Dieses rassen¬
hygienische Programm ist schon vor Jahrzehnten von Francis Galton, Darwins
genialen Vetter, aufgestellt worden.

Daß eine solche rassenhygienische Geburtenpolitik möglich ist, sobald die maß.
gebenden Stellen ihre Notwendigkeit erkannt haben, ist gewiß. Ihre praktischen
Mittel würden einerseits in einer moralischen Beeinflussung der Bevölkerung be¬
stehen, um die massensuggestive Kraft der Geburtenverhütung zu brechen, anderer¬
seits in wirtschaftlichen Maßnahmen. Hier muß man besonders eine tiefgreifende
Berücksichtigung des Familienstandes bei der Veranlagung zur Einkommensteuer
und bei der Beamtenbesoldung fordern, sodann eine in gleicher Richtung liegende
Änderung unseres Erbrechtes und schließlich eine geburtenpolitische Siedlungs¬
politik, das heißt eine Siedlungspolitik, bei der, wie es Fritz Lenz und Max
von Gruber vorgeschlagen haben, das dauernde Innehaben und die Erblichkeit
der Siedlungen an die Bedingung geknüpft ist, daß der Siedlungsinhaber eine
noch näher zu bestimmende, die Erhaltung der Familie gewährleistende Kinder¬
zahl aufgezogen hat.

Versuche zur Durchführung derartiger Reformen werden ohne Zweifel
kommen, ja, sie sind schon auf dem Marsche, denn das "Kinderprivileg" bei der
Einkommensteuer und die Familienzulagen bei vielen Beamten sind bereits zag¬
hafte Anfänge dazu. Aufgabe der Geburtenpolitiker ist es nun, dafür Sorge zu
tragen, daß Man bei diesen Anfängen nicht stehen bleibt, die Gewissen zu scharfen,
damit der zögernd begonnene Weg rüstig weiter beschritten wird. Dieser Aufgabe
wird aber nur gewachsen sein, wer sich völlig klar ist über daS eigentliche Ziel.
Man darf nicht mit allen möglichen schönen Nebensachen' Zeit und Kräfte ver¬
zetteln, sondern muß direkt auf die Bekämpfung des Geburtenrückgangs los¬
marschieren. Bevölkerungspolitische Schriftsteller lind bevölkerungspolitische Ziele
anstrebende Vereinigungen werden genau in dem Maße wirklichen Segen für
unser Volk erwirken können, als sie sich auf ihre ursprüngliche Bestimmung
besinnen, in dem Maße also, in dein sie sich von "bevölkerungspolitischen"
Schriftstellern und "bevölkerungspolitischen" Gesellschaften zu geburtenpolitischen
hinourchmauscm. Es ist hohe Zeit, daß diese Häutung erfolgt, denn die alte
Haut ist indem Trubel der letzten Jahre arg verstaubt; von ihrer ursprünglichen
Farbe, welche "Bekämpfung des Geburtenrückgangs" hieß, ist nicht mehr viel zu
sehen. Die trostlose Zersplitterung und oberflächliche Alleswollerei der neuesten
Bevölkerungspolitik muß ein Ende haben. Lasset uns deshalb sür alle Kräfte,
die sich zur Bekämpfung des todverheißenden Geburtenrückgangs regen, unter dem
Zeichen der Geburtenpolitik zum Sammeln blasen! Freilich, wenn man nicht


Bevölkenmgspolitik oder Gcburtenpolitik?

auch unserer oder höherer Art sein werden. Es liegt deshalb die Verführung
nahe, der qualitativen Geburtenpolitik das Wort zu reden. Aber auch das hat
viel Verwirrung gestiftet. Denn unklare Köpfe waren schnell bereit, daraus die
Forderung abzuleiten, daß man nur wenig Kinder in die Welt setzen und diesen
wenigen dasür eine möglichst üppige, möglichst gute Erziehung zuteil werden lassen
soll. Daß bei einer solchen Wirtschaft „gut" erzogener Einkinder unser Volk nicht
würde bestehen können, bedarf keines Beweises. Das Problem der Qualität ist
zudem bei der Geburtenpolitik viel weniger ein Problem der Erziehung als ein
solches der Erbanlagen. Insofern ist hier aber das Problem der Qualität gerade
ein solches der Zahl. Darauf kommt es letzten Endes nämlich an, daß die¬
jenigen Menschen, die ihren Erbwerten nach über dem Durchschnitt flehen, einen
zahlenmäßig größeren Nachwuchs stellen als die unterdurchschnittlich Befähigten.
Weder die quantitative noch die qualitative Geburienpolitik kann daher unser letztes
Ziel sein. Die Zahl der qualitativ Guten ist es vielmehr, also die Fruchtbarkeit
der Tüchtigen, auf die allein alles ankommt. Eine Geburtenpolitik wird deshalb
nur dann den Namen einer rassenhygienischen Geburtenpolitik verdienen, den Namen
also einer Geburtenpolitik, die die Erhaltungsbedingungen des dauernd fortlebenden
Volkskörpers zur Richtschnur nimmt, wenn sie sich bemüht, die Fruchtbarkeit vor¬
nehmlich solcher Bevölkerungsgruppen zu vermehren, deren durchschnittliche erbliche
Leistungsfähigkeit über dem Gesamtdurchschnitt des Volkes liegt. Dieses rassen¬
hygienische Programm ist schon vor Jahrzehnten von Francis Galton, Darwins
genialen Vetter, aufgestellt worden.

Daß eine solche rassenhygienische Geburtenpolitik möglich ist, sobald die maß.
gebenden Stellen ihre Notwendigkeit erkannt haben, ist gewiß. Ihre praktischen
Mittel würden einerseits in einer moralischen Beeinflussung der Bevölkerung be¬
stehen, um die massensuggestive Kraft der Geburtenverhütung zu brechen, anderer¬
seits in wirtschaftlichen Maßnahmen. Hier muß man besonders eine tiefgreifende
Berücksichtigung des Familienstandes bei der Veranlagung zur Einkommensteuer
und bei der Beamtenbesoldung fordern, sodann eine in gleicher Richtung liegende
Änderung unseres Erbrechtes und schließlich eine geburtenpolitische Siedlungs¬
politik, das heißt eine Siedlungspolitik, bei der, wie es Fritz Lenz und Max
von Gruber vorgeschlagen haben, das dauernde Innehaben und die Erblichkeit
der Siedlungen an die Bedingung geknüpft ist, daß der Siedlungsinhaber eine
noch näher zu bestimmende, die Erhaltung der Familie gewährleistende Kinder¬
zahl aufgezogen hat.

Versuche zur Durchführung derartiger Reformen werden ohne Zweifel
kommen, ja, sie sind schon auf dem Marsche, denn das „Kinderprivileg" bei der
Einkommensteuer und die Familienzulagen bei vielen Beamten sind bereits zag¬
hafte Anfänge dazu. Aufgabe der Geburtenpolitiker ist es nun, dafür Sorge zu
tragen, daß Man bei diesen Anfängen nicht stehen bleibt, die Gewissen zu scharfen,
damit der zögernd begonnene Weg rüstig weiter beschritten wird. Dieser Aufgabe
wird aber nur gewachsen sein, wer sich völlig klar ist über daS eigentliche Ziel.
Man darf nicht mit allen möglichen schönen Nebensachen' Zeit und Kräfte ver¬
zetteln, sondern muß direkt auf die Bekämpfung des Geburtenrückgangs los¬
marschieren. Bevölkerungspolitische Schriftsteller lind bevölkerungspolitische Ziele
anstrebende Vereinigungen werden genau in dem Maße wirklichen Segen für
unser Volk erwirken können, als sie sich auf ihre ursprüngliche Bestimmung
besinnen, in dem Maße also, in dein sie sich von „bevölkerungspolitischen"
Schriftstellern und „bevölkerungspolitischen" Gesellschaften zu geburtenpolitischen
hinourchmauscm. Es ist hohe Zeit, daß diese Häutung erfolgt, denn die alte
Haut ist indem Trubel der letzten Jahre arg verstaubt; von ihrer ursprünglichen
Farbe, welche „Bekämpfung des Geburtenrückgangs" hieß, ist nicht mehr viel zu
sehen. Die trostlose Zersplitterung und oberflächliche Alleswollerei der neuesten
Bevölkerungspolitik muß ein Ende haben. Lasset uns deshalb sür alle Kräfte,
die sich zur Bekämpfung des todverheißenden Geburtenrückgangs regen, unter dem
Zeichen der Geburtenpolitik zum Sammeln blasen! Freilich, wenn man nicht


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[0030] Bevölkenmgspolitik oder Gcburtenpolitik? auch unserer oder höherer Art sein werden. Es liegt deshalb die Verführung nahe, der qualitativen Geburtenpolitik das Wort zu reden. Aber auch das hat viel Verwirrung gestiftet. Denn unklare Köpfe waren schnell bereit, daraus die Forderung abzuleiten, daß man nur wenig Kinder in die Welt setzen und diesen wenigen dasür eine möglichst üppige, möglichst gute Erziehung zuteil werden lassen soll. Daß bei einer solchen Wirtschaft „gut" erzogener Einkinder unser Volk nicht würde bestehen können, bedarf keines Beweises. Das Problem der Qualität ist zudem bei der Geburtenpolitik viel weniger ein Problem der Erziehung als ein solches der Erbanlagen. Insofern ist hier aber das Problem der Qualität gerade ein solches der Zahl. Darauf kommt es letzten Endes nämlich an, daß die¬ jenigen Menschen, die ihren Erbwerten nach über dem Durchschnitt flehen, einen zahlenmäßig größeren Nachwuchs stellen als die unterdurchschnittlich Befähigten. Weder die quantitative noch die qualitative Geburienpolitik kann daher unser letztes Ziel sein. Die Zahl der qualitativ Guten ist es vielmehr, also die Fruchtbarkeit der Tüchtigen, auf die allein alles ankommt. Eine Geburtenpolitik wird deshalb nur dann den Namen einer rassenhygienischen Geburtenpolitik verdienen, den Namen also einer Geburtenpolitik, die die Erhaltungsbedingungen des dauernd fortlebenden Volkskörpers zur Richtschnur nimmt, wenn sie sich bemüht, die Fruchtbarkeit vor¬ nehmlich solcher Bevölkerungsgruppen zu vermehren, deren durchschnittliche erbliche Leistungsfähigkeit über dem Gesamtdurchschnitt des Volkes liegt. Dieses rassen¬ hygienische Programm ist schon vor Jahrzehnten von Francis Galton, Darwins genialen Vetter, aufgestellt worden. Daß eine solche rassenhygienische Geburtenpolitik möglich ist, sobald die maß. gebenden Stellen ihre Notwendigkeit erkannt haben, ist gewiß. Ihre praktischen Mittel würden einerseits in einer moralischen Beeinflussung der Bevölkerung be¬ stehen, um die massensuggestive Kraft der Geburtenverhütung zu brechen, anderer¬ seits in wirtschaftlichen Maßnahmen. Hier muß man besonders eine tiefgreifende Berücksichtigung des Familienstandes bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und bei der Beamtenbesoldung fordern, sodann eine in gleicher Richtung liegende Änderung unseres Erbrechtes und schließlich eine geburtenpolitische Siedlungs¬ politik, das heißt eine Siedlungspolitik, bei der, wie es Fritz Lenz und Max von Gruber vorgeschlagen haben, das dauernde Innehaben und die Erblichkeit der Siedlungen an die Bedingung geknüpft ist, daß der Siedlungsinhaber eine noch näher zu bestimmende, die Erhaltung der Familie gewährleistende Kinder¬ zahl aufgezogen hat. Versuche zur Durchführung derartiger Reformen werden ohne Zweifel kommen, ja, sie sind schon auf dem Marsche, denn das „Kinderprivileg" bei der Einkommensteuer und die Familienzulagen bei vielen Beamten sind bereits zag¬ hafte Anfänge dazu. Aufgabe der Geburtenpolitiker ist es nun, dafür Sorge zu tragen, daß Man bei diesen Anfängen nicht stehen bleibt, die Gewissen zu scharfen, damit der zögernd begonnene Weg rüstig weiter beschritten wird. Dieser Aufgabe wird aber nur gewachsen sein, wer sich völlig klar ist über daS eigentliche Ziel. Man darf nicht mit allen möglichen schönen Nebensachen' Zeit und Kräfte ver¬ zetteln, sondern muß direkt auf die Bekämpfung des Geburtenrückgangs los¬ marschieren. Bevölkerungspolitische Schriftsteller lind bevölkerungspolitische Ziele anstrebende Vereinigungen werden genau in dem Maße wirklichen Segen für unser Volk erwirken können, als sie sich auf ihre ursprüngliche Bestimmung besinnen, in dem Maße also, in dein sie sich von „bevölkerungspolitischen" Schriftstellern und „bevölkerungspolitischen" Gesellschaften zu geburtenpolitischen hinourchmauscm. Es ist hohe Zeit, daß diese Häutung erfolgt, denn die alte Haut ist indem Trubel der letzten Jahre arg verstaubt; von ihrer ursprünglichen Farbe, welche „Bekämpfung des Geburtenrückgangs" hieß, ist nicht mehr viel zu sehen. Die trostlose Zersplitterung und oberflächliche Alleswollerei der neuesten Bevölkerungspolitik muß ein Ende haben. Lasset uns deshalb sür alle Kräfte, die sich zur Bekämpfung des todverheißenden Geburtenrückgangs regen, unter dem Zeichen der Geburtenpolitik zum Sammeln blasen! Freilich, wenn man nicht

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/30>, abgerufen am 25.08.2024.