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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker

gleichgültig sie nur sonst überall in der Welt sind, doch in London einen solchen
Charakter von Weltumfassung und Großartigkeit haben, daß sie sast den Eindruck
von Epopöen machen". Ein Sattes, etwas stumpfes Gefühl der Selbstzufriedenheit
ist die Folge des wirtschaftlichen Uberlegenheitsbewußtseins; dem Ausland, das nicht
als ernsthafter Wettbewerber in Betracht kommt, gönnt der Engländer sonst alles Gute:


"Ihr schwärmt entzückt mit begeisterten Blicken
Für die Freiheit der Völker, die ohne Fabriken." --

Desto niederdrückender empfindet es Grillparzer, daß dieser äußeren Größe
kein Gefühl für die geistige zur Seite steht. Die vornehme Welt kümmert sich
nicht um die Werke der englischen Geisteshelden, und das Volk zieht die leerste
Gesangsposse einem Stück Shakespeares vor. Bei einer Shakespeareaufführung
war Grillparzer anwesend: "Die entgegengesetzten Seiten der Galerie führten
über das Paterre weg Gespräche miteinander, zankten, schrien, begehrten, daß
dieser oder jener hinausgeworfen werde." Auch bemerkt Grillparzer, daß das
Theater mit Absicht sich der Aufgabe, volksbildend zu wirken, entzieht; und "alle
öffentlichen Anstalten tun das Möglichste, um das gemeine Volk auszuschließen,"
zugleich auch, weil sie nach dem eigenen Geständnis des Direktors des Zoologischen
Gartens die Roheit dieses Volkes fürchten. Aber der Haupltadel Grillparzers trifft
darum die herrschenden Klassen in England: "Alle diese Ausschließungsmaßregeln,
ja die ganze puritanische Sonntagsfeier scheinen nur da, um denselben Pöbel ab¬
sichtlich in seiner Roheit zu erhalten."

Nur durch die Literatur gewinnt Otto Ludwig, den seine Verhältnisse und
sein Zustand gleicherweise in das thüringische Kleinleben bannen, Einblick in die
englische Volksnatur. Er findet bei den Engländern im Gegensatz zu den Deutschen,
daß der Verstand nie die Herrschaft über die Phantasie verliere; bei Betrachtung
von "Wesen und Technik des Romans bei den Engländern" bewundert er ihre
Zielsicherheit und erweitert seine Beobachtungen zu folgenden Satz: "Diese Kalt¬
blütigkeit, dieses Unterordnen und Auseinanderhalten, diese vorsichtige, umsichtige
Ruhe, diese Totalität, mit der er bei jedem Moment und dem, was nötig, mit
ganzer Seele ist, diese Ausdauer, die nichts durch übereilen verderben will und
jedem Anspruch genügt, dieses ruhige Abwarten, das dem Engländer eigen, macht
ihn zum großen Romanschreiber wie zum großen Staatsmann." Die Klein¬
heit der heimatlichen Verhältnisse, meint Ludwig, zwingt den deutschen Roman¬
schreiber dazu, anstatt der großen Stoffmassen sich mit der Durchdringung und
Verinnerlichung eng begrenzter Bilder zu begnügen; er spricht -- und leider durfte
er es als Sohn eines deutschen Kleinstaates vor dem Einigungsjahr 1870 -- den
Engländern das.nationale Selbstgefühl als selbstverständlich zu wie den Deutschen
ebenso ab: "Wir haben kein London, in welchem das Wunderbarste natürlich er¬
scheint, weil es in Wirklichkeit so ist, keinen Verkehr mit Kolonien in allen Welt¬
teilen, kein so großes politisches Leben, und wenn wir dem Deutschen nationales
Selbstgefühl geben, so fehlt dazu der Boden, aus dem es organisch hervorwüchse
und berechtigt erschiene, wir müßten es denn als Ausnahme darstellen."

Dieses Bild der deutschen Art in ihrer Stellung zum Auslande ist es,
das noch heute das englische und französische Denken beherrscht. Das Bild
des deutschen in Kunst und Literatur aufgehenden Idealisten, der bei der
"Teilung der Erde" zu spät gekommen ,ist, wie es vor hundert Jahren Frau
von Stahl in ihrem Buch über Deutschland gezeichnet hat. Es ist das Bild, das
uns noch heute entgegen gehalten wird, wenn unsere Feinde daS geistige Deutschland
dem Deutschland der Weltpolitik und des staatlichen Zwangs vorwerfen, als ob
die Erweiterung und Festigung des staatlichen Machtbereichs mit geistiger Abstumpfung
gebüßt werde, als ob, um ein Beispiel statt vieler zu nennen, nicht das siegreiche
Athen der Perserkriege die großen Künstler. Dichter und Denker hervorgebracht
habe, aber nicht das von Sparta oder Rom unterjochte.




Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker

gleichgültig sie nur sonst überall in der Welt sind, doch in London einen solchen
Charakter von Weltumfassung und Großartigkeit haben, daß sie sast den Eindruck
von Epopöen machen". Ein Sattes, etwas stumpfes Gefühl der Selbstzufriedenheit
ist die Folge des wirtschaftlichen Uberlegenheitsbewußtseins; dem Ausland, das nicht
als ernsthafter Wettbewerber in Betracht kommt, gönnt der Engländer sonst alles Gute:


„Ihr schwärmt entzückt mit begeisterten Blicken
Für die Freiheit der Völker, die ohne Fabriken." —

Desto niederdrückender empfindet es Grillparzer, daß dieser äußeren Größe
kein Gefühl für die geistige zur Seite steht. Die vornehme Welt kümmert sich
nicht um die Werke der englischen Geisteshelden, und das Volk zieht die leerste
Gesangsposse einem Stück Shakespeares vor. Bei einer Shakespeareaufführung
war Grillparzer anwesend: „Die entgegengesetzten Seiten der Galerie führten
über das Paterre weg Gespräche miteinander, zankten, schrien, begehrten, daß
dieser oder jener hinausgeworfen werde." Auch bemerkt Grillparzer, daß das
Theater mit Absicht sich der Aufgabe, volksbildend zu wirken, entzieht; und „alle
öffentlichen Anstalten tun das Möglichste, um das gemeine Volk auszuschließen,"
zugleich auch, weil sie nach dem eigenen Geständnis des Direktors des Zoologischen
Gartens die Roheit dieses Volkes fürchten. Aber der Haupltadel Grillparzers trifft
darum die herrschenden Klassen in England: „Alle diese Ausschließungsmaßregeln,
ja die ganze puritanische Sonntagsfeier scheinen nur da, um denselben Pöbel ab¬
sichtlich in seiner Roheit zu erhalten."

Nur durch die Literatur gewinnt Otto Ludwig, den seine Verhältnisse und
sein Zustand gleicherweise in das thüringische Kleinleben bannen, Einblick in die
englische Volksnatur. Er findet bei den Engländern im Gegensatz zu den Deutschen,
daß der Verstand nie die Herrschaft über die Phantasie verliere; bei Betrachtung
von „Wesen und Technik des Romans bei den Engländern" bewundert er ihre
Zielsicherheit und erweitert seine Beobachtungen zu folgenden Satz: „Diese Kalt¬
blütigkeit, dieses Unterordnen und Auseinanderhalten, diese vorsichtige, umsichtige
Ruhe, diese Totalität, mit der er bei jedem Moment und dem, was nötig, mit
ganzer Seele ist, diese Ausdauer, die nichts durch übereilen verderben will und
jedem Anspruch genügt, dieses ruhige Abwarten, das dem Engländer eigen, macht
ihn zum großen Romanschreiber wie zum großen Staatsmann." Die Klein¬
heit der heimatlichen Verhältnisse, meint Ludwig, zwingt den deutschen Roman¬
schreiber dazu, anstatt der großen Stoffmassen sich mit der Durchdringung und
Verinnerlichung eng begrenzter Bilder zu begnügen; er spricht — und leider durfte
er es als Sohn eines deutschen Kleinstaates vor dem Einigungsjahr 1870 — den
Engländern das.nationale Selbstgefühl als selbstverständlich zu wie den Deutschen
ebenso ab: „Wir haben kein London, in welchem das Wunderbarste natürlich er¬
scheint, weil es in Wirklichkeit so ist, keinen Verkehr mit Kolonien in allen Welt¬
teilen, kein so großes politisches Leben, und wenn wir dem Deutschen nationales
Selbstgefühl geben, so fehlt dazu der Boden, aus dem es organisch hervorwüchse
und berechtigt erschiene, wir müßten es denn als Ausnahme darstellen."

Dieses Bild der deutschen Art in ihrer Stellung zum Auslande ist es,
das noch heute das englische und französische Denken beherrscht. Das Bild
des deutschen in Kunst und Literatur aufgehenden Idealisten, der bei der
„Teilung der Erde" zu spät gekommen ,ist, wie es vor hundert Jahren Frau
von Stahl in ihrem Buch über Deutschland gezeichnet hat. Es ist das Bild, das
uns noch heute entgegen gehalten wird, wenn unsere Feinde daS geistige Deutschland
dem Deutschland der Weltpolitik und des staatlichen Zwangs vorwerfen, als ob
die Erweiterung und Festigung des staatlichen Machtbereichs mit geistiger Abstumpfung
gebüßt werde, als ob, um ein Beispiel statt vieler zu nennen, nicht das siegreiche
Athen der Perserkriege die großen Künstler. Dichter und Denker hervorgebracht
habe, aber nicht das von Sparta oder Rom unterjochte.




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[0266] Englands Bild in den Augen der deutschen Klassiker gleichgültig sie nur sonst überall in der Welt sind, doch in London einen solchen Charakter von Weltumfassung und Großartigkeit haben, daß sie sast den Eindruck von Epopöen machen". Ein Sattes, etwas stumpfes Gefühl der Selbstzufriedenheit ist die Folge des wirtschaftlichen Uberlegenheitsbewußtseins; dem Ausland, das nicht als ernsthafter Wettbewerber in Betracht kommt, gönnt der Engländer sonst alles Gute: „Ihr schwärmt entzückt mit begeisterten Blicken Für die Freiheit der Völker, die ohne Fabriken." — Desto niederdrückender empfindet es Grillparzer, daß dieser äußeren Größe kein Gefühl für die geistige zur Seite steht. Die vornehme Welt kümmert sich nicht um die Werke der englischen Geisteshelden, und das Volk zieht die leerste Gesangsposse einem Stück Shakespeares vor. Bei einer Shakespeareaufführung war Grillparzer anwesend: „Die entgegengesetzten Seiten der Galerie führten über das Paterre weg Gespräche miteinander, zankten, schrien, begehrten, daß dieser oder jener hinausgeworfen werde." Auch bemerkt Grillparzer, daß das Theater mit Absicht sich der Aufgabe, volksbildend zu wirken, entzieht; und „alle öffentlichen Anstalten tun das Möglichste, um das gemeine Volk auszuschließen," zugleich auch, weil sie nach dem eigenen Geständnis des Direktors des Zoologischen Gartens die Roheit dieses Volkes fürchten. Aber der Haupltadel Grillparzers trifft darum die herrschenden Klassen in England: „Alle diese Ausschließungsmaßregeln, ja die ganze puritanische Sonntagsfeier scheinen nur da, um denselben Pöbel ab¬ sichtlich in seiner Roheit zu erhalten." Nur durch die Literatur gewinnt Otto Ludwig, den seine Verhältnisse und sein Zustand gleicherweise in das thüringische Kleinleben bannen, Einblick in die englische Volksnatur. Er findet bei den Engländern im Gegensatz zu den Deutschen, daß der Verstand nie die Herrschaft über die Phantasie verliere; bei Betrachtung von „Wesen und Technik des Romans bei den Engländern" bewundert er ihre Zielsicherheit und erweitert seine Beobachtungen zu folgenden Satz: „Diese Kalt¬ blütigkeit, dieses Unterordnen und Auseinanderhalten, diese vorsichtige, umsichtige Ruhe, diese Totalität, mit der er bei jedem Moment und dem, was nötig, mit ganzer Seele ist, diese Ausdauer, die nichts durch übereilen verderben will und jedem Anspruch genügt, dieses ruhige Abwarten, das dem Engländer eigen, macht ihn zum großen Romanschreiber wie zum großen Staatsmann." Die Klein¬ heit der heimatlichen Verhältnisse, meint Ludwig, zwingt den deutschen Roman¬ schreiber dazu, anstatt der großen Stoffmassen sich mit der Durchdringung und Verinnerlichung eng begrenzter Bilder zu begnügen; er spricht — und leider durfte er es als Sohn eines deutschen Kleinstaates vor dem Einigungsjahr 1870 — den Engländern das.nationale Selbstgefühl als selbstverständlich zu wie den Deutschen ebenso ab: „Wir haben kein London, in welchem das Wunderbarste natürlich er¬ scheint, weil es in Wirklichkeit so ist, keinen Verkehr mit Kolonien in allen Welt¬ teilen, kein so großes politisches Leben, und wenn wir dem Deutschen nationales Selbstgefühl geben, so fehlt dazu der Boden, aus dem es organisch hervorwüchse und berechtigt erschiene, wir müßten es denn als Ausnahme darstellen." Dieses Bild der deutschen Art in ihrer Stellung zum Auslande ist es, das noch heute das englische und französische Denken beherrscht. Das Bild des deutschen in Kunst und Literatur aufgehenden Idealisten, der bei der „Teilung der Erde" zu spät gekommen ,ist, wie es vor hundert Jahren Frau von Stahl in ihrem Buch über Deutschland gezeichnet hat. Es ist das Bild, das uns noch heute entgegen gehalten wird, wenn unsere Feinde daS geistige Deutschland dem Deutschland der Weltpolitik und des staatlichen Zwangs vorwerfen, als ob die Erweiterung und Festigung des staatlichen Machtbereichs mit geistiger Abstumpfung gebüßt werde, als ob, um ein Beispiel statt vieler zu nennen, nicht das siegreiche Athen der Perserkriege die großen Künstler. Dichter und Denker hervorgebracht habe, aber nicht das von Sparta oder Rom unterjochte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/266>, abgerufen am 22.07.2024.