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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Wirtschaft, Horatiol

gefährdeten Nechtsgüter der deutschen Nation geschützt. Milde ist nicht an¬
gebracht. Der Gerechtigkeit hat Genüge zu geschehen. Jene schwerarbeitende
fünsundsechzigjährige Frau mit krankem sechsundsiebenzigjährigen Mann, drei
Söhne im Feld, versäumte es, als ihr erkranktes einziges Pferd notgeschlachtet
werden mußte, ja, sie versäumte es, die Verblendete, die Zuweisung von Futter-
haser beim Magistrat abzumelden. Mit Recht wollte ein Strafbefehl dies Ver¬
brechen gegen die geheiligte Satzung mit 4000 Mark Geldstrafe ahnden, oder mit
einem Jahre Gefängms. Doch das matte Gericht setzte die Strafe aus
hundert Mark herab.

Strafe! Strafe! Strafe! Dies ist der Weisheit letzter Schluß.

Voraussetzung für die Annahme des Sachwuchers ist im gemeinen Straf¬
recht die gewerbs- und gewohnheitsmäßige Ausbeutung der wirtschaftlichen Not¬
lage eines andern und die Absicht der Erzielung übermäßigen Gewinnes. Im
Kriegswucherrecht ist auch das vorteilhafte Einzelgeschäst als Kriegswucher
strafbar, Ausbeutung nicht nötig, nur "Gefährdung des erstrebten gemeinsamen
Durchhaltens". Und dennoch "Wucher" mit dem ganzen Odium der Verächtlich¬
keit, das an diesem Worte klebt, man mag aus- und unterlegen, was man will.

Eine Preis- und Gewinnberechnung, die einmal nicht genau nach den
höchst klaren, niemals sich widersprechenden, niemals abweichender Inter¬
pretation zugängigen behördlichen Vorschriften kalkuliere wurde, ist Kriegswucher.
Die Tatbestandsmerkmale des Wuchers sind im Gesetz scharf umrissen, die deS
Kriegswuchers nicht. Du erfährst erst vom Strafsenat des Reichsgerichts, ob du
ein Kriegswucherer bist oder ein tadelloser Ehrenmann. So will es die Gelegen¬
heitsgesetzgebung, die alles dem Richter überläßt, weil sie selber keine Zeit hatte
zu Begriffsbestimmungen.

Wenn die Inhaber zweier Firmen, Nachbaren, dieselben Waren in den¬
selben Mengen zu je 14 und 10 Mark für die Gewichtseinheit gekauft haben, aus
den richtigen Durchschnittspreis von 12 Mark einen angemessenen Gewinn
schlagen und zu dem so gebildeten Preis verkaufen, so kann der eine ein Kriegs¬
wucherer, der andere ein ehrbarer Kaufmann sein, denn entscheidend ist für die
Beurteilung des Verkaufspreises als erlaubt oder unerlaubt, ob "der zahlen- und
buchmäßige Nachweis dafür erbracht wird, daß die Durchschnittsberechnung vor
der Forderung des Preises und erst recht vor seiner Beanstandung einwandfrei
vorgenommen worden ist". So dekretiert die volkswirtschaftliche Abteilung des
Kriegsernährungsamtes. Nicht der Preis ist entscheidend, sondern die Tages¬
angabe auf einem Blatt Papier. Wer dem Staate den vortrefflichen Motor zu
18 000 Mark liefert, um 8000 Mark billiger als der Wettbewerber, der seine
keinenfalls höherwertige Maschine für 26 000 Mark verkauft, gehört dem nicht
Dank und Anerkennung? Tu! Sofern er, der billigere, nichts oder nur wemg
oder höchstens "angemessen" verdient. Verdient er "unangemessen" oder "über¬
mäßig", dann dreimal wehe über ihn, denn vom Rechte, das nach ihm geboren
ist, von dem ist leider hier die Frage! Der ehrbare Kaufmann und der Kriegs-
gewinnstler, der im Pfuhl als Blase in die Höhe gestiegen ist, sie werden über
denselben Kamm geschoren. Und wozu der Lärm? Vater Staat steckt ja doch,
mit Recht, wir gönnens ihm, den größten Teil der Gewinne als Steuer ein-
Da mag er denn, so die Preise angemessen sind, sich der Gewinne Leistungs¬
fähiger freuen und nur dafür sorgen, daß Schwindler ihren Mitbürgern nicht
das Fell über die Ohren ziehen. Das ' Mitglied des Beirates im Kriegs¬
ernährungsamt Syndikus Georg Lißke sagte irgendwo: "Das Grundprinzip der
fteien individualistischen Wirtschaftsordnung hat in dieser Kriegszeit einen ent¬
scheidenden Sieg erfochten. Es hat sich---als das allein Mögliche, als
das Grundprinzip jeder modernen Wirtschaftsordnung herausgestellt."----
"Die allgemeine Desorganisation des Marktes--ist erwachsen einzig und
allein aus den übernormalen Ansprüchen und Forderungen derjenigen
Konsumentenkreise, die durch die Preispolitik der Heeresverwaltung zu einer
übernormalen Kaufkraft gelangt sind.---Man zahlt in der Kriegsindustrie


Grenzboten III 1S13 "2
Wirtschaft, Horatiol

gefährdeten Nechtsgüter der deutschen Nation geschützt. Milde ist nicht an¬
gebracht. Der Gerechtigkeit hat Genüge zu geschehen. Jene schwerarbeitende
fünsundsechzigjährige Frau mit krankem sechsundsiebenzigjährigen Mann, drei
Söhne im Feld, versäumte es, als ihr erkranktes einziges Pferd notgeschlachtet
werden mußte, ja, sie versäumte es, die Verblendete, die Zuweisung von Futter-
haser beim Magistrat abzumelden. Mit Recht wollte ein Strafbefehl dies Ver¬
brechen gegen die geheiligte Satzung mit 4000 Mark Geldstrafe ahnden, oder mit
einem Jahre Gefängms. Doch das matte Gericht setzte die Strafe aus
hundert Mark herab.

Strafe! Strafe! Strafe! Dies ist der Weisheit letzter Schluß.

Voraussetzung für die Annahme des Sachwuchers ist im gemeinen Straf¬
recht die gewerbs- und gewohnheitsmäßige Ausbeutung der wirtschaftlichen Not¬
lage eines andern und die Absicht der Erzielung übermäßigen Gewinnes. Im
Kriegswucherrecht ist auch das vorteilhafte Einzelgeschäst als Kriegswucher
strafbar, Ausbeutung nicht nötig, nur „Gefährdung des erstrebten gemeinsamen
Durchhaltens". Und dennoch „Wucher" mit dem ganzen Odium der Verächtlich¬
keit, das an diesem Worte klebt, man mag aus- und unterlegen, was man will.

Eine Preis- und Gewinnberechnung, die einmal nicht genau nach den
höchst klaren, niemals sich widersprechenden, niemals abweichender Inter¬
pretation zugängigen behördlichen Vorschriften kalkuliere wurde, ist Kriegswucher.
Die Tatbestandsmerkmale des Wuchers sind im Gesetz scharf umrissen, die deS
Kriegswuchers nicht. Du erfährst erst vom Strafsenat des Reichsgerichts, ob du
ein Kriegswucherer bist oder ein tadelloser Ehrenmann. So will es die Gelegen¬
heitsgesetzgebung, die alles dem Richter überläßt, weil sie selber keine Zeit hatte
zu Begriffsbestimmungen.

Wenn die Inhaber zweier Firmen, Nachbaren, dieselben Waren in den¬
selben Mengen zu je 14 und 10 Mark für die Gewichtseinheit gekauft haben, aus
den richtigen Durchschnittspreis von 12 Mark einen angemessenen Gewinn
schlagen und zu dem so gebildeten Preis verkaufen, so kann der eine ein Kriegs¬
wucherer, der andere ein ehrbarer Kaufmann sein, denn entscheidend ist für die
Beurteilung des Verkaufspreises als erlaubt oder unerlaubt, ob „der zahlen- und
buchmäßige Nachweis dafür erbracht wird, daß die Durchschnittsberechnung vor
der Forderung des Preises und erst recht vor seiner Beanstandung einwandfrei
vorgenommen worden ist". So dekretiert die volkswirtschaftliche Abteilung des
Kriegsernährungsamtes. Nicht der Preis ist entscheidend, sondern die Tages¬
angabe auf einem Blatt Papier. Wer dem Staate den vortrefflichen Motor zu
18 000 Mark liefert, um 8000 Mark billiger als der Wettbewerber, der seine
keinenfalls höherwertige Maschine für 26 000 Mark verkauft, gehört dem nicht
Dank und Anerkennung? Tu! Sofern er, der billigere, nichts oder nur wemg
oder höchstens „angemessen" verdient. Verdient er „unangemessen" oder „über¬
mäßig", dann dreimal wehe über ihn, denn vom Rechte, das nach ihm geboren
ist, von dem ist leider hier die Frage! Der ehrbare Kaufmann und der Kriegs-
gewinnstler, der im Pfuhl als Blase in die Höhe gestiegen ist, sie werden über
denselben Kamm geschoren. Und wozu der Lärm? Vater Staat steckt ja doch,
mit Recht, wir gönnens ihm, den größten Teil der Gewinne als Steuer ein-
Da mag er denn, so die Preise angemessen sind, sich der Gewinne Leistungs¬
fähiger freuen und nur dafür sorgen, daß Schwindler ihren Mitbürgern nicht
das Fell über die Ohren ziehen. Das ' Mitglied des Beirates im Kriegs¬
ernährungsamt Syndikus Georg Lißke sagte irgendwo: „Das Grundprinzip der
fteien individualistischen Wirtschaftsordnung hat in dieser Kriegszeit einen ent¬
scheidenden Sieg erfochten. Es hat sich---als das allein Mögliche, als
das Grundprinzip jeder modernen Wirtschaftsordnung herausgestellt."----
„Die allgemeine Desorganisation des Marktes--ist erwachsen einzig und
allein aus den übernormalen Ansprüchen und Forderungen derjenigen
Konsumentenkreise, die durch die Preispolitik der Heeresverwaltung zu einer
übernormalen Kaufkraft gelangt sind.---Man zahlt in der Kriegsindustrie


Grenzboten III 1S13 »2
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[0285] Wirtschaft, Horatiol gefährdeten Nechtsgüter der deutschen Nation geschützt. Milde ist nicht an¬ gebracht. Der Gerechtigkeit hat Genüge zu geschehen. Jene schwerarbeitende fünsundsechzigjährige Frau mit krankem sechsundsiebenzigjährigen Mann, drei Söhne im Feld, versäumte es, als ihr erkranktes einziges Pferd notgeschlachtet werden mußte, ja, sie versäumte es, die Verblendete, die Zuweisung von Futter- haser beim Magistrat abzumelden. Mit Recht wollte ein Strafbefehl dies Ver¬ brechen gegen die geheiligte Satzung mit 4000 Mark Geldstrafe ahnden, oder mit einem Jahre Gefängms. Doch das matte Gericht setzte die Strafe aus hundert Mark herab. Strafe! Strafe! Strafe! Dies ist der Weisheit letzter Schluß. Voraussetzung für die Annahme des Sachwuchers ist im gemeinen Straf¬ recht die gewerbs- und gewohnheitsmäßige Ausbeutung der wirtschaftlichen Not¬ lage eines andern und die Absicht der Erzielung übermäßigen Gewinnes. Im Kriegswucherrecht ist auch das vorteilhafte Einzelgeschäst als Kriegswucher strafbar, Ausbeutung nicht nötig, nur „Gefährdung des erstrebten gemeinsamen Durchhaltens". Und dennoch „Wucher" mit dem ganzen Odium der Verächtlich¬ keit, das an diesem Worte klebt, man mag aus- und unterlegen, was man will. Eine Preis- und Gewinnberechnung, die einmal nicht genau nach den höchst klaren, niemals sich widersprechenden, niemals abweichender Inter¬ pretation zugängigen behördlichen Vorschriften kalkuliere wurde, ist Kriegswucher. Die Tatbestandsmerkmale des Wuchers sind im Gesetz scharf umrissen, die deS Kriegswuchers nicht. Du erfährst erst vom Strafsenat des Reichsgerichts, ob du ein Kriegswucherer bist oder ein tadelloser Ehrenmann. So will es die Gelegen¬ heitsgesetzgebung, die alles dem Richter überläßt, weil sie selber keine Zeit hatte zu Begriffsbestimmungen. Wenn die Inhaber zweier Firmen, Nachbaren, dieselben Waren in den¬ selben Mengen zu je 14 und 10 Mark für die Gewichtseinheit gekauft haben, aus den richtigen Durchschnittspreis von 12 Mark einen angemessenen Gewinn schlagen und zu dem so gebildeten Preis verkaufen, so kann der eine ein Kriegs¬ wucherer, der andere ein ehrbarer Kaufmann sein, denn entscheidend ist für die Beurteilung des Verkaufspreises als erlaubt oder unerlaubt, ob „der zahlen- und buchmäßige Nachweis dafür erbracht wird, daß die Durchschnittsberechnung vor der Forderung des Preises und erst recht vor seiner Beanstandung einwandfrei vorgenommen worden ist". So dekretiert die volkswirtschaftliche Abteilung des Kriegsernährungsamtes. Nicht der Preis ist entscheidend, sondern die Tages¬ angabe auf einem Blatt Papier. Wer dem Staate den vortrefflichen Motor zu 18 000 Mark liefert, um 8000 Mark billiger als der Wettbewerber, der seine keinenfalls höherwertige Maschine für 26 000 Mark verkauft, gehört dem nicht Dank und Anerkennung? Tu! Sofern er, der billigere, nichts oder nur wemg oder höchstens „angemessen" verdient. Verdient er „unangemessen" oder „über¬ mäßig", dann dreimal wehe über ihn, denn vom Rechte, das nach ihm geboren ist, von dem ist leider hier die Frage! Der ehrbare Kaufmann und der Kriegs- gewinnstler, der im Pfuhl als Blase in die Höhe gestiegen ist, sie werden über denselben Kamm geschoren. Und wozu der Lärm? Vater Staat steckt ja doch, mit Recht, wir gönnens ihm, den größten Teil der Gewinne als Steuer ein- Da mag er denn, so die Preise angemessen sind, sich der Gewinne Leistungs¬ fähiger freuen und nur dafür sorgen, daß Schwindler ihren Mitbürgern nicht das Fell über die Ohren ziehen. Das ' Mitglied des Beirates im Kriegs¬ ernährungsamt Syndikus Georg Lißke sagte irgendwo: „Das Grundprinzip der fteien individualistischen Wirtschaftsordnung hat in dieser Kriegszeit einen ent¬ scheidenden Sieg erfochten. Es hat sich---als das allein Mögliche, als das Grundprinzip jeder modernen Wirtschaftsordnung herausgestellt."---- „Die allgemeine Desorganisation des Marktes--ist erwachsen einzig und allein aus den übernormalen Ansprüchen und Forderungen derjenigen Konsumentenkreise, die durch die Preispolitik der Heeresverwaltung zu einer übernormalen Kaufkraft gelangt sind.---Man zahlt in der Kriegsindustrie Grenzboten III 1S13 »2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/285>, abgerufen am 22.07.2024.