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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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zeichnet, dem fiktiven Repräsentanten einer Geistigkeit, die zur Deutung der
neueren Geschichte sehr wertvolle Hilfen geben kann.*)

Erklärung zur bloßen Tatsachenfeststellung hinzubringen will auch die
sogenannte ökonomische oder die materialistische Geschichtsauffassung. Einerlei
ob mau mit Dürkheim die Geschichte als Fortschritt der Arbeitsteilung, ob man
sie mit Loria als Klassenkampf, ob man sie mit Marx und Engels als gelenkt
durch Produktionskräfte begreift, in allen diesen und verwandten Theorien steckt
der Versuch, eine allgemeine Gesetzlichkeit jenseits der rein historischen, das
Einmalige konstatierender Tatsachenfolge zu ergründen.

Damit sind wir aber zu einem von den bisher erörterten psychologischen
Geschichtsdeutungen verschiedenen neuen Prinzip gelangt: zum soziologischen.
Die Geschichte wird zur Soziologie.




Der soziologische Standpunkt ist vom psychologischen, auch dem sozial¬
psychologischen, von veren wir bisher sprachen, wesentlich verschieden. Allerdings
steht er nicht im ausschließenden Gegensatz zu jenem, sondern ergänzt ihn gleich¬
sam von einer andern Seite her. Er geht nicht von den in einer individuellen
oder auch kollektiven Psyche wurzelnden Tatsachen aus: er beachtet vor allem das
zwischen den einzelnen psychischen Einheiten spielende Leben. Dies hat zwar
psychologische Momente zur Vorbedingung, wächst jedoch darüber hinaus. Tritt
eilte psychische Einheit ^ mit einer psychischen Einheit L in Beziehung, so ist diese
Beziehung keineswegs restlos aus der Psychologie von ^ und ZZ zu errechnen;
sie ist vielmehr etwas Neues. Um das an einem Beispiel zu illustrieren, so
empfinden wir das alle, wenn wir in eine Gesellschaft eintreten. Es wirkt sich
dabei keineswegs unsere ganze Individualität aus, nein, sie unterliegt allen
möglichen unfaßbarer Nötigungen, die sich nicht aus unserer Individualität allein
begreifen lassen. Diese überindividuellen Nötigungen, diese oft schwer faßbaren
und doch ungeheuer starken sozialen Realitäten machen das Hauptinteresse der
Soziologie aus. Diese Wechselwirkungen innerhalb sozialer Gruppen haben ihre
eigne Gesetzlichkeit und ihre eignen Entwicklungstendenzen, und eben sie sucht die
Soziologie zu erfassen.

Unter diesem Gesichtspunkt rücken dieselben Tatsachen, die früher die
Pragmatische Geschichtsschreibung und die psychologische Geschichtsbetrachtung
behandelt hatten, in neue Beleuchtung. Während die erste die Tatsachen der
Kunst z. B. sammelte, nach ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ordnete und ver¬
knüpfte, während die zweite dieselben/Tatsachen aus der individuellen Eigenart
der schöpferischen Individuen, aus dem Zeit- oder Volksgeist zu erklären strebte,
erscheint der soziologischen Betrachtung die Kunst als soziales Phänomen. Der
Soziologe untersucht die überindividuellen Bedingtheiten, die die Kunst beeinflußt
haben, sucht sie und ihre Formen als Teilfaktoren des sozialen Lebens zu begreifen
und erkennt auf diese Weise ganz neue Zusammenhänge.

Dabei ist kennzeichnend für die soziologische Betrachtung, daß sie noch
weniger als die psychologische die Singularität der Tatsachen, die den pragma¬
tischen Historiker fast ausschließlich interessierte, im Auge hat; ihr Interesse ist
vielmehr auf allgemeine Erkenntnisse gerichtet. Der Begriff des historischen
"Gesetzes" war lange Zeit etwas in Mißkredit geraten, nachdem unklare Köpfe
vorschnell solche Gesetze, womöglich von metaphysischen Gesichtspunkten aus, auf¬
gestellt hatten. Die Soziologie versucht auf empirisch-induktiven Wege zu solchen
allgemeinen Erkenntnissen zu gelangen. Auch uns scheint es dabei verkehrt, zu
glauben, man würde in den Geisteswissenschaften jemals zu Gesetzen im Sinne
der Naturwissenschaft, also mathematisch formulierbaren Gesetzen kommen. Uns
scheint es vielmehr ratsam, überhaupt den Begriff des "Gesetzes", der leicht solche



*) Einen Versuch, die Weltgeschichte psychologischen Typen unterzuordnen,
erbringt niein demnächst erscheinendes Buch: "Persönlichkeit und Weltanschauung"
(Leipzig und Berlin, B. G. Deubner). '
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zeichnet, dem fiktiven Repräsentanten einer Geistigkeit, die zur Deutung der
neueren Geschichte sehr wertvolle Hilfen geben kann.*)

Erklärung zur bloßen Tatsachenfeststellung hinzubringen will auch die
sogenannte ökonomische oder die materialistische Geschichtsauffassung. Einerlei
ob mau mit Dürkheim die Geschichte als Fortschritt der Arbeitsteilung, ob man
sie mit Loria als Klassenkampf, ob man sie mit Marx und Engels als gelenkt
durch Produktionskräfte begreift, in allen diesen und verwandten Theorien steckt
der Versuch, eine allgemeine Gesetzlichkeit jenseits der rein historischen, das
Einmalige konstatierender Tatsachenfolge zu ergründen.

Damit sind wir aber zu einem von den bisher erörterten psychologischen
Geschichtsdeutungen verschiedenen neuen Prinzip gelangt: zum soziologischen.
Die Geschichte wird zur Soziologie.




Der soziologische Standpunkt ist vom psychologischen, auch dem sozial¬
psychologischen, von veren wir bisher sprachen, wesentlich verschieden. Allerdings
steht er nicht im ausschließenden Gegensatz zu jenem, sondern ergänzt ihn gleich¬
sam von einer andern Seite her. Er geht nicht von den in einer individuellen
oder auch kollektiven Psyche wurzelnden Tatsachen aus: er beachtet vor allem das
zwischen den einzelnen psychischen Einheiten spielende Leben. Dies hat zwar
psychologische Momente zur Vorbedingung, wächst jedoch darüber hinaus. Tritt
eilte psychische Einheit ^ mit einer psychischen Einheit L in Beziehung, so ist diese
Beziehung keineswegs restlos aus der Psychologie von ^ und ZZ zu errechnen;
sie ist vielmehr etwas Neues. Um das an einem Beispiel zu illustrieren, so
empfinden wir das alle, wenn wir in eine Gesellschaft eintreten. Es wirkt sich
dabei keineswegs unsere ganze Individualität aus, nein, sie unterliegt allen
möglichen unfaßbarer Nötigungen, die sich nicht aus unserer Individualität allein
begreifen lassen. Diese überindividuellen Nötigungen, diese oft schwer faßbaren
und doch ungeheuer starken sozialen Realitäten machen das Hauptinteresse der
Soziologie aus. Diese Wechselwirkungen innerhalb sozialer Gruppen haben ihre
eigne Gesetzlichkeit und ihre eignen Entwicklungstendenzen, und eben sie sucht die
Soziologie zu erfassen.

Unter diesem Gesichtspunkt rücken dieselben Tatsachen, die früher die
Pragmatische Geschichtsschreibung und die psychologische Geschichtsbetrachtung
behandelt hatten, in neue Beleuchtung. Während die erste die Tatsachen der
Kunst z. B. sammelte, nach ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ordnete und ver¬
knüpfte, während die zweite dieselben/Tatsachen aus der individuellen Eigenart
der schöpferischen Individuen, aus dem Zeit- oder Volksgeist zu erklären strebte,
erscheint der soziologischen Betrachtung die Kunst als soziales Phänomen. Der
Soziologe untersucht die überindividuellen Bedingtheiten, die die Kunst beeinflußt
haben, sucht sie und ihre Formen als Teilfaktoren des sozialen Lebens zu begreifen
und erkennt auf diese Weise ganz neue Zusammenhänge.

Dabei ist kennzeichnend für die soziologische Betrachtung, daß sie noch
weniger als die psychologische die Singularität der Tatsachen, die den pragma¬
tischen Historiker fast ausschließlich interessierte, im Auge hat; ihr Interesse ist
vielmehr auf allgemeine Erkenntnisse gerichtet. Der Begriff des historischen
„Gesetzes" war lange Zeit etwas in Mißkredit geraten, nachdem unklare Köpfe
vorschnell solche Gesetze, womöglich von metaphysischen Gesichtspunkten aus, auf¬
gestellt hatten. Die Soziologie versucht auf empirisch-induktiven Wege zu solchen
allgemeinen Erkenntnissen zu gelangen. Auch uns scheint es dabei verkehrt, zu
glauben, man würde in den Geisteswissenschaften jemals zu Gesetzen im Sinne
der Naturwissenschaft, also mathematisch formulierbaren Gesetzen kommen. Uns
scheint es vielmehr ratsam, überhaupt den Begriff des „Gesetzes", der leicht solche



*) Einen Versuch, die Weltgeschichte psychologischen Typen unterzuordnen,
erbringt niein demnächst erscheinendes Buch: „Persönlichkeit und Weltanschauung"
(Leipzig und Berlin, B. G. Deubner). '
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[0257] Wandlungen des historischen Intlresscs zeichnet, dem fiktiven Repräsentanten einer Geistigkeit, die zur Deutung der neueren Geschichte sehr wertvolle Hilfen geben kann.*) Erklärung zur bloßen Tatsachenfeststellung hinzubringen will auch die sogenannte ökonomische oder die materialistische Geschichtsauffassung. Einerlei ob mau mit Dürkheim die Geschichte als Fortschritt der Arbeitsteilung, ob man sie mit Loria als Klassenkampf, ob man sie mit Marx und Engels als gelenkt durch Produktionskräfte begreift, in allen diesen und verwandten Theorien steckt der Versuch, eine allgemeine Gesetzlichkeit jenseits der rein historischen, das Einmalige konstatierender Tatsachenfolge zu ergründen. Damit sind wir aber zu einem von den bisher erörterten psychologischen Geschichtsdeutungen verschiedenen neuen Prinzip gelangt: zum soziologischen. Die Geschichte wird zur Soziologie. Der soziologische Standpunkt ist vom psychologischen, auch dem sozial¬ psychologischen, von veren wir bisher sprachen, wesentlich verschieden. Allerdings steht er nicht im ausschließenden Gegensatz zu jenem, sondern ergänzt ihn gleich¬ sam von einer andern Seite her. Er geht nicht von den in einer individuellen oder auch kollektiven Psyche wurzelnden Tatsachen aus: er beachtet vor allem das zwischen den einzelnen psychischen Einheiten spielende Leben. Dies hat zwar psychologische Momente zur Vorbedingung, wächst jedoch darüber hinaus. Tritt eilte psychische Einheit ^ mit einer psychischen Einheit L in Beziehung, so ist diese Beziehung keineswegs restlos aus der Psychologie von ^ und ZZ zu errechnen; sie ist vielmehr etwas Neues. Um das an einem Beispiel zu illustrieren, so empfinden wir das alle, wenn wir in eine Gesellschaft eintreten. Es wirkt sich dabei keineswegs unsere ganze Individualität aus, nein, sie unterliegt allen möglichen unfaßbarer Nötigungen, die sich nicht aus unserer Individualität allein begreifen lassen. Diese überindividuellen Nötigungen, diese oft schwer faßbaren und doch ungeheuer starken sozialen Realitäten machen das Hauptinteresse der Soziologie aus. Diese Wechselwirkungen innerhalb sozialer Gruppen haben ihre eigne Gesetzlichkeit und ihre eignen Entwicklungstendenzen, und eben sie sucht die Soziologie zu erfassen. Unter diesem Gesichtspunkt rücken dieselben Tatsachen, die früher die Pragmatische Geschichtsschreibung und die psychologische Geschichtsbetrachtung behandelt hatten, in neue Beleuchtung. Während die erste die Tatsachen der Kunst z. B. sammelte, nach ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge ordnete und ver¬ knüpfte, während die zweite dieselben/Tatsachen aus der individuellen Eigenart der schöpferischen Individuen, aus dem Zeit- oder Volksgeist zu erklären strebte, erscheint der soziologischen Betrachtung die Kunst als soziales Phänomen. Der Soziologe untersucht die überindividuellen Bedingtheiten, die die Kunst beeinflußt haben, sucht sie und ihre Formen als Teilfaktoren des sozialen Lebens zu begreifen und erkennt auf diese Weise ganz neue Zusammenhänge. Dabei ist kennzeichnend für die soziologische Betrachtung, daß sie noch weniger als die psychologische die Singularität der Tatsachen, die den pragma¬ tischen Historiker fast ausschließlich interessierte, im Auge hat; ihr Interesse ist vielmehr auf allgemeine Erkenntnisse gerichtet. Der Begriff des historischen „Gesetzes" war lange Zeit etwas in Mißkredit geraten, nachdem unklare Köpfe vorschnell solche Gesetze, womöglich von metaphysischen Gesichtspunkten aus, auf¬ gestellt hatten. Die Soziologie versucht auf empirisch-induktiven Wege zu solchen allgemeinen Erkenntnissen zu gelangen. Auch uns scheint es dabei verkehrt, zu glauben, man würde in den Geisteswissenschaften jemals zu Gesetzen im Sinne der Naturwissenschaft, also mathematisch formulierbaren Gesetzen kommen. Uns scheint es vielmehr ratsam, überhaupt den Begriff des „Gesetzes", der leicht solche *) Einen Versuch, die Weltgeschichte psychologischen Typen unterzuordnen, erbringt niein demnächst erscheinendes Buch: „Persönlichkeit und Weltanschauung" (Leipzig und Berlin, B. G. Deubner). '

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/257>, abgerufen am 22.07.2024.